Leitsatz (amtlich)

Der Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers aus RVO § 1531 wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß nach seiner Entstehung der Rentenanspruch gemäß BKGG § 23 Abs 1 S 1 und AVAVG § 186 Abs 1 S 1 auf den Bund bzw auf die BA übergeleitet wird.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die rechtliche Qualifikation der Vorschriften, mit denen Ersatzberechtigungen eingeräumt werden (gesetzlich vorgeschriebener Übergang des Rentenanspruchs, Überleitung des Rentenanspruches durch Anzeige, Ersatzanspruch), sind nicht schon aus sich heraus geeignet, Rückschlüsse auf Stärke oder Rangstelle dieser Berechtigungen zuzulassen.

Es gibt keinen zuverlässigen, einheitlich zu handhabenden Maßstab bei der Bewertung einzelner miteinander konkurrierender Ersatzberechtigungen, es sei denn, man entscheidet sich stets für das Kriterium des Zeitvorrangs.

2. Der Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers nach RVO § 1531 entsteht grundsätzlich schon mit der Gewährung der Sozialhilfe; er haftet dem Versicherungsanspruch des Versicherten als Beschränkung an.

3. Sofern ein Versicherungsanspruch durch Anzeige übergeleitet werden kann (zB nach BKGG § 23 Abs 1, AVAVG § 186 Abs 1), tritt der Forderungsübergang frühestens mit Eingang der Anzeige ein; ein vorher begründeter Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers genießt infolge seiner Bindung des Versicherungsanspruch den Vorrang.

4. Hat der Rentenversicherungsträger die Rente wegen unzutreffender Beurteilung der Rangfolge der Ersatzberechtigungen an die BA statt an den Sozialhilfeträger überwiesen, so kann der Sozialhilfeträger gegen die BA einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch erheben.

 

Normenkette

RVO § 1531 Fassung: 1945-03-29; BKGG § 23 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1964-04-14; AVAVG § 186 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Revision der beigeladenen Bundesanstalt gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. November 1967 wird zurückgewiesen.

Die beigeladene Bundesanstalt hat dem Beigeladenen zu 2. die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) zahlt vom 1. August 1966 an dem Versicherten die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; für eine vorausgegangene Zeit - vom 1. Oktober 1965 bis 31. Juli 1966 - bewilligte sie die Rente rückwirkend in einem Gesamtbetrag von 5.834,- DM. Diese Summe behielt sie für rückständige Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von

123,70 DM

ein. Im übrigen verfügte sie wie folgt:

 a) 

 an das Arbeitsamt Elmshorn für vom Versicherten zu Unrecht bezogenes und zu erstattendes Arbeitslosengeld

  105,20 DM

 und zum Ausgleich der von Oktober 1965 bis einschließlich August 1966 bezogenen und zurückzufordernden Kindergelder

 2.255,- DM

 sowie

 b) 

 an die Klägerin - Trägerin der Sozialhilfe - zur Befriedigung des Ersatzanspruches gemäß § 1531 der Reichsversicherungsordnung (RVO)

 3.350,10 DM.

Der Anspruch der Sozialhilfe war sogleich mit dem Rentenantrag geltend gemacht worden. Das Arbeitsamt hatte einige Zeit später durch schriftliche Anzeigen vom 27.Juni 1966 die aufgelaufenen Rentenbeträge in Höhe der angeführten Leistungen für den Bund bzw. die Bundesanstalt beansprucht (§ 23 Abs. 1 Satz 1 des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG -; § 186 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG -).

Die Klägerin - Sozialhilfeträgerin - erhob wegen eines Betrages von 470,40 DM Klage gegen die LVA. Sie machte geltend, daß sie insoweit bei Verteilung der Rentennachzahlung zu Unrecht leer ausgegangen sei. In Höhe der Klageforderung war der an sie ausgeschüttete Betrag (3.350,10 DM) geringer als die Summe, die sie in der Zeit gezahlt hatte (3.820,50 DM), für welche die Rente nachzuzahlen war. Die Klägerin meint, ihre Ersatzforderung habe Vorrang vor den Rückforderungen der Arbeitsverwaltung und der Kindergeldkasse; durch Leistung an diese sei die Beklagte von ihrer Verpflichtung nicht frei geworden.

Das Sozialgericht (SG) hat die beklagte LVA und die beigeladene Bundesanstalt als Gesamtschuldner verurteilt, 470,40 DM an die Klägerin zu zahlen. Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind von dem Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen worden. Die Instanzgerichte haben die Rechtsauffassung der Klägerin geteilt, das Berufungsgericht (Urteil veröffentlicht in Breithaupt 1968, 707) vor allem deshalb, weil der Träger der Sozialhilfe nur subsidiär beim Ausbleiben irgendwelcher anderer für den Lebensbedarf benötigter Einkünfte einzuspringen habe. Trete er als letzte Hilfe vorläufig ein, so müsse ihm dafür bei rückwirkender Bewilligung anderer Bezüge vorab der Ausgleich verschafft werden. Hinzu komme, daß der Anspruch auf Rentennachzahlung bereits von seiner Entstehung an mit der Ersatzforderung des Sozialhilfeträgers behaftet gewesen sei; dagegen hätten die Überleitungsanzeigen des Arbeitsamtes den Rentenanspruch nur in dem noch nicht "vorbelasteten" Teil erfassen können. Von diesen Wirkungen seien auch die Kinderzuschüsse zur Rente nicht ausgenommen. Trotz einer gewissen Zweckbindung seien die Kinderzuschüsse nichts anderes als Bestandteile der Rente und teilten im allgemeinen deren rechtliches Schicksal. - Die Verurteilung der Beigeladenen hat das LSG auf die Überlegung gestützt, daß diese durch ihre Vorwegbefriedigung auf Kosten der Klägerin ungerechtfertigt bereichert sei.

Die beigeladene Bundesanstalt hat die - zugelassene - Revision eingelegt. Sie beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Bundesanstalt meint, sie vermöge selbständig und aus eigenem Recht die Revision wirksam einzulegen; zur Vornahme dieser Verfahrenshandlung sei sie um so mehr befugt, als sie - entgegen dem Inhalt des Beschlusses, mit dem das SG die Beiladung ausgesprochen habe - "notwendig" beigeladen sei. In ihrer Verurteilung erblickt, die Bundesanstalt eine Verletzung des Grundsatzes, daß das Gericht nichts zusprechen dürfe, was nicht geltend gemacht sei (§ 123 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Von ihr - der Beigeladenen - habe die Klägerin nichts verlangt. Zwischen ihr und der Klägerin habe auch, zumindest unmittelbar, keine Vermögensverschiebung stattgefunden; sie könne daher nicht auf deren Kosten bereichert sein. Sie hält die Auffassung des Berufungsgerichts für unrichtig, daß die Ersatzforderung des Sozialhilfeträgers vor dem Ausgleichsanspruch der Kindergeldkasse zu befriedigen sei. Die Subsidiarität der Leistungspflicht, nämlich das Einstehenmüssen, solange andere Leistungen noch nicht gewährt werden, gelte sowohl für das Kindergeld (§ 8 Abs. 3 BKGG) als auch für die Sozialhilfe. Hinzu komme, daß § 23 Abs.1 BKGG zu Gunsten der Kindergeldkasse eine spezielle - nur auf Kinderzulagen und Kinderzuschüsse des primär verpflichteten Sozialleistungsträgers gerichtete - Ersatzregelung treffe. Neben dieser Sonderregelung sei für eine "Vorbelastung" des Rentenanspruchs durch den Ersatzanspruch der Sozialhilfe kein Raum. Dem in BSG 24, 16 veröffentlichten Urteil entnimmt die Bundesanstalt die Richtlinie, daß der Sozialhilfeträger bei einer Rentennachzahlung nur das zurückzuerhalten habe, was er bei sofortiger Gewährung der Rente nicht hätte aufzuwenden brauchen. Von diesem Prinzip her habe der Sozialhilfeträger mit seiner Ersatzforderung zurückzustehen. Wegen Zahlung des Kindergeldes habe die Sozialhilfe niedriger gehalten werden können. Gleichwohl nehme die Klägerin nunmehr den Vorteil des vollen Ersatzes auch zu demjenigen Teil in Anspruch, in dem ihr keine Aufwendungen entstanden seien. Das Berufungsgericht habe des weiteren unbeachtet gelassen, daß der Erstattungsanspruch der Kindergeldkasse sich auf den Rentenbetrag für August 1966 erstrecke, die Ersatzforderung der Klägerin aber die Rente - wenn überhaupt - nur für die Zeit der Unterstützung (§§ 1535 b, 1536 RVO), nämlich bis zum Juli 1966 habe erfassen können. Das Kindergeld sei gemäß § 20 Abs. 1 BKGG zweimonatlich und damit zum Juli 1966 schon für den Monat August zu zahlen gewesen; zu dieser Zeit habe die Tatsache der Rentenbewilligung noch nicht berücksichtigt werden können. Schließlich bestreitet die Bundesanstalt, daß sie 123,70 DM zuviel aus dem Rentenaufkommen erhalten habe. Das LSG habe es gebilligt, daß die LVA die Rentennachzahlung in der genannten Höhe wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge gekürzt habe. Die LVA habe aber lediglich mit eigenen Beitragsforderungen und nicht schlechthin mit geschuldeten Sozialversicherungsbeiträgen aufrechnen dürfen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie leitet den Vorrang ihrer Ersatzforderung von der Überlegung her, daß ihr Recht sich originär aus dem Gesetz (§ 1531 RVO) ergebe, wohingegen Arbeitsverwaltung und Kindergeldkasse ihre Rechte erst durch Überleitungsanzeige begründen müßten. Im übrigen - erklärt sie - verlange sie nur die Beträge zurück, die sie bei sofortiger Rentenzahlung nicht hätte aufzuwenden brauchen.

Die beklagte LVA und der beigeladene Versicherte stellen in diesem Rechtszuge keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Es kann auf sich beruhen, ob die Beiladung der Bundesanstalt als "notwendig" (§ 75 Abs. 2 SGG) zu qualifizieren ist. Die Bundesanstalt war auch als "einfach" Beigeladene befugt, selbständig innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten die Revision einzulegen (BSG 18, 131, 132). Das kann um so weniger zweifelhaft sein, als sie zur Erfüllung der Klageforderung verurteilt worden ist (§ 75 Abs. 5 SGG) und sich dagegen muß zur Wehr setzen können.

Die angefochtenen Urteile sind nicht aus dem Grunde zu beanstanden, daß die Vorinstanzen der Klägerin etwas zugesprochen hätten, was diese nicht begehrt hat (§ 123 SGG). Die Bundesanstalt konnte als Beigeladene verurteilt werden, ohne daß die Klägerin ausdrücklich einen dahingehenden Antrag gestellt haben mußte. Dafür genügte es, daß ein entgegenstehender Wille der Klägerin nicht ersichtlich geworden war (BSG 15, 197, 202). Im gegenwärtigen Rechtsstreit kommt hinzu, daß die Klägerin im zweiten Rechtszuge beantragt hat, die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen. Damit hat sie sich das erstinstanzliche Urteil zu eigen gemacht.

Die Forderung der Klägerin gegen die Beigeladene findet ihre Rechtsgrundlage in dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Danach hat derjenige, auf dessen Kosten eine Leistung ohne rechtlichen Grund bewirkt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des aufgewendeten Betrages (BSG 16, 151, 156; BSG in Breithaupt'sche Sammlung 1963, 239). Dies wird vom Gesetz (vgl. § 1301 RVO) vorausgesetzt, aber inhaltlich nicht ausgestaltet. Ob zu seiner Ausfüllung auf Einzelheiten des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung im Sinne der §§ 812 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zurückzugreifen ist, kann offen bleiben. Die von der Beigeladenen angestellte Überlegung, daß nur solche Vermögensverschiebungen auszugleichen sind, die unmittelbar zwischen dem Benachteiligten und dem Bereicherten geschehen sind, ist für das zivilrechtliche Institut der ungerechtfertigten Bereicherung bedeutsam. Sie hindert aber nicht den direkten Ausgleich zwischen zwei Trägern des öffentlichen Rechts (BSG 16, 156 f.). Im übrigen müßte mit Übernahme des Unmittelbarkeitsgedankens auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auch die in Anlehnung an § 816 Abs. 2 BGB entwickelte Ausnahme entsprechend gelten. Das hätte zur Folge, daß die an den Nichtgläubiger - hier: die Bundesanstalt - geleistete Zahlung, durch die der Schuldner - die LVA - an sich nicht befreit wurde, durch Genehmigung wirksam und dann vom Nichtgläubiger heraus verlangt werden könnte. Die Genehmigung der zunächst unwirksamen Verfügung durch den Berechtigten - die Klägerin - läge in der Rechtsverfolgung gegen den Nichtgläubiger.

Die Merkmale des in dieser Weise umschriebenen Erstattungsanspruchs sind erfüllt. Die Bundesanstalt bzw. der Bund hatten in Höhe der Klageforderung keine Gläubigerrechte an der Rentennachzahlung erworben. Die schriftlichen Anzeigen vom 27. Juni 1966, mit denen das Arbeitsamt den Anspruch auf Rente bzw. auf die darin steckenden Kinderzuschüsse auf den Bund und die Bundesanstalt überleitete (§ 23 Abs. 1 Satz 1 BKGG; § 186 Abs. 1 Satz 1 AVAVG), vermochten nur den Teil der Rentenforderung zu erfassen, der nicht bereits dem Zugriff des Sozialhilfeträgers unterlag. Der Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers entstand mit dem Augenblick, in dem die in den §§ 1531 ff RVO aufgeführten Voraussetzungen - im wesentlichen: die Unterstützung für eine Zeit des Rentenbezugs - erfüllt waren. Zugleich mit seiner Entstehung haftete der Ersatzanspruch dem Versicherungsanspruch als Beschränkung an (BSG 21, 157, 161; Sieg, Die Sozialgerichtsbarkeit 1966, 161, 164). Zur Begründung dieses Verhaftetseins bedurfte es keiner Mitteilung an den Versicherungsträger oder den Versicherten; im übrigen hatte der Sozialhilfeträger seine Rechte auch schon bei der LVA angemeldet, als die Überleitungsanzeigen des Arbeitsamtes bei dieser eingingen. In dem Umfange, in dem die Rentenrückstände zu Gunsten des Sozialhilfeträgers gebunden waren, konnten daran die Überleitungsanzeigen dem Bund oder der Bundesanstalt keine Rechte verschaffen. Durch diese Anzeigen wurde der Forderungsübergang erst mit der Bekanntgabe an die LVA bewirkt (vgl. auch § 829 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Von dem Grundsatz des Vorrangs nach der Zeit der Entstehung gehen die §§ 407, 408 BGB für das Recht der Forderungsabtretung allgemein - und damit auch für den Übergang öffentlich-rechtlicher Forderungen - aus; dieser Grundsatz ist für die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes entsprechend anzuwenden (§ 412 BGB); für die richterlich wie für die durch Hoheitsakt angeordnete Überweisung einer Forderung gilt das gleiche (vgl. § 408 Abs. 2 BGB; Erman/Westermann, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl., 1.Bd., Bem. zu § 408 und Bem. 1 zu § 412; Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 29. Aufl., 2 C zu § 835, 8 zu § 829 ZPO; Gottschick, Das Bundessozialhilfegesetz, 3. Aufl., 1966, Bem. 14 zu § 90).

In dem Ausmaß, in dem die Ersatzforderung des Sozialhilfeträgers durch ihr früheres Entstehen die Rentenrückstände mit Beschlag belegte, war auch für eine Sonderbehandlung der Kinderzuschüsse, die in den nachzuzahlenden Rentenbeträgen enthalten waren, kein Raum mehr. Die Kinderzuschüsse waren als unselbständige Bestandteile der Rente ebenso wie diese Haftungsobjekt (BSG SozR Nr. 25 zu § 183 RVO).

Das LSG ist mit anderer Begründung zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Es hat sich von dem Gedanken an die Subsidiarität der Sozialhilfe leiten lassen, nämlich davon, daß die Sozialhilfe nur einzuspringen hat, wenn und solange nicht andere die Aufgabe der Existenzsicherung eines Bedürftigen wahrnehmen. Daraus hat das Berufungsgericht gefolgert, daß dem Ersatzanspruch nach § 1531 RVO für die Rückabwicklung der Vorzug vor aller anderen Ausgleichung gebühre. Mit ihm seien Rentenrückstände von vornherein und von Rechts wegen "vorbelastet". Diese Erwägung hat manches für sich, ist indessen nicht zwingend und greift nicht stets durch. Wenn der Gesetzgeber der Sozialhilfe die erste Stella in der Rückabwicklung ein für allemal hätte zugestehen wollen, dann hätte er diese Absicht deutlicher ausdrücken müssen. Zur Verwirklichung eines solchen Vorhabens hätte er sich - abgesehen von Sonderregelungen wie die der §§ 1531 ff RVO (§ 140 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG -) - wohl kaum mit der Möglichkeit der Überleitungsanzeige nach § 90 BSGH begnügt; er hätte das mit größerer Sicherheit und mit unmittelbarer Durchschlagkraft ausgestattete Mittel der Legalzession wählen können. Das Gesetz bestimmt in § 290 Abs. 3 Satz 2 des Lastenausgleichsgesetzes(LAG) sogar das Gegenteil für das Zusammentreffen eines Erstattungsanspruchs des Ausgleichsfonds mit einem gleichen Anspruch anderer öffentlicher Kassen, also auch mit der Ersatzforderung eines Sozialhilfeträgers. Im Lastenausgleichsgesetz ist mithin das Privileg des ersatzfordernden Sozialhilfeträgers nicht anerkannt. Daß § 290 Abs. 3 Satz 2 LAG als die Umkehrung oder Durchbrechung eines sonst geltenden Prinzips zu verstehen sei, geht weder aus dieser noch aus anderen Gesetzesanordnungen positiv hervor. Mit gutem Grunde gibt die Beigeladene zu überlegen, daß der Gedanke der Subsidiarität, von dem die Sozialhilfe beherrscht wird, nicht geeignet ist, zur gesuchten Lösung ausschlaggebend beizutragen. Im Gefüge der öffentlichen Leistungen nimmt das Kindergeld nach § 8 BKGG eine vergleichbar nachrangige Funktion ein. Vor allem aber erscheint es nicht selbstverständlich, daß der Sozialhilfe beim Ausgleich die Aufwendungen der Kindergeldkasse zugute kommen sollen. In dem Umfange, in dem die Kindergeldkasse zu laufenden Unterstützungen des Versicherten und seiner Familie beigetragen hatte, wurden Sozialhilfekosten erspart. Es wäre deshalb sachgerecht, wenn insoweit auch der Kindergeldkasse der Anspruch auf Rentennachzahlung vorbehalten bliebe. Eine solche Folgerung ließe sich auf § 23 Abs. 1 Nr. 2 BKGG stützen; dort wird der Kindergeldzuschuß aus den gesetzlichen Rentenversicherungen ausnahmsweise für die Rückzahlungspflicht gegenüber der Kindergeldkasse verselbständigt. Ähnliches spricht im übrigen § 1531 Satz 2 RVO aus. Ein Rückhalt für diese Ansicht fände sich außerdem in § 90 Abs. 1 Satz 3 BSHG, wonach der Übergang eines durch Anzeige überzuleitenden Anspruchs auf die Sozialhilfe nur insoweit bewirkt werden darf, als die Hilfe bei rechtzeitiger Leistung des anderen nicht gewährt worden wäre. Des weiteren ist auf § 292 Abs. 3 Satz 3 LAG hinzuweisen. Die Begünstigung, die dem Ausgleichsfonds sonst zuteil wird, hat ihre Grenze dort, wo bei der Unterhaltshilfe nach dem LAG Aufwendungen anderer "angerechnet" werden.

Auch kann die Vorstellung, daß das Rückforderungsrecht der Kindergeldkasse und der Ersatzanspruch der Sozialhilfe gleichwertig sind, dem Gesetz nicht fremd sein. Was heute in § 23 BKGG geregelt ist, war vorher im wesentlichen in § 1541 a RVO und damit in einer dem Fürsorgeersatzanspruch gleichen Weise normiert. Die Gesetzesänderung dahin, daß der Ersatzanspruch sich nicht mehr von selbst ergibt, sondern durch Überleitungsanzeige zu bewerkstelligen ist, geht nicht auf eine nachträgliche Minderbewertung dieses Rechtsinstituts im Verhältnis zu anderen zurück, sondern geschah in Nachbildung des § 186 AVAVG (Bundestagsdrucksache IV/818 zu § 22 des Regierungsentwurfs eines Bundeskindergeldgesetzes). Den Arbeitsämtern, die beide Rechtsnormen anzuwenden haben, wurde damit ein gleichartiges Instrument an die Hand gegeben. Überhaupt ist kein voreiliger Schluß von dem Mittel, mit dem Ersatzansprüche durchzusetzen sind, auf die Stärke und Rangstelle dieser Berechtigungen erlaubt. Für die Wahl des Mittels - ob gesetzlicher Forderungsübergang (zB § 290 Abs. 3 LAG, § 71 b des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -, § 183 Abs. 3 und 5 RVO) oder Forderungsüberleitung durch Anzeige (zB § 23 Abs. 1 BKGG, § 186 AVAVG) oder selbständiger Ersatzanspruch (§ 1531 RVO, § 26 Abs. 8 GAL) - werden in den Materialien der Gesetze vornehmlich die Wirksamkeit seiner Durchführung oder Gründe seiner praktischen Verwendbarkeit genannt (für das erste: Begründung zum Entwurf einer Reichsversicherungsordnung - 1910 - S. 440, Reichstagsdrucksache zu 340, 12.Legislatur-Periode; für das zweite: in Bezug auf § 71 b BVG: Bundestagsdrucksache 1239/1959 S. 33).

Verschafft man sich einen Überblick über die Merkmale, die vom jeweiligen Sachverhalt aus eine Ordnung in die Rangverhältnisse der Ersatzberechtigungen bringen sollen, so zeigt sich, daß aus dem inhaltlichen "Gewicht" und einer Bewertung der einzelnen miteinander konkurrierenden Ersatzberechtigungen kein zuverlässiger, einheitlich zu handhabender Maßstab zu gewinnen ist. Ob im Einzelfall die Interessenabwägung einen überzeugenden Gesichtspunkt für die Bevorzugung dieses oder jenes Ersatzrechts zu liefern vermag, kann dahinstehen. Eine Richtlinie, die für alle Fälle oder wenigstens für die hier erörterten Konflikte die stichhaltige Lösung verspräche, ist nicht zu erkennen. Dagegen ist das Kriterium des Zeitvorrangs einheitlich und einfach zu handhaben, im positiven Recht auch vorgesehen; es entspricht zudem der Logik.

Bei der danach gegebenen Rechtslage ist dem Träger der Sozialhilfe aus den Rentenbezügen für die Zeit bis Juli 1966 der volle Kostenersatz zu gewähren, bevor sich die Kindergeldkasse und die Bundesanstalt daran schadlos halten können.

Die Aufrechnung mit der Beitragsforderung, welche die beklagte LVA gegenüber dem Versicherten erklärt hat (§ 1299 RVO), müssen die Klägerin und die Beigeladene gegen sich gelten lassen. Wenn auch die Ersatzforderung nach § 1531 RVO mit der Begründung des Rentenbezugsrechts entstanden und die Rentenforderung darüber hinaus auf die Beigeladene übertragen worden war, so war doch der LVA die von Anfang an bestehende Aufrechnungsmöglichkeit dadurch nicht genommen (entsprechend §§ 406, 412 BGB). Nach den Feststellungen des LSG hat die LVA einen "eigenen Beitragsanspruch" zum Erlöschen gebracht. Diese Feststellung hat die Beigeladene nicht substantiiert mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen; sie hat namentlich nicht dargelegt, inwiefern das LSG entgegenstehende Tatsachen hätte erkennen und beachten müssen.

In dem in BSG 24, 16 veröffentlichten Urteil ist der 1.Senat des BSG in einem Rechtsstreit, in dem es um den Widerstreit der Ansprüche aus § 1531 RVO und § 186 AVAVG ging, von einer Rechtsansicht ausgegangen, die mit der hier zugrunde gelegte Rechtsauffassung nicht übereinstimmt. Trotz verschiedener Begründung ist indessen der 1.Senat in jener Sache zu einem Ergebnis gelangt, das sich mit der vorliegenden Entscheidung deckt. Infolgedessen besteht für den erkennenden Senat kein Anlaß, den Großen Senat anzurufen (§ 42 SGG).

Nach allem vermag die Beigeladene mit ihrer Revision nicht durchzudringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 164

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