Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Bescheid, in dem die Schädigungsfolgen und die Rente festgestellt worden sind, in dem aber nichts über einen weiteren Anspruch (hier: Pflegezulage) gesagt ist, ist nicht so zu betrachten, als habe er damit den Anspruch auf Pflegezulage abgelehnt; vielmehr hat er hierüber überhaupt nicht entschieden.

2. Ergeht auf einen späteren Antrag ein bewilligender Bescheid über den früher nicht beschiedenen Anspruch (Pflegezulage), so ist dieser Bescheid kein "neuer" iS des KOV-VfG § 40, sondern ein Bescheid, in dem erstmalig über diesen Anspruch befunden wird. Denn bei einem Zugunstenbescheid muß ein Verwaltungsakt, eine "frühere Entscheidung" vorausgegangen sein; diese muß die bestimmte einzelne Versorgungsleistung geregelt haben, die Gegenstand des späteren Zugunstenbescheid ist, hier also die Pflegezulage.

Die Frage, ob dem Begehren auf rückwirkende Bewilligung dieser Leistung (Pflegezulage) entsprochen werden kann, richtet sich demnach ebenfalls nicht nach den Grundsätzen des KOV-VfG § 40. Es ist vielmehr von dem früheren, insoweit nicht beschiedenen Antrag auszugehen und über die begehrte Leistung unter Beachtung des BVG § 60 Abs 1 S 1 zu entscheiden.

Daß der frühere Antrag, der zur Feststellung der Schädigungsfolge und der Rente führte, auch zu einer Entscheidung über die Pflegezulage hätte führen müssen, ergibt sich daraus, daß ein Antrag auf Versorgung auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen gerichtet ist. (vergleiche BSG 1957-02-28 8 RV 443/54 = SozR Nr 5 zu § 96 SGG).

3. Der Antrag auf Versorgung ist auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen gerichtet.

 

Normenkette

BVG § 25 Abs. 1 Fassung: 1957-07-01, § 60 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1956-06-06; KOVVfG § 40 Fassung: 1955-05-02; BVG § 62 Abs. 1

 

Tenor

Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 5. Juni 1961 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß das Wort "ermessensfehlerfreien" (Bescheid) im Tenor des Urteils des Sozialgerichts entfällt.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der Kläger bezog seit 1. April 1950 Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H. Durch Umanerkennungsbescheid des Versorgungsamts (VersorgA) D vom 28. August 1951 wurden als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt (festgestellt): "1. Erhebliche extrapyramidale Bewegungsstörungen der Gesichts-, Arm- und Beinmuskulatur mit organischen Spontanbewegungen, Sprachstörungen, Gehbehinderung und Gebrauchsbehinderung der Arme (rechts stärker als links), organische Wesensänderung als Folgeerscheinungen einer Encephalitis, 2. folgenlos abgelaufene Gehirnerschütterung". Die Rente wurde ab 1. Oktober 1950 weiterhin nach einer MdE um 100 v. H. bewilligt, über den Anspruch auf Pflegezulage enthält der Bescheid nichts. Im Januar 1953 schrieb der Kläger dem VersorgA, er habe auch Pflegezulage beantragt; das VersorgA antwortete darauf im Oktober 1953, ein Antrag auf Pflegezulage liege nicht vor, der Kläger möge ein ärztliches Attest einreichen, falls sein Schreiben als Antrag auf Pflegezulage angesehen werden solle; der Kläger tat hierauf nichts.

Im Juni 1959 beantragte der Kläger unter Hinweis auf § 40 Abs. 2 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) und das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 4. September 1958 (BSG 8, 130 ff) die Gewährung von Pflegezulage rückwirkend ab 1. Oktober 1950. Das VersorgA D bewilligte dem Kläger durch den auf § 40 Abs. 1 VerwVG gestütztem Bescheid vom 20. Juni 1959 ab 1. Juni 1959 Pflegezulage in Höhe von 75.- DM (§ 35 Abs. 1 Satz 3 BVG i. d. F. vor Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 - aF -) und stellte vom gleichen Zeitpunkt an die Ausgleichsrente nach § 33 Abs. 4 BVG aF neu fest. Der Kläger erhob Widerspruch, er begehrte die rückwirkende Bewilligung dieser Leistungen ab 1. Oktober 1950; der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 6. November 1959 zurückgewiesen.

Mit der Klage beantragte der Kläger, unter Abänderung der angefochtenen Bescheide den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die Pflegezulage ab 1. Oktober 1950 zu gewähren, hilfsweise, dem Kläger einen neuen Bescheid über den Beginn der Pflegezulage und Ausgleichsrente nach § 33 Abs. 4 BVG aF zu erteilen. Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hob durch Urteil vom 5. Juni 1961 die Bescheide vom 20. Juni 1959 und 6. November 1959 hinsichtlich des Beginns der Pflegezulage und der Ausgleichsrente (§ 33 Abs. 4 BVG aF) auf und verpflichtete den Beklagten, "dem Kläger insoweit einen ermessensfehlerfreien Bescheid zu erteilen"; im übrigen wies es die Klage ab. Es führte aus, der Kläger habe keinen Rechtsanspruch auf Erteilung eines "Zugunstenbescheides" nach § 40 Abs. 2 VerwVG in der hier maßgebenden Fassung vom 27. Juni 1960 - nF - und damit erst recht keinen Anspruch darauf, daß einem solchen Bescheid Rückwirkung beigelegt werde; das Urteil des BSG vom 4. September 1958 (BSG 8, 130 ff) sei noch nicht "ständige Rechtsprechung" im Sinne dieser Vorschrift. Die Leistungsklage könne daher keinen Erfolg haben. Dagegen sei die hilfsweise erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage begründet, der Beklagte habe bei Erlaß der angefochtenen Bescheide das ihm in § 40 Abs. 1 VerwVG nF eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Nachdem sich der Beklagte dazu entschlossen habe, dem erwähnten Urteil des BSG zu folgen und allen durch schädigende Einwirkungen erwerbsunfähigen Hirnerkrankten die Pflegezulage zu gewähren, die "erwerbsunfähigen Hirnverletzten" zustehe - und damit auch Ausgleichsrente nach § 33 Abs. 4 BVG aF -, dürfe er den Beginn dieser Leistungen weder auf den Zeitpunkt eines etwa gestellten Antrags noch, falls der Bescheid von Amts wegen erteilt werde, auf den Zeitpunkt festsetzen, in dem der neue Bescheid unterzeichnet werde, im einen wie im anderen Falle handle es sich um einen zufälligen Zeitpunkt, dies sei nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht vertretbar; es dürfe auch nicht auf den Zeitpunkt abgehoben werden, der etwa von den einzelnen Ländern für den Beginn dieser Leistungen bestimmt worden sei, sofern dieser Zeitpunkt nicht für alle Länder der gleiche sei. Eine ermessensgerechte Entscheidung verlange eine gleichmäßige Festsetzung des Beginns dieser Leistungen entweder auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVG oder auf den Beginn des Monats, in dem die zitierte Entscheidung des BSG verkündet worden sei, oder auf den Beginn des Monats, in dem der Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 23. Dezember 1958 (BVBl 1959, 2) ergangen sei. Das SG ließ die Berufung zu.

Gegen das am 7. Juli 1961 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 28. Juli 1961 unter Übergehung des Berufungsverfahrens Sprungrevision ein, er fügte die schriftliche Einwilligungserklärung des Klägers bei. Er beantragte,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist begründete der Beklagte die Revision am 5. Oktober 1961: Das Urteil des SG beruhe auf unrichtiger Anwendung des § 40 Abs. 1 VerwVG i. V. m. § 54 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie Art. 3 des Grundgesetzes, das SG habe zu Unrecht angenommen, der Beklagte habe von dem ihm nach § 40 Abs. 1 VerwVG eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht. Grundsätzlich seien bindende und rechtskräftige Entscheidungen von den Betroffenen als endgültig hinzunehmen, § 40 VerwVG enthalte Ausnahmen von diesem Grundsatz und sei eng auszulegen; falls nicht das Gesetz eine Rückwirkung ausdrücklich vorsehe, habe der durch die Rücknahme eines belastenden Verwaltungsakts Begünstigte keinen Rechtsanspruch auf Rückwirkung des "Zugunstenbescheides"; nach den §§ 60, 61 BVG komme grundsätzlich als Zeitpunkt der Änderung des früheren Bescheids erst der Beginn des Monats in Betracht, in dem der Antrag auf Erteilung eines "Zugunstenbescheides" gestellt worden sei; werde ein solcher Bescheid von Amts wegen erteilt, so sei die neue Regelung vom Beginn des Monats an zu treffen, in dem dieser Bescheid im Entwurf vollzogen sei.

Der Kläger beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Sprungrevision ist zulässig (§§ 161 Abs. 1, 164 SGG), sie ist jedoch nicht begründet.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 20. Juni 1959 (Widerspruchsbescheid vom 6. November 1959) insoweit, als es der Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger die Pflegezulage, die jedem erwerbsunfähigen Hirnverletzten zusteht (§ 35 Abs. 1 Satz 3 BVG aF), und die damit gewährleistete Hälfte der vollen Ausgleichsrente (§ 33 Abs. 4 BVG aF für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Dezember 1954, § 33 Abs. 3 BVG aF für die Zeit vom 1. Januar 1955 bis 31. Mai 1959) schon für die Zeit vor dem 1. Juni 1959 zu gewähren. Das SG hat die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids im Ergebnis zu Recht verneint. Es ist - ebenso wie der Beklagte - davon ausgegangen, daß über den Anspruch des Klägers auf die streitigen Leistungen, nämlich die Pflegezulage und die damit gewährleistete Hälfte der vollen Ausgleichsrente, bereits mit dem "Umanerkennungsbescheid" vom 28. August 1951 entschieden und daß diese Leistungen abgelehnt worden seien; das SG hat sich deshalb nur mit der Frage befaßt, ob der angefochtene Bescheid nach § 40 VerwVG (Abs. 1 oder Abs. 2) rechtmäßig sei. Die Voraussetzungen für den Erlaß eines Bescheids nach § 40 VerwVG haben aber im vorliegenden Falle schon deshalb nicht vorgelegen, weil in dem Bescheid vom 28. August 1951 über den Anspruch des Klägers auf Pflegezulage nicht entschieden worden ist. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des Bescheids. Dieser Bescheid erwähnt die Pflegezulage überhaupt nicht, er enthält nur die Feststellung der Schädigungsfolgen und die Feststellung der Rente. Zwar sind Bescheide, die zu Zweifeln über ihren Inhalt und ihre Tragweite Anlaß geben, der Auslegung fähig und bedürftig. Allein daraus, daß in dem Bescheid vom 28. August 1951, in dem die Schädigungsfolgen und die Rente festgestellt worden sind, über den Anspruch auf Pflegezulage nichts gesagt ist, kann aber nicht der Schluß gezogen werden, der Beklagte habe damit den Anspruch auf Pflegezulage abgelehnt. Das BSG hat sich wiederholt (vgl. BSG 3, 271 ff, 273/274; BSG SozR Nr. 13 und Nr. 17 zu § 148 SGG) mit der Frage befaßt, unter welchen Voraussetzungen von einer "Neufeststellung" von Versorgungsbezügen im Sinne der §§ 62 BVG, 148 Nr. 3 SGG gesprochen werden kann, es hat dargelegt, daß dies nur dann der Fall ist, wenn eine frühere Feststellung gleichartiger Bezüge vorausgegangen ist; ist dies nicht der Fall, so handelt es sich um eine Erstfeststellung; wird in einem späteren Bescheid über die Pflegezulage entschieden und hat der frühere Bescheid nur die Entscheidung über den Anspruch auf Versorgungsrente enthalten, so handelt es sich deshalb bei der späteren Entscheidung über die Pflegezulage um eine erstmalige Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs auf diese Leistung; zwar umfaßt das Wort "Versorgungsbezüge" mehrere Arten von wiederkehrenden Geldleistungen, diese Leistungen - zB die Grund - und Ausgleichsrente, die Elternrente, die Pflegezulage- hängen aber nicht von den gleichen Anspruchsvoraussetzungen ab (vgl. BSG SozR Nr. 17 zu § 148 SGG). Was in diesen Urteilen zu der Frage der "Neufeststellung" bestimmter Versorgungsbezüge gesagt ist, gilt ebenso auch für die Entscheidung darüber, ob ein "neuer Bescheid" im Sinne von § 40 Abs. 1 und Abs. 2 VerwVG vorliegt; auch in diesen Fällen muß ein Verwaltungsakt, eine "frühere Entscheidung" (vgl. § 40 Abs. 2 VerwVG), vorausgegangen sein, dieser Verwaltungsakt muß, ebenso wie in den Fällen der "Neufeststellung" im Sinne der §§ 62 BVG, 148 Nr. 3 SGG, die bestimmte einzelne Versorgungsleistung geregelt haben, die Gegenstand des späteren "Berichtigungsbescheids" ist, hier also die Pflegezulage und den Anspruch auf die Hälfte der vollen Ausgleichsrente. Daß der Bescheid vom 28. August 1951 diese Ansprüche "geregelt" und abgelehnt habe, kann im vorliegenden Falle auch nicht daraus entnommen werden, daß der Prüfarzt auf dem versorgungsärztlichen Gutachten vom 26. Oktober 1950, auf dem erkennbar die Anerkennung des Gehirnleidens des Klägers als Schädigungsfolge beruht, vermerkt hat: "Hirnverletzt: nein, wohl Hirngeschädigter", und daß in dem Gutachten "Pflegebedürftigkeit" und damit wohl sinngemäß "Hilflosigkeit" im Sinne von § 35 BVG verneint worden ist; dies mag zwar erklären, warum - entsprechend der damaligen Rechtsauffassung, nach der ein infolge des Wehrdienstes Hirngeschädigter nicht als "Hirnverletzter" im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 2 BVG angesehen worden ist und deshalb, sofern er nicht hilflos gewesen ist, Pflegezulage nicht erhalten hat - die Pflegezulage in dem Bescheid nicht erwähnt ist, eine diesem Vermerk entsprechende rechtliche Regelung ist aber nicht Inhalt des Bescheids vom 28. August 1951 geworden; gerade diese ärztlichen Äußerungen hätten dem Beklagten jedoch Anlaß geben müssen, in dem Bescheid vom 28. August 1951 auch den Anspruch auf Pflegezulage und auf die damals nach § 33 Abs. 4 BVG aF gewährleistete Hälfte der vollen Ausgleichsrente zu regeln; der Beklagte hat nicht davon ausgehen dürfen, daß er die Ansprüche des Klägers auf diese Leistungen nicht zu erwähnen brauche, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung dieser Leistungen nach der damaligen Rechtsauffassung und dem ärztlichen Gutachten vom 26. Oktober 1950 nicht gegeben seien; der Kläger hat aus dem Bescheid nicht erkennen können, daß der Beklagte die Voraussetzungen des Anspruchs auf diese Leistungen geprüft und verneint hat. Schließlich läßt auch die Antwort des VersorgA auf das Schreiben des Vertreters des Klägers vom 24. Januar 1953, das die Pflegezulage betroffen hat, den Schluß zu, daß der Beklagte selbst nicht der Meinung gewesen ist, in dem Bescheid vom 28. August 1951 sei bereits die Pflegezulage abgelehnt worden; wenn der Beklagte anderer Meinung gewesen wäre, hätte es nahegelegen, daß er den Kläger auf den Bescheid vom 28. August 1951 verwiesen hätte, er hat dem Kläger aber nur mitgeteilt, ein Antrag auf Pflegezulage liege nicht vor, der Kläger möge ein ärztliches Attest vorlegen, falls er mit dem Schreiben vom 24. Januar 1953 Pflegezulage habe beantragen wollen; auch wenn der Kläger damals dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist, hat die Versorgungsverwaltung nicht davon ausgehen dürfen, daß er die Pflegezulage nicht beanspruchen wolle, die Versorgungsverwaltung hat vielmehr spätestens auf dieses Schreiben hin "tätig werden" und sie hat, wenn sie die Voraussetzungen für die Pflegezulage nicht als gegeben angesehen hat, nach angemessener Zeit dem Kläger einen ablehnenden Bescheid erteilen müssen. Der Antrag auf Versorgung, der vom Kläger im März 1946 gestellt worden ist, ist "auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen" gerichtet gewesen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21. Januar 1959, 11/9 RV 1234/56, in SozE BSG I/4 Nr. 5 zu § 96 SGG und jetzt auch die Verwaltungsvorschriften Nr. 1 Satz 2 zu § 1 BVG nF); dieser Antrag hat auch die Leistungen umfaßt, die nach dem BVG zu gewähren sind; denn Beschädigte, die - wie der Kläger - schon nach den vor dem 1. Oktober 1950 geltenden landesrechtlichen Vorschriften Versorgungsleistungen bezogen haben, haben nach dem Inkrafttreten des BVG einen neuen Antrag nicht stellen müssen. Selbst wenn die Versorgungsverwaltung bei Erlaß des Bescheids vom 28. August 1951 noch der Meinung gewesen ist, der Kläger wolle Pflegezulage nicht beanspruchen, so hat sie jedenfalls aus der Anfrage vom 24. Januar 1953 entnehmen müssen, daß dies doch der Fall ist; sie darf dem Kläger nicht entgegenhalten, daß er auf die Mitteilung vom Oktober 1953 hin habe tätig werden müssen, vielmehr ist es Sache der Verwaltung gewesen, auf Grund der ihr eingeräumten hoheitlichen Befugnis zur Regelung der Ansprüche der Beschädigten dem Kläger einen Bescheid auch hinsichtlich der Pflegezulage zu erteilen; erst wenn dies geschehen wäre, hätte der Kläger sich darüber schlüssig werden können und müssen, ob er den Bescheid "hinnehmen" oder mit dem zulässigen Rechtsmittel anfechten will, möglicherweise mit dem Ergebnis, daß daraufhin die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit schon den damaligen Bescheid als rechtswidrig aufgehoben hätten, wenn die Pflegezulage damals abgelehnt worden wäre. Da eine "frühere Entscheidung" über den Anspruch auf Pflegezulage bei Erlaß des angefochtenen Bescheids vom 20. Juni 1959 nicht vorgelegen hat, ist sonach dieser Bescheid die erstmalige Entscheidung über diesen Anspruch gewesen. Die "Beschädigtenversorgung", die auch den Anspruch auf Pflegezulage umfaßt, beginnt mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind (§ 60 Abs. 1 BVG, 1. Halbsatz), ein "neuer" Antrag des Klägers ist nach dem Inkrafttreten des BVG nicht erforderlich gewesen, da der Antrag, der bereits vor dem Inkrafttreten des BVG gestellt worden ist, auch diese Leistung umfaßt hat und noch nicht beschieden gewesen ist. Die Hirnerkrankung des Klägers und seine Erwerbsunfähigkeit infolge dieser Hirnerkrankung sind in dem Bescheid vom 28. August 1951 festgestellt ("anerkannt") worden. Der Beklagte hat daher in dem Bescheid vom 20. Juni 1959 dem Kläger die Pflegezulage zu Unrecht erst vom 1. Juni 1959 an bewilligt, im Ergebnis hat das SG diesen Bescheid daher zu Recht aufgehoben.

Das SG hat allerdings den Beklagten nicht verurteilen dürfen, dem Kläger hinsichtlich des Beginns der Pflegezulage einen "ermessensfehlerfreien" Bescheid zu erteilen. Der Anspruch auf Erlaß eines Bescheids über die Gewährung von Pflegezulage, der vom Kläger zugleich mit dem Begehren auf Aufhebung des Bescheids vom 20. Juni 1959 geltend gemacht worden ist, ist nicht auf eine Leistung gerichtet, die im Ermessen des Beklagten steht; die Voraussetzungen des Anspruchs auf Pflegezulage und für den Beginn dieser Leistung sind vielmehr durch das Gesetz (§§ 35, 60 Abs. 1 BVG) geregelt. Das SG hat den Beklagten zwar zu Recht verurteilt, dem Kläger einen (neuen) Bescheid zu erteilen, das Wort "ermessensfehlerfreien" (Bescheid) ist aber in dem Urteil des SG zu streichen. Mit dieser Maßgabe ist die Revision des Beklagten deshalb unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auf die Ausführungen, die das SG und der Beklagte zu der Frage gemacht haben, in welchen Grenzen sich die Verwaltung bei der pflichtgemäßen Ausübung des ihr in § 40 Abs. 1 VerwVG eingeräumten Ermessens zu halten habe, kommt es damit nicht mehr an. Da das Urteil des SG nur die Frage betroffen hat, ob der Beklagte in dem Bescheid vom 20. Juni 1959 zu Recht den Beginn der günstigeren Regelung auf 1. Juni 1959 festgestellt hat und da das SG diesen Bescheid im Ergebnis zu Recht als rechtswidrig aufgehoben, über den Zeitpunkt, von dem an die begehrten Leistungen zu gewähren sind, jedoch nicht entschieden, sondern den Beklagten nur zum Erlaß eines (neuen) Bescheids verurteilt hat, hat der Senat auf die Revision des Beklagten hin nicht selbst darüber entscheiden dürfen, von welchem Zeitpunkt an in diesem neuen Bescheid diese Leistungen zu gewähren seien. Dies hat der Beklagte in dem neuen Bescheid nach den §§ 35, 60 Abs. 1 Satz 1 BVG zu regeln.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324591

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