Leitsatz (amtlich)

Wird neben der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts hilfsweise dessen Aufhebung beantragt, so darf über die Nichtigkeitsklage nicht durch Teilurteil entschieden werden. Der Erlaß oder die Bestätigung eines solchen Teilurteils durch das Berufungsgericht stellt einen wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne der SGG §§ 150 Nr 2, 162 Abs 1 Nr 2 dar.

 

Normenkette

SGG § 55 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1953-09-03, § 150 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 301 Abs. 1 Fassung: 1950-09-12

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 15. September 1955 insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Juni 1955 zurückgewiesen hat.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Juni 1955 aufgehoben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Das beklagte Aufsichtsamt genehmigte durch Beschluß vom 29. März 1955 für eine Reihe von Handwerksinnungen des Kreises O die Errichtung einer gemeinsamen Innungskrankenkasse (IKK.), der Beigeladenen zu 2). Die klagende Krankenkasse, deren Bezirk ebenfalls den Kreis O umfaßt, hält diesen - ihr am 7. April 1955 mitgeteilten - Beschluß aus mehreren Gründen für nichtig. Sie erhob deshalb am 6. Mai 1955 Klage vor dem Sozialgericht (SG.) mit dem Antrag, die Nichtigkeit des Genehmigungsbeschlusses festzustellen. Außerdem beantragte sie in der mündlichen Verhandlung vor dem SG. hilfsweise, den Genehmigungsbeschluß vom 29. März 1955 aufzuheben.

Das SG. setzte mit Beschluß vom 14. Juni 1955 die "Entscheidung über die Anfechtungsklage" aus und wies durch Teilurteil vom gleichen Tage die Nichtigkeitsklage als unbegründet ab. Zu einer gleichzeitigen Entscheidung über die Anfechtungsklage sah es sich außerstande, weil die beigeladene IKK. mit Rücksicht auf die aufschiebende Wirkung der Nichtigkeitsklage (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) noch nicht ins Leben getreten sei, andererseits aber nach der zwingenden Vorschrift des § 75 Abs. 2 SGG zum Verfahren über die Aufhebung des Genehmigungsbeschlusses beigeladen werden müsse.

Gegen die Abweisung der Nichtigkeitsklage legte die Klägerin am 16. Juni 1955 Berufung ein, betrieb diese aber im Einvernehmen mit dem beklagten Amt zunächst nicht weiter, um die Entscheidung des SG. über die Anfechtungsklage abzuwarten. Erst als das SG. auch in einer späteren Verhandlung bei der Aussetzung des Verfahrens über die Anfechtungsklage verblieb, baten die Beteiligten um eine Durchführung des Berufungsverfahrens. Das Landessozialgericht (LSG.) wies daraufhin am 15. September 1955 die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des SG. "mit der Maßgabe zurück, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird". In der Urteilsbegründung führte es u. a. aus: Die Verbindung einer Anfechtungsklage mit einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit desselben Verwaltungsaktes sei zulässig. Über die Nichtigkeitsklage dürfe auch durch Teilurteil entschieden werden, da diese Klage "ein individualisierter, besonderer rechtlicher Würdigung zugänglicher und zur selbständigen Geltendmachung geeigneter Teil der vom Kläger insgesamt verfolgten Klagziele" sei. Im übrigen spreche ein praktisches Bedürfnis dafür, eine "Vorabentscheidung" über die Nichtigkeitsklage zuzulassen. Eine Umdeutung der Nichtigkeitsklage in eine Anfechtungsklage, "welche ... die Zulässigkeit des Teilurteils naturgemäß beseitigt hätte", komme nicht in Betracht, weil damit die Gestaltungsmacht mißachtet würde, die das Grundgesetz und die Prozeßordnung dem Staatsbürger einräumten.

Die Klägerin hat gegen dieses - ihr am 29. September 1955 zugestellte - Urteil, in dem die Revision nicht zugelassen worden ist, am 28. Oktober 1955 Revision eingelegt. Sie hat ihre Revision am 28. November 1955 und - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 29. Dezember 1955 - am 29. Dezember 1955 begründet. Sie rügt u. a. als wesentlichen Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens, das LSG. habe den Erlaß eines Teilurteils über die Nichtigkeitsklage mit dem SG. zu Unrecht als zulässig angesehen; es sei irrtümlich davon ausgegangen, daß die Klägerin mit ihrem Hauptantrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses vom 29. März 1955 und ihrem Hilfsantrag auf Aufhebung dieses Beschlusses mehrere Ansprüche im Sinne des § 301 Zivilprozeßordnung (ZPO) geltend gemacht habe. Tatsächlich sei mit beiden Anträgen nur ein Anspruch - die Vernichtung desselben Verwaltungsaktes - verfolgt worden. Bei richtigem Verfahren hätte das LSG. das unzulässige Teilurteil des SG. aufheben und den Rechtsstreit zur einheitlichen Entscheidung über die Nichtigkeits- und die Anfechtungsklage an das SG. zurückverweisen müssen.

Nach Ansicht des beklagten Amts hat die Klägerin zwei Klagen - eine Nichtigkeits- und eine Aufhebungsklage - erhoben, über die durch Teilurteil entschieden werden könne.

II.

Die Revision der klagenden Krankenkasse ist, obwohl das LSG. sie nicht zugelassen hat, nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG (Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels) statthaft. Das Verfahren des Berufungsgerichts leidet, wie die Revisionsklägerin mit Recht rügt, insofern an einem wesentlichen Mangel als das LSG. das vom SG. erlassene Teilurteil nicht aufgehoben, sondern sich - ebenso wie das SG. - irrtümlich für befugt gehalten hat, über die Frage der Nichtigkeit des Beschlusses vom 29. März 1955 gesondert zu entscheiden.

Zwar können auch im sozialgerichtlichen Verfahren - in entsprechender Anwendung der Vorschriften der ZPO (§ 301 ZPO in Verbindung mit § 202 SGG) - Teilurteile erlassen werden (BSG. 7 S. 3; vgl. auch § 110 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - vom 21.1.1960, BGBl. I S. 17). Ebenso wie im Zivilprozeß kann ein Teilurteil aber nur über einen von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen oder über einen Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage über die Klage oder die Widerklage ergehen. Der Erlaß eines Teilurteils setzt mithin voraus, daß entweder mehrere Ansprüche - Klag- oder Widerklagansprüche - im Streit sind, oder, wenn nur ein Anspruch geltend gemacht wird, dieser in mehrere, einer selbständigen Entscheidung fähige Teilansprüche zerlegt werden kann. Ein Teilurteil darf dagegen nicht erlassen werden, wenn nur ein einziger unteilbarer Anspruch erhoben, dieser aber auf mehrere rechtliche Gründe - Anspruchs- oder Klagegründe - gestützt wird (Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl., § 301 II 2; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 25. Aufl., § 301 Anm. 2 A; über eines von mehreren selbständigen Angriffsmitteln konnte nach § 303 ZPO in der bis 1924 gültigen Fassung durch Zwischenurteil entschieden werden).

Die Voraussetzungen für den Erlaß eines Teilurteils - mehrere Ansprüche oder ein in mehrere Teilansprüche zerlegbarer Anspruch - sind nicht gegeben, wenn, wie hier, mit der Klage die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes, hilfsweise dessen Aufhebung begehrt wird; denn beiden Anträgen liegt, wie die Revision zutreffend ausführt, nicht eine Mehrheit von Klagansprüchen, sondern ein einziger unteilbarer Anspruch im Sinne des § 301 ZPO zugrunde.

Daß verschiedenen Klaganträgen nicht notwendig eine Mehrheit von Klagansprüchen entsprechen muß, ergibt sich vor allem aus den Vorschriften über die Klagänderung (§ 99 SGG). Danach kann der Kläger seinen ursprünglichen Klagantrag unter bestimmten Voraussetzungen erweitern, beschränken oder sogar auf eine andere als die anfänglich geforderte Leistung richten, ohne daß in dem neuen Klagantrag eine Änderung der Klage und damit ein neuer Klaganspruch zu erblicken ist (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGG). So hat das Bundessozialgericht (BSG.) es beispielsweise nicht als eine Klagänderung angesehen, wenn der Kläger nach Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG vom Aufhebungsantrag zum Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes übergeht (BSG. 8 S. 178 (180); ebenso BVerwG. 8 S. 59 (60); Ule, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Erl. zu § 142 VwGO mit weiteren Nachweisen). Wird die Identität des Klaganspruchs hiernach durch eine Änderung der Klaganträge nicht notwendig berührt (vgl. BSG. 8 S. 180: nur die Form, in der für den erhobenen Anspruch Rechtsschutz begehrt werde, ändere sich), so gilt nichts anderes, wenn die verschiedenen Anträge nicht nacheinander, sondern nebeneinander - als Haupt- und als Hilfsantrag - gestellt werden. Auch in diesem Falle kann der Klage mithin trotz einer Mehrheit von Anträgen ein einheitlicher "Anspruch" zugrunde liegen. Unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist, braucht der Senat nicht allgemein zu entscheiden. Die Einheitlichkeit des Klaganspruchs ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn, wie hier, neben der Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes hilfsweise seine Aufhebung beantragt wird, Haupt- und Hilfsantrag also denselben Verwaltungsakt betreffen, und die vom Kläger vorgebrachten Nichtigkeits- und Aufhebungsgründe demselben Sachverhalt entnommen sind.

In Fällen dieser Art, in denen der Kläger einen Verwaltungsakt mit der Nichtigkeits- und der Aufhebungsklage bekämpft, geht es um die Erreichung eines Zieles: zu verhindern, daß der Verwaltungsakt, durch den er sich beschwert fühlt, rechtliche Wirkungen gegen ihn entfaltet. Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, ob sich die Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und daher vom Richter lediglich festzustellen ist (Nichtigkeit), oder ob sie erst durch einen gestaltenden Akt des Richters herbeigeführt wird (Aufhebung). Die Frage, ob das Urteil auf Feststellung der Nichtigkeit oder auf Aufhebung des Verwaltungsaktes lautet, verliert noch dadurch an Gewicht, daß die Aufhebung des Verwaltungsaktes - nicht anders als die Feststellung seiner Nichtigkeit - grundsätzlich auf den Zeitpunkt seines Erlasses zurückwirkt (vgl. Bettermann, Recht der Arbeit, 1959, S. 246, Anm. 3; Klinger, VwGO, § 113 B 1 b, S. 411, beide mit weiteren Nachweisen). Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß auch die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes insofern ein gestaltendes Moment enthält, als erst die feststellende Entscheidung des Richters den "Schein der Wirksamkeit" zerstört, der auch einem nichtigen Verwaltungsakt anhaftet und der im Rechtsleben oft soviel wie die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes selbst gilt (vgl. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 187; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 7. Aufl. S. 209). Geht es dem Kläger, der Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt begehrt, im Grunde aber allein darum, die - wirklichen oder scheinbaren - Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes von sich abzuwenden, so ist dieses Begehren des Klägers der Anspruch, über den das Gericht entscheidet. Die Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit bzw. Aufhebung des Verwaltungsaktes haben daneben nur die Bedeutung, das Gericht auf die möglichen rechtlichen Gesichtspunkte - Nichtigkeit oder Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes - hinzuweisen, unter denen das Begehren des Klägers Erfolg haben kann. Das wird besonders klar in den Fällen, in denen der Kläger nicht beide Anträge stellt, also Feststellung der Nichtigkeit und (hilfsweise) Aufhebung des Verwaltungsaktes, sondern nur das eine oder das andere beantragt.

Im ersten Falle - der Kläger beantragt allein die Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes - hat das Gericht, sofern die Nichtigkeitsklage innerhalb der Anfechtungsfrist (vgl. §§ 87 ff. SGG) erhoben ist, bei Verneinung der Nichtigkeit die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes zu prüfen und den Verwaltungsakt gegebenenfalls aufzuheben (BSG. 9 S. 171, 179; zustimmend Ule, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Erl. I 2 c zu § 43 VwGO, S. 143). Auch im umgekehrten Falle - der Kläger stellt allein einen Aufhebungsantrag - darf sich das Gericht grundsätzlich nicht auf eine Entscheidung über den Klagantrag beschränken; es hat vielmehr, wenn es den angefochtenen Verwaltungsakt zwar nicht für aufhebbar, wohl aber für nichtig hält, die Klage nicht abzuweisen, sondern die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes festzustellen (so die frühere Regelung in §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 75 Abs. 1 Satz 1 der MRVO 165; ebenso für das geltende Recht Eyermann-Fröhler, VwGO, Anh. § 42 I 4, S. 217: Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes hätten die Verwaltungsgerichte von Amts wegen festzustellen, auch wenn der Kläger die Nichtigkeit nicht geltend mache; Klinger, VwGO, § 43 C I 2, S. 193 f., und § 113 B 5 S. 412; Koehler, VwGO, § 113 B VI 3, S. 838). Beiden Fällen - der Nichtigkeitsklage gegen einen nur aufhebbaren Verwaltungsakt und der Aufhebungsklage gegen einen nichtigen Verwaltungsakt - ist gemeinsam, daß einer auf die Nichtigkeit oder die Aufhebbarkeit eines Verwaltungsaktes gestützten Klage aus einem anderen rechtlichen Grunde stattgegeben wird. Die innere Rechtfertigung eines solchen Vorgehens liegt darin, daß es für den Kläger oft "sehr schwer zu beurteilen ist, ob der einem Verwaltungsakt anhaftende Fehler dessen Nichtigkeit oder nur dessen Anfechtbarkeit (im materiellen Sinne) zur Folge hat" (Begründung zu § 42 des Entwurfs einer VwGO, Drucks. Nr. 55 der 3. Wahlperiode des Deutschen Bundestages). Demgegenüber kann der vom LSG. hervorgehobene Gesichtspunkt, Grundgesetz und Prozeßordnung hätten den Beteiligten eine bestimmte, vom Gericht zu respektierende prozessuale Gestaltungsmacht eingeräumt, die auch in der Wahl der jeweiligen Klage - Nichtigkeits- oder Aufhebungsklage - zum Ausdruck komme, nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Daß das SGG die Beteiligten nicht an unsachgemäßen oder gar unrichtigen Anträgen festhalten will, zeigt schon § 123 SGG, der den Richter ausdrücklich von der Fassung der Klaganträge entbindet und ihm zur Pflicht macht, über die vom Kläger erhobenen "Ansprüche" zu entscheiden. Maßgebend soll für den Richter also nicht der formulierte Klagantrag, sondern das - aus dem gesamten Klagevorbringen ersichtliche - Begehren des Klägers, d. h. sein eigentliches Streitziel sein, selbst wenn dieses über den Wortlaut des Antrags hinausgeht (vgl. Koehler, VwGO § 88 II 1, und Begründung zu § 89 des Entwurfs der VwGO: Die Verwaltungsgerichte hätten die Verwaltungstätigkeit in dem Rahmen zu überprüfen, in dem sich die Beteiligten beschwert fühlten). Eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes und eine gegen denselben Verwaltungsakt gerichtete und auf die gleichen Gründe gestützte Aufhebungsklage verfolgen aber, wie dargelegt, das gleiche Ziel. Der Kläger macht daher, wenn er beide Klagen in der Form eines Haupt- und eines Hilfsantrags miteinander verbindet, nur einen Anspruch geltend. Diesem einheitlichen Klaganspruch muß eine einheitliche Entscheidung des Gerichts entsprechen. Ein Teilurteil allein über die Nichtigkeit oder über die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes ist mithin nicht zulässig.

Damit wird auch dem Erfordernis einer beschleunigten Erledigung der sozialgerichtlichen Streitigkeiten Rechnung getragen, während die Zulassung eines Teilurteils - wegen seiner selbständigen Anfechtbarkeit - gerade in Fällen der vorliegenden Art die endgültige Entscheidung des Rechtsstreits häufig über Gebühr verzögern und außerdem das Verfahren für die Beteiligten verteuern würde. Auf der anderen Seite bietet die Prozeßordnung dem Gericht genügend Möglichkeiten, um einer mißbräuchlichen Ausnutzung der aufschiebenden Wirkung von Nichtigkeitsklagen (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 SGG) wirksam entgegenzutreten. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang selbst auf die Vorschrift des § 192 SGG (Auferlegung von sogenannten Mutwillenskosten) hingewiesen und sie im vorliegenden Falle sogar, was hier nicht nachzuprüfen ist, für anwendbar gehalten. Ob im übrigen ein praktisches Bedürfnis für eine "Vorabentscheidung" über die Frage der Nichtigkeit eines - mit der Nichtigkeits- und der Aufhebungsklage angegriffenen - Verwaltungsaktes besteht, wie das LSG. meint, und ob sich ein solches Bedürfnis gegebenenfalls durch ein nicht selbständig anfechtbares Zwischenurteil (§ 303 ZPO in Verb. mit § 202 SGG) über die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage befriedigen läßt, hat der Senat nicht zu entscheiden brauchen.

Da das SG. hiernach über die Nichtigkeit des Beschlusses vom 29. März 1955 kein Teilurteil erlassen durfte, leidet sein Verfahren an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Das LSG. hat den gleichen Verfahrensverstoß wie das SG. begangen, indem es sich ebenfalls für befugt gehalten hat, über die Nichtigkeit des Beschlusses vorab zu entscheiden (vgl. BGHZ. 16 S. 71 (73) und BSG. 4 S. 200 (201 f.)). Die Revision der klagenden Krankenkasse ist demnach zulässig und begründet (§ 162 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGG). Da das Revisionsgericht selbst die Entscheidung treffen kann, die im Berufungsverfahren hätte ergehen müssen (§ 170 Abs. 2 SGG), hat der Senat unter Aufhebung des Berufungsurteils und des erstinstanzlichen Urteils die Sache unmittelbar an das SG. zurückverwiesen (vgl. BGHZ. 16 S. 82 sowie OGHZ. 3 S. 20 (24) und die dort angeführte Rechtsprechung). Damit ist, wie zur Klarstellung bemerkt werden mag, zu den Sachfragen des vorliegenden Rechtsstreits - der Nichtigkeit oder der Aufhebbarkeit des Beschlusses vom 29. März 1955 - keine Stellung genommen. Über diese Fragen wird vielmehr jetzt zunächst das SG. unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats (vgl. BSG. 7 S. 169) zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2324719

NJW 1960, 2308

MDR 1960, 960

DVBl. 1960, 748

DVBl. 1960, 943

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge