Leitsatz (amtlich)
Zur Verfassungsmäßigkeit der Umlegung von Rentenaltlasten aus dem Beitrittsgebiet auf die Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung (Fortführung von BSG vom 2.7.1996 - 2 RU 17/95 = BSGE 79, 23 = SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1).
Stand: 26. Juni 2000
Beteiligte
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 2. November 1998 aufgehoben, soweit der auf Rentenaltlasten aus dem Beitrittsgebiet beruhende Beitragsanteil unter Berücksichtigung des Grades der Unfallgefahr berechnet worden ist. In diesem Umfang wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Gründe
I
Streitig ist die Höhe der Beiträge, welche die Klägerin für das Jahr 1995 an die Beklagte zu entrichten hat.
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein Wachdienstunternehmen und ist seit April 1966 Mitglied der Beklagten. Diese setzte mit Bescheid vom 26. April 1996 für das Veranlagungsjahr 1995 einen Beitrag in Höhe von 101.460,32 DM fest und berechnete dabei den Beitragsanteil, der auf anteiligen Rentenaltlasten aus dem Beitrittsgebiet (im folgenden: Altlasten-Ost) beruhte, erstmalig unter voller Berücksichtigung des Grades der Unfallgefahr im Unternehmen der Klägerin, und zwar nach der für dieses Unternehmen geltenden Gefahrklasse 7,1. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 16. August 1996). Von der Berücksichtigung des Grades der Unfallgefahr in den Unternehmen (§ 725 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) hätten die Unfallversicherungsträger zur Finanzierung der Altlasten-Ost gemäß § 1157 Abs 1 RVO nur bis zum 31. Dezember 1994 absehen dürfen. Von dieser gesetzlichen Ermächtigung habe sie für die Jahre 1991 bis 1994 nach Maßgabe eines entsprechenden Beschlusses der Vertreterversammlung Gebrauch gemacht. Nach Ablauf des 31. Dezember 1994 lasse das Gesetz derartige Regelungen der Berufsgenossenschaften nicht mehr zu.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. November 1998). Die Beiträge im angefochtenen Bescheid beruhten auf den §§ 723 ff RVO. Nach § 725 Abs 1 RVO richte sich deren Höhe – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – nach dem Entgelt der Versicherten und dem Grad der Unfallgefahr. Es sei als feststehend anzusehen, daß der angefochtene Beitragsbescheid und der hierbei angewandte Gefahrentarif den genannten gesetzlichen Regelungen entspreche, was im übrigen unter den Beteiligten unstreitig sei. Auch die rechnerische Ermittlung der Gesamtbeitragshöhe werde von der Klägerin nicht angegriffen. Von der Berücksichtigung des Grades der Unfallgefahr habe gemäß § 1157 Abs 1 RVO nur bis zum 31. Dezember 1994 abgesehen werden dürfen. Nach diesem Zeitpunkt seien die §§ 723 ff RVO wieder uneingeschränkt anzuwenden. Dies sei nicht verfassungswidrig. In seinem Urteil vom 2. Juli 1996 (BSGE 79, 23 = SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1) habe das Bundessozialgericht (BSG) die pauschale Altlastverteilung der gesetzlichen Unfallversicherung für Versicherungsfälle im Beitrittsgebiet nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr 1 Buchst c Abs 8 Nr 2 Doppelbuchst aa des Einigungsvertrages (EinigVtr) ausdrücklich als mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar angesehen. Soweit das BSG in dieser Entscheidung die Überwälzung von Altlasten auf die Berufsgenossenschaften für zulässig halte, sei auch die konkrete Umverteilung dieser Lasten auf die Mitglieder der Beklagten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, den die Klägerin darin sehe, daß sie nach dem Gefahrtarif die mehr als siebenfache Last gegenüber anderen bei der Beklagten versicherten Unternehmen zu tragen habe, sei nicht gegeben. Aus dem genannten Urteil des BSG ergebe sich zudem die Zulässigkeit der Berücksichtigung des Grades der Unfallgefahr bei der Umlegung der Altlasten-Ost auf die Mitglieder der Beklagten, auch wenn die Altlasten-Ost nicht nach branchenspezifischen Zuständigkeitskriterien auf die einzelnen Berufsgenossenschaften verteilt worden seien. Die Anwendung des Gefahrtarifs zur Bemessung der Beitragslast in der gesetzlichen Unfallversicherung sei auch hinsichtlich der Verteilung der Altlasten-Ost auf die Berufsgenossenschaften ein hinreichender Differenzierungsgrund. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Beitrag der Klägerin nicht siebenmal höher liege als der bei anderen Unternehmen, denn die Altlasten-Ost lägen nach der Umlagerechnung der Beklagten für das Jahr 1997 deutlich unter 10 vH der durch die Beiträge insgesamt zu deckenden Aufwendungen der Beklagten. Außerdem seien im Beitrittsgebiet neue Unternehmen mit beitragszahlenden Mitgliedern hinzugekommen, wodurch die Belastung mit Altlasten-Ost durch Verteilung auf eine größere Zahl von Mitgliedern abgemildert werde. Schließlich habe dem Gesetzgeber wegen der besonderen Belastungen durch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten ein weiter Verteilungsspielraum zugestanden. Seine in § 1157 Abs 1 RVO getroffene Entscheidung, nach Ablauf des darin bestimmten Übergangszeitraums von 1991 bis 1994 wieder zu den bisherigen Grundsätzen der Lastenverteilung zurückzukehren, sei sachgerecht und zwingend; denn eine Übertragung vereinigungsbedingter Sonderlasten in der Ausnahmesituation, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des EinigVtr bestand, dürfe jedenfalls im Ergebnis nicht dazu führen, daß dadurch sämtliche rechtssystematischen Grundsätze zur Beitragsverteilung in der gesetzlichen Unfallversicherung gegenstandslos würden. Art 14 GG werde auch nicht verletzt, denn die zu zahlenden Beitrage würden nicht jedes Maß übersteigen.
Mit der – vom SG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art 3 Abs 1 und des Art 14 GG. Bereits die von der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin der DDR vorgenommene Überwälzung von deren Rentenzahlungspflichten aus Arbeitsunfällen auf die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und damit auf die beitragszahlenden Mitglieder sei entgegen den Ausführungen in BSGE 79, 23 (= SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1) als verfassungswidrig anzusehen. Die Verteilung der Altlasten-Ost auf die einzelnen Träger der Unfallversicherung nach dem Zufallsgenerator stehe in keinem Zusammenhang mit der Gefahrklasseneinteilung innerhalb einer Berufsgenossenschaft. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in BVerfGE 23, 12 sei im vorliegenden Rechtsstreit nicht einschlägig. Hier handele es sich – im Gegensatz zur damaligen Entscheidung – wegen der Verschiedenheit der beiden Systeme nicht um einen Fall der „internen Solidarität”. Der Entscheidung des BVerfG vom 8. April 1987 (BVerfGE 75, 108 ff) sei zwar das Erfordernis einer spezifischen Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbeziehung zu entnehmen, die zwischen Zahlungsverpflichteten und Versicherten bestehen müsse. Dabei könne es aber nicht darauf ankommen, daß auch die Altlasten-Ost auf Arbeitsunfällen beruhten. Im übrigen widerspreche auch die Verteilung der Altlasten-Ost auf die einzelnen Berufsgenossenschaften nach dem Zufallsgenerator dieser spezifischen Solidarität.
Unabhängig hiervon komme es durch die Berücksichtigung der Gefahrklasse bei der Berechnung des Mitgliedsbeitrages zu einer Verletzung des Art 3 Abs 1 GG; denn sie, die Klägerin, müsse den siebenfachen Anteil an den Altlasten-Ost tragen als andere Mitglieder der Beklagten in der Gefahrklasse 1. Im Gegensatz hierzu sei die Verteilung allein nach der Lohnsumme als einzig sachgerechte Lösung anzusehen. Entsprechend sei man bereits 1963 in Art 3 § 2 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) verfahren, ohne rechtssystematische Grundsätze zu beschädigen. Es spreche somit nichts dagegen, nach Ablauf der in § 1157 Abs 1 RVO festgelegten Frist weiterhin vom Grad der Unfallgefahr als Berechnungsfaktor abzusehen. Der Gefahrtarif finde im Normalfall seine Rechtfertigung darin, unterschiedlich unfallträchtige Unternehmen mit unterschiedlich hohen Beiträgen zu belegen. Diese Faktoren hätten jedoch bei der Verteilung der Altlasten-Ost nach dem sogenannten Zufallsgenerator keine Rolle gespielt. Das BSG habe das in seiner Entscheidung vom 2. Juli 1996 (BSGE 79, 23 = SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1) ähnlich gesehen. Auch die Vergrößerung der Mitgliederzahl der Beklagten durch das Hinzukommen von Mitgliedern aus dem Beitrittsgebiet ändere an dieser Sicht der Dinge nichts, denn diese Unternehmer gehörten zu der unmittelbaren Zwangsgemeinschaft der Beklagten, während die Branchen, welche die Ursachen für die Altlasten-Ost gesetzt hätten, wegen des Zufallsgenerators nicht unbedingt zu den in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten fallenden Branchen gehörten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 2. November 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 1996 aufzuheben, soweit die Beitragsbemessung auf Rentenaltlasten aus dem Beitrittsgebiet beruht.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die vom SG zugelassene Sprungrevision ist zulässig. Zwar ist die vom SG übersandte, beim BSG am 3. März 1999 eingegangene Klageakte mit der zu Protokoll erklärten Zustimmung der Beklagten gemäß § 161 Abs 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) – eine bloße Kopie genügt nicht (BSG SozR Nr 12 zu § 161 SGG; BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 11; BSG Beschluß vom 9. November 1999 - B 2 U 9/99 R - mwN) – nicht innerhalb der von § 161 Abs 1 Satz 3 SGG bestimmten Monatsfrist beim BSG eingegangen. Gleichwohl war die Revision nicht als unzulässig zu verwerfen, weil die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG unrichtig erteilt war und die Revision daher gemäß § 66 Abs 2 SGG innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Urteils eingelegt werden konnte (BSG SozR 1500 § 66 Nr 7).
Die Revision ist teils unbegründet, teils iS einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das SG begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 26. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 1996. Mit ihm hat die Beklagte die Höhe des Beitrags der Klägerin in der gesetzlichen Unfallversicherung für das Jahr 1995 auf 101.460,32 DM festgesetzt. Bei der hiergegen gerichteten Klage handelt es sich um eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG. Mit ihr begehrt die Klägerin die Entscheidung, den Bescheid in der Beitragshöhe teilweise aufzuheben oder abzuändern. Allein auf die Anfechtungsklage hin kann über ein derartiges Begehren in vollem Umfang entschieden werden. Das gilt auch, wenn es nur teilweise begründet ist. Dann ist der Bescheid aufzuheben, soweit die Beitragsforderung über die rechtmäßige Höhe hinausgeht, und die Klage im übrigen abzuweisen. Eines weiteren Klageantrags dahin, die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung des Beitrags bestimmte Bemessungsgrundlagen nicht oder in anderer Weise zu berücksichtigen, bedarf es nicht (vgl BSGE 64, 100, 102 = SozR 2200 § 180 Nr 44; vgl auch BSG SozR 2200 § 725 Nr 10).
In der Sache ist der angefochtene Bescheid einfachrechtlich nicht zu beanstanden. Da er die Beiträge für das Jahr 1995 betrifft, sind dabei gemäß § 219 Abs 1 Satz 2 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch iVm Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes noch die Vorschriften der RVO maßgebend.
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 27 iVm §§ 22 ff der Satzung der Beklagten vom 22. Juni/14. Dezember 1965 idF des 31. Nachtrages vom 28. September 1993. Bei dieser Satzung handelt es sich um revisibles Recht iS des § 162 SGG, denn sie gilt für das gesamte Bundesgebiet (§ 4 der Satzung). Der angefochtene Bescheid selbst stützt sich auf § 746 RVO iVm §§ 723 ff RVO. Den Unternehmern, die nach § 723 Abs 1 RVO die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaft durch Beiträge aufzubringen haben, ist hiernach ein Beitragsbescheid zuzustellen (§ 746 RVO). Dabei gilt das Prinzip der nachträglichen Bedarfsdeckung (§§ 724 Abs 1, 740 RVO), dh der anfallende Bedarf von Mitteln für das abgelaufene Geschäftsjahr wird nach dem in der Satzung festgelegten Verteilungsmaßstab auf den gerade vorhandenen Bestand an beitragspflichtigen Unternehmen umgelegt (vgl BSG SozR 2200 § 725 Nr 10; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 540 b, c). Zum Gesamtbedarf gehören alle Kosten, die den Berufsgenossenschaften durch die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erwachsen (§ 21 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch, §§ 723 Abs 1, 724 Abs 1 RVO), nämlich die im Veranlagungsjahr getätigten Ausgaben, die erforderlichen Betriebsmittel und die Rücklagen. Diesem Gesamtbedarf, vermindert durch die Verwaltungseinnahmen, entspricht der Umfang des auf die Gesamtheit der beitragspflichtigen Unternehmer entfallenden Umlagesolls (BSG SozR 2200 § 725 Nr 10). Die Höhe des Beitrages, mit dem der einzelne Unternehmer an dem Umlagesoll zu beteiligen ist, richtet sich nach dem Entgelt der Versicherten und dem Grad der Unfallgefahr in dem Unternehmen (§§ 725 Abs 1, 726, 727, 730 RVO; Ausnahme: § 728 Abs 2 RVO). Die Beklagte wendet diese Art der Beitragsberechnung in § 22 Abs 2 Satz 1 ihrer Satzung an. Nach diesem Verfahren werden die Beiträge dadurch ermittelt, daß das in dem Unternehmen gezahlte Entgelt mit den jeweils zugehörigen Gefahrklassen multipliziert (= Beitragseinheit) und das Umlagesoll durch die Gesamtsumme der Beitragseinheiten aller Mitglieder dividiert wird (= Beitragsfuß). Durch Multiplikation der Beitragseinheiten mit dem Beitragsfuß wird dann der Beitrag errechnet (vgl KassKomm-Ricke, Stand: 1. Oktober 1993, § 745 RVO RdNrn 5 ff). Den vom SG in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten ist zu entnehmen, daß der im vorliegenden Fall angewandte Beitragsfuß von 3.55 sich auf 1.000 Beitragseinheiten bezieht.
Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß einerseits die im Jahre 1995 von der Beklagten gemachten Ausgaben für die ihr zugewiesenen Altlasten-Ost bei der Berechnung der Beiträge im Beitragssoll auszuweisen sind und sich dementsprechend der Beitragsfuß erhöht, daß andererseits der so ermittelte Beitragsfuß mit der unter Berücksichtigung der Gefahrklasse ermittelten Beitragseinheit zu multiplizieren ist. Das folgt daraus, daß nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr 1 Buchst c Nr 2 Doppelbuchst aa EinigVtr vom 31. August 1990 (BGBl II 889) die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung den für sie bestimmten Anteil an der Zahl der bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet eingetretenen Arbeitsunfällen zu übernehmen, die hieraus sich ergebenden Leistungen also zu erbringen hatten. Da eine staatliche Finanzierung der hierfür erforderlichen Mittel nicht vorgesehen ist, müssen diese in dem für die gesetzliche Unfallversicherung vorgeschriebenen Umlageverfahren beschafft werden. Daß dies unter Berücksichtigung der Unfallgefahr zu geschehen hat, folgt aus § 1157 Abs 1 RVO, durch den die Unfallversicherungsträger ermächtigt wurden, durch autonomes Recht bis zum 31. Dezember 1994 den Gefahrtarif bei der Berechnung des auf den jeweiligen Träger entfallenden Anteils an Altlasten unberücksichtigt zu lassen. Hierzu führen die Gesetzesmaterialien dieser mit Wirkung vom 1. Januar 1991 durch Art 8 Nr 14 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606) in die RVO eingefügten Vorschrift als Begründung an: „Die Regelung in Absatz 1 soll es der Selbstverwaltung ermöglichen, bei der Erhebung der Umlage für diese Altlasten von der sonst zwingenden Berücksichtigung des Gefahrtarifs abzusehen und andere solidarische Verteilungsmaßstäbe – etwa die Veranlagung nur nach Lohnsummen – festzulegen” (Begründung zu Art 7 Nr 14 § 1157, BT-Drucks 12/405 S 158). Damit steht aber nach einfachem Gesetzesrecht fest, daß die Beklagte für die Umlage des Veranlagungsjahres 1995 die Beiträge für die anteiligen Altlasten-Ost unter Berücksichtigung des Gefahrtarifs berechnen mußte. Dieser gesetzlichen Verpflichtung ist sie auch durch entsprechende Gestaltung ihres autonomen Rechts nachgekommen. So hat sie durch Beschluß ihrer Vertreterversammlung eine stufenweise prozentuale Verteilung der Rentenaltlast für die Jahre 1991 (Lohnsumme 100 vH, Gefahrklasse 0 vH), 1992 (Lohnsumme 75 vH, Gefahrklasse 25 vH), 1993 (Lohnsumme und Gefahrklasse je 50 vH) und 1994 (Lohnsumme 25 vH, Gefahrklasse 75 vH) vorgeschrieben (Beilage zum amtlichen Veröffentlichungsorgan der Beklagten „Sicherheitsreport” 4/91). In diesem Beschluß ist sodann für das Jahr 1995 und die folgenden Jahre eine Verteilung der Rentenaltlast nicht nach der Lohnsumme, sondern nach 100 vH des Gefahrtarifs vorgesehen. Den Feststellungen des SG ist in Verbindung mit den von ihm in Bezug genommenen Gerichtsakten und Verwaltungsakten der Beklagten sowie dem Vorbringen der Beteiligten im Revisionsverfahren zu entnehmen, daß der im angefochtenen Bescheid angewandte Beitragsfuß von 3.55 unter Einbeziehung der Altlasten-Ost berechnet worden ist und der mit diesem Beitragsfuß multiplizierten Beitragseinheit die Gefahrstufe 7,1 zugrunde liegt. Entsprechendes gilt für die Richtigkeit der Berechnung im einzelnen.
Die von der Klägerin gerügte Berücksichtigung der Altlasten-Ost wirkt sich nach dieser Berechnungsmethode insofern aus, als die Höhe des Umlagesolls und somit des Beitragsfußes verändert wird, dh ein höheres Umlagesoll führt auch zu einem höheren Beitragsfuß. Zusätzlich wird der Beitragsfuß mit der Beitragseinheit multipliziert, bei deren Berechnung die Gefahrklasse berücksichtigt wird, so daß der durch die Altlasten-Ost erhöhte Beitragsfuß im Ergebnis mit der Gefahrklasse des jeweiligen Unternehmens multipliziert wird und letztendlich der von der Klägerin zu zahlende Anteil an den Altlasten-Ost um das 7,1-fache höher ist als bei einem Mitglied der Gefahrklasse 1,0.
Die Klägerin wird nicht dadurch in ihren Grundrechten – soweit sie ihr als juristischer Person gemäß Art 19 Abs 3 GG zustehen (vgl BVerfGE 3, 359, 363) – verletzt, als die anteilsmäßige Belastung der versicherten Unternehmer mit den Altlasten-Ost als solche verfassungswidrig wäre. Wie der Senat bereits unter Hinweis auf die Entscheidungen des BVerfG über die Auferlegung der Fremdrenten als Kriegsfolgelast auf die gewerblichen Berufsgenossenschaften (BVerfGE 14, 221 = SozR Nr 1 zu Art 120 GG), über die Verteilung der vor dem 1. Januar 1953 entstandenen Rentenlast der Bergbau-Berufsgenossenschaft auf die Gesamtheit der gewerblichen Berufsgenossenschaften (BVerfGE 23, 12 = SozR Nr 68 zu Art 3 GG) und über den späteren Lastenausgleich unter den gewerblichen Berufsgenossenschaften (BVerfGE 36, 383 = SozR 5610 Art 3 § 1 Nr 1) entschieden hat (BSGE 79, 23 = SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1; vgl auch BSGE 25, 243 = SozR Nr 2 zu § 54 BVG über die von der Rentenlast aus kriegsbedingten Arbeitsunfällen in der Zeit vom 1. September 1939 bis 31. Dezember 1941 besonders betroffenen Beitragspflichtigen der See-Berufsgenossenschaft), war der Gesetzgeber nicht gehindert, die Rentenaltlasten der gesetzlichen Unfallversicherung aus dem Beitrittsgebiet nicht aus Steuermitteln zu finanzieren, sondern sie den Unfallversicherungsträgern als öffentlich-rechtliche Körperschaften aufzuerlegen.
Bei der Übernahme der Altlasten-Ost handelt es sich nicht um ein Sonderopfer, das von der Allgemeinheit getragen werden müßte. Vielmehr stellen die zu ihrer Deckung notwendigen Beträge zu Recht Sozialversicherungsbeiträge dar, die keine Sonderabgaben iS der Rechtsprechung des BVerfG sind (BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1). Allerdings darf auch bei der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen ein Beteiligter, der nicht selbst Versicherter ist, nur dann zur Finanzierung herangezogen werden, wenn es dafür einen sachorientierten Anknüpfungspunkt in den Beziehungen zwischen Versicherten und Beitragspflichtigen gibt, der die Heranziehung nicht außerhalb der Vorstellungen liegend erscheinen läßt, von denen die Sozialversicherung in ihrem sachlichen Gehalt bestimmt wird. Im Sachbereich der Sozialversicherung verlangt der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG einen – bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise – sachlich einleuchtenden Grund dafür, daß ein Privater im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus als Beteiligter iS des Sozialversicherungsrechts zu einer Abgabe herangezogen wird, die weder ihm selbst noch seiner Gruppe zugute kommt, ihm vielmehr als fremdnützige Abgabe auferlegt wird, die sozialen Ausgleich und Umverteilung zum Ziel hat und herstellt. Für eine solche Abgabe bedarf es somit einer besonderen Rechtfertigung, die sich aus spezifischen Solidaritätsbeziehungen und Verantwortlichkeitsbeziehungen zwischen Zahlungsverpflichteten und Versicherten ergeben kann, die in den Lebensverhältnissen, wie sie sich geschichtlich entwickelt haben und weiter entwickeln, angelegt sind (BVerfGE 75, 108 ff = SozR aaO).
Diese spezifische Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbeziehung – soweit eine solche hier zu fordern ist, denn es handelt sich bei den Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht um rein fremdnützige Abgaben iS der og Rechtsprechung – ergibt sich hier daraus, daß Arbeitgeber für die Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten haften und diese Haftung im System der gesetzlichen Unfallversicherung durch die Unfallversicherungsträger übernommen wurde, wofür die Arbeitgeber Beiträge zu zahlen haben. Grundkonzeption der gesetzlichen Unfallversicherung ist also die der Finanzierung aller Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten durch alle Mitglieder der Unfallversicherungsträger. Zu diesen Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gehören jedoch auch diejenigen, die sich in der früheren DDR ereignet haben und nach dem dortigen Rentenversicherungssystem auch als solche anerkannt wurden. Ein weiteres seit jeher geltendes Prinzip der gesetzlichen Unfallversicherung ist, daß die Beiträge von Mitgliedern aufgebracht werden müssen, die ggf gar keine Ursache für die gegenwärtig zu erbringenden Leistungen gesetzt haben (nachträgliches Umlageverfahren). Es ist somit systemimmanent, daß die Beiträge ua dazu verwendet werden, die Folgen etwa aus Berufskrankheiten zu finanzieren, deren Ursachen bereits vor vielen Jahren gesetzt wurden und möglicherweise nicht durch eine Tätigkeit in den Unternehmen der jetzigen Mitglieder verursacht worden sind.
Das grundsätzlich andere System in der ehemaligen DDR mußte im Rahmen des Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland in deren System eingepaßt werden, was dem Gesetzgeber nur möglich war, wenn ihm ein weiter Gestaltungsspielraum hierfür gegeben wurde. Da die hier zu beurteilenden Aufwendungen wegen Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten entstehen, die im System der Bundesrepublik Deutschland von den Mitgliedern der gesetzlichen Unfallversicherung zu tragen sind, ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die zu erbringenden Leistungen auf die Berufsgenossenschaften zu übertragen, nicht zu beanstanden. Sie erscheint vielmehr als sachgerecht, zumal bei den Berufsgenossenschaften auch die notwendigen Kenntnisse vorhanden sind, um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen. Der Gesetzgeber kann auf die „(interne) Solidarität” zwischen jetzigen und früheren Arbeitgebern sowie zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten abstellen. Mangels Gemeinlast bzw Allgemeinaufgabe sind die Altlasten-Ost somit nicht aus Steuern zu finanzieren, es wird keine Allgemeinlast „privatisiert”, sondern ein Teilbereich des Sozialversicherungssystems der ehemaligen DDR in das der Bundesrepublik Deutschland eingepaßt. Daher liegt in der Belastung allein der Mitglieder der Berufsgenossenschaften mit diesen Altlasten-Ost kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Es ist sachlich gerechtfertigt, die Gruppe der Mitglieder der Berufsgenossenschaften anders zu behandeln als die Allgemeinheit; sie haben eine engere Beziehung zu den dortigen Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (so im Ergebnis bereits BSGE 79, 23 = SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1 mit zustimmender Anm von Gitter SGb 1997, 185). Im übrigen haben in gleicher Weise neue Mitglieder der Berufsgenossenschaften im Beitrittsgebiet Lasten zu tragen, zu denen sie in keiner direkten Verantwortlichkeitsbeziehung stehen.
Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung für die Übertragung der Rentenaltlasten-Ost einen finanziellen Ausgleich zu gewähren oder zu verschaffen. Insbesondere war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, sich bezüglich der Folgen des Beitritts der ehemaligen DDR in gleicher Weise zu verhalten wie beim Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland, in der der Bund weitgehend die Lasten der Unfallversicherung übernommen hatte (vgl Breuer BG 1991, 508, 518). Jene Lastenübernahme war rechtmäßig, denn damals war den Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, die bei der Eingliederung des Saarlandes zu überwinden waren (vgl BVerfGE 14, 221, 240; Breuer, aaO). Eine Bindungswirkung für den Gesetzgeber ist hierdurch jedoch nicht entstanden (vgl im Ergebnis hierzu BVerfGE 14, aaO). Weiterhin ist bei der Übertragung der „Altlasten-Ost” das Äquivalenzprinzip – soweit als in der gesetzlichen Unfallversicherung eben möglich – beachtet, denn mit den von den Mitgliedern erhobenen Beiträgen sollen Leistungen für Arbeitsunfälle bzw Berufskrankheiten finanziert werden, auch wenn die ihnen zugrundeliegenden Versicherungsfälle in der ehemaligen DDR eingetreten sind. Die vorliegend für die gesetzliche Unfallversicherung zu beurteilende Situation ist vergleichbar mit der Überleitung der Rentenanwartschaften von Personen, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten und deren Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1996 begann, nach Art 1 RÜG. Deren Lasten hatten die Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung anders als die Lasten aus der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes, die gemäß § 15 Abs 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (Art 3 RÜG) der Bund an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu erstatten hatte, trotz der Regelungen über den Bundeszuschuß jedenfalls bis 1998 – teilweise – rechtmäßigerweise zu tragen (vgl BSGE 81, 276, 285 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1, dazu Beschluß des BVerfG vom 29. Dezember 1999 - 1 BvR 679/98 -). Schließlich kommt maßgebend hinzu, daß – wie auch in der gesetzlichen Rentenversicherung – die Rentenlasten für Personen aus dem Beitrittsgebiet bei bundesweiten Trägern wie der Beklagten durch die im Beitrittsgebiet neu hinzukommenden umlagepflichtigen Mitglieder mitzutragen waren, so daß die Rentenaltlast, anders als bei den Fremdrenten, keinesfalls allein den Mitgliedern aus den alten Bundesländern auferlegt worden ist.
Auch die pauschale Rentenaltlastverteilung nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr 1 Buchst c Abs 8 Nr 2 Doppelbuchst aa Satz 2 EinigVtr auf die einzelnen Berufsgenossenschaften ist nicht verfassungswidrig. Für die Übernahme des Rentenbestandes der DDR wurde ein Verteilungsschlüssel entwickelt, der ungeachtet der gewerblichen Gliederung und ohne Kompetenzschwierigkeiten eine praktikable Lösung darstellt (BSGE 79, 23, 24 f = SozR aaO). Zudem wurden durch die unmittelbare Verteilung der Altlasten auf alle Träger der gesetzlichen Unfallversicherung anstelle der Verteilung nach Gewerbezweigen spätere Ausgleichsansprüche nach Art 3 § 1 Abs 1 UVNG durch dann besonders hoch belastete Träger vermieden (vgl Gitter, SGb 1997, 185, 186).
Die Übertragung der Altlasten-Ost auf die Unfallversicherungsträger verstößt auch nicht gegen Art 14 GG. Es handelt sich lediglich um die Auferlegung einer Geldleistungspflicht, was aber durch Art 14 GG nicht geschützt ist (vgl Breuer, BG 1991, 508, 518; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl 1995, Art 14 RdNr 12 mwN; BVerfGE 14, 221, 241). Die Auferlegung einer Geldleistung verletzt das grundrechtlich geschützte Eigentum nur, wenn sie jedes Maß übersteigt (BVerfGE 23, 12, 30) oder außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (BVerfGE 92, 262, 273). Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor, weil dem im Jahre 1995 gezahlten Bruttoarbeitsentgelt von 3.531.800 DM ein Beitrag von 89.019,02 DM gegenübersteht und letzterer jedenfalls zu einem geringeren Teil durch die Altlasten-Ost verursacht worden ist. Erst recht kann unter diesen Umständen nicht von einer erdrosselnden Wirkung (vgl Jarass/Pieroth, aaO) ausgegangen werden.
Soweit allerdings die Klägerin den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG dadurch verletzt sieht, daß sie höhere Beiträge zu entrichten hat als ein Mitglied der Beklagten, das bei gleicher Lohnsumme in die Gefahrstufe 1 eingestuft ist, ist die Revision iS einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache begründet.
Das Revisionsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gebunden (§ 163 SGG). Tatsachen, die von der Vorinstanz nicht festgestellt worden sind, dürfen daher vom Revisionsgericht grundsätzlich nicht beachtet werden. Eine Sprungrevision kann sogar auf Mängel des Verfahrens nicht gestützt werden (§ 161 Abs 4 SGG).
Aufgrund der wenigen vom SG festgestellten Tatsachen kann der Senat nicht entscheiden, ob ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vorliegt.
Zunächst ist unklar, ob die von der Klägerin gerügte Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes überhaupt entscheidungserheblich ist. In diesem Zusammenhang hat das BVerfG entschieden, daß eine Vorlage iS des Art 100 Abs 1 GG trotz feststellbaren Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 GG unzulässig ist, wenn die verfassungsrechtliche Beanstandung nicht zu einem Erfolg im Ausgangsverfahren verhelfen oder diesem Ziel näher brächten (BVerfGE 98, 70, 81 = SozR 3-7833 § 6 Nr 19). Würden also im vorliegenden Fall bei unterstellter Verfassungswidrigkeit der Berechnung des Altlastenanteils unter Berücksichtigung der Gefahrstufe die Altlasten-Ost ohne diese Berücksichtigung bei der Berechnung der Beiträge herangezogen, wäre die verfassungswidrige Ungleichbehandlung nur dann entscheidungserheblich, wenn sich bei dieser Heranziehung bei der Klägerin ein niedrigerer Beitrag ergäbe als der jetzige. Ob dies der Fall ist, kann jedoch aufgrund der vorhandenen Feststellungen auch nicht annähernd errechnet werden, da die Gefahrstufe 7,1, in welche die Klägerin eingestuft ist, nicht die höchste der bei ihren Mitgliedern angewandten Einstufungen ist. Vielmehr ist dem für das Jahr 1995 maßgeblichen Gefahrtarif der Beklagten (Sicherheitsreport 3/95 S 51) zu entnehmen, daß in jenem Jahr mehrere Unternehmensarten in eine über 7,1 gelegenen Gefahrklasse eingestuft waren, nämlich in die Stufen 8,0; 9,2; 12,8; 15,0; 110,9. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß die Klägerin infolge der stärkeren Beitragsbelastung der Mitglieder mit über 7,1 liegenden Gefahrklassen bei der von der Beklagten vorgenommenen Beitragsbemessung gleich oder sogar günstiger behandelt würde, als wenn die Altlasten lediglich nach Lohnsummen verteilt würden. Unter entsprechenden Gesichtspunkten können sich auch die Beiträge der Mitglieder der Beklagten auswirken, die gemäß § 22 Abs 5 der Satzung iVm § 728 RVO Mindestbeiträge zu entrichten haben.
Stellt sich nach Feststellung der erforderlichen Tatsachen heraus, daß die Entscheidungserheblichkeit zu bejahen ist, muß festgestellt werden, ob eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vorliegt. Nach Art 3 Abs 1 GG darf der Gesetzgeber, wenn er die Rechtsverhältnisse verschiedener Personengruppen differenzierend regelt, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nur dann anders behandeln, wenn zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 88; 82, 126, 146 mwN). Hierzu ist zunächst zu ermitteln, wie groß das Ausmaß der Ungleichbehandlung ist. Dazu genügt nicht die Feststellung des SG, die Altlasten-Ost lägen nach der Umlagerechnung der Beklagten für das Jahr 1997 deutlich unter 10 vH der durch die Beiträge insgesamt zu deckenden Aufwendungen der Beklagten. Vielmehr ist für das Jahr 1995 zu ermitteln, wie hoch der Beitragsanteil der Altlasten-Ost im angefochtenen Bescheid liegt und wieviel er betragen würde, wenn die Klägerin in die Gefahrstufe 1 eingestuft gewesen wäre.
Ist auf diesem Wege der Unterschied zwischen den beiden Beiträgen ermittelt und ergibt sich dabei ein ins Gewicht fallender Betrag, so ist zu prüfen, ob zwischen dem Unternehmen der Klägerin und einem in die Gefahrstufe 1 eingestuften Unternehmen mit gleicher Lohnsumme Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Dabei können die vom SG angeführten, von der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten verfassungsrechtlichen Grundsätze von erheblicher Bedeutung sein. Sie reichen aber möglicherweise nicht aus, um eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung auszuschließen. So ist dem Argument des SG, eine von der Gefahrklasse unabhängige Verteilung der Altlasten-Ost würde dazu führen, daß sämtliche rechtssystematischen Grundsätze der Beitragsverteilung in der gesetzlichen Unfallversicherung gegenstandslos werden, weniger überzeugend. Denn unter rechtssystematischen Gesichtspunkten ist die Berücksichtigung des Grades der Unfallgefahr im wesentlichen nach dem Kausalitätsprinzip ausgerichtet, das jedoch bei der von der Klägerin beanstandeten Verteilung der Altlasten-Ost unbeachtet bleibt. Für die Festlegung der Gefahrklasse sind nämlich in erster Linie die tatsächlichen Gefahren maßgebend, dh die Unfallgefahr resultiert aus Häufigkeit, Art und Umfang der verursachten Gesundheitsschäden (vgl § 731 Abs 1 RVO; BSGE 43, 289, 290 = SozR 2200 § 731 Nr 1; BSGE 55, 26, 28 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG Urteil vom 22. September 1988 - 2 RU 2/88 - HV-Info 1988, 2215 mwN). Im übrigen hat der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 1157 RVO bereits eine zeitweise Abweichung von der Berücksichtigung der Unfallgefahr zugelassen.
Von Bedeutung für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung könnte sein, daß einer Benachteiligung der Klägerin Vorteile gegenüberstehen, die dem zum Vergleich herangezogenen Normadressaten nicht gewährt werden. Solche Vorteile können jedenfalls dann die verfassungsrechtliche Bewertung der an den tatsächlichen Lebensverhältnissen zu messenden Ungleichheit (vgl BVerfGE 8, 51, 64, 67; 49, 148, 165; 50, 217, 231; 85, 238, 245) beeinflussen, wenn ihre Gewährung in einem rechtlichen Zusammenhang mit ihr steht. Sie könnten etwa steuerlicher Art sein. Es bedarf daher unter Umständen weiterer Ermittlungen, ob bei der Klägerin derartige Vorteile vorliegen und in welchem Umfang sie sich gegebenenfalls auswirken. Der vom SG genannte Vorteil, durch die Ausdehnung der Zuständigkeit der Beklagten auf das Beitrittsgebiet seien neue Unternehmen mit beitragszahlenden Mitgliedern hinzugekommen, erscheint allerdings zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der hier behandelten Ungleichheit kaum geeignet, weil dieser Vorteil auch den Mitgliedern mit Unternehmen zugute kommt, die in die Gefahrstufe 1 eingestuft sind.
Weiterhin könnte eine Rechtfertigung des seit 1995 wieder geltenden Beitragsrechts darin liegen, daß jede andere Verteilung der Altlasten-Ost auf die Unternehmer ebenfalls verfassungsrechtlich problematisch wäre. So ist fraglich, ob die von der Klägerin vorgeschlagene Lösung der alleinigen Berücksichtigung der Lohnsumme die eindeutig sachgerechtere Lösung darstellt; denn auch sie steht nicht in direkter Verbindung zu den den Altlasten-Ost zugrundeliegenden Arbeitsverhältnissen. Wenn aber dem Gesetzgeber zur Verteilung der Altlasten-Ost praktisch nur Lösungen zur Verfügung stehen, die unter Gleichheitsgesichtspunkten problematisch sind, erscheint es gerechtfertigt, eine Zeitlang die eine, eine Zeitlang die andere Lösung gesetzlich vorzusehen. Eine verfassungsrechtliche Prüfung unter diesem Aspekt ist dem Senat jedoch nicht möglich, da ihm weder Feststellungen über die Entwicklung der Altlasten-Ost in den Jahren 1991 bis 1999, noch Schätzungen über deren künftige Entwicklung vorliegen. Diese Feststellungen wären aber notwendig, um zu ermitteln, ob der Gesetzgeber mit der Regelung des § 1157 RVO eine ausreichend lange Zeit für die Verteilung der Altlasten-Ost ohne die Berücksichtigung der Unfallgefahr eingeräumt hat.
Schließlich kann die Ungleichbehandlung der Klägerin dadurch gerechtfertigt sein, daß die erheblichen Unterschiede in den Gefahrklassen, wie sie bei der Beklagten anzutreffen sind, bei den übrigen Berufsgenossenschaften nicht bestehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG braucht der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht um die Gleichbehandlung aller denkbaren Fälle besorgt zu sein. Er ist vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die Typisierung setzt allerdings voraus, daß die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (BVerfGE 84, 348, 359, 360 mwN; 87, 234, 255, 256 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Nach diesen Kriterien war der Gesetzgeber möglicherweise nicht verpflichtet, auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung über die Regelung des § 1157 RVO hinaus Sondervorschriften zu erlassen. Um solches prüfen zu können, bedarf es der Feststellung, wie die Aufteilung nach Gefahrklassen bei den Berufsgenossenschaften insgesamt ist und wieviel an Lohnsummen den jeweiligen Gefahrklassen zuzuordnen sind.
Sollte diese Überprüfung eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Klägerin ergeben, wäre weiter zu prüfen, ob diese eine zwangsläufige Folge der Gesetzesanwendung ist. Nur dann kommt eine Vorlage iS des Art 100 Abs 1 GG an das BVerfG in Betracht. Ergibt sich dagegen, daß die Beklagte bei Ausschöpfung der gesetzlichen Vorschriften zur gesetzlichen Unfallversicherung – etwa durch volle Ausschöpfung des § 1157 RVO – eine Beitragsbelastung der Klägerin hätte festsetzen können, die nicht verfassungswidrig wäre, müßten lediglich die zur Verfassungswidrigkeit führenden Normen des autonomen Rechts der Beklagten für unwirksam erklärt werden, was in die Zuständigkeit der Gerichte fällt.
Da das angefochtene Urteil im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG keine ausreichende tatsächliche Grundlage für eine höchstrichterliche Entscheidung bildet, sieht der Senat von Ausführungen zu sonst möglicherweise noch auftretenden Fragen verfassungsrechtlicher Art ab. Vielmehr war auf die Revision der Klägerin das Urteil in dem genannten Umfang aufzuheben, damit das SG zunächst die notwendigen Feststellungen trifft. Dieses wird bei seiner Entscheidung auch über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten einschließlich des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen