Leitsatz (amtlich)

Art 5 Abs 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 10.3.1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 25.6.1958 (BGBl II 1958, 168) gilt nicht für heimatlose Ausländer.

 

Normenkette

SVVtr YUG Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1956-03-10; SVVtrYUGVtrG Art. 5 Abs. 1 Fassung: 1958-06-25; HAuslG § 18 Fassung: 1951-04-25

 

Verfahrensgang

SG München (Entscheidung vom 17.07.1979; Aktenzeichen S 3/Ar 2003/77)

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Berechnung des ihm bewilligten Altersruhegeldes unter Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten.

Der am 15. Februar 1910 geborene Kläger lebte als jugoslawischer Staatsangehöriger bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Jugoslawien. Dort leistete er vom 1. Mai 1930 bis 1. März 1931 Wehrdienst in der königlich-jugoslawischen Armee. Vom 1. Mai 1931 bis 1. Mai 1935 war er als Sachbearbeiter im Registerbüro der Militärtechnischen Anstalt der Armee in K, daran anschließend bis zum 31. Dezember 1936 als Vorstand des Bürgermeisterbüros bei der Stadtverwaltung K und vom 1. Januar 1937 bis 1. September 1941 im Polizeipräsidium der Stadtverwaltung B beschäftigt. Vom 1. September 1941 bis 8. Mai 1945 diente er in der serbischen Wehrmacht bzw im Serbischen Freiwilligenkorps. Seit 1947 lebt er im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Am 15. Mai 1953 wurde er nach dem Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25. April 1951 (BGBl I S 269) (im folgenden: HAuslG) als heimatloser Ausländer anerkannt.

Auf seinen Antrag vom 29. August 1975 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 6. Dezember 1976 für die Zeit ab 1. März 1975 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Bei dessen Berechnung berücksichtigte sie neben den im Bundesgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten den Zeitraum vom 1. Oktober 1941 bis 15. Februar 1948 als Ersatzzeit. Hinsichtlich der in Jugoslawien zurückgelegten Versicherungszeiten wurde im Bescheid ausgeführt, über ihre Anrechnung könne erst nach Vorliegen der Antwort des jugoslawischen Versicherungsträgers entschieden werden.

Mit Schreiben vom 7. Juli 1977 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Oktober 1976 - 4/12 RJ 150/75 - (BSG SozR 6560 Art 1 Nr 2), die vor dem Jahre 1945 in Jugoslawien zurückgelegten Versicherungszeiten gemäß Art 5 Abs 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 10. März 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 25. Juni 1958 (BGBl II S 168) (im folgenden: VertragsG) bei der Berechnung des Altersruhegeldes zu berücksichtigen, weil er nach § 18 HAuslG den durch Art 1 Abs 1 Buchst a) des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10. März 1956 (BGBl 1958 II S 1970) (im folgenden: Vertrag) begünstigten Deutschen im Sinne des Grundgesetzes (GG) gleichstehe. Mit Schreiben vom 28. September 1977 erwiderte die Beklagte, der Kläger falle als heimatloser Ausländer unter § 1 Buchst d) des Fremdrentengesetzes (FRG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I S 93). Nach Art 33 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl 1969 II S 1438) (im folgenden DJuSVA) sei der in einem Vertragsstaat gestellte Leistungsantrag einem Leistungsantrag in dem anderen Vertragsstaat gleichgestellt. Hierzu sei die Einleitung des jugoslawischen Pensionsverfahrens erforderlich. Dieses sei noch nicht abgeschlossen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit der zusätzlichen Begründung zurück, der Vertrag vom 10. März 1956 sei auf den Personenkreis der heimatlosen Ausländer nicht anzuwenden (Widerspruchsbescheid vom 15. November 1977).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) München nach weiterer Sachaufklärung ua durch Einholung eines Gutachtens des Dozenten Dr A L von der Seminarabteilung für Ostrechtsforschung der Universität H vom 4. April 1979 mit Urteil vom 17. Juli 1979 die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 6. Dezember 1976 und vom 28. September 1977 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1977 verurteilt, das Altersruhegeld des Klägers neu zu berechnen und dabei die Zeit vom 1. Mai 1931 bis 1. September 1941 als glaubhaft gemachte Versicherungszeit nach Art 5 Abs 1 VertragsG iVm Art 1 Abs 1 Buchst a) des Vertrages zu berücksichtigen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt:

Der Kläger sei zwar nicht Deutscher im Sinne des Art 116 GG. Als heimatloser Ausländer sei er jedoch nach § 18 HAuslG ua in der Sozialversicherung den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt. Das gelte auch bei Anwendung des Art 1 Abs 1 Buchst a) des Vertrages. Ungeachtet etwa entgegenstehender Motive der Vertragsschließenden enthalte die Vorschrift keinen förmlichen Ausschluß der Anwendung des § 18 HAuslG. Die vom Kläger geltend gemachten Versicherungszeiten seien bei der Rentenberechnung wie Versicherungszeiten zu berücksichtigen, die in einer deutschen Rentenversicherung im Bundesgebiet zurückgelegt worden seien. Sie wären nach dem am 1. Januar 1956 in Jugoslawien geltenden Recht Versicherungszeiten oder ihnen gleichgestellte Zeiten gewesen, wenn sich der Kläger bis zum Stichtag im Gebiet Jugoslawiens aufgehalten hätte oder dort beschäftigt gewesen wäre. Das ergebe sich aus dem Gutachten des Dr L vom 4. April 1979. Beginn und Ende der einzelnen Tätigkeiten des Klägers in der Zeit vom 1. Mai 1931 bis 1. September 1941 seien durch Zeugenerklärungen glaubhaft gemacht. Für die Frage, ob nach Art 5 Abs 1 VertragsG fiktive Versicherungszeiten vorhanden seien, müßten diejenigen jugoslawischen Rechtsvorschriften außer Betracht bleiben, welche für einen bestimmten Personenkreis - Versicherte, die während des Volksbefreiungskampfes aktiv auf der Seite der Besatzungsmächte und ihrer Helfer gestanden hätten oder Funktionäre der Quisling-Behörden oder -Organisationen gewesen seien, sowie Personen, die sich früher durch ihre aktive Tätigkeit gegen das Volk hervorgetan hätten - alle bis zum 15. Mai 1945 zurückgelegten Beschäftigungszeiten aberkannt, dh nicht als Versicherungszeiten gewertet hätten. Diese Vorschriften könnten trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit jugoslawischen Rechts über Art 5 VertragsG wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht angewendet werden, weil sie zum Verfall nicht nur der Zeiten einer Kollaboration mit dem Deutschen Reich, sondern sämtlicher bis zum 15. Mai 1945 zurückgelegten und damit auch der "neutralen" Versicherungszeiten führten.

Das SG hat die Sprungrevision im Urteil zugelassen. Die Beklagte hat unter Beifügung der schriftlichen Zustimmung des Klägers dieses Rechtsmittel eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des Art 1 Abs 1 Buchst a) des Vertrages iVm Art 5 Abs 1 VertragsG und mit § 18 HAuslG. Zur Begründung trägt sie vor:

Die in § 18 HAuslG ausgesprochene Gleichstellung heimatloser Ausländer mit deutschen Staatsangehörigen gelte nicht für Regelungen, welche für die Anwendung bestimmter Vorschriften ausdrücklich das Vorhandensein der deutschen Staatsangehörigkeit forderten. Heimatlosen Ausländern sollten lediglich wegen des Fehlens der deutschen Staatsangehörigkeit keine Nachteile entstehen dürfen. Die in § 18 HAuslG erwähnte Gleichstellung ersetze die deutsche Staatsangehörigkeit jedoch nicht in vollem Umfange, vor allem dann nicht, wenn durch zwischen- oder auch innerstaatliche Vorschriften Regelungen allein für deutsche Staatsangehörige getroffen worden seien oder - wie in Art 1 Abs 1 Buchst a) und b) des Vertrages - durch Versicherungslastregelungen der davon betroffene Personenkreis genau festgelegt worden sei. Auch Art 1 Abs 1 des Vertrages verbiete nach Wortlaut, Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Denkschrift zu dem Vertrag eine erweiternde Auslegung hinsichtlich des Personenkreises. Für den mit dem Vertrag bezweckten Finanzausgleich seien keinesfalls Zeiten solcher Personen zugrundegelegt worden, die am Stichtag (1. Januar 1956) jugoslawische Staatsangehörige gewesen seien und für die lediglich durch eine innerstaatliche Vorschrift eine allgemeine Gleichbehandlung mit deutschen Staatsangehörigen ausgesprochen worden sei. Für heimatlose Ausländer hätten daher der Vertrag und das VertragsG trotz § 18 HAuslG keine Gültigkeit. Aus der Rechtsprechung des BSG könne ein anderes Ergebnis nicht hergeleitet werden. Insbesondere das zurückverweisende Urteil vom 26. Oktober 1976 enthalte keine Festlegung einer Rechtsauffassung. - Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat die Beklagte ihre Ausführungen ergänzt.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom

17. Juli 1979 aufzuheben und die Klage

abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die dagegen vorgebrachten Einwendungen der Beklagten für nicht durchgreifend.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.

Soweit das SG die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 6. Dezember 1976 zur Neuberechnung des Altersruhegeldes des Klägers verurteilt hat, muß die Revision ohne Prüfung in der Sache bereits aus formellen Gründen Erfolg haben. Das SG hat in diesem Umfang nicht sachlich entscheiden dürfen. Vielmehr hätte es insoweit die Klage als unzulässig abweisen müssen.

Die vom Kläger erhobene Klage ist am 25. November 1977 beim SG eingegangen. Die Abänderung auch des Bescheides vom 6. Dezember 1976 hat der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 17. Juli 1979 beantragt. Der Bescheid ist jedoch dem Bevollmächtigten bereits mit eingeschriebenen Brief vom 15. Dezember 1976 übersandt worden und gilt damit als am 18. Dezember 1976 zugestellt (§ 63 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- iVm § 4 Abs 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes -VwZG-). Demgemäß war die einmonatige Klagefrist (§ 87 Abs 1 SGG) am 18. Januar 1977 abgelaufen. Die erst am 17. Juli 1979 wegen des Bescheides vom 6. Dezember 1976 erhobene Klage ist verspätet und allein schon aus diesem Grunde abzuweisen.

Über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28. September 1977 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1977 hat das SG dagegen zutreffend in der Sache entschieden. Auch in diesem Umfange kann das angefochtene Urteil jedoch keinen Bestand haben. Der Kläger kann eine Berechnung seines Altersruhegeldes unter Berücksichtigung einer weiteren Versicherungszeit vom 1. Mai 1931 bis 1. September 1941 jedenfalls gegenwärtig nicht verlangen.

Ein solcher Anspruch läßt sich entgegen der Ansicht des SG nicht aus den Bestimmungen des Vertrages vom 10. März 1956 iVm Art 5 Abs 1 VertragsG herleiten. Nach Art 1 Abs 1 Buchst a) des Vertrages sollen ua alle Anwartschaften und Ansprüche aus Versicherungen für den Fall der Invalidität oder der Berufsunfähigkeit, des Alters und des Todes von Deutschen im Sinne des GG, die am 1. Januar 1956 ihren ständigen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik oder im Lande Berlin hatten, soweit diese Anwartschaften und Ansprüche aufgrund der bis zum 1. Januar 1956 in der jugoslawischen Sozialversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten) erwachsen sind, durch Zahlung von Pauschbeträgen abgegolten werden. Mit dem Inkrafttreten des Vertrages übernehmen die Träger der deutschen Sozialversicherung gegenüber den in Art 1 Abs 1 Buchst a) des Vertrages genannten Deutschen alle Verpflichtungen aus den in dieser Vorschrift bezeichneten Anwartschaften und Ansprüchen nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts (Art 2 Buchst a) des Vertrages). Nach Art 5 Abs 1 VertragsG werden Zeiten, die von den in Art 1 Abs 1 Buchst a) des Vertrages genannten Deutschen vor dem 1. Januar 1956 in einer jugoslawischen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt worden sind oder als zurückgelegt gelten und nach jugoslawischem Recht Versicherungszeiten oder ihnen gleichgestellte Zeiten sind oder wären, wenn diese Personen bis zum genannten Tage im Gebiet der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien beschäftigt gewesen wären, wie Versicherungszeiten angerechnet, die in einer deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im Bundesgebiet zurückgelegt worden sind.

Der Umstand allein, daß zwischenzeitlich am 1. September 1969 (vgl Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 11. August 1969; BGBl II S 1568) das DJuSVA in Kraft getreten ist, steht der Anwendung des Vertrages und des VertragsG nicht entgegen. Mit Ausnahme einiger hier nicht einschlägiger Sonderregelungen hat das DJuSVA die im Vertrag vom 10. März 1956 getroffene Regelung über den Austausch von Versicherungslasten und damit auch Art 5 Abs 1 VertragsG unberührt gelassen (BSGE 31, 54, 55 = SozR Nr 1 zu GesAbk mit Jugoslawien SozVers Art 5 vom 1958-06-25; BSGE 47, 142, 143 = SozR 5050 § 19 Nr 6 S 10; Kintzel in RVO-Gesamtkommentar, Jugoslawien/Abkommen, Art 2 Anm 11, S 37).

Der Anwendbarkeit des Vertrages und des VertragsG steht jedoch entgegen, daß der Kläger nicht Deutscher im Sinne des Art 116 GG ist. Der Vertrag und das VertragsG erfassen lediglich diesen Personenkreis. Auf heimatlose Ausländer sind sie nicht anwendbar (vgl Urteil des BSG vom 27. September 1979 - 4 RJ 17/78 = SozSich 1980, 25, 26). Das ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art 1 Abs 1 Buchst a) des Vertrages. Hiernach sollen die Anwartschaften und Ansprüche "von Deutschen im Sinne des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland" durch Zahlung von Pauschbeträgen abgegolten werden. Diese in erkennbar bewußter Anlehnung an Art 116 GG vereinbarte Vertragsbestimmung läßt nach dem in ihr zum Ausdruck kommenden Willen der Vertragsparteien eine Ausdehnung des Vertrages auf andere Personen als diejenigen, die am Stichtag (1. Januar 1956) Deutsche im Sinne des Art 116 GG gewesen sind (zur Stichtagsvoraussetzung vgl BSG SozR 6560 Art 1 Nr 2), nicht zu. Auch Art 5 Abs 1 VertragsG ermöglicht bezüglich des begünstigten Personenkreises eine erweiternde Anwendung des Vertrages nicht. Vielmehr wird hierin ausdrücklich "von den in Artikel 1 Abs 1 Buchst a) des Vertrages genannten Deutschen" gesprochen. Dieses Ergebnis wird mittelbar bestätigt durch Art 3 Abs 1 Buchst b) DJuSVA. Hiernach stehen bei Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates dessen Staatsangehörigen ua Flüchtlinge im Sinne des Art 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 gleich. Die Vertragsparteien haben damit gezielt auch andere Personen als die Staatsangehörigen der beiden Vertragsstaaten in den Anwendungsbereich des Abkommens einbezogen. Im Vertrag vom 10. März 1956 ist dies hingegen nicht geschehen. Dessen persönlicher Anwendungsbereich kann daher nicht über den in Art 1 Abs 1 des Vertrages genannten Personenkreis hinaus erstreckt werden.

Entgegen der Auffassung des SG ist aus § 18 HAuslG nichts zugunsten des Klägers herzuleiten. Nach dieser Vorschrift sind heimatlose Ausländer ua in der Sozialversicherung den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt. Damit dürfen heimatlose Ausländer trotz Fehlens der deutschen Staatsangehörigkeit nicht anders behandelt werden als deutsche Staatsangehörige. Sie werden unter den gleichen Voraussetzungen und in gleichem Umfange wie allgemein deutsche Staatsangehörige von den Vorschriften des Sozialversicherungsrechts der Bundesrepublik Deutschland erfaßt und dürfen insoweit gegenüber deutschen Staatsangehörigen nicht benachteiligt werden (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 22. September 1965 in BSGE 24, 20, 22 = SozR Nr 5 zu § 16 FRG im Anschluß an das Urteil des 7. Senats in BSGE 9, 132, 135 f; ferner BSGE 29, 100, 102 = SozR Nr 36 zu § 1251 RVO). Auf zwischenstaatliche Verträge, selbst wenn sie durch Transformation (Art 59 Abs 2 GG) innerstaatliches Recht geworden sind und den einzelnen Bürger unmittelbar berechtigen und verpflichten, ist dieser Rechtsgedanke nicht ohne weiteres übertragbar. Das muß insbesondere dann gelten, wenn nach seinem Wortlaut und dem darin zum Ausdruck kommenden übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien sowie nach seinem Sinn und Gesamtzusammenhang ein zwischenstaatliches Abkommen sich gezielt nur auf einen fest umrissenen Personenkreis beziehen soll. Unter diesen Voraussetzungen gebührt dem Abkommen der Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht (vgl speziell zum Vorrang des hier einschlägigen Vertrages BSGE 31, 54, 58 = SozR Nr 1 GesAbk mit Jugoslawien SozVers Art 5 vom 1958-06-25; BSGE 47, 142, 144 = SozR 5050 § 19 Nr 6 S 11) mit der Folge, daß der vom Abkommen bewußt und gewollte erfaßte, fest umrissene Personenkreis nicht durch innerstaatliches Recht auf andere Personengruppen erstreckt werden darf. Das gilt auch für das Verhältnis des "Vertrages" zu § 18 HAuslG.

Hierfür sprechen vor allem zwei Gründe. Einmal handelt es sich bei dem Vertrag nicht um ein allgemeines Sozialversicherungsabkommen. Vielmehr stellt er ein Gegenseitigkeitsabkommen besonderer Art auf dem Gebiet der Sozialversicherung mit der gegenständlich genau abgegrenzten Zielsetzung dar, bestimmte Versicherungslasten zwischen den Versicherungsträgern der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Jugoslawien auszutauschen und bezüglich dieser Versicherungslasten einen "endgültigen Schlußstrich unter die Vergangenheit" zu ziehen (vgl BSGE 31, 54, 58 = SozR Nr 1 zu GesAbk mit Jugoslawien SozVers Art 5 vom 1958-06-25; BSG SozR 6560 Art 2 Nr 1 S 2; Ludwig SozSich 1959, 329; Schwarz BABl 1960, 59, 61 und BG 1960, 30, 32; Pöschl SozVers 1965, 36; Mitt der LVA Oberfranken und Mittelfranken 1967, 127, 131). Diese begrenzte Zielsetzung kommt vor allem in der Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereiches des Vertrages auf die am Stichtag (1. Januar 1956) im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wohnenden deutschen und die im Gebiet der Volksrepublik Jugoslawien wohnenden jugoslawischen Staatsangehörigen (vgl hierzu BSG SozR 6560 Art 1 Nr 2 S 1) und des sachlichen Anwendungsbereiches auf die bis zum Stichtag erworbenen Ansprüche und Anwartschaften zum Ausdruck; sie ist ferner maßgebend gewesen für die Berechnung des nach Art 1 Abs 2 des Vertrages von der Bundesrepublik Deutschland an die Volksrepublik Jugoslawien zu zahlenden Unterschiedsbetrages von 26 Millionen DM (zu Einzelheiten dieser Berechnung vgl Schwarz BABl 1960, 59, 61 und BG 1960, 30, 32). Dieser dem Willen der Vertragsstaaten entsprechenden, im Vertrag selbst mehrfach zum Ausdruck gebrachten begrenzten Zielsetzung würde es widersprechen, über die innerstaatliche Regelung des § 18 HAuslG einen weiteren Personenkreis in den Anwendungsbereich des Vertrages einzubeziehen und damit - vorwiegend zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland und zugunsten der Volksrepublik Jugoslawien - eine Verschiebung der von den Vertragsstaaten vereinbarten Versicherungslastverteilung zu bewirken.

Hinzu kommt ein weiteres: Es kann auf sich beruhen, welche Bedeutung § 18 HAuslG im allgemeinen für gegenüber dem innerstaatlichen Recht grundsätzlich vorrangige überstaatliche oder zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen hat. Dem hier maßgeblichen Vertrag vom 10. März 1956 jedenfalls ist gegenüber dem § 18 HAuslG eindeutig der Vorrang zugemessen worden. Das ergibt sich aus Art 2 Buchst a) des Vertrages iVm Art 2 VertragsG. Nach erstgenannter Vorschrift übernehmen mit Inkrafttreten des Vertrages die Träger der deutschen Sozialversicherung gegenüber den in Art 1 Abs 1 Buchst a) des Vertrages genannten Deutschen alle Verpflichtungen aus den darin bezeichneten Anwartschaften und Ansprüchen nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts. Innerstaatliches Recht in diesem Sinne ist nach Art 2 VertragsG die in der Bundesrepublik Deutschland und im Lande Berlin geltende Gesetzgebung über Sozialversicherung, soweit sie den Bestimmungen des Vertrages und des VertragsG nicht entgegensteht. § 18 HAuslG steht dem jedoch entgegen. Seine Anwendung würde - wie erwähnt - den persönlichen Anwendungsbereich des Vertrages im Widerspruch zu dem darin zum Ausdruck gebrachten und durch Art 5 Abs 1 VertragsG bestätigten Willen der Vertragsparteien erweitern. Dieses Ergebnis kann nur dadurch vermieden werden, daß § 18 HAuslG als nachrangig und im Rahmen des Vertrages und des VertragsG unanwendbar angesehen wird.

Der Kläger kann nach alledem aufgrund des § 18 HAuslG eine Neuberechnung seines Altersruhegeldes unter Berücksichtigung einer zusätzlichen Versicherungszeit vom 1. Mai 1931 bis 1. September 1941 nicht beanspruchen. Dies muß unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage führen.

Der Senat hält es für erforderlich, außerhalb der tragenden Gründe seines Urteils auf folgendes hinzuweisen: Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. September 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1977 hat die Beklagte sachlich abschließend nur darüber entschieden, ob der vom Kläger erhobene Anspruch aufgrund des Vertrages iVm Art 5 VertragsG und mit § 18 HAuslG gegeben ist. Demgemäß bezieht sich auch das Urteil des Senats ausschließlich auf diese Rechtsfrage. Hingegen hat es die Beklagte bislang offen gelassen - und der Senat dementsprechend nicht darüber entscheiden können -, ob der als heimatloser Ausländer grundsätzlich unter den Anwendungsbereich des FRG fallende Kläger (vgl § 1 Buchst d) FRG) eine Anrechnung etwaiger in Jugoslawien zurückgelegter Beitragszeiten nach § 15 FRG - die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG kommt bei einem heimatlosen Ausländer nicht in Betracht (§ 17 Abs 2 Satz 2 FRG) - verlangen kann. Insofern geht die Beklagte selbst zutreffend davon aus, daß angesichts der Unanwendbarkeit des Vertrages und des VertragsG auf den vorliegenden Sachverhalt das FRG unmittelbar Anwendung findet (BSGE 31, 54, 58 = SozR Nr 1 zu GesAbk mit Jugoslawien SozVers Art 5 vom 1958-06-25; BSGE 47, 142, 147 = SozR 5050 § 19 Nr 6 S 15). Sie hat indes über die Berücksichtigung jugoslawischer Beitragszeiten bislang deswegen nicht entschieden, weil ihre an den jugoslawischen Versicherungsträger gerichtete Anfrage nach solchen Zeiten noch nicht beantwortet worden sei. Sollte eine Antwort auch in dem Kläger zumutbar naher Zukunft nicht eingehen, so wird die Beklagte zu erwägen haben, ob sie dessen ungeachtet eine Entscheidung unter Berücksichtigung der §§ 4 und 19 Abs 2 FRG treffen sollte (vgl dazu BSGE 47, 142, 147 = SozR 5050 § 19 Nr 6 S 14).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1657971

BSGE, 198

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge