Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, inwieweit das LSG nach Aufhebung seines Urteils und Zurückverweisung der Sache an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts nach SGG § 170 Abs 4 gebunden ist.

2. War der Beschädigte wegen der Schädigungsfolgen bereits vor der Vertreibung (aus Ostpreußen) völlig erwerbsunfähig und konnte er deshalb seinen (selbständigen) Beruf schon damals nicht mehr ausüben, so ist - zumindest - diese Berufsstellung der Errechnung des Berufsschadensausgleichs zugrundezulegen. Dieser Berufsschaden kann durch die spätere Vertreibung nicht iS einer überholenden Kausalität beseitigt werden.

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird im Rahmen der Revision die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, so ist das Gericht bei seiner Entscheidung an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts (SGG § 170 Abs 4) nur insoweit gebunden, als sie der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist; das Revisionsurteil bindet die untere Instanz sonach nicht, soweit es dem Instanzgericht gewisse Richtlinien oder Fingerzweige für die weitere Behandlung der Sache gibt oder Revisionsangriffe dahingestellt läßt bzw als begründet, aber nicht als wesentlich erklärt.

 

Normenkette

SGG § 170 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03; BVG § 30 Abs. 4 Fassung: 1960-06-27, Abs. 4 Fassung: 1964-02-21; BVG§30Abs3u4DV § 5 Abs. 1 Fassung: 1964-07-30

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. März 1968 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des jetzigen Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Der 1904 geborene Kläger besuchte die Volksschule und übernahm 1928 von seinem Vater einen Bauernhof in Ostpreußen. Diesen Hof und weiteres Pachtland bewirtschaftete er nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) bis zum Jahre 1944. Danach konnte er wegen Erwerbsunfähigkeit seinen Beruf als Landwirt nicht mehr ausüben. Außerdem betrieb er früher nebenbei Viehhandel. Sein jährliches Einkommen betrug etwa 6000,- RM. 1946 kam der Kläger in die sowjetische Besatzungszone und siedelte 1956 in die Bundesrepublik über. Durch Bescheid vom 3. Oktober 1960 erkannte das Versorgungsamt (VersorgA) einen ausgedehnten Narbenzustand nach beidseitiger Aderhaut-Netzhautentzündung mit Verlust des Sehvermögens als Schädigungsfolge im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) an und gewährte dem Kläger Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H. Weitere Gesundheitsstörungen wurden nicht als Schädigungsfolgen anerkannt. Aufgrund eines Antrags des Klägers vom März 1961 auf Gewährung von Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 - BGBl I 453 - (1. NOG) setzte das VersorgA durch Bescheid vom 22. September 1962 den Berufsschadensausgleich auf monatlich 110,- DM fest. Es legte seiner Berechnung die Leistungsgruppe 2 gemäß § 3 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG (DVO) vom 30. Juli 1961 (BGBl I 1115) zugrunde. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er die Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 6 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) nach § 5 der DVO mit der Begründung begehrte, er hätte sich bei Nichtvorliegen der Schädigungsfolgen wieder als Landwirt, zumindest auf Pachtland, selbständig gemacht, wies der Beklagte zurück. Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, dem Kläger ab 1. Juni 1960 einen Berufsschadensausgleich nach dem Einkommen der Leistungsgruppe 1 zu zahlen. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch der Beklagte - die vom SG zugelassene - Berufung eingelegt. Das LSG hat auf die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 13. Oktober 1965 die Klage ab- und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die damalige Revision des Klägers ist dieses Urteil mit Urteil des erkennenden Senats vom 6. Dezember 1966, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wegen verschiedener Verfahrensmängel aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen worden. Danach hat das LSG ein Gutachten des Staatlichen Gewerbearztes Dr. B eingeholt, außerdem hat der Beklagte eine Auskunft der Landwirtschaftskammer W vorgelegt. Das LSG hat mit Urteil vom 18. März 1968 das SG-Urteil abgeändert und den Beklagten unter Zurückweisung seiner Berufung verurteilt, der Berechnung des Berufsschadensausgleichs das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 6 BBesG bis zum 31. Dezember 1963 und vom 1. Januar 1964 an das der Besoldungsgruppe A 7 BBesG - jeweils zuzüglich Ortszuschlag nach Stufe 2 und Ortsklasse A - zugrunde zu legen. Es hat u. a. ausgeführt, es stehe fest, daß der Kläger bereits im Jahre 1944, also noch vor seiner Vertreibung aus Ostpreußen, durch eine als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung erwerbsunfähig im Sinne der versorgungsrechtlichen Bestimmungen gewesen sei, so daß er seinen Beruf als selbständiger Landwirt nicht mehr habe ausüben können. Nach Auffassung des 9. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) sei bei der Bemessung des Berufsschadensausgleichs von dieser Tatsache auszugehen, weil die wirtschaftlichen Folgen der Augenschädigung nicht dadurch beseitigt oder überholt worden seien, daß der Beschädigte infolge der späteren Vertreibung aus Ostpreußen sein landwirtschaftliches Anwesen verloren habe; vielmehr sei seine durch die Schädigungsfolge eingetretene berufliche Situation dadurch noch verschlimmert worden. An die rechtliche Beurteilung dieses Falles durch das BSG sei das LSG nach § 170 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gebunden. Den Ausführungen des Beklagten hierzu könne nicht gefolgt werden, weil der Wortlaut des BSG-Urteils vom 6. Dezember 1966 insoweit eindeutig sei und keine andere Deutung zulasse. Da der Kläger nach den vorliegenden Gutachten aus den Jahren 1944 und 1956 bereits vor der Vertreibung voll erwerbsunfähig und damit nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine 9 ha große Landwirtschaft zu bewirtschaften, sei er in seinem Beruf als selbständiger Landwirt geschädigt. Er habe zwar nur die Volksschule besucht und keine landwirtschaftliche Lehre durchgemacht. Da er aber bereits in den Jahren 1928 bis 1945 selbständiger Landwirt gewesen sei, sei nach dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit (BMA) vom 25. August 1961 Va2-5211-3835/61 eine abgeschlossene Berufsausbildung im Sinne des § 5 DVO anzunehmen, weshalb der Bemessung des Berufsschadensausgleichs nach § 5 DVO das Durchschnittseinkommen nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 6 bzw. A 7 zugrunde zu legen sei. Da dem Begehren des Klägers in vollem Umfang entsprochen worden sei, entfalle eine weitere Prüfung, ob er auch in seinem Beruf als Viehhändler geschädigt worden sei. Die Berufung des Beklagten, mit der er die Aufhebung des SG-Urteils begehre, soweit ihn dieses verurteilt habe, das Einkommen der Leistungsgruppe 1 zugrunde zu legen, sei unbegründet; denn mit dem angefochtenen Urteil habe das SG weniger zugesprochen als das LSG.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte Verletzung der §§ 128, 170 Abs. 4 SGG, 30 Abs. 4 BVG sowie 2 und 5 der DVO. Nach § 170 Abs. 4 SGG habe das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden sei, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen; darunter seien aber nicht ausnahmslos alle Rechtsausführungen im BSG-Urteil zu verstehen, gemeint seien vielmehr nur die rechtlichen Überlegungen, auf denen die Aufhebung des mit der Revision angefochtenen Urteils beruhe. Wie der 3. Senat des BSG in seinem Urteil vom 28. September 1961 (SozR Nr. 4 zu § 170 SGG) ausgeführt habe, sei es der Sinn der Zurückverweisung, daß das Berufungsgericht die vom Revisionsgericht gerügten Fehler, die zur Aufhebung geführt haben, nicht wiederholen dürfe, daß es aber im übrigen in seiner Entscheidung frei sein solle. Deshalb beschränke sich auch im sozialgerichtlichen Verfahren die Bindung des Untergerichts auf die der Aufhebung der Vorentscheidung zugrundeliegende rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts. Dieser Rechtsauffassung sei zuzustimmen. Das LSG habe es ohne Angabe von Gründen darauf abgestellt, daß der Wortlaut des BSG-Urteils vom 6. Dezember 1966, "das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch zu prüfen haben" und "es wird bei der Bemessung des Berufsschadensausgleichs von diesem Tatbestand auszugehen sein", eindeutig sei. Damit habe es die zitierten Stellen als bindende Anweisung angesehen. Das entspräche aber nur dann dem Gesetz, wenn § 170 Abs. 4 SGG es dem Revisionsgericht überließe, den Umfang der Bindung seiner rechtlichen Beurteilung selbst zu bestimmen. Davon könne jedoch keine Rede sein. Hätte das LSG § 170 Abs. 4 SGG richtig angewandt, dann hätte es sich nicht in sachlich-rechtlicher Beziehung gebunden fühlen können. Denn die Aufhebung seines früheren Urteils beruhe ausschließlich auf der Feststellung von Verfahrensmängeln. Dem entspreche der Aufbau des BSG-Urteils vom 6. Dezember 1966; die materiell-rechtlichen Ausführungen dieses BSG-Urteils begännen erst, nachdem die Darlegungen zur Begründung der Entscheidung abgeschlossen gewesen seien. Hätte das LSG erkannt, daß es in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht an die Ausführungen im BSG-Urteil vom 6. Dezember 1966 gebunden gewesen sei, dann wäre es seiner sich aus den §§ 103, 128 SGG ergebenden Verpflichtung nachgekommen, in bezug auf den Tatbestand des § 30 Abs. 4 BVG und der §§ 2 und 5 der DVO den Sachverhalt gegebenenfalls weiter aufzuklären und sich auf jeden Fall eine eigene Meinung zu bilden. Der von ihm festgestellte Sachverhalt rechtfertige nicht die Ermittlung des mutmaßlichen Einkommens des Klägers nach § 5 DVO. Es fehle die Feststellung, "wonach" der Kläger ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen selbständig tätig wäre. Bei weiterer Sachaufklärung und eigener Beweiswürdigung wäre das LSG wohl nicht zu dieser Feststellung gelangt. Es hätte sich wahrscheinlich - wie schon im ersten Berufungsverfahren - nicht davon überzeugen können, daß der Kläger ohne die Schädigung nach der Vertreibung und nach dem Zuzug in die Bundesrepublik wieder eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hätte. An der bekannten Tatsache, daß nur einem geringen Teil der vertriebenen Landwirte in der Bundesrepublik Bauernhöfe zur Bewirtschaftung hätten zugewiesen werden können, habe sich nichts geändert. Nach der Auskunft der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe vom 28. September 1967 sei es auch unwahrscheinlich, daß der Kläger ohne die Schädigung heute als selbständiger Viehhändler tätig wäre. Ohne die Feststellung, daß der Kläger nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen ohne die Schädigung selbständig tätig wäre, hätte das LSG § 5 DVO nicht anwenden dürfen. Das ergebe sich aus § 30 Abs. 4 BVG und § 2 DVO. Zwar möge das Eintreten eines besonderen beruflichen Betroffenseins in einem bestimmten Beruf letztlich als Haftungsgrund für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs anzusehen sein. Es sei auch zuzugeben, daß das besondere berufliche Betroffensein und seine nachteiligen Folgen nicht dadurch beseitigt würden, daß sich die berufliche Situation des Beschädigten später aus schädigungsunabhängigen Gründen weiter verschlechtere und angenommen werden könne, daß er auch ganz ohne die Schädigung in diese spätere berufliche Situation geraten wäre. Das ändere jedoch nichts daran, daß nach § 30 Abs. 4 BVG und § 2 DVO für die Ermittlung des mutmaßlichen Durchschnittseinkommens die berufliche Entwicklung maßgebend sei, wie sie ohne die Schädigung wahrscheinlich eingetreten wäre. Daran lasse schon der Wortlaut der Vorschriften keine Zweifel. Außerdem entspreche diese Auslegung dem Zweck des § 30 Abs. 3 BVG, der auf den Ausgleich von Einkommensverlusten ziele, die sich für den jeweiligen Leistungszeitraum (Monat) ergäben. Käme es nicht auf den mutmaßlichen Berufsweg an, dann dürfte zudem die Überschreitung der für die meisten Berufstätigen bedeutsamen Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres) nicht berücksichtigt werden. Bei der Beurteilung des mutmaßlichen Berufsweges seien alle Umstände, die ihn möglicherweise hätten beeinflussen können, zu würdigen. Das folge aus der Verwendung des umfassenden Begriffs der Lebensverhältnisse; dazu gehörten zB die Umstände, die auf die Vertreibung eines Beschädigten zurückzuführen seien. Das LSG hätte überdies die genannten Gesetzesbestimmungen selbst dann verletzt, wenn es zu Recht in materiell-rechtlicher Hinsicht eine Bindung nach § 170 Abs. 4 SGG angenommen hätte. Es habe nämlich die Gründe des Urteils vom 6. Dezember 1966 falsch ausgelegt und damit den Umfang der vermeintlichen Bindung verkannt. Wenn das LSG den Ausführungen des BSG entnommen habe, daß es § 5 DVO zugunsten des Klägers anwenden müsse, nachdem es dessen Unfähigkeit zur Ausübung des Landwirtsberufs bereits für das Jahr 1944 festgestellt habe, so habe es sich in Widerspruch zu den Ausführungen des BSG gesetzt. Dieses habe sich gar nicht mit den §§ 30 Abs. 4 BVG, 2 und 5 DVO befaßt. Das LSG hätte somit auch von seinem zu § 170 Abs. 4 SGG vertretenen Standpunkt aus von sich aus prüfen müssen, ob alle Voraussetzungen vorlägen, um das Durchschnittseinkommen nach § 5 DVO zu bestimmen. Diese Prüfung hätte unter Beachtung der §§ 103 und 128 SGG wahrscheinlich nicht zur Feststellung der Voraussetzungen, die § 5 DVO fordere, geführt. Das LSG habe ferner die Berufung des Beklagten nicht zurückweisen dürfen. Bei Vermeidung der gerügten Gesetzesverletzungen und bei richtiger Anwendung des § 3 DVO, dessen Nichtanwendung ebenfalls beanstandet werde, wäre es zu seiner Feststellung nicht gekommen. Das LSG-Urteil enthalte auch keine Feststellungen, mit denen sich die vom SG vorgenommene Einstufung des Klägers in die Leistungsgruppe 1 der Arbeiter rechtfertigen ließe. Bei fehlerfreiem Verfahren hätte es die Leistungsgruppe 2 anstatt die der Gruppe 1 als erfüllt ansehen müssen. Es hätte nach § 128 SGG berücksichtigen müssen, daß die Tätigkeit als selbständiger Landwirt keine Schlüsse darauf erlaube, mit welchem Erfolg der Kläger ohne die Schädigung in einem fremden Beruf gearbeitet hätte.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des LSG vom 18. März 1968 und des Urteils des Sozialgerichts vom 22. Dezember 1964 die Klage abzuweisen und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 22. Dezember 1964 zurückzuweisen.

hilfsweise,

das LSG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er führt u. a. aus, es sei unverständlich, wenn der Beklagte die Meinung vertrete, die in Frage stehenden Ausführungen im BSG-Urteil vom 6. Dezember 1966 seien für die Versorgungsstreitsache nicht wesentlich und daher für das LSG nicht maßgeblich gewesen; jene Ausführungen seien vielmehr als Kernstück des Urteils aufzufassen. Das BSG habe in diesem Urteil die Anwendung der versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm für den Berufsschadensausgleich klarstellen müssen, weil das LSG in seinem früheren Urteil diese Kausalitätsnorm verkannt habe. In der Kriegsopferversorgung (KOV) gebe es keine überholende Kausalität. Dieser Tatsache sei sich der Beklagte auch durchaus bewußt. Gerade auf dem Rechtsgebiet des Berufsschadensausgleichs müßten alle späteren Ereignisse, wenn ein solcher Anspruch dem Grunde nach erst einmal bejaht worden sei, außer Betracht bleiben. Es sei unbegreiflich, weshalb einerseits eine schädigungsunabhängige Krankheit oder eine strukturelle wirtschaftliche Veränderung für die Gewährung des Berufsschadensausgleichs unschädlich sei, während andererseits die Vertreibung aus den Ostgebieten einen bereits dem Grunde nach zustehenden Anspruch zunichte machen solle. Die Auffassung im BSG-Urteil vom 6. Dezember 1966 stimme in vollem Umfang mit der versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm überein. Werde dieser Auffassung gefolgt, dann verlören alle weiteren Rügen des Beklagten ihre Bedeutung.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (vgl. §§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG); sachlich konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.

Zunächst greift die Rüge der Revision, das LSG habe § 170 Abs. 4 SGG verletzt, nicht durch. Zwar ist das Gericht, an das die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, bei seiner Entscheidung an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts (§ 170 Abs. 4 SGG) nur insoweit gebunden, als sie der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist. Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß der Sinn der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht darin zu sehen ist, daß dieses die vom Revisionsgericht gerügten Fehler (auch Verfahrensfehler), die zur Aufhebung geführt haben, nicht wiederholen darf, daß es aber im übrigen in seiner Entscheidung frei sein soll (vgl. BSG in SozR Nr. 4 und 10 zu § 170 SGG, Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit Anm. 5 zu § 170 SGG S. III/82 - 42/1 - und Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl. § 143 III Anm. 1 b S. 716). Das Revisionsurteil bindet die untere Instanz sonach nicht, soweit es dem Instanzgericht gewisse Richtlinien oder Fingerzeige für die weitere Behandlung der Sache gibt oder Revisionsangriffe dahingestellt läßt oder zwar als begründet, aber nicht als wesentlich erklärt (vgl. Rosenberg, aaO, S. 717), oder soweit es - ganz allgemein - Ausführungen enthält, die die Entscheidung nicht tragen (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd. I 1969 S. 252 f).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so kann eine Verletzung des § 170 Abs. 4 SGG nicht festgestellt werden. Das frühere Urteil des erkennenden Senats vom 6. Dezember 1966 hat sich mit zwei Arten von Rügen befaßt, die beide - jede für sich - geeignet waren, die (damals) nicht zugelassene Revision statthaft zu machen. Einmal war gerügt worden, das LSG habe zu Unrecht angenommen, daß der Kläger seinen früheren Beruf als Viehhändler wegen schädigungsunabhängiger Krankheiten nicht wieder aufgenommen hätte, zum anderen war eine Verletzung der in der KOV geltenden Kausalitätsnorm gerügt worden, weil das LSG nicht erkannt habe, daß sich der Kläger wegen seiner Erblindung schon während des 2. Weltkrieges "beruflich von seinem Hof gelöst habe" und deshalb die spätere Vertreibung den ursächlichen Zusammenhang zwischen Schädigung und Berufsschaden nicht mehr habe beeinflussen können. Diese Rüge betraf sonach den Beruf des Klägers als Landwirt . Das Revisionsurteil hat damals zur Frage, ob der Kläger ohne die Schädigungsfolge den Beruf eines Viehhändlers hätte ausüben können, Verfahrensverstöße festgestellt, die "bereits" zur Aufhebung des Urteils führten. Hätte sich das Urteil vom 6. Dezember 1966 dann darauf beschränkt, im Anschluß an die Feststellung, daß das Urteil "daher" aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen sei, einige Hinweise darüber zu geben, in welcher Richtung etwa weitere Ermittlungen anzustellen, welche Umstände tatsächlicher Art von Bedeutung und wie sie gegebenenfalls rechtlich zu würdigen seien, so wäre das LSG an diese Auffassungen nach § 170 Abs. 4 SGG nicht gebunden gewesen. Derartige Ausführungen enthält das Revisionsurteil jedoch nicht. Vielmehr hat es sich anschließend der zweiten Rüge der Revision zugewandt, die das materielle Recht und den Beruf des Klägers als Landwirt betraf. Das LSG hatte insoweit die Auffassung vertreten, daß zwar beim Witwenschadensausgleich von den bis zum Tod des Ehemannes bestehenden Verhältnissen auszugehen sei und dabei die Tatsache, daß dieser "später aus seiner Heimat vertrieben worden wäre, unberücksichtigt bleiben" müsse, daß diese Regelung aber für den Kriegsbeschädigten selbst - und damit den Kläger - nicht gelten könne. Diese Meinung hat das Revisionsurteil nicht gebilligt, sondern die Rechtsauffassung vertreten, daß die wirtschaftlichen Folgen der Augenschädigung nicht dadurch beseitigt oder überholt worden seien, daß der Beschädigte infolge der späteren Vertreibung aus Ostpreußen sein landwirtschaftliches Anwesen verloren habe, vielmehr werde seine durch die Schädigungsfolge eingetretene berufliche Situation dadurch noch verschlimmert. Im Urteil hieß es deshalb ganz eindeutig: "Gelangt das LSG nach Durchführung weiterer Ermittlungen zum Ergebnis, daß der Kläger schon 1944/45 wegen der als Schädigungsfolge anerkannten Augenschädigung seinen Beruf als selbständiger Landwirt nicht mehr hat ausüben können, so wird bei der Bemessung des Berufsschadensausgleichs von diesem Tatbestand auszugehen sein." Das frühere Revisionsurteil hat sonach hinsichtlich des Berufs des Klägers als Landwirt nicht lediglich gewisse Richtlinien oder Fingerzeige für die weitere Behandlung der Sache gegeben, die die Entscheidung nicht trugen, sondern es hat die Rüge der Verletzung der in der KOV geltenden Kausalitätsnorm für begründet gehalten. Dies wird von Spalleck in "Der Versorgungsbeamte" 1969 S. 73, der in diesen Ausführungen nur ein "obiter dictum" erblickt, nicht berücksichtigt. Eine eigene Entscheidung in der Sache aus dem Gesichtspunkt des Berufsschadens als Landwirt, die angesichts des klägerischen Antrags (Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 6 BBesG bzw. ab 1. Januar 1964 A 7 - für Selbständige mit Volksschulbildung) unter Umständen möglich gewesen wäre, war dem Senat damals nach § 170 Abs. 2 Satz 1 SGG nur deshalb nicht möglich, weil - wie es auf Seite 9 des Urteils heißt - noch geprüft werden mußte, "ob der Kläger nicht schon damals infolge dieser an Blindheit grenzenden Sehstörung außerstande gewesen ist, den Beruf eines selbständigen Landwirts auszuüben". War dies aber der Fall, so mußte das LSG die im Urteil vom 6. Dezember 1966 gegebene rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts nach § 170 Abs. 4 SGG seiner Entscheidung auch zugrunde legen. Sonach greift die Rüge der Verletzung dieser Vorschrift nicht durch.

Demgemäß konnten auch die weiteren Verfahrensrügen, soweit sie davon ausgehen, daß das LSG an die in Frage stehenden Ausführungen im BSG-Urteil vom 6. Dezember 1966 nicht gebunden gewesen sei und deshalb den aus §§ 103 und 128 SGG sich ergebenden Verpflichtungen hätte nachkommen müssen, keinen Erfolg haben. Im übrigen mußte das LSG auch nicht aufklären, ob der Kläger ohne die Schädigungsfolgen nach der Vertreibung und nach dem Zuzug in die Bundesrepublik wieder als Landwirt oder Viehhändler selbständig tätig geworden wäre; denn es hat den Anspruch des Klägers schon deshalb als begründet angesehen, weil der Kläger bereits im Jahre 1944, also noch vor seiner Vertreibung aus Ostpreußen, durch eine als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung erwerbsunfähig im Sinne der versorgungsrechtlichen Bestimmungen gewesen sei, so daß er seinen Beruf als selbständiger Landwirt nicht mehr habe ausüben können.

Das LSG hat das Urteil des BSG vom 6. Dezember 1966 insoweit auch nicht falsch ausgelegt. In diesem Urteil heißt es - wie bereits ausgeführt -, daß das LSG, wenn es nach Durchführung weiterer Ermittlungen zum Ergebnis gelange, daß der Kläger schon 1944/45 wegen der als Schädigungsfolge anerkannten Augenschädigung seinen Beruf als selbständiger Landwirt nicht mehr habe ausüben können, "bei der Bemessung des Berufsschadensausgleichs von diesem Tatbestand auszugehen" haben werde. Damit ist ausdrücklich und eindeutig zu dem Anspruch auf "Berufsschadensausgleich" Stellung genommen.

Zur Frage, ob der Kläger vom SG zutreffend in die Leistungsgruppe 1 der Arbeiter eingestuft worden ist, brauchte das LSG nicht mehr Stellung zu nehmen, nachdem es zu dem Ergebnis gelangt war, daß § 5 der DVO auf den Fall des Klägers anzuwenden sei. Das LSG hat das SG-Urteil, soweit der Beklagte zur Anwendung der Leistungsgruppe 1 verurteilt worden ist, abgeändert, weshalb der Beklagte durch diese Feststellung des SG nicht mehr beschwert ist.

Wenn die Revision in sachlich-rechtlicher Hinsicht ausführt, aus § 30 Abs. 4 BVG und § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG (vom 30. Juli 1961 - BGBl I 1115 - und vom 30. Juli 1964 - BGBl I 574 -) sei zu entnehmen, daß § 5 DVO nur dann hätte angewandt werden können, wenn vom LSG festgestellt worden wäre, daß der Kläger ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen selbständig tätig wäre, so kann dem nicht zugestimmt werden. Zwar enthält Abs. 4 Satz 1 des § 30 BVG (idF des 2. NOG vom 21. Februar 1964 - BGBl I 85) eine entsprechende Formulierung ("angehört hätte"). Die Feststellung, der Beschädigte sei bereits 1944 durch die Schädigungsfolgen erwerbsunfähig gewesen und "habe" deshalb seinen Beruf als selbständiger Landwirt nicht mehr ausüben können, schließt u. U. jedoch auch die Feststellung in sich ein, daß er ihn "ohne die Schädigung" wahrscheinlich noch "hätte" ausüben können. Dies ist dann der Fall, wenn der Beschädigte - wie hier - nicht geltend macht, er hätte später ohne die Schädigung wahrscheinlich eine höhere als die bereits innegehabte Berufsstellung erreicht. Steht nämlich fest, daß der Beschädigte durch die Schädigung eine Berufsstellung verloren hat , dann lassen sich bei unterschiedlicher Betrachtungsweise verschiedene Feststellungen treffen. Blickt man in die Vergangenheit oder Gegenwart, dann lautet die Feststellung: Der Beschädigte kann diesen Beruf nicht mehr ausüben oder hat ihn nicht mehr ausüben können. Blickt man in die Zukunft und fragt, was gewesen wäre, wenn er die Schädigung nicht erlitten hätte, so kann nur eine hypothetische Antwort gegeben werden, nämlich die, daß ohne die Schädigung der Beruf wahrscheinlich noch hätte ausgeübt werden können. Eine genauere Aussage ist auf die in § 30 Abs. 4 BVG gestellte hypothetische Frage nicht möglich. Denn niemand kann genau sagen, was gewesen wäre, wenn das Lebensschicksal einer bestimmten Person anders verlaufen wäre, wie es tatsächlich abgelaufen ist, d. h. welcher Berufsgruppe der Beschädigte angehört hätte, wenn er die Schädigung, die ihn erwerbsunfähig gemacht hat, nicht erlitten hätte. So wäre es im vorliegenden Fall denkbar, daß der Kläger, wenn er die Schädigung (beidseitiger Sehverlust) nicht erlitten hätte, etwa später im Zusammenhang mit der weiteren Berufsausübung auch durch einen Arbeits-, Verkehrs- oder sonstigen Unfall hätte erwerbsunfähig werden können. Trotz der vom LSG getroffenen und vom Beklagten nicht als ausreichend angesehenen positiven Feststellung über die 1944 tatsächlich eingetretene Unfähigkeit, den Landwirtsberuf weiter auszuüben, ist also auch die in § 30 Abs. 4 BVG geforderte Voraussetzung ("wahrscheinlich angehört hätte") erfüllt, sofern nur gefragt wird, was "ohne die Schädigung" gewesen wäre.

Diese Voraussetzung war im übrigen schon 1944 erfüllt. Denn der Kläger hat nach den Feststellungen des LSG bereits im Jahre 1944 - vor der Vertreibung - seinen Beruf als selbständiger Landwirt wegen der Schädigungsfolge nicht mehr ausüben können, er hätte damals ohne die Schädigungsfolge das Einkommen eines selbständigen Landwirts erzielt. Deshalb ist die Voraussetzung, daß er das Durchschnittseinkommen dieser Berufsgruppe ohne die Schädigung "voraussichtlich erhalten würde", wie es noch in § 30 Abs. 4 BVG idF des 1. NOG hieß, schon 1944 erfüllt gewesen. Ebenso ist die Voraussetzung des § 30 Abs. 4 BVG idF des 2. NOG, daß der Kläger in diesem Sinne als Erwerbstätiger der Berufsgruppe der Selbständigen ohne die Schädigung "wahrscheinlich angehört hätte", schon 1944 gegeben gewesen. Die gleiche Formulierung enthält § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG idF des 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750). § 30 Abs. 4 BVG hebt nicht darauf ab, wann der Berufsschaden eingetreten ist; § 30 Abs. 3 stellt aber klar, daß er "durch die Art der Schädigungsfolgen" (1. NOG) bzw. "durch die Schädigungsfolgen" (2. und 3. NOG) verursacht sein muß. Da die Schädigung mit den auf ihr beruhenden Schädigungsfolgen meist Jahrzehnte zurückliegt, wird auch der Berufsschaden in sehr vielen Fällen - wie hier - bis in die 40iger Jahre zurückreichen und wird es deshalb in diesen Fällen entscheidend auf die damaligen Verhältnisse ankommen. Wäre es anders, d. h. dürften nur die derzeitigen Verhältnisse berücksichtigt werden, so würde § 6 DVO, der auf das Durchschnittseinkommen abstellt, das "vor Eintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins" nachweislich erzielt worden ist, im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorschrift des § 30 Abs. 4 BVG stehen, was auch die Revision nicht behaupten will. Für die Vorschrift des § 2 DVO, die davon spricht, daß der Beschädigte voraussichtlich bzw. wahrscheinlich "selbständig tätig wäre", gilt das gleiche wie das zu § 30 Abs. 4 BVG Gesagte.

Im Gegensatz zu § 30 Abs. 4 BVG heißt es allerdings in § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG idF des 2. und 3. NOG, daß als Einkommen des Ehemanns das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe gilt, der der Verstorbene "angehört hat" oder ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen usw. "wahrscheinlich angehört hätte". Hier sind sonach die oben erwähnten beiden "Alternativen" genannt (vgl. BSG in SozR Nr. 3 zu § 40 a BVG - Ca 5 -), die unter Umständen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Auf diese beiden Alternativen kommt es aber, wie oben schon erwähnt, nicht an, wenn bereits der (nachgewiesene) Verlust der früheren Berufsstellung ausreicht, um den geltend gemachten Anspruch auf Berufsschadensausgleich zu begründen, d. h. wenn der Beschädigte nicht behauptet und dartut, daß er - später - noch eine höhere als die bereits innegehabte Berufsstellung erreicht hätte. Der Umstand, daß § 30 Abs. 4 BVG die erste Alternative (angehört hat) nicht ausdrücklich erwähnt, läßt daher - wie auch schon aus den obigen Ausführungen deutlich wurde - nicht die Schlußfolgerung zu, daß die erste Alternative ("angehört hat") beim Berufsschadensausgleich nicht berücksichtigt werden dürfe. Die Einfügung dieser Worte in § 40 a Abs. 2 BVG lag deshalb nahe, weil im Gegensatz zum Berufsschadensausgleich der Beschädigten beim Anspruch der Witwe begriffsnotwendig immer von einem bereits verstorbenen (oder verschollenen) Beschädigten ausgegangen werden muß. Deshalb war es sinnvoll, in § 40 a Abs. 2 BVG diesen Fall hervorzuheben und auch zuerst anzuführen. Der Witwe sollte aber auch nicht der Nachweis verwehrt sein, daß ihr verstorbener Ehemann im Erlebensfalle wahrscheinlich eine höhere Berufsstellung erreicht hätte, weshalb die zweite Alternative, die nach den obigen Ausführungen die erste in sich schließen kann, in § 40 a BVG hinzugefügt worden ist.

Aus der im vorliegenden Fall maßgebenden Vorschrift des § 30 Abs. 4 BVG kann sonach weder mit Rücksicht auf ihren Wortlaut noch auf den des § 40 a Abs. 2 BVG geschlossen werden, daß ein durch eine Schädigung im Sinne des BVG erlittener Berufsschaden nur deshalb unberücksichtigt bleiben müsse, weil er schon in der Vergangenheit eingetreten ist, und daß deshalb immer geprüft werden müßte, ob nicht spätere Ereignisse den durch die Schädigung verursachten Berufsschaden mehr oder weniger beseitigt, d. h. überholt haben, etwa dadurch, daß später eine schädigungsunabhängige Erkrankung oder Gebrechlichkeit des Beschädigten oder - bei Selbständigen - durch Konkurs, Auswirkungen einer Wirtschaftsflaute oder Vernichtung der Betriebsanlagen eine Beendigung oder längere Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit eingetreten ist. Eine derartige - nachteilige - Berücksichtigung späterer Ereignisse liefe nicht nur den in der KOV geltenden Grundsätzen zuwider, sondern widerspräche auch elementarsten sozialstaatlichen Grundsätzen, die es nicht zulassen, dem Versorgungsberechtigten zu seinem Verlust auch noch die seither infolge der Schädigung bestehende besondere Berufsbetroffenheit und die hieraus sich ergebende Entschädigung für einen erlittenen Berufsschaden ohne eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG abzusprechen. Demgemäß räumt die Revision selbst ein, daß das besondere berufliche Betroffensein und seine nachteiligen Folgen nicht dadurch beseitigt würden, daß sich die berufliche Situation des Beschädigten "später" aus schädigungsunabhängigen Gründen weiter verschlechtere und angenommen werden könne, daß er "auch ganz ohne die Schädigung in diese spätere berufliche Situation geraten wäre". Etwas anderes kann aber auch für einen nach der Schädigung eingetretenen Vertreibungsschaden nicht gelten, es sei denn, daß für den Berufsschaden nicht die Schädigung, sondern die Vertreibung die wesentliche Ursache gewesen ist. Der gegenteiligen Auffassung von Spalleck (aaO S. 74), daß für die Gewährung des Berufsschadensausgleichs (stets) ein Kausalzusammenhang zwischen der Schädigung und der derzeitigen beruflichen Situation gegeben sein müsse, kann daher in dieser allgemeinen Form nicht zugestimmt werden. Er verweist selbst auf das Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit vom 9. April 1965 (BVBl 1965 S. 53 Nr. 36), wo zum Schadensausgleich der Witwe nach § 40 a BVG u. a. ausgeführt worden ist, die erste Alternative (angehört hat) werde dann anzuwenden sein, wenn der berufliche Werdegang im Zeitpunkt des Todes bereits abgeschlossen gewesen sei. Tatbestände, die u. U. später eine Änderung des Berufes hätten bewirken können, wenn die Schädigung nicht eingetreten wäre, wie zB der Tatbestand der Vertreibung, könnten bei Anwendung dieser Alternative unberücksichtigt bleiben .... Bei der Feststellung des Schadensausgleichs einer Witwe, deren verstorbener Ehemann bis zu seinem Tode selbständiger Landwirt in einem Vertreibungsgebiet gewesen sei, sei daher von den bis zu seinem Tod bestehenden Verhältnissen auszugehen. Die Tatsache, daß auch der Verstorbene später aus seiner Heimat vertrieben worden wäre, müsse unberücksichtigt bleiben. - Spalleck meint aaO S. 74 dazu, was für den Witwenschadensausgleich gelte, könne für den Berufsschadensausgleich nicht maßgebend sein (entsprechend gelten), weil der Beschädigte noch lebe und die Umstände der Gegenwart - hier insbesondere auch die durch die Vertreibung erlittene berufliche Benachteiligung - bekannt seien und deshalb (anders als bei dem verstorbenen Ehemann der Witwe) berücksichtigt werden müßten. Es ist aber nicht einzusehen und ergibt sich auch weder aus dem BVG noch aus sonstigen Rechtsgrundsätzen, daß ein Beschädigter nur deshalb nicht für einen erlittenen Berufsschaden entschädigt werden soll, weil er noch lebt. Außerdem ist dieser Argumentation, soweit es sich um den Vertreibungsschaden handelt, entgegenzuhalten, daß auch der Ehemann der Witwe erst nach seiner eigenen Vertreibung oder nach der Vertreibung seiner Angehörigen - etwa in Kriegsgefangenschaft - verstorben sein kann. Trotzdem hält es Spalleck (aaO S. 75) beim Schadensausgleich der Witwe nach § 40 a BVG für richtig, daß auf die hypothetische Betrachtung verzichtet werde, "wenn der berufliche Werdegang zur Zeit des Todes bereits abgeschlossen war". Diese Unterscheidung vermag nicht zu überzeugen. Sie läuft aus Gründen, die einer gesetzlichen Grundlage entbehren, darauf hinaus, zwar nicht bei der Witwe, wohl aber bei dem Beschädigten hinsichtlich des Berufsschadensausgleichs die Grundsätze der überholenden Kausalität anzuwenden. Diese Grundsätze können im Rahmen der in der KOV zu beachtenden Kausalitätsnorm keine Geltung beanspruchen. Denn die Frage, ob eine Schädigung eingetreten ist, ist nur rückblickend aufgrund des tatsächlichen, nicht eines fiktiven Geschehensablaufs und der Bewertung der Erfolgsbedingungen nach der Kausalitätsnorm zu prüfen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 28. Juni 1968 in SozR Nr. 31 zu § 30 BVG). Wenn es in dieser Entscheidung anschließend heißt, daß "ausnahmsweise für die Schadensberechnung auch im Versorgungsrecht die voraussichtliche Entwicklung der Verhältnisse zugrunde zu legen ist (§§ 30 Abs. 3, 4; 41 Abs. 3 BVG idF des 1. NOG)", so ist damit nicht gesagt worden, daß in diesen Fällen der Grundsatz der überholenden Kausalität anzuwenden sei mit der Folge, daß ein durch eine Schädigung verursachter Berufsschaden durch spätere, versorgungsfremde Umstände - ohne die Voraussetzungen des § 62 BVG oder der §§ 41 und 42 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - beseitigt werden könnte. Vielmehr ist damit nur betont worden, daß - zB beim Berufsschadensausgleich - zugunsten des Versorgungsberechtigten nicht allein die vor der Schädigung bestehenden beruflichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind, sondern auch ein durch die Schädigung (wahrscheinlich) verhinderter (künftiger) Aufstieg im Beruf (vgl. § 2 letzter Satz DVO; vgl. ferner auch Türk in "Der Versorgungsbeamte" 1969 S. 76). Wollte man einen anderen Standpunkt vertreten, so müßte man allen Schwerkriegsbeschädigten des 1. Weltkriegs, die ihren (selbständigen) Beruf wegen der Schädigung bereits 1920 oder danach nicht mehr ausüben konnten, die Anerkennung ihres Berufsschadens allein deshalb verweigern, weil sie nach mehr als 20 Jahren aus den Ostgebieten vertrieben worden sind. Der Senat sieht deshalb keinen Anlaß, von der im Urteil vom 6. Dezember 1966 ohne ausführliche Begründung vertretenen Auffassung abzugehen, daß die wirtschaftlichen Folgen der Schädigung des Klägers nicht dadurch beseitigt oder überholt worden sind, daß er infolge der späteren Vertreibung aus Ostpreußen sein landwirtschaftliches Anwesen verloren hat, daß vielmehr seine durch die Schädigungsfolge eingetretene wirtschaftliche Situation dadurch noch verschlimmert worden ist.

Der Revision und Spalleck (aaO S. 75) kann nur insoweit gefolgt werden, als es zutrifft, daß ein wirklicher "Vertreibungsschaden" unberücksichtigt zu bleiben hat, weil dieser nach dem BVG nicht entschädigt wird. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob der Berufsschaden durch die Schädigung oder durch die Vertreibung wesentlich verursacht worden ist. Hat die Schädigung nur eine teilweise Einbuße der Erwerbsfähigkeit zur Folge gehabt, so daß der Beschädigte - auch nach der Vertreibung - weiterhin berufstätig sein konnte, so wird es bei der nach § 30 Abs. 4 BVG anzustellenden Prüfung allerdings darauf ankommen, ob und inwieweit ein Kausalzusammenhang zwischen Schädigung und der nach der Vertreibung erlangten beruflichen Position gegeben ist (vgl. Spalleck aaO S. 74). Soweit hier Vertreibungsschäden hineinspielen und im wesentlichen allein dafür verantwortlich zu machen sind, daß die spätere Berufsstellung an die früher bereits innegehabte nicht heranreicht, können diese versorgungsrechtlich nicht zu entschädigenden Vertreibungsfolgen beim Berufsschadensausgleich grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, es sei denn, daß § 6 DVO zum Zuge kommt. Anders ist es jedoch, wenn der Beschädigte bereits vor der Vertreibung völlig erwerbsunfähig war, deshalb seinen erlernten oder selbständig ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben konnte und insoweit später keine Änderung mehr eingetreten ist. Denn für diesen Berufsschaden war allein die Schädigung, für die nach dem BVG aufzukommen ist, ursächlich, der hierdurch eingetretene 100 %ige Berufsschaden kann deshalb durch die spätere Vertreibung nicht mehr beseitigt werden (vgl. auch Türk aaO S. 76). Für selbständige Erwerbsunfähige (Blinde) kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Sofern die Vertreibung zu einem Verlust der im Osten gelegenen Betriebsanlagen oder Grundstücke geführt hat, wird eine Entschädigung nach anderen einschlägigen Vorschriften in Betracht kommen; inwieweit in diesem Falle eine Anrechnung auf den Berufsschadensausgleich zu erfolgen hat, regelt § 7 der DVO vom 30. Juli 1961; dabei gilt § 6 Abs. 2 Satz 3 DVO entsprechend, der bestimmt, daß bei der Ermittlung des Wertes der eigenen Arbeitsleistung zum Vergleich das Arbeitsentgelt heranzuziehen ist, das einem Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung zu zahlen wäre. Diese Bestimmungen sind mit dieser Einschränkung in den späteren beiden DVOen ergänzt worden (vgl. dort die §§ 9 und 10 DVO). § 6 Abs. 2 Satz 2 DVO bestimmt im übrigen, daß bei einem Selbständigen der erzielte Gewinn nur insoweit zu berücksichtigen ist, als er auf die eigene Tätigkeit des Beschädigten zurückzuführen ist. Dieser Berufsschaden ist dann aber auch im Falle des § 6 DVO unabhängig von einer späteren Vertreibung zu berücksichtigen, es sei denn, es wären Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die erreichte Berufsstellung bis zum Eintritt der Schädigung aus anderen Gründen vom Beschädigten nicht mehr behauptet werden konnte (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 6. Mai 1969 - 9 RV 548/67). Ob etwas anderes dann zu gelten hat, wenn die früher innegehabte Berufsstellung unter Verletzung der Strafgesetze oder - im Dritten Reich - allein oder überwiegend durch politische Umstände erreicht worden ist, brauchte hier nicht erörtert zu werden.

Der vorliegende Fall ist zwar nicht nach § 6 Abs. 2 DVO, sondern nach § 5 DVO zu beurteilen. § 6 DVO stellt jedoch klar, daß der Berufsschadensausgleich bei Selbständigen nicht das - etwa durch Vertreibung - verlorengegangene Betriebsvermögen, sondern im wesentlichen nur die durch die Schädigung verlorene Arbeitskraft entschädigen will. Im Falle des Klägers ist aber der völlige Verlust der Arbeitskraft (Erwerbsfähigkeit) und damit des Berufs infolge einer Schädigung im Sinne des BVG bereits vor der Vertreibung eingetreten und daher bei der Errechnung des Berufsschadensausgleichs zugrunde zu legen.

Nach alledem hat das LSG nicht gegen § 30 Abs. 4 BVG verstoßen, wenn es die Feststellung, daß der Kläger bereits im Jahre 1944, also noch vor seiner Vertreibung aus Ostpreußen, durch die Schädigungsfolgen erwerbsunfähig war und deshalb seinen Beruf als selbständiger Landwirt nicht mehr hat ausüben können, als ausreichend angesehen hat, um die Voraussetzungen dieser Vorschrift dem Grunde nach zu bejahen. Da zu dieser Feststellung keine begründeten Revisionsrügen erhoben worden sind und sich das LSG bei der Annahme, der Kläger sei als Landwirt wie ein Selbständiger mit abgeschlossener Berufsausbildung anzusehen, weil er von 1928 bis 1945 selbständiger Landwirt gewesen sei (also über 10 Jahre) - unangegriffen - an das Rundschreiben des BMA vom 25. August 1961 (BVBl 1961 S. 127, 128 rechte Spalte 4. Absatz von oben - Nr. 69 -) gehalten hat, ist auch eine Verletzung des § 5 DVO nicht ersichtlich. Denn als Selbständiger mit Volksschulbildung und abgeschlossener Berufsausbildung war der Kläger nach § 5 DVO in die Besoldungsgruppe A 6 und vom 1. Januar 1964 an in die Besoldungsgruppe A 7 BBesG einzustufen.

Da das LSG-Urteil sonach nicht zu beanstanden war, mußte die Revision des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1455780

BSGE, 74

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