Leitsatz (amtlich)

Auch bei Wanderversicherten kann die Entscheidung über die Berufsunfähigkeit iS des RKG § 46, RVO § 1246 nur einheitlich getroffen werden. Als "bisheriger Beruf" (Hauptberuf) des Versicherten iS dieser Vorschriften ist daher - abgesehen von dem Fall, in welchem der Versicherte gleichzeitig mehrere Berufe ausgeübt hat - ein einziger Beruf maßgebend (Anschluß an BSG 1965-03-24 1 RA 201/62 = BSGE 23, 33). Für die Bestimmung des Hauptberufs gelten auch hier die von dem Senat entwickelten Grundsätze über den Hauptberuf bei Wechsel des Berufs (Vergleiche BSG 1956-02-09 5 RKn 7/55 = BSGE 2, 182).

 

Normenkette

RVO § 1246 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1310 Abs. 1 Fassung: 1957-07-27; RKG § 46 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21, § 101 Abs. 1 Fassung: 1957-05-21

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 1963 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Streitig ist, ob dem Kläger Anspruch auf die Gesamtleistung wegen Berufsunfähigkeit zusteht.

Der im Jahre 1907 geborene Kläger war von September 1929 bis Februar 1951 mit Unterbrechungen als ungelernter Landarbeiter, Bahnarbeiter, Bauarbeiter und Ziegeleiarbeiter invalidenversichert beschäftigt. Anschließend wechselte er freiwillig seinen Beruf. Er wurde am 2. November 1951 als Schichtlohnschlepper im Bergbau angelegt. Ab 10. März 1952 arbeitete er als Gedingeschlepper, ab 1. März 1954 als Lehrhauer, ab 1. Dezember 1955 als Hauer und ab 1. Mai 1957 als Zimmerhauer. Am 25. Juni 1958 kehrte er von der Zeche ab. Er arbeitete von Juli 1958 bis Februar 1960 als ungelernter Tiefbauarbeiter und als Hilfsarbeiter in einer Presserei. Seit Juni 1961 ist er ungelernter landwirtschaftlicher Arbeiter. Der Kläger bezieht seit dem 1. März 1960 die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit.

Am 24. November 1960 beantragte der Kläger die Gewährung der Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der Bezirksarzt Dr. J erstattete am 9. Mai 1961 ein Gutachten. Dieser Arzt meint, der Kläger könne nur noch als Bahnreiniger, Bandreiniger und Schmierer arbeiten; er leide an einer chronisch-rezidivierenden Magenschleimhautentzündung mit Blutungsneigung. Die Ärzte Dr. L und Dr. F kamen in einem weiteren für die Beklagte erstatteten Gutachten vom 14. Juli 1961 zu dem Ergebnis, der Kläger könne ungeachtet des im wesentlichen unveränderten Befundes - Anazidität des Magensaftes, Hypertonie ohne subjektive Beschwerden, Veränderungen im Elektrokardiogramm und arthrotische Veränderungen an fast allen Lendenwirbelkörpern - regelmäßig und vollschichtig alle Arbeiten der Lohngruppen II - V unter Tage verrichten. Nachdem Dr. J sich am 31. August 1961 dieser Beurteilung angeschlossen hatte, lehnte die Beklagte die Gewährung der Gesamtleistung wegen Berufsunfähigkeit mit Bescheid vom 3. Oktober 1961 ab, wobei sie von der Hilfsarbeitertätigkeit als bisherigem Beruf des Klägers im Sinne von § 46 Abs. 2 RKG, § 1246 Abs. 2 RVO ausging.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und machte geltend, er leide an Gedächtnisschwäche und Schwerhörigkeit. Es wurde noch eine Arbeitsauskunft des Bauern U eingeholt, bei dem der Kläger seit dem 2. Oktober 1961 als landwirtschaftlicher Arbeiter beschäftigt ist. Sodann wurde der Kläger durch Dr. U und Dr. A-K untersucht. Diese Sachverständigen führten in ihrem Gutachten vom 16. Februar 1962 unter Berücksichtigung eines ohrenfachärztlichen Befundberichtes des Dr. T vom gleichen Tage aus, der Kläger könne noch Tätigkeiten der Lohngruppen III - V über Tage verrichten. Sie fanden bei dem Kläger eine Arteriosklerose mit einer geringgradigen Merk- und Konzentrationsschwäche, eine eitrige Mittelohrentzündung mit Taubheit rechts und eine leichtgradige Schwerhörigkeit links, ferner bei einer ausreichenden Herzkreislauffunktion und normalen EKG-Befund eine Hypertonie und schließlich eine Anazidität des Magensaftes sowie arthrotische Veränderungen an fast allen Lendenwirbelkörpern. Daraufhin wies die Widerspruchsstelle den Widerspruch des Klägers am 10. August 1962 zurück.

Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg.

Das Landessozialgericht (LSG) ist der Auffassung, daß die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Gewährung der Gesamtleistung wegen Berufsunfähigkeit zu Recht abgelehnt habe. Der Kläger könne seit November 1960 ungeachtet der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen regelmäßig und in voller Schicht jedenfalls noch als Kauenwärter, Pförtner, Wächter, Bote, Motorenwärter und Magazinarbeiter tätig sein oder andere Arbeiten ähnlicher Art verrichten. Diese Überzeugung stützt das Berufungsgericht insbesondere auf die Ausführungen der Ärzte Dr. U und Dr. A-K. Es habe auch nicht unberücksichtigt bleiben können, daß der Kläger seit Juni 1961 die nicht leichte Arbeit eines Landarbeiters verrichtet habe, wodurch er beweise, daß er auch die angegebenen körperlich weniger anstrengenden Arbeiten in knappschaftlichen Betrieben und ähnliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld ausführen könne. Die eitrige Mittelohrentzündung sei zwar behandlungsbedürftig, doch folge hieraus nicht die Unfähigkeit zur Verrichtung dieser Arbeiten. Schließlich habe das zuständige Arbeitsamt die Einsatzfähigkeit zu leichten Arbeiten angenommen. Ob der Kläger auf die Dauer in der Lage sei, seine jetzige Arbeit in der Landwirtschaft zu verrichten, sei unerheblich.

Auf diese Tätigkeiten könne der Kläger verwiesen werden, da sein bisheriger Beruf der eines ungelernten Arbeiters sei. Die Arbeiten, die der Kläger während seines in der Arbeiterrentenversicherung (ArV) versicherten Berufslebens verrichtet habe, trügen ausnahmslos den Charakter von Hilfsarbeitertätigkeiten. Eine andere Beurteilung sei nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil er außerdem noch die Hauerprüfung abgelegt und eine Zeitlang als Hauer gearbeitet habe. Der Umstand, daß der Kläger in seinem Berufsleben zwei Sozialversicherungszweigen angehört hat, könne nicht dazu führen, daß die Berufsunfähigkeit getrennt für je den dieser Versicherungszweige geprüft und verschieden beantwortet werde. Der Begriff der Berufsunfähigkeit sei vielmehr für alle Versicherungszweige derselbe. Seien die verrichteten Tätigkeiten nach ihrer sozialen Wertung uneinheitlich, so bedürfe es der Feststellung, welche von diesen Tätigkeiten dem Arbeitsleben im wesentlichen das Gepräge gegeben habe. Betrachte man das ganze Berufsleben des Klägers, so stünden die ungelernten Tätigkeiten als Arbeiter in der Landwirtschaft, im Bahn-, Tief- und Hochbau sowie in einer Ziegelei eindeutig im Vordergrund. Den 171 Monatsbeiträgen zur ArV stünden nur 80 Beitragsmonate in der knappschaftlichen Rentenversicherung (knRV) gegenüber. Zwar habe der Kläger in dieser Zeit auch als Hauer gearbeitet und damit eine qualifizierte Tätigkeit verrichtet; indessen sei die Zeit von 17 Monaten zu kurz, um die Hauertätigkeit als Hauptberuf ansehen zu können. Dies gelte insbesondere deshalb, weil bei Aufnahme der Hauertätigkeit im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers seine voraufgegangenen Beschäftigungen und seinen Gesundheitszustand nicht habe erwartet werden können, daß er diesen neuen Beruf noch längere Zeit ausüben würde. Der Kläger habe nämlich im Dezember 1955 bereits im 49. Lebensjahr gestanden. In diesem Alter, in dem frühzeitig zur Bergarbeit gelangte Hauer sich dem "Leistungsknick" näherten, wenn sie ihn nicht schon erreicht hätten, sei nach der Art der vom Kläger vorher verrichteten Tätigkeiten und nach ihren Anforderungen an seine Körperkräfte nicht anzunehmen, daß er die schwere, seine körperliche Leistungsfähigkeit in hohem Maße beanspruchende Hauertätigkeit noch längere Zeit werde verrichten können. In der Tat habe der Kläger auch nach 17 Monaten zur Schichtlohnarbeit übergehen müssen. Aber auch subjektiv habe er nicht den Willen gehabt, die Hauerarbeit als Beruf dauernd auszuüben. Der Wechsel zu einer anderen Tätigkeit könne im fünften Lebensjahrzehnt im allgemeinen nicht mehr als Berufswahl angesehen werden. Der Kläger sei 1951 auf den besonderen Wunsch seiner Ehefrau in das Ruhrgebiet verzogen und habe dort die sich bietende Bergarbeit aufgenommen. Er habe auch selbst nicht etwa die Bergarbeit, sondern die Landarbeit als seinen Beruf aus innerer Neigung angegeben. Sei nach alledem nicht von der Hauertätigkeit als dem Beruf des Klägers auszugehen, so könnte bei Beurteilung der Berufsunfähigkeit günstigstenfalls die Tätigkeit als Lehrhauer zugrunde gelegt werden. Es sei allerdings auch hier nicht zu übersehen, daß der Kläger erst mit 46 Jahren die Arbeit als Lehrhauer aufgenommen habe, so daß dasselbe gelte, was zur Hauertätigkeit gesagt worden sei. Zudem könne der Kläger als Lehrhauer zumindest auf Tätigkeiten des Motorenwärters und Magazinarbeiters verwiesen werden, die er gesundheitlich unbedenklich noch verrichten könne. Gehe man aber von der Gedingeschleppertätigkeit oder, wie es zutreffend sei, von den in der Arbeiterrentenversicherung versicherten Tätigkeiten aus, so könne der Kläger auf alle obengenannten Tätigkeiten verwiesen werden, ohne daß damit ein für ihn unzumutbarer sozialer Abstieg verbunden wäre. Die Revision wurde zugelassen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt. Er hält das angefochtene Urteil nicht für zutreffend und trägt im wesentlichen vor: Er könne die von dem Vordergericht angegebenen Tätigkeiten nicht ausüben, weil er an der von dem ärztlichen Sachverständigen festgestellten Ohrenkrankheit und an einer Konzentrationsschwäche leide.

Das Berufungsurteil könne auch nicht darauf gestützt werden, daß er landwirtschaftliche Arbeiten verrichte. Bei diesen komme es darauf an, daß er zu ihrer Ausübung hinreichende Körperkräfte habe, während Hörvermögen und Konzentrationskraft nur eine untergeordnete Rolle spielten. Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit sei von dem Beruf des Hauers auszugehen. Es sei deshalb unzumutbar, ihn auf die Tätigkeiten des Kauenwärters, Pförtners, Wächters, Boten, Motorenwärters und Magazinarbeiters zu verweisen. Als Hauer und Zimmerhauer sei er 30 Monate tätig gewesen. Eine während eines so langen Zeitraums verrichtete Tätigkeit müsse ausreichen, um diesen Beruf maßgebend sein zu lassen. Bei ihm komme aber noch hinzu, daß er sich im Laufe von 49 Monaten auf den Beruf des Hauers vorbereitet und eine Prüfung abgelegt habe. Außerdem müsse die Kriegsdienstzeit mitberücksichtigt werden. Er beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts die Bescheide der Beklagten vom 3. Oktober 1961 und 16. August 1962 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Gesamtleistung aus der knappschaftlichen Rentenversicherung und der Rentenversicherung der Arbeiter wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Rügen des Klägers für nicht durchgreifend. Seine Behauptung, er sei wegen geminderten Hörvermögens und Konzentrationsschwäche nicht mehr in der Lage, die vom Berufungsgericht aufgeführten Arbeiten zu verrichten, stehe im Gegensatz zu den Feststellungen aller gehörten ärztlichen Sachverständigen und sei zudem nicht genügend substantiiert.

Zu Recht sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß als "bisheriger Beruf" des Klägers die Tätigkeit eines ungelernten Arbeiters zu gelten habe. Es sei nicht bewiesen, daß der Kläger die Hauerarbeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe, so daß die Hauertätigkeit schon aus diesem Grunde als "Beruf" des Klägers ausscheide. Von der insgesamt zurückgelegten Versicherungszeit von 310 Monaten entfielen 231 Monate auf die Rentenversicherung der Arbeiter, in denen der Kläger ungelernte Tätigkeiten als Arbeiter in der Landwirtschaft, im Bahn-, Tief- und Hochbau sowie in einer Ziegelei verrichtet habe. Diese träten eindeutig gegenüber den nur während 79 Monaten ausgeübten knappschaftlichen Tätigkeiten in den Vordergrund. Zwar sei der Kläger während seiner Beschäftigung im Bergbau über den Schlepper, Gedingeschlepper und Lehrhauer zum Hauer aufgerückt. Gleichwohl könne diese Tätigkeit nicht als "Beruf" des Klägers angesehen werden, weil er sie nur 16 Monate verrichtet habe. Die Hauertätigkeit habe dem Berufsleben des Klägers in Anbetracht der Kürze ihrer tatsächlichen Ausübung nicht das Gepräge gegeben; insbesondere sei der soziale Status des Klägers durch diese Tätigkeit nicht bestimmt gewesen. Als Hauptberuf könne selbst nicht die Tätigkeit als Lehrhauer in Betracht kommen, denn er habe sich von der zwar insgesamt 61 Monate verrichteten Gedingetätigkeit gelöst. Der Kläger sei nämlich am 1. Mai 1957 zu der Tätigkeit eines Zimmerhauers übergegangen. Gründe, die ihn zur Aufgabe der Hauertätigkeit hätten zwingen können, seien nicht erkennbar und auch bisher nicht vorgetragen worden. Da sich der Kläger einer anderen Tätigkeit zugewandt habe, müsse davon ausgegangen werden, daß er die Hauerarbeit freiwillig aufgegeben, sich also von ihr gelöst habe. Davon abgesehen, habe sich der Kläger nach der vorübergehenden Beschäftigung als Zimmerhauer mit der Aufnahme der Tätigkeit als Hilfsarbeiter außerhalb des Bergbaus im Juli 1958 wieder seiner früheren Berufstätigkeit zugewandt. Ein Hilfsarbeiter könne aber auf alle anderen Hilfsarbeitertätigkeiten verwiesen werden, da für ihn hiermit ein sozialer Abstieg nicht verbunden sei. Ausgehend von der in der ArV versicherten Tätigkeit als ungelernter Arbeiter, müsse sich der Kläger im Rahmen der §§ 46 Abs. 2 RKG, 1246 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen. Berufsunfähigkeit im Sinne der §§ 46 Abs. 2 RKG, 1246 Abs. 2 RVO liege also nicht vor.

II.

Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden muß.

Der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hinsichtlich der Bestimmung des "bisherigen Berufs" (des Hauptberufs) des Klägers im Sinne des § 46 Abs. 2 RKG, § 1246 Abs. 2 RVO kann nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat allein aus der Tatsache, daß für den Kläger während seiner Beschäftigung als ungelernter Arbeiter 171 Monatsbeiträge zur ArV entrichtet worden sind und daß er während seiner Zugehörigkeit zur knappschaftlichen Rentenversicherung (80 Beitragsmonate) nur 17 Monate als Hauer gearbeitet hat, gefolgert, daß die qualifizierte Hauertätigkeit nicht als sein Hauptberuf angesehen werden könne. Diese Auffassung gibt zu rechtlichen Bedenken Anlaß.

Das LSG hat nicht verkannt, daß über die Berufsunfähigkeit eines Wanderversicherten einheitlich zu entscheiden ist (vgl. Urteil des 1. Senats des BSG vom 24.4.65 - 1 RA 201/62 - in BSG 23, 33). Es hat ferner zutreffend dargelegt, daß es auch bei Wanderversicherten für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit grundsätzlich erforderlich ist, einen einzigen der von dem Versicherten ausgeübten Berufe als "bisherigen Beruf" (Hauptberuf) zu bestimmen. Eine Besonderheit besteht in dem Fall, in dem ein Versicherter zwei Berufe nebeneinander gleichzeitig ausgeübt hat. Ein solcher Fall, den der 1. Senat des BSG in dem o. a. Urteil zu entscheiden hatte, liegt hier jedoch nicht vor. Der "bisherige Beruf" eines Versicherten ist - was das Berufungsgericht wohl verkannt hat - auch dann, wenn er während seines Arbeitslebens nicht nur den Beruf, sondern auch den Versicherungszweig gewechselt hat, nach den Grundsätzen zu bestimmen, die der erkennende Senat für die Bestimmung des Hauptberufs bei Berufswechsel innerhalb eines Versicherungszweiges entwickelt hat (BSG 2, 182, - 187 -). Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, die Tätigkeit eines ungelernten Arbeiters sei der Hauptberuf des Klägers, damit begründet, er habe diese Tätigkeit auch später noch als seinen eigentlichen Beruf angesehen und sei außerdem längere Zeit ungelernter Arbeiter als Hauer gewesen. Das ist jedoch versicherungsrechtlich auch dann ohne Bedeutung, wenn der Wechsel des Berufs eine Änderung des Versicherungszweigs zur Folge hat. Jedenfalls kommen, nachdem der Kläger den Bergmannsberuf ergriffen, die Hauerprüfung abgelegt und als Hauer gearbeitet hatte, die bis dahin von ihm ausgeübten Berufe nicht mehr als Hauptberufe in Betracht. Sein Hauptberuf ist seitdem vielmehr der Beruf des Hauers, wenn er sich nicht später von ihm gelöst hat. Da der Kläger die Hauerprüfung abgelegt und die qualifizierte Tätigkeit eines Hauers aufgenommen hat, ist es nicht entscheidend, wie lange er diesen Beruf ausgeübt hat (vgl. dazu SozR Nr. 20 zu RKG § 45). Der Kläger hat später allerdings den Beruf des Hauers aufgegeben und ist Zimmerhauer geworden. Das Berufungsgericht hat mit Rücksicht auf das Alter des Klägers angenommen, daß dieser Berufswechsel wegen seines Alters, das heißt wegen des damit verbundenen Nachlassens seiner Körperkräfte, erforderlich gewesen sei. Die Beklagte hat diese Feststellung angegriffen. Es kann hier dahinstehen, ob diese Rüge zulässig und begründet ist, da das Berufungsgericht diese Frage ohnehin nochmals zu prüfen haben wird, weil der Rechtsstreit schon aus anderen Gründen an das LSG zurückverwiesen werden muß. Würde das Berufungsgericht bei dieser neuen Entscheidung allerdings zu dem Ergebnis kommen, daß der Kläger den Hauerberuf aufgegeben hat, ohne gesundheitlich dazu gezwungen gewesen zu sein, so würde die Zimmerhauertätigkeit als Hauptberuf in Betracht kommen (BSG 2, 182; SozR Nr. 13 zu § 46 RKG).

Die Beklagte meint zwar, der Hauerberuf könne schon deshalb nicht mehr der Hauptberuf des Klägers sein, weil er später auch den Zimmerhauerberuf und mit ihm den Bergmannsberuf überhaupt aufgegeben habe. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Selbst wenn der Kläger die Zimmerhauertätigkeit nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat, würde der Hauerberuf, falls dieser seinerzeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben worden ist, sein Hauptberuf geblieben sein. Denn die versicherungsrechtlich relevante Aufgabe des Hauptberufes kann grundsätzlich durch das spätere Berufsleben des Versicherten nicht mehr berührt werden (vgl. SozR Nr. 13 zu § 46 RKG). Eine Lösung von diesem Hauptberuf könnte nur dann angenommen werden, wenn aus der sozialen Wertung des später ergriffenen Berufs und dem mit ihm erzielten Einkommen geschlossen werden müßte, daß der Versicherte diesen Hauptberuf endgültig aufgegeben hat. In diesem Falle wäre die Annahme gerechtfertigt, daß der Versicherte die aufgegebene Tätigkeit auch bei voller Leistungsfähigkeit nicht wieder aufnehmen würde (vgl. SozR Nr. 18 zu § 35 RKG u. Nr. 13 zu § 45 RKG). Da es sich bei den von dem Kläger außerhalb des Bergbaus verrichteten Arbeiten aber um ungelernte Arbeiten handelt, kann aus diesem späteren Berufswechsel dieser Schluß nicht gezogen werden.

Von dem Hauerberuf als Hauptberuf ausgehend, kann der Kläger nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats im Rahmen des § 46 RKG und § 1246 RVO nicht mehr auf Tätigkeiten der Lohngruppen IV und V unter und über Tage des Lohntarifs für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau verwiesen werden (vgl. BSG 23, 257 = SozR Nr. 12 zu RKG § 46). Es kommt also dann, wenn der Hauerberuf der Hauptberuf des Klägers ist, darauf an, ob er noch Tätigkeiten verrichten kann, die sich durch besondere Verantwortung aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten hervorheben, wie dies z. B. bei einigen Tätigkeiten der Lohngruppe III über Tage dieses Tarifvertrages der Fall ist. Insoweit fehlt es aber an den erforderlichen Feststellungen. Der Rechtsstreit muß daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Sollte das Berufungsgericht bei nochmaliger Prüfung entgegen seiner jetzigen Feststellung zu dem Ergebnis kommen, daß der Kläger seine Hauertätigkeit Ende April 1957 aufgegeben hat, ohne aus gesundheitlichen Gründen hierzu gezwungen gewesen zu sein, so würde allerdings der Zimmerhauerberuf als sein Hauptberuf angesehen werden müssen, wenn er genötigt war, diesen letztgenannten Beruf später aus gesundheitlichen Gründen aufzugeben. Hat er sich von diesem Beruf dagegen aus anderen Gründen gelöst, so würde die Tätigkeit eines ungelernten Arbeiters als Hauptberuf in Frage kommen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 48

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