Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsnachentrichtung durch Verfolgte

 

Orientierungssatz

Die Beschränkung der Anwendbarkeit des WGSVG auf Versicherte (Personen, die mindestens einen Beitrag zur deutschen Sozialversicherung geleistet haben) verstößt nicht gegen die Gleichbehandlungsvorschriften des GG Art 3 Abs 1 und 3, der EWGV 1408/71 Art 9 Abs 2 oder des sogenannten Haager Protokolls vom 10.9.1952 Teil 1 Nr 18. (vgl BSG 1981-05-14 12 RK 11/79).

 

Normenkette

WGSVG §§ 10, 10a Abs 2 Fassung: 1975-04-28; AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art 2 § 51a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; AVG § 10; RVO § 1233; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 3 Abs 3 Fassung: 1949-05-23; GG Art 116 Abs 2 Fassung: 1949-05-23; EWGV 1408/71 Art 9 Abs 2; EWGV 1408/71 Art 4 Abs 1; EWGV 1408/71 Art 4 Abs 2; HaagProt 1 Teil 1 Nr 18 Fassung: 1952-09-10

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 15.12.1978; Aktenzeichen L 1 An 255/78)

SG Berlin (Entscheidung vom 29.08.1978; Aktenzeichen S 13 An 486/78)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin berechtigt ist, freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten nachzuentrichten und zwar sowohl nach § 10a Abs 2 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) als auch nach Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG).

Die Klägerin (geboren am 12. Mai 1914) beantragte am 17. Dezember 1975 bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen unter Hinweis darauf, daß sie Verfolgte iS des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) sei, Deutschland im Jahre 1933 wegen rassischer Verfolgung habe verlassen müssen, Entschädigung nach dem BEG wegen Ausbildungsschadens erhalten habe und jetzt seit 1949 als Staatenlose in Frankreich in der französischen Sozialversicherung versichert sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 11. Mai 1976; Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1978), weil die Voraussetzungen für die Nachentrichtung von Beiträgen nach dem WGSVG mangels anrechenbarer Versicherungszeit nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe keine anrechenbaren Versicherungszeiten zurückgelegt. Die EWG-VO 1408/71 und 574/72 fänden auf den Fall der Klägerin keine Anwendung, da diese erst seit dem 24. Januar 1977 auf Staatenlose Anwendung fänden, während die Voraussetzung für die Nachentrichtung von Beiträgen bereits am 31. Dezember 1975 hätten erfüllt sein müssen.

Klage und Berufung blieben ebenfalls ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Berlin vom 29. August 1978; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Berlin vom 15. Dezember 1978). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, daß die nach § 10a Abs 2 WGSVG erforderliche Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten nicht erfüllt sei. Beiträge zur deutschen Sozialversicherung habe die Klägerin nicht entrichtet. Mit Beiträgen zur französischen Sozialversicherung könnten die Voraussetzungen nicht erfüllt werden, da die EWG-VO 1408/71 nicht für das WGSVG gelte. Das Erfordernis 60-monatiger Beitragsleistung diene der Abgrenzung der entschädigungsberechtigten Verfolgten, während die EWG-VO der Sicherung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer diene.

Die Klägerin sei auch nicht zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG berechtigt. Nach Anhang V Buchst C Nr 8 der EWG-VO 1408/71 könne ein in einem anderen EWG-Staat wohnender Staatenloser freiwillige Beiträge nur dann entrichten, wenn er zu irgend einem Zeitpunkt vorher in der deutschen Rentenversicherung versichert gewesen sei. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder sonstige internationale Vereinbarungen sei nicht ersichtlich.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat zur Klärung der im Zusammenhang mit der EWG-VO Nr 1408/71 aufgetretenen Rechtsfragen in der Parallelsache 12 RK 11/79 mit Beschluß vom 19. Dezember 1979 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist Art 4 Abs 1 EWG-VO Nr 1408/71, wonach diese

VO für Rechtsvorschriften über "Zweige der sozialen

Sicherheit" gilt, dahin auszulegen, daß in den

Anwendungsbereich dieser VO auch Nachentrichtungsbefugnisse

nach dem WGSVG fallen, sofern die Verfolgten als

Arbeitnehmer im Sinne von Art 1 Buchst a EWG-VO

Nr 1408/71 anzusehen sind?

Gehört - im Falle der Bejahung - dieses besondere

Nachentrichtungsrecht zu einem die Anwendbarkeit der

VO ausschließenden Leistungssysteme im Sinne des Art

4 Abs 4 EWG-VO Nr 1408/71?

2. Im Falle der Anwendbarkeit der EWG-VO Nr 1408/71:

Erfaßt Art 9 Abs 2 EWG-VO Nr 1408/71 die nach § 10a

WGSVG erforderlichen 60 Monate Versicherungszeit auch

insoweit, als hierdurch die Eigenschaft als

Versicherter (und damit als Verfolgter) nach § 1 Abs 1

WGSVG begründet wird?

Der EuGH hat mit Urteil vom 27. Januar 1981 (Rechtssache 70/80) entschieden:

1. Rechtsvorschriften wie die des WGSVG, die zu den

Bestimmungen eines Mitgliedstaats auf dem Gebiet der

Sozialversicherung der Arbeitnehmer gehören und

keinerlei ermessensmäßige Beurteilung der persönlichen

Verhältnisse und der Bedürftigkeit des Betroffenen

vorsehen, fallen in den Geltungsbereich der VO

Nr 1408/71 des Rates und sind hiervon nicht gem Art 4

Abs 4 der VO ausgenommen.

2. Art 9 Abs 2 der VO Nr 1408/71 ist dahin auszulegen,

daß ein Sozialversicherungsträger eines Mitgliedstaats

nicht verpflichtet ist, nach den Rechtsvorschriften

eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegte

Versicherungszeiten zu berücksichtigen, wenn der

betroffene Arbeitnehmer in dem ersteren Mitgliedstaat

niemals den Beitrag entrichtet hat, der zur Begründung

der Versicherteneigenschaft im Sinne der

Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats gesetzlich

vorgeschrieben ist.

Der Klägerin ist dieses Urteil bekanntgegeben worden. Sie erhält die Revision dennoch aufrecht und macht weiterhin geltend, es liege ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) darin, daß die Nachentrichtung von Beiträgen im Rahmen der hier streitigen Vorschriften von der Entrichtung eines Beitrages zur deutschen Sozialversicherung abhängig gemacht werde. Außerdem verstoße dies gegen den zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Claimskonferenz abgeschlossenen Vertrag vom 10. September 1952 (Teil I Nr 18 des Haager Protokolls); denn auf diese Weise erhalte ein Teil der Verfolgten Zugang zu einer Nachentrichtung nach § 9 ff WGSVG, ein anderer Teil nicht. Dies widerspreche der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, alle Verfolgten gleich zu behandeln, indem ihnen ohne Einschränkung die Möglichkeit eingeräumt werde, "echte Mitglieder der Versichertengemeinschaft" zu sein; denn diese Möglichkeit sei den Verfolgten durch NS-Maßnahmen verwehrt worden. Es treffe auch nicht zu, daß Grundvoraussetzung der Wiedergutmachung in der Sozialversicherung stets sei, daß der Geschädigte rentenversicherungspflichtig ist oder war. Auf die Rechtsprechung des BSG zu § 14 Abs 2 Satz 1 WGSVG werde hingewiesen.

Hinsichtlich der Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG vertritt die Klägerin die Auffassung, daß sich Anhang V Buchst C Ziff 8 Buchst B der EWG-VO 1408/71 auf Art 9 Abs 1 dieser VO beziehe und nicht auf Art 9 Abs 2; denn hier komme es auf die Anerkennung von Versicherungszeiten an und nicht auf das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung.

Die Klägerin beantragt dem Sinne nach

die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid

der Beklagten vom 11. Mai 1976 in der Gestalt

des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 1978

aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr

die Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 10a

WGSVG und Art 2 § 49a AnVNG zu gestatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt ua vor, daß das Haager Protokoll vom 10. September 1952 auf zwischenstaatliches und überstaatliches Sozialversicherungsrecht nicht anwendbar sei. Ferner verweist sie auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungsmäßigkeit des Art 2 § 9a Abs 2 ArVNG vom 17. Januar 1979 - 1 BvR 446/77, 1174/77 - SozR 5750 Art 2 § 9a, wo es heißt:

"Es begegnet insoweit keinen verfassungsrechtlichen

Bedenken, wenn der Gesetzgeber dabei die spezielle

Entschädigung in der Sozialversicherung daran

anknüpft, ob der Verfolgte vor oder im Anschluß an

Verfolgungsmaßnahmen Mitglied der gesetzlichen

Rentenversicherung war. Nur für diesen Personenkreis

unter den Verfolgten gilt nämlich das WGSVG, das ...

darauf abzielt, verfolgungsbedingte Benachteiligungen

in der Sozialversicherung auszugleichen."

Im übrigen wiederholt sie ihre schon vorher dargelegte Auffassung, daß die EWG-VO der Klägerin kein Nachentrichtungsrecht eröffne.

Beide Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) entschieden wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10a WGSVG ist nur den Verfolgten eröffnet worden. Verfolgte sind nach der Legaldefinition in § 1 Abs 1 WGSVG Versicherte, die Verfolgte im Sinne des BEG sind. Versicherte sind aber wiederum nur diejenigen, die mindestens einen Beitrag (Pflichtbeitrag oder freiwilligen Beitrag) zur deutschen Rentenversicherung entrichtet haben (vgl BVerfG 5750 Art 2 § 9a Nr 8 S 22; Verbandskommentar § 1418 Anm 54b; Bauer/Hannemann/Kinzel, EWG-VOen Nr 1408/71 und 574/72, 7. Aufl S 71; Lohmann SozVers 71, 203, 204; ferner BSG SozR Nr 4 zu § 1251 RVO).

Diese Regelung verstößt unter keinem Gesichtspunkt gegen Gleichbehandlungsvorschriften.

Die Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10a WGSVG ist davon abhängig, daß der Versicherte eine in der deutschen Rentenversicherung anrechenbare Versicherungszeit von 60 Monaten vorweisen kann. Die Vorschrift differenziert insoweit zwischen denjenigen, die bereits Anwartschaften in der Rentenversicherung erworben haben und denjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist. Diese Differenzierung ist sachgerecht. § 10a WGSVG stellt eine Durchbrechung des Grundsatzes dar, daß Beiträge grundsätzlich für weit zurückliegende Zeiten nicht entrichtet werden können (§ 1418 RVO = § 140 AVG). Eine solche Ausnahmeregelung darf auf Fälle beschränkt werden, in denen ein besonderes Bedürfnis nach einer Nachentrichtung besteht. § 10a WGSVG berücksichtigt, daß für diejenigen, die durch eine Versicherungszeit von 60 Monaten bereits eine intensive Beziehung zur Sozialversicherung haben und Anwartschaften erworben haben, ein größeres Bedürfnis besteht, diese Anwartschaften zu einem wirksamen Versicherungsschutz auszubauen.

Die weitere Differenzierung zwischen denjenigen, die in der deutschen Rentenversicherung versichert waren, also mindestens einen Beitrag an einen deutschen Rentenversicherungsträger entrichtet haben und denjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist, ist ebenfalls sachgerecht. Inhaltlich liegt hierin zunächst einmal keine Differenzierung zwischen Deutschen, Ausländern, Staatenlosen oder denjenigen, die im Inland oder im Ausland wohnen. Das Erfordernis, Versicherter zu sein, gilt für alle gleichermaßen. Auch im übrigen verstößt es nicht gegen Art 3 GG, den Ausbau einer Sicherung in der deutschen Sozialversicherung auf diejenigen zu beschränken, die bereits eine Beziehung zum inländischen Versicherungssystem haben. Ausgeschlossen werden hierdurch lediglich Personen, die weder als Arbeitnehmer tätig waren noch evtl bestehende Möglichkeiten zur Selbstversicherung nicht genutzt haben (weil sie zB anderweit Vorsorge für Invalidität, Alter und Tod getroffen haben). Hierunter fallen auch diejenigen, die während ihres Aufenthaltes im Gebiet des Deutschen Reiches noch nicht mit ihrem Berufsleben begonnen hatten, wie dies bei der Klägerin der Fall war. Gerade für diese letztgenannte Personengruppe konnte davon ausgegangen werden, daß sie ihre Sicherungen in den Ländern erwirbt, in denen sie sich niedergelassen und ihr Berufsleben durchlaufen hat. Der durch die Auswanderung entstandene Verlust der Möglichkeit, Beiträge zur deutschen Sozialversicherung zu entrichten, ist überdies im WGSVG generell nicht als ein zu entschädigender Nachteil anerkannt; § 14 WGSVG betrifft andere Fälle.

Wie der EuGH nunmehr in seinem Urteil vom 27. Januar 1981 (Rechtssache 70/80) entschieden hat, ergibt sich auch aus der EWG-VO Nr 1408/71 nicht, daß für den hier maßgeblichen, den Status als Versicherter begründenden Beitrag ausländische Beiträge zu anderen Versicherungseinrichtungen im Raum der EG deutschen Beiträgen gleichzustellen sind. Die EWG-VO Nr 1408/71 ist zwar auch auf die Regelungen des WGSVG anzuwenden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz dieser VO ist aber ebenfalls nicht verletzt, so daß hier dahinstehen kann, ob sich die Klägerin überhaupt auf die EWG-VO berufen könnte.

Nun ist allerdings nicht zu verkennen, daß diese Differenzierung in Versicherte und Nicht-Versicherte sich vor allen Dingen für Ausländer oder im Ausland wohnende Personen nachteilig auswirkt. Die Klägerin weist deshalb zu Recht darauf hin, daß in diesem Zusammenhang auch zu untersuchen ist, ob in der Regelung nicht eine unzulässige Differenzierung zwischen Ausländern und Deutschen zu sehen ist. Eine solche ist jedoch nicht erkennbar. Es ist zwar richtig, daß sich auch Ausländer auf Art 3 GG berufen können (BVerfGE 51, 1 22). Art 3 GG läßt aber für eine unterschiedliche Behandlung zwischen Ausländern und Deutschen sowie zwischen Ausländern verschiedener Staaten einen weiten Raum (BVerfG aaO S 27f). Das ausdrückliche Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 3 GG bezieht sich nicht auf die Staatsangehörigkeit (BVerfGE aaO S 30).

Aber auch soweit das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 1 GG zu prüfen ist, sind diese Grenzen durch die streitige Regelung nicht überschritten. Es gelten insoweit die gleichen Gründe, die oben schon für eine Differenzierung zwischen Versicherten und Nicht-Versicherten angeführt wurden. Dies kommt auch in der Entscheidung des EuGH zum Ausdruck, indem dort sogar im Rahmen des EWG-Vertrages eine - vor allem Ausländer treffende - Differenzierung zwischen Versicherten und Nicht-Versicherten für zulässig erachtet wird.

Die Klägerin meint aber darüber hinaus, eine Ungleichbehandlung darin zu erkennen, daß die Ausländer verschiedener Staaten unterschiedlich behandelt werden, weil die Bundesrepublik mit Staaten außerhalb der EG Vereinbarungen abgeschlossen habe, in denen eine vollständige Gleichstellung begründet worden sei, die auch, wenn bisher kein Beitrag zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden ist, die Nachentrichtung nach § 10a WGSVG ermögliche.

Es ist in diesem Rahmen nicht zu entscheiden, ob diese Auffassung zutrifft. Selbst wenn aber Angehörigen anderer ausländischer Staaten weitergehende Rechte eingeräumt worden sein sollten, so wäre dies ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Art 3 Abs 1 GG zulässig; denn derartige Vereinbarungen werden nach dem Gegenseitigkeitsprinzip abgeschlossen. In diesem Rahmen ist es ein sachlicher Grund, wenn die Bundesrepublik nur solchen Ausländern bestimmte Rechte einräumt, deren Heimatstaat den Bürgern der Bundesrepublik ebenfalls besondere Rechte zuerkennt (s auch BVerfG aaO S 27f; BSGE 36, 125, 126; 39, 284, 287).

Die Klägerin kann auch nicht wegen Art 116 Abs 2 GG verlangen, wie eine Versicherte behandelt zu werden, denn dies kann - sofern die Voraussetzungen überhaupt vorliegen - nur dazu führen, daß die Klägerin wie eine deutsche Staatsangehörige behandelt wird. Dies würde aber ein Nachentrichtungsrecht nicht begründen, weil auch dann, wenn sie als deutsche Staatsangehörige behandelt würde, der erforderliche Beitrag zur deutschen Sozialversicherung fehlt.

Eine Ungleichbehandlung liegt auch nicht darin begründet, daß es sich um eine Wiedergutmachungsregelung handelt und in diesem Rahmen eine Gleichstellung der Verfolgten geboten erscheint. Art 3 Abs 1 GG fordert stets nur die Gleichbehandlung gleicher Tatbestände und läßt sachliche Differenzierungen zu. Wie oben bereits ausgeführt worden ist, liegt aber gerade darin, daß zwischen denjenigen, die bereits eine Beziehung zum deutschen Sozialversicherungssystem hatten, und denjenigen, die während ihres Aufenthaltes in Deutschland noch gar nicht in das Berufsleben eingetreten waren und deshalb auch noch keine Beiträge entrichtet haben, eine Abgrenzung, die sich aus der unterschiedlichen Situation rechtfertigt. Für denjenigen, der sein Berufsleben und seine Versicherung bereits bei einem deutschen Versicherungsträger begonnen hat, besteht im allgemeinen ein größeres Bedürfnis nach Ausbau dieser Versicherung als bei demjenigen, der sein Berufsleben im Ausland begonnen und auch weiterhin durchlaufen hat. Im übrigen hat auch das BVerfG - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - schon in anderem Zusammenhang entschieden, daß es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wenn der Gesetzgeber für die Entschädigung in der Sozialversicherung daran anknüpft, ob der Verfolgte vor oder im Anschluß an Verfolgungsmaßnahmen Mitglied der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung war (BVerfG Beschluß vom 17. Januar 1979 - 1 BvR 446/77, 1174/77 - BVerfGE 50, 177 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8 S 22).

Auch aus dem Haager Protokoll vom 10. September 1952 (BGBl II 1953, 85) Teil I Ziff 18 kann die Klägerin keine weitergehenden Rechte herleiten. Dieses Protokoll ist, wie das LSG zutreffend entschieden hat, nicht einschlägig. Es befaßt sich nicht mit der Entschädigung in der Sozialversicherung. Im übrigen würde die Gleichheitsklausel des Haager Protokolls (I Ziff 18) der Wirksamkeit von § 10a WGSVG aus den gleichen Gründen nicht entgegenstehen, aus denen diese Vorschrift mit Art 3 GG vereinbar ist.

Diese Überlegungen gelten entsprechend auch für die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG. Auch insoweit ist die Entrichtung mindestens eines Beitrags zur deutschen Sozialversicherung erforderlich, der hier fehlt.

Nach Art 2 § 49a AnVNG sind zur Nachentrichtung von Beiträgen nur solche Personen berechtigt, die nach § 10 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zur freiwilligen Versicherung berechtigt sind. § 10 AVG beschränkt das Recht zur freiwilligen Versicherung aber auf Deutsche und auf diejenigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des AVG haben. Diese Grenze wird allerdings durch Anhang V Buchst C Nr 8 der EWG-VO 1408/71 durchbrochen. Vorausgesetzt wird aber ua für die in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft wohnenden Staatenlosen, daß sie in der deutschen Rentenversicherung pflichtversichert oder freiwillig versichert waren (Anhang V Buchst C Nr 8 Buchst B; vgl dazu auch Beschluß des Senats vom 12. Oktober 1979 - 12 RK 2/79 -). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des LSG bei der Klägerin nicht gegeben.

Die Klägerin irrt, wenn sie meint, daß es im vorliegenden Fall nur auf die Anerkennung von Versicherungszeiten iS von Art 9 Abs 2 EWG-VO 1408/71 ankomme; denn wie dargelegt setzt das Nachentrichtungsrecht nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG voraus, daß der Betreffende den Status eines Versicherungsberechtigten iS von § 10 AVG hat. Die Voraussetzungen hierfür sind in Art 9 Abs 1 und Anhang V Buchst C Ziff 8 der EWG-VO 1408/71 geregelt.

Das Erfordernis der Versicherung in der deutschen Rentenversicherung durch Entrichtung mindestens eines freiwilligen Beitrags oder Pflichtbeitrags verstößt aus den oben zum WGSVG angestellten Überlegungen ebenfalls nicht gegen Gleichbehandlungsvorschriften.

Der Klägerin kann schließlich auch nicht aufgrund von Art 116 Abs 2 GG das für Deutsche geltende Recht zuerkannt werden, Beiträge ohne vorherige Versicherung freiwillig zu entrichten. Wie der Senat im Anschluß an das BVerfG mehrfach entschieden hat, wird die deutsche Staatsangehörigkeit auch im Rahmen des Art 116 Abs 2 GG erst dann wieder begründet, wenn der Verfolgte dies begehrt und sich auf diese Staatsangehörigkeit beruft (Urteile vom 13. Mai 1980 - 12 RK 35/78 - und vom 22. Februar 1980 - 12 RK 25/79 -; BVerfGE 23, 98, 108). Dies hat die Klägerin bis zum 31. Dezember 1975, dem Ende der Antragsfrist für die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG, nicht getan.

Die Revision konnte aus all diesen Gründen keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658758

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