Leitsatz (amtlich)

Trifft eine Rente aus eigener Versicherung mit einer Witwenrente zusammen (§ 57 Abs 1 AVG = § 1280 Abs 1 RVO), so ist bei der Ermittlung der für den Berechtigten günstigeren - also nicht dem Betrage nach ruhenden - Zurechnungszeit auch die Ruhensberechnung nach § 55 Abs 1 AVG (= § 1278 Abs 1 RVO) mit einzubeziehen, falls die Versichertenrente außerdem mit einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusammentrifft (Abweichung von BSG 31.10.1968 12 RJ 458/65 = BSGE 28, 279 = SozR Nr 12 zu § 1278 RVO).

 

Normenkette

AVG § 57 Abs 1; RVO § 1280 Abs 1; AVG § 55 Abs 1; RVO § 1278 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.10.1987; Aktenzeichen L 10 An 867/87)

SG Reutlingen (Entscheidung vom 26.02.1987; Aktenzeichen S 9 An 488/86)

 

Tatbestand

Streitig ist die Neufeststellung der Witwenrente aufgrund von Ruhensvorschriften.

Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 23. August 1982 ab dem 4. Mai 1982 Witwenrente aus der Versicherung des am 12. Mai 1943 geborenen und am 4. Mai 1982 verstorbenen Dieter M.      Der auf monatlich 852,70 DM festgesetzten Rente lagen ua für die ersten fünf Jahre 57 Pflichtmonatsbeiträge mit einem Wert von je 8,67 zugrunde; 193 Monate (Mai 1982 bis Mai 1998) wurden als Zurechnungszeit angerechnet.

Am 12. Oktober 1982 erlitt die Klägerin einen als Arbeitsunfall anerkannten Verkehrsunfall, bei dem sie sich eine komplette Querschnittslähmung ab dem 4. Brustwirbelkörper zuzog. Die S.-                      Berufsgenossenschaft (BG) gewährte ab dem 20. März 1984 eine Verletzten-Vollrente von monatlich 1.416,90 DM, ab 1. Juli 1984 von monatlich 1.435,40 DM.

Die beigeladene Landesversicherungsanstalt W.          (LVA) bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 25. Oktober 1984 ebenfalls ab dem 20. März 1984 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Dabei ermittelte sie, ausgehend von einem am 12. Oktober 1982 eingetretenen Versicherungsfall und unter Anrechnung einer Zurechnungszeit von 269 Monaten (November 1982 bis März 2005), eine Jahresrente von 8.987,47 DM für 1982 und 9.489,45 DM für 1984. Den auf die Zurechnungszeit entfallenden Rententeil errechnete sie auf (1984) 6.327,78 DM, dagegen den Rententeil, der aus der Zurechnungszeit der von der Beklagten gewährten Witwenrente resultiert, auf 4.502,76 DM. In der Annahme, daß die in der EU-Rente enthaltene Zurechnungszeit günstiger und deshalb anzurechnen sei, ergab sich ein monatlicher Rentenbetrag von 790,80 DM ab dem 20. März 1984. Wegen des teilweisen Ruhens dieser Rente aufgrund des Zusammentreffens mit der Verletztenrente aus der Unfallversicherung wurden ab Mai 1984 monatlich nur 283,30 DM und ab Juli 1984 monatlich 287,10 DM ausgezahlt.

Die Beklagte stellte durch streitigen Bescheid vom 26. November 1985 nach vorangegangener Anhörung der Klägerin deren Witwenrente mit Wirkung von 1. April 1984 neu fest. Zum einen bewertete sie die in den ersten fünf Jahren geleisteten Pflichtmonatsbeiträge nur noch mit je 7,50; außerdem ordnete sie das Ruhen der Rente an, soweit diese auf die Zurechnungszeit entfalle. Sie stellte demzufolge einen monatlichen Rentenzahlbetrag von nur noch 512,20 DM ab April 1984 und von 545,50 DM ab Juli 1984 fest. Außerdem forderte die Beklagte den von April 1984 bis Dezember 1985 aufgelaufenen Überzahlungsbetrag von 8.192,52 DM zurück. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1986). Die Beklagte beschränkte jedoch im anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren die Änderung des Bescheides vom 23. August 1982 auf die Zukunft und erklärte, daß damit der Erstattungsanspruch entfalle.

Das Sozialgericht (SG) Reutlingen hat durch Urteil vom 26. Februar 1987 den Bescheid der Beklagten vom 26. November 1985 sowie den Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1986 aufgehoben, und das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Es hat in der angefochtenen Entscheidung vom 15. Oktober 1987 im wesentlichen ausgeführt:

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Witwenrentenbescheides vom 23. August 1982 lägen nicht vor. Zur Beantwortung der Frage, ob die Zurechnungszeit der Witwenrente oder der Rente aus eigener Versicherung günstiger sei (§ 57 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG = § 1280 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO), müsse vorliegend berücksichtigt werden, daß die Klägerin eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung beziehe und diese nur zu einem teilweisen Ruhen der EU-Rente führen könne (§ 55 Abs 1 AVG = § 1278 Abs 1 RVO). Die von der Beklagten befürwortete "isolierte" Anwendung des § 57 Abs 1 AVG ohne Berücksichtigung der Auswirkungen auf die nachfolgende Berechnung nach § 55 Abs 1 AVG führe zu dem Ergebnis, daß die Klägerin mit ihren drei Renten weniger erhalten würde, als wenn sie keinen Rentenanspruch aufgrund eigener Beitragszahlungen hätte. Deshalb müsse in den "Günstigkeitsvergleich" § 55 Abs 1 AVG einbezogen und eine Vergleichsberechnung durchgeführt werden. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 31. Oktober 1968 (Breithaupt 1969 S 415) argumentiert habe, bei Anwendung der §§ 1278, 1280 RVO sei es notwendig, zunächst im Rahmen der Rentenversicherung zu bleiben und erst dann § 1278 RVO anzuwenden, sei unerörtert geblieben, daß diese Lösung dazu führen könne, § 1280 Abs 1 RVO leerlaufen zu lassen oder sogar in sein Gegenteil zu verkehren. Richtigerweise wäre demnach von der Beigeladenen der auf die Zurechnungszeit der EU-Rente entfallende Rententeil zum Ruhen zu bringen gewesen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision stützt sich die Beklagte auf das vom LSG genannte Urteil des BSG. Das angefochtene Urteil übersehe, daß wegen der Anwendung des § 55 Abs 1 AVG möglicherweise die Entrichtung weiterer Beiträge ebenfalls nicht zu einer höheren Rente führe. Im übrigen erhalte ein Versicherter bei Anwendung des § 57 Abs 1 AVG vor § 55 AVG den Betrag, der sich ergäbe, wenn keine Zurechnungszeit anrechenbar wäre; dies sei die sogenannte Beitragsrente.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Februar 1987 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene hat, ohne einen eigenen Antrag zu stellen, der Revisionsbegründung zugestimmt und ergänzend darauf hingewiesen, daß die von der Beklagten vertretene Auffassung im Einklang mit der geltenden Rentenversicherungs-Ruhens-Vorschriften-Verordnung idF vom 29. Juli 1981 (BGBl I 740) stehe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß der streitige Bescheid der Beklagten vom 26. November 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1986 rechtswidrig ist.

Die Beklagte ist selbst mit Wirkung nur für die Zukunft zur Neufeststellung (Teilaufhebung, Herabsetzung) der mit Bescheid vom 23. August 1982 bewilligten Witwenrente nicht berechtigt, weil gegenüber den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß dieses Rentenbewilligungsbescheides vorgelegen haben, keine wesentliche Änderung eingetreten ist, es also an den Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) fehlt. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten kann aus § 57 Abs 1 AVG (= § 1280 Abs 1 RVO) kein teilweises Ruhen der Witwenrente hergeleitet werden.

Den vorliegenden Fall kennzeichnet, daß die Klägerin drei Renten aus der Sozialversicherung bezieht und daß das Zusammentreffen von zwei Renten (genauer: Ansprüchen auf Rente) zum teilweisen Ruhen jeweils einer Rente führt. Nach § 57 Abs 1 AVG wird, wenn eine Rente aus eigener Versicherung ua mit einer Witwenrente zusammentrifft, von zwei Zurechnungszeiten (§ 37 AVG = §1260 RVO) nur die für den Berechtigten günstigere angerechnet; die Rente, bei der die Zurechnungszeit nicht berücksichtigt wird, ruht insoweit. Ginge es lediglich darum, entsprechend dieser Vorschrift die Witwenrente der Klägerin der mit Bescheid der Beigeladenen vom 25. Oktober 1984 zuerkannten Versichertenrente (EU-Rente) gegenüberzustellen und zu untersuchen, welche von beiden Renten die günstigere Zurechnungszeit für die Klägerin enthält und deshalb angerechnet wird, so wäre die Zurechnungszeit der Rente wegen EU günstiger, weil der auf die Zurechnungszeit entfallende Rententeil nach den Berechnungen der Beigeladenen sich 1984 auf jährlich 6.327,78 DM belief gegenüber einem Rententeil von 4.502,76 DM, der aus der in der Witwenrente enthaltenen Zurechnungszeit resultierte. Indessen trifft auch die EU-Rente der Klägerin aus der Rentenversicherung der Arbeiter mit einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusammen. In einem solchen Fall ruht gemäß § 55 Abs 1 Satz 1 AVG (= § 1278 Abs 1 Satz 1 RVO) die Rente aus der Rentenversicherung insoweit, als sie (ohne Kinderzuschuß) zusammen mit der Verletztenrente (ohne Kinderzulage) aus der gesetzlichen Unfallversicherung sowohl 80 vH des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Verletztenrente zugrundeliegt, als auch 80 vH der für die Berechnung maßgebenden (persönlichen) Rentenbemessungsgrundlage übersteigt; dabei beschränkt sich das Ruhen der Rente auf den Betrag, um den die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung und die Rente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen zusammen den Betrag übersteigen, der ohne Anwendung der Ruhensvorschriften allein aus den gesetzlichen Rentenversicherungen zu zahlen wäre (Abs 1 Satz 2 aaO).

Wird - wie es die Klägerin möchte - bereits im Rahmen des § 57 Abs 1 AVG die günstigere Zurechnungszeit unter Mitberücksichtigung des § 55 Abs 1 AVG ermittelt und von einem Ruhen der Zurechnungszeit bei der EU-Rente - und nicht bei der Witwenrente - ausgegangen, so ergibt sich zum 1. Mai 1984 nach dem unwidersprochen gebliebenen, im wesentlichen dem Bescheid der Beigeladenen entnommenen Rechenwerk des LSG eine Jahresrente von 9.489,45 DM minus 6.327,48DM = 3.161,67 DM und, addiert mit der Verletzten-Jahresrente aus der Unfallversicherung von 17.001,66 DM, die Summe von 20.163,33 DM, die nicht den Grenzbetrag von 20.401,99 DM erreicht, der sich aus 80 vH des Jahresarbeitsverdienstes von 25.502,49 DM ergibt. Dies bedeutet: Bleibt die in der Witwenrente enthaltene Zurechnungszeit angerechnet und ruht die Zurechnungszeit der EU-Rente, dann führt die Anwendung des § 55 Abs 1 AVG (= §1278 Abs 1 RVO) zu keinem weiteren Ruhen der letzteren. Die Klägerin steht sich demnach bei dieser Anrechnung der Zurechnungszeit weitaus günstiger als bei der von der Beklagten und der Beigeladenen praktizierten Verfahrensweise, die hier dazu führt, daß die Klägerin mit drei Renten insgesamt weniger ausbezahlt erhält, als wenn sie überhaupt keine eigene (EU-) Rente bezöge.

Die Beklagte stützt demgegenüber ihre Auffassung in erster Linie auf das Urteil des 12. Senats des BSG vom 31. Oktober 1968 - 12 RJ 458/65 (BSGE 28, 279, insoweit gekürzt wiedergegeben, = BSG SozR Nr 12 zu § 1278 RVO = Breithaupt 1969 S 415), wonach § 1280 Abs 1 RVO (stets) vor § 1278 Abs 1 RVO anzuwenden sei. Dem vermag der Senat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen nicht zu folgen.

Das Gesetz enthält - worauf der 12. Senat des BSG in dem vorerwähnten Urteil bereits hingewiesen hat - keine Regelung darüber, in welcher Reihenfolge § 55 Abs 1 AVG (§ 1278 Abs 1 RVO) und § 57 Abs 1 AVG (§ 1280 Abs 1 RVO) anzuwenden sind. Des weiteren kann aus der Reihenfolge, in der beide Ruhenvorschriften im Gesetz stehen, kein Gebot für die Aufeinanderfolge der Anwendung hergeleitet werden. Umgekehrt sind jedoch - im Gegensatz zum BSG-Urteil vom 31. Oktober 1968 - ebensowenig "innere Gründe" ersichtlich, wegen derer stets zunächst der Ruhensbetrag nach § 57 Abs 1 AVG und erst dann nach § 55 Abs 1 AVG ermittelt werden müßte (vgl BSGE aaO S 281). Die Argumentation, es sei "notwendig, zunächst im Rahmen der Rentenversicherung zu bleiben und festzustellen, welcher Zahlbetrag der Rente aus der Rentenversicherung sich aus der allein im Bereich der Rentenversicherung bleibenden Vorschrift des § 1280 RVO ergibt", erst danach sei es "zulässig, aus dem Rahmen der Rentenversicherung hinauszutreten und sich der Vorschrift des § 1278 RVO zuzuwenden ..." (BSGE aaO), überzeugt nicht. Sie berücksichtigt schon nicht genügend, daß in beiden Vorschriften ausschließlich das teilweise Ruhen von Renten der gesetzlichen Rentenversicherung geregelt wird und daß - sofern die Systematik des Gesetzes überhaupt für die Festlegung einer bestimmten Reihenfolge sprechen sollte - mit kaum minderer Berechtigung gefolgert werden könnte, es müsse zuerst die Vorschrift angewandt werden, die nur das Ruhen einer Versichertenrente betrifft, und erst in zweiter Linie die Regelung, die auch das Ruhen einer aus dem Versicherungsverhältnis des verstorbenen Ehemannes nur abgeleiteten Hinterbliebenenrente erfaßt.

Indessen verbieten Wortlaut, Sinn und Normzweck des § 57 Abs 1 AVG ein Vorgehen in lediglich der einen oder anderen Reihenfolge; sie gebieten vielmehr, beide Berechnungswege durchzuführen und den für den Versicherten - also in seinem Einzelfall - "günstigeren" maßgebend sein zu lassen. Die "Begünstigungsregel" des § 57 Abs 1 AVG hebt nicht auf irgendein Zwischenergebnis, sondern, wie das LSG ausgeführt hat, auf das Endergebnis, also auf die Gesamtleistung ab (so Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 1280 RVO, Anm II). Das ist "für den Berechtigten" iS des § 57 Abs 1 aaO, von dessen Rechtsposition das Gesetz ausgeht, der höchste Auszahlungsbetrag, der sich nach Anwendung der Ruhensvorschrift nicht nur des § 57 Abs 1 AVG, sondern auch des § 55 Abs 1 AVG im Hinblick auf die "günstigere Zurechnungszeit" ergibt. Für diese Gesamtbetrachtung und gegen die "isolierte" Anwendung des § 57 Abs 1 AVG streitet, daß eine Versichertenrente (Berufsunfähigkeitsrente, EU-Rente, Altersruhegeld) sowohl wegen Zusammentreffens mit einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ruhen kann als auch, wenngleich nur unter den Voraussetzungen des § 57 Abs 1, Halbsatz 1 AVG, wenn sie mit einer Witwen- oder Witwerrente oder einer Rente nach § 42 AVG zusammentrifft, während die genannten Hinterbliebenenrenten nicht ruhen, falls der Berechtigte auch Verletztenrente bezieht. Im übrigen ist sowohl § 55 Abs 1 Satz 1 AVG wie auch dessen Satz 2 das Prinzip der den Versicherten möglichst schonenden Rentenkürzung zu entnehmen.

Gerade der vorliegende Sachverhalt verdeutlicht anschaulich die Auswirkungen der beiden Verfahrensweisen. Folgt man der Beklagten und der im BSG-Urteil vom 31. Oktober 1968 vertretenen Auffassung (wobei aufgrund der dortigen Fallgestaltung die "isolierte" Anwendung des § 1280 Abs 1 RVO auch zum für die Versicherte günstigeren Ergebnis führte), so erhielte die Klägerin - worauf das LSG zu Recht hingewiesen hat - nach Anwendung der Ruhensvorschriften aus allen drei Renten einen niedrigeren Gesamtbetrag, als wenn sie keine EU-Rente bezöge. Ob die hier gefundene Lösung auch als (allein) verfassungskonform ausgelegt ausgewiesen ist, die Auslegung durch die Beklagte dagegen den Anforderungen einer solchen Auslegung nicht gerecht wird, bedarf für die Entscheidung keiner Erörterung mehr. Die geschilderten Auswirkungen bestätigen aber die Richtigkeit des bereits mit "einfach-rechtlichen" Auslegungsgrundsätzen gewonnenen Ergebnisses.

Soweit in dem erwähnten BSG-Urteil, ohne auf den Wortlaut des § 1280 Abs 1 RVO näher einzugehen, allgemeine Erwägungen zur Auslegung sozialversicherungsrechtlicher Normen des Leistungsrechts angestellt worden sind, berühren diese die getroffene Entscheidung nicht. Es kommt hier nicht darauf an, welches Ergebnis in der Mehrzahl der Fälle für den Leistungsberechtigten günstiger ist. Wenn es (aaO S 282) in dem Urteil weiter heißt, dem Recht der Sozialversicherung sei der Satz, daß im Zweifel bei der Beweiswürdigung zugunsten des Versicherten oder Berechtigten zu entscheiden sei, fremd, so ist dies zwar zutreffend; es trifft aber nicht den konkreten Sachverhalt und die von ihm aufgeworfenen Fragen der Auslegung der §§ 55, 57 AVG.

Der erkennende Senat weicht zwar mit seiner Entscheidung vom Urteil des 12. Senats des BSG vom 31. Oktober 1968 ab; einer Vorlage an den Großen Senat nach § 42 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und einer vorgeschalteten Anfrage beim 12. Senat, ob er an seiner Ansicht festhalte, bedarf es aber nicht, weil der 12. Senat geschäftsplanmäßig nicht mehr für Streitigkeiten aus dem Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung zuständig ist.

Zutreffend hat schließlich die Vorinstanz bereits darauf hingewiesen, daß in Fällen wie dem vorliegenden die Anwendung des § 57 AVG eine entsprechende Vergleichsberechnung erfordert, ohne daß deren Durchführung aber mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden wäre. Richtigerweise hätte hiernach die Beigeladene den auf die Zurechnungszeit der EU-Rente entfallenden Rententeil zum Ruhen bringen müssen.

Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 293

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