Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz- geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH

 

Leitsatz (amtlich)

Der geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH mit Mehrheitsbeteiligung am Stammkapital steht für Tätigkeiten, die im Rahmen seines Unternehmens zu seinem Aufgabenbereich gehören, nicht kraft Gesetzes unter Versicherungsschutz.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs 1 Nr 1; RVO § 539 Abs 2

 

Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Entscheidung vom 17.10.1989; Aktenzeichen L 2 U 86/87)

SG für das Saarland (Entscheidung vom 02.07.1987; Aktenzeichen S 3 U 145/81)

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach ihrem am 17. September 1981 tödlich verunglückten Ehemann.

Der Verstorbene war mit einem Geschäftsanteil von 60 vH als Gesellschafter an der auf seinen Namen lautenden B.       B.    GmbH, Kraftfahrzeugmechanikerbetrieb, in S.        beteiligt. Die restlichen Anteile hielt die Klägerin. Der Ehemann der Klägerin war alleiniger Geschäftsführer, alleinvertretungsbefugt und als Kfz-Meister handwerklich im Unternehmen tätig. Am 17. September 1981 verunglückte er tödlich nach Angaben der Klägerin bei einer Geschäftsfahrt: Sie - die Klägerin - sei mit einem Vorführwagen zu einer Interessentin nach Saarbrücken unterwegs gewesen. Nachdem ein Schaden aufgetreten sei, habe sie ihren Ehemann telefonisch gebeten, zu dem liegengebliebenen Fahrzeug zu kommen, um es wieder fahrtüchtig zu machen. Auf der Fahrt dorthin habe er einen Verkehrsunfall erlitten, an dessen Folgen er noch an der Unfallstelle verstorben sei.

Mit Bescheid vom 2. November 1981 lehnte es die Beklagte ab, der Klägerin Entschädigungsleistungen zu gewähren, weil der Verstorbene wegen der Höhe seiner Beteiligung am Stammkapital der GmbH als versicherungsfreier Unternehmer anzusehen sei. Auch habe er von der Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung keinen Gebrauch gemacht.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte zur Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung verurteilt (Urteil vom 10. Februar 1983). Es habe ein formal-rechtliches Versicherungsverhältnis vorgelegen, weil für den Verstorbenen - wenn auch ohne namentliche Nennung im Lohnnachweis - Beiträge an die Beklagte im pauschalen Verfahren abgeführt worden seien. Auf die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das SG zurückverwiesen (Urteil vom 5. Februar 1985). Zwar sei ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu verneinen, weil der Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer der GmbH mit einer Mehrheitsbeteiligung als Gesellschafter nicht abhängig tätig gewesen sei. Auch eine Formalversicherung habe nicht vorgelegen. Aus den Angaben des Unternehmens in den Lohnnachweisen für die Jahre 1978 bis 1980 sei nicht zu erkennen gewesen, daß die gemeldeten Entgeltsummen auch das Gehalt (oder Anteile davon) des Verstorbenen enthielten. Eine Formalversicherung lasse sich auch nicht im Zusammenhang mit Leistungen aus Unfällen des Verstorbenen in den Jahren 1978 und 1979 herleiten, da an den Ehemann der Klägerin bei keinem der beiden Unfälle irgendwelche Leistungen erbracht worden seien. Das SG habe jedoch die Prüfung unterlassen, ob der Ehemann der Klägerin arbeitnehmerähnlich tätig gewesen sei und demzufolge nach § 539 Abs 2 RVO unter Versicherungsschutz gestanden habe.

Mit Urteil vom 2. Juli 1987 hat das SG die Klage abgewiesen, weil der Ehemann der Klägerin keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausgeübt habe; vielmehr sei er wie ein Unternehmer tätig geworden. Das LSG hat durch Urteil vom 17. Oktober 1989 die auf Gewährung von Witwenrente gerichtete Berufung zurückgewiesen. Bei der zum Unfall führenden Fahrt zu dem liegengebliebenen Fahrzeug sei der Ehemann der Klägerin nicht wie ein Arbeitnehmer gemäß § 539 Abs 2 RVO tätig geworden. Diese Fahrt und die beabsichtigte Reparatur habe nämlich zu seinem Tätigkeitsbereich als ständig mitarbeitender und für den technischen Bereich verantwortlicher alleingeschäftsführender Gesellschafter und Kfz-Mechanikermeister gehört.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung formellen (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und materiellen Rechts (§ 539 Abs 2 RVO). Sie - die Klägerin - habe die Firma in ihren lebenswichtigen Teilen - Neuwagenverkauf - geführt und beherrscht, wohingegen sich die Tätigkeit ihres Ehemanns allein auf die eines Kfz-Meisters und die Arbeit in der Werkstatt beschränkt habe. Die Organisation und der kaufmännische Teil des Unternehmens seien allein ihr vorbehalten und überlassen gewesen. Im übrigen habe das LSG unter Verletzung des § 103 SGG angebotene Beweise fehlerhaft nicht ausgeschöpft. Bei richtiger Verfahrensweise wäre festgestellt worden, daß ihr Ehemann eine der Firma dienende Tätigkeit ausgeführt habe, die ihrer Art nach nicht unternehmerisch, sondern sonst von Personen verrichtet werde, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG für das Saarland vom 17. Oktober 1989 und des SG für das Saarland vom 2. Juli 1987 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 2. November 1981 zu verurteilen, ihr Witwenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente (§§ 589 Abs 1 Nr 3, 590 RVO) setzt zunächst voraus, daß ihr Ehemann im Zeitpunkt des Unfalls unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Zutreffend hat das LSG den im Revisionsverfahren allein noch streitigen Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 RVO verneint (zur Bindung - auch des Bundessozialgerichts (BSG) - an die Rechtsansicht des LSG in seinem ersten - unangefochtenen - Berufungsurteil, hier zur Verneinung des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO und aufgrund einer Formalversicherung, s BSG SozR Nr 6 zu § 159 SGG).

Nach § 539 Abs 2 RVO sind gegen Arbeitsunfall solche Personen versichert, die wie ein nach § 539 Abs 1 RVO Versicherter tätig werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt diese Vorschrift voraus, daß eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit vorliegt, die ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (s ua BSG SozR 2200 § 539 Nr 55 sowie Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 475 m/n, jeweils mwN).

Zur Frage des Versicherungsschutzes eines geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH hat der Senat in seinem Urteil vom 25. Oktober 1989 (2 RU 12/89 - HV-Info 1990, 112, 117) entschieden, daß für die Tätigkeit als Geschäftsführer, die nicht nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO versichert ist, auch kein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 RVO gegeben ist (so auch BSG SozR Nr 30 zu § 539 RVO sowie BSGE 42, 1, 3). Versicherungsschutz im Rahmen dieser Vorschrift ist ausgeschlossen, wenn ein geschäftsführender Gesellschafter, der aufgrund seiner Kapitalbeteiligung maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidungen der Gesellschaft hat, im Rahmen seines eigenen Unternehmens tätig wird, dh für dieses Unternehmen Tätigkeiten verrichtet, die zu seinem Aufgabenbereich gehören (s Brackmann aaO S 476h mwN). Er ist dann nicht wie ein nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Versicherter (§ 539 Abs 2 RVO), sondern wie ein Unternehmer tätig. Um eine solche Tätigkeit hat es sich nach dem festgestellten Sachverhalt gehandelt.

Dabei kann auch hier dahinstehen, ob im Einzelfall bei einer Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft außerhalb seiner Geschäftsführertätigkeit Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO besteht (s Urteil des Senats vom 25. Oktober 1989 aaO). Denn nach den bindenden Feststellungen des LSG war der Ehemann der Klägerin bei der Unglücksfahrt im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit unterwegs. Sein Wirkungsbereich war innerhalb der auf seinen Namen lautenden Firma, die in der Handwerksrolle als Kraftfahrzeugmechanikerbetrieb eingetragen war, auf seine Berufsausbildung als Kfz-Mechaniker bezogen. Der Aufgabenbereich der Klägerin hingegen umfaßte den Neuwagenverkauf einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden schriftlichen Arbeiten sowie den gesamten Bürobetrieb. Die zum Unfall führende Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin und die beabsichtigte Reparatur gehörte damit zu seinem betrieblichen Tätigkeitsbereich als selbständig mitarbeitender und für den technischen Bereich verantwortlicher allein geschäftsführender Gesellschafter und Kfz-Mechanikermeister. Wie das LSG zutreffend darauf hinweist, betraf die unfallbringende Fahrt bei Berücksichtigung der überragenden Gesellschafterstellung des Verstorbenen aufgrund seines Geschäftsanteils von 60 vH des Stammkapitals und seiner alleinigen Geschäftsführung zugleich den Wirkungsbereich des eigenen Unternehmens; er war somit unternehmerähnlich tätig.

Entgegen der Auffassung der Revision mußte sich das Berufungsgericht auch nicht nach § 103 SGG zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen, insbesondere mußte sich dem Berufungsgericht nicht aufdrängen, weitere, von der Klägerin teils im erstinstanzlichen, teils im Berufungsverfahren beantragte Beweise zur Arbeitsteilung zwischen ihr und dem Verstorbenen zu erheben (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 103 Nr 25 und § 160 Nr 5). Das Berufungsgericht ist von der von der Klägerin vorgetragenen Arbeitseinteilung ausgegangen. Es hat ausgeführt, daß die zum Unfall führende Tätigkeit nicht nur den Wirkungsbereich des eigenen Unternehmens betraf, sondern auch in diesem Rahmen zum eigentlichen Tätigkeitsbereich des Verstorbenen gehörte. Nichts anderes gilt für die Rüge der Klägerin, das LSG hätte ihren Beweisantritt, daß die Existenz der GmbH nicht auf dem Reparaturbetrieb, sondern auf dem Neuwagenverkauf beruht habe, nachgehen müssen. Das Berufungsgericht hat dazu im übrigen festgestellt, daß Gegenstand des Unternehmens ein Kfz-Mechanikerbetrieb mit zuletzt einerseits fünf Lehrlingen und Gesellen im Bereich Kfz-Reparatur mit dem Verstorbenen als sachkundigem Leiter und andererseits einer Bürokraft im Verwaltungsbereich war. Für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge wäre außerdem unter diesen Umständen zumindest erforderlich gewesen, ua die Einnahmen, Betriebskosten und erzielten Gewinne aus beiden Sparten darzulegen, zumal nach dem Lohnnachweis der GmbH beispielsweise für 1980 im Bereich Kundendienst/Kfz-Reparatur ein Arbeitsentgelt von 58.516 DM und im Bereich Verwaltung ein solches von 12.530 DM gemeldet wurde.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1667391

BB 1990, 2049

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