Leitsatz (amtlich)

Auf die Unternehmertätigkeit von 180 Kalendermonaten, die nach AHNG 1965 Art 2 § 9 Buchst b für die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen erforderlich ist, sind die in RVO § 1251 genannten Ersatzzeiten anzurechnen, sofern die Voraussetzungen des RVO § 1251 Abs 2 vorliegen.

 

Normenkette

RVO § 1251 Abs. 2 Fassung: 1965-06-09; GALÄndG 3 Art. 2 § 9 Buchst. b Fassung: 1965-09-14

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 2. Februar 1968 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Ehemann der Klägerin, H K (H. K.), geboren am 21. Mai 1913, beantragte im Oktober 1965 bei der Beklagten eine "erneute Prüfung seiner Altersgeldsache" auf Grund des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte in der Neufassung vom 14. September 1965 (BGBl I 1449 = GAL 1965). Einen früheren Antrag des H. K. auf vorzeitiges Altersgeld hatte die Beklagte im Jahre 1963 abgelehnt. H. K. war seit November 1948 mit der Klägerin, der Witwe seines 1944 gefallenen Bruders, verheiratet. Nach der Feststellung des Landessozialgerichts (LSG) hatte die Klägerin seit 1936 das etwa 39 ha große landwirtschaftliche Unternehmen im wesentlichen allein bewirtschaftet; H. K. hatte die Bewirtschaftung entweder seit der Eheschließung oder schon seit 1. April 1947 - im Urteil des LSG sind beide Zeitpunkte genannt - als Unternehmer im Sinne von § 1 GAL übernommen. Das Unternehmen wurde mit Wirkung vom 1. November 1958 an die Tochter der Klägerin (Stieftochter des H. K.) abgegeben. Von August 1939 bis Februar 1944 leistete H. K. Kriegsdienst, aus der anschließenden Kriegsgefangenschaft wurde er im Februar 1947 entlassen. Am 28. Juni 1966 starb er. Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse hatte er vom 1. Oktober 1957 bis zum 31. Oktober 1958 (Hofabgabe) entrichtet.

Mit Bescheid vom 25. Januar 1966 lehnte die Beklagte die Gewährung von vorzeitigem Altersgeld ab, weil H. K. nicht für mindestens 60 Kalendermonate Beiträge entrichtet habe (§ 2 Abs. 2 Buchst. b GAL 1965). In dem Bescheid heißt es weiter, H. K. könne auch nicht gemäß Art. 2 § 9 des Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte i. d. F. vom 14. September 1965 (AHNG 1965) die fehlenden Beiträge nachentrichten; er sei nur in der Zeit vom 1. April 1947 bis zum 31. Oktober 1958 (139 Monate) landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen, sonach nicht, wie dies Art. 2 § 9 Buchst. b erfordere, in den der Hofabgabe vorausgehenden 25 Jahren mindestens 180 Monate; die Zeiten seines Kriegsdienstes und der Unternehmertätigkeit der Ehefrau (der jetzigen Klägerin) könnten auf den Zeitraum von 180 Kalendermonaten nicht angerechnet werden.

Mit der Klage beantragte H. K. zunächst, den Bescheid vom 25. Januar 1966 aufzuheben und ihm das vorzeitige Altersgeld zu gewähren. Nach seinem Tode beantragte die Klägerin, die das Verfahren aufgenommen hatte, in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts (SG) am 19. Juni 1967, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und festzustellen, "daß die beitragsmäßigen Voraussetzungen zur Gewährung des vorzeitigen Altersgeldes an H. K. vorgelegen haben." Diesem Antrag entsprach das SG Kiel (Urteil vom 19. Juni 1967). Die Berufung der Beklagten wies das LSG zurück (Urteil vom 2. Februar 1968). Es führte im wesentlichen aus: Unstreitig sei, daß die Voraussetzungen für eine Leistungsklage noch nicht vorlägen; die Klägerin habe nach dem Tode des H. K. neben der Aufhebung des Bescheides vom 25. Januar 1966 auch keine Leistung, sondern stets nur die Feststellung begehrt, daß sie zur Nachentrichtung von Beiträgen berechtigt sei. Da H. K. den Bescheid vom 25. Januar 1966 schon zu seinen Lebzeiten angefochten habe, sei die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin befugt, dieses Klagebegehren weiter zu verfolgen. Die Voraussetzungen des Art. 2 § 9 AHNG 1965 zur Nachentrichtung von Beiträgen seien gegeben. H. K. sei zwar in den 25 Jahren vor Abgabe des Unternehmens nur 139 Kalendermonate - vom 1. April 1947 bis zum 31. Oktober 1958 - landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen. Auf den Zeitraum von 180 Kalendermonaten seien jedoch auch Ersatzzeiten, insbesondere die 77 Monate umfassende Zeit des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft des H. K., anzurechnen. Der Wortlaut des Art. 2 § 9 AHNG 1965 sei zwar eindeutig, er lasse die Anrechnung von Ersatzzeiten auch nicht im Wege der "Ausdeutung" oder der sinngemäßen Anwendung dieser Vorschrift zu. Es handele sich dabei aber entgegen der Meinung der Beklagten nicht um eine abschließende Regelung; auch "Ausnahmevorschriften" seien einer entsprechenden Anwendung fähig, sofern sie nicht streng in sich abgeschlossene Sonderfälle beträfen. Das letztere sei bei Art. 2 § 9 AHNG 1965 nicht der Fall. Sinn und Zweck dieser Vorschrift erforderten vielmehr zwingend ihre Ergänzung durch die Anrechnung von Ersatzzeiten. Eine solche Anrechnung sei für die Übergangsfälle der "alten" landwirtschaftlichen Unternehmer, für die zum Erwerb des zunächst im GAL allein vorgesehenen Anspruchs auf das "normale" Altersgeld ebenfalls eine Unternehmertätigkeit von 180 Monaten innerhalb von zunächst 15, später 25 Jahren vor der Abgabe erforderlich gewesen sei, auch stets bestimmt worden (§ 25 Abs. 2 GAL 1957; § 26 Abs. 5, § 27 Abs. 4 GAL 1961; § 33 Abs. 5, § 34 Abs. 4 GAL 1965). Durch das GAL 1963 sei sodann das vorzeitige Altersgeld für den Fall der Erwerbsunfähigkeit des Unternehmers eingeführt worden, das eine Beitragsleistung von mindestens 60 Kalendermonaten voraussetze (§ 2 Abs. 1 a GAL 1963); diese Voraussetzung hätten jedoch Landwirte, die ihre Höfe bereits vor dem Inkrafttreten des GAL 1957 oder vor einer Beitragszahlung von 60 Kalendermonaten wegen Erwerbsunfähigkeit abgegeben hatten, nicht mehr erfüllen können. Zur Beseitigung dadurch entstandener Härten sei während des Gesetzgebungsverfahrens zum AHNG 1965 auf Vorschlag des Sozialpolitischen Ausschusses des Bundestages Art. 2 § 9 AHNG 1965 als Übergangsvorschrift eingefügt worden, um auch diesen ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmern die Möglichkeit zum Erwerb des Anspruchs auf vorzeitiges Altersgeld durch Beitragsnachentrichtung zu verschaffen. Dabei sei dem Gesetzgeber offensichtlich entgangen, daß durch das Fehlen einer Ersatzzeitenanrechnung in Art. 2 § 9 AHNG die Anspruchsvoraussetzungen für das vorzeitige Altersgeld gegenüber dem Personenkreis, dem Anspruch auf das "normale" Altersgeld nach den §§ 33, 34 GAL 1965 mit der nach diesen Vorschriften geltenden Ersatzzeitenanrechnung zustehe, eingeengt worden wären. Weder der Bundestagsausschuß noch der Bundestag hätten aber den Willen erkennen lassen, erwerbsunfähige frühere Landwirte, die allein aus zeitlichen Gründen die 60 Beitragsmonate bis zur Hofabgabe nicht mehr hätten aufbringen können, im Rahmen der sie begünstigenden Übergangsregelung des Art. 2 § 9 AHNG nun doch wieder vom Erwerb des Anspruchs auf das vorzeitige Altersgeld dadurch auszuschließen, daß ihnen die in den sonstigen Übergangsvorschriften vorgesehene Ersatzzeitenanrechnung auf die fünfzehnjährige Unternehmertätigkeit nicht zugestanden werde. Bei der Vorschrift des Art. 2 § 9 AHNG handele es sich vielmehr um ein "planwidrig unvollständiges Gesetz". Diese Gesetzeslücke könne und müsse durch die Rechtsprechung geschlossen werden. § 33 Abs. 5 GAL 1965 sei auf Art. 2 § 9 Buchst. b AHNG 1965 entsprechend anzuwenden. Damit habe H. K. alle Voraussetzungen des Art. 2 § 9 erfüllt; die Klägerin sei sonach berechtigt, die für die Mindestbeitragszeit fehlenden 47 Beiträge an die Beklagte nachzuentrichten.

Die Beklagte legte die vom LSG zugelassene Revision ein.

Sie beantragte,

unter Aufhebung der Urteile des Sozialgerichts Kiel vom 19. Juni 1967 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 2. Februar 1968 die Klage gegen den Bescheid vom 25. Januar 1966 abzuweisen.

Sie hält eine dem Wortlaut des Art. 2 § 9 AHNG 1965 widersprechende Anrechnung von Ersatzzeiten vor allem deshalb nicht für richtig, weil es sich bei den §§ 33, 34 GAL 1965 um Übergangsvorschriften mit Ausnahmecharakter handele, die sich einer ausdehnenden Auslegung entzögen; durch diese Vorschriften hätten letztmals Härten gegenüber den früheren Fassungen des GAL beseitigt werden sollen. Falls es sich bei dem Fehlen eines Hinweises in Art. 2 § 9 AHNG 1965 auf die Ersatzzeitenanrechnung nach den §§ 33, 34 GAL 1965 um ein Versehen im Gesetzgebungsverfahren gehandelt hätte, hätten diese Vorschriften im Zusammenhang mit späteren Gesetzesänderungen geändert werden können; dies sei jedoch nicht geschehen. Gegen ein Versehen bei der Gesetzgebung spreche aber auch Art. 2 § 10 AHNG 1965; dort sei, anders als in Art. 2 § 9, ausdrücklich auf § 34 GAL 1965 und damit auch auf die Ersatzzeitenanrechnung nach § 33 verwiesen worden.

Die Klägerin beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision der Beklagten ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Berechtigung des H. K. bzw. nunmehr der Klägerin, Beiträge nach Art. 2 § 9 AHNG 1965 nachzuentrichten. Wie das LSG zutreffend angenommen hat, ist über einen Anspruch des H. K. auf vorzeitiges Altersgeld nicht zu entscheiden. Zwar hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 25. Januar 1966 "den Anspruch auf vorzeitiges Altersgeld" abgelehnt, sie hat aber in diesem Bescheid auch die Berechtigung zur Entrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 9 AHNG verneint. Obwohl H. K. mit der Klage neben der Aufhebung des Bescheides vom 25. Januar 1966 zunächst auch die Gewährung von vorzeitigem Altersgeld begehrt hatte, ist nach seinem Tod das Klagebegehren von der Klägerin - wie der Klagantrag in der mündlichen Verhandlung des SG am 19. Juni 1967 seinem Sinn nach erkennen läßt - nur noch hinsichtlich der Berechtigung zur Beitragsnachentrichtung weiter verfolgt worden. Das LSG hat ausdrücklich festgestellt, daß die (tatsächlichen) Voraussetzungen für ein vorzeitiges Altersgeld bei H. K. "unstreitig noch nicht" vorliegen. Das Begehren der Klägerin ist daher als Aufhebungsklage in Verbindung mit einer Feststellungsklage im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu deuten. Das rechtliche Interesse des H. K. an der begehrten Feststellung ist gegeben gewesen, weil von der Beitragsnachentrichtung ein künftiger Anspruch des H. K. auf vorzeitiges Altersgeld abhängig gewesen ist und die Beklagte die Berechtigung zur Beitragsnachentrichtung in dem angefochtenen Bescheid verneint hat. Zur Aufnahme des durch den Tod des H. K. unterbrochenen Verfahrens ist die Klägerin nach § 10 GAL 1965 i. V. m. § 1288 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) berechtigt gewesen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 27. Mai 1970, SozR Nr. 3 zu § 27 GAL 1965 mit weiteren Hinweisen).

Das LSG hat auch zutreffend dieses Klagebegehren für begründet gehalten. Der Auffassung des LSG, daß es sich bei dem Fehlen eines Hinweises auf die Anrechnung von Ersatzzeiten in Art. 2 § 9 AHNG 1965 offensichtlich um ein "Versehen" bei der Gesetzgebung, um eine "planwidrige Lücke" im Gesetz handele, die von der Rechtsprechung auszufüllen sei, ist im Ergebnis zuzustimmen. Die Einwendungen der Beklagten in der Revisionsbegründung sind nicht geeignet, die Rechtsauffassung des LSG zu widerlegen.

1. Es ist zwar richtig, daß bei der Auslegung einer Rechtsvorschrift von ihrem Wortlaut auszugehen ist, nicht richtig ist aber, daß ein eindeutiger Gesetzeswortlaut eine Auslegung verbietet. Es ist zunächst schon zweifelhaft, ob der Wortlaut des Art. 2 § 9 AHNG "eindeutig" die Anrechnung von Ersatzzeiten auf die in Buchst. b als Voraussetzung für die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen geforderte Unternehmertätigkeit (mindestens 180 Kalendermonate während der 25 Jahre vor Abgabe des Unternehmens) ausschließt; "eindeutig" wäre dies nur dann, wenn in Art. 2 § 9 bestimmt worden wäre, daß eine Anrechnung von Ersatzzeiten hier nicht in Betracht komme. Allein das "Schweigen des Gesetzes" zu dieser Frage schließt vernünftige Zweifel daran, ob dies beabsichtigt sei, nicht aus. Anlaß zu Zweifeln gibt jedenfalls, daß für die mit Art. 2 § 9 Buchst. b AHNG wörtlich übereinstimmende Vorschrift des § 33 Abs. 1 Buchst. c (= § 34 Abs. 1 Buchst. b) GAL 1965 - und für die entsprechenden früheren Gesetzesfassungen - die Anrechnung von Ersatzzeiten in § 33 Abs. 5, § 34 Abs. 4 normiert ist. Aber selbst wenn der Wortlaut des Art. 2 § 9 AHNG eindeutig wäre, kommt nach der Rechtslehre eine Auslegung durchaus in Betracht (vgl. die Hinweise in dem Urteil des BSG vom 23. Mai 1967, BSG 26, 266, 270), weil die Auslegung zwar mit dem Wortlaut einer Vorschrift beginnt, daneben aber auch die Stellung dieser Vorschrift innerhalb des Gesetzes und ihr Sinn und Zweck heranzuziehen sind. Dies gilt auch dann, wenn eine Vorschrift "Ausnahmecharakter" hat. Auch insoweit ist zweifelhaft, ob Art. 2 § 9 AHNG eine "Ausnahme" von der in § 2 GAL Abs. 2 Buchst. b 1965 geregelten Leistungsvoraussetzung darstellt. Ebenso wie nach § 2 Abs. 2 GAL 1965 ist auch nach der Übergangsvorschrift des Art. 2 § 9 AHNG für den Anspruch auf das vorzeitige Altersgeld Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers, eine Beitragsleistung für mindestens 60 Kalendermonate und die Abgabe des Unternehmens erforderlich. Die Besonderheit des Art. 2 § 9 AHNG liegt darin, daß die Beitragsleistung im Wege der Nachentrichtung von Beiträgen zugelassen ist und daß ein Anspruch auf das vorzeitige Altersgeld unter den weiter genannten Voraussetzungen auch für diejenigen ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmer vorgesehen wird, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Buchst. b GAL 1965 vor dem Inkrafttreten des AHNG 1965 nicht mehr erfüllen konnten, weil sie das Unternehmen bereits abgegeben hatten. Diese Erweiterung des Personenkreises hat aber deshalb nicht die Bedeutung einer Ausnahmeregelung. Allerdings enthält Art. 2 § 9 AHNG auch eine Einschränkung insofern, als die Berechtigung zur Beitragsnachentrichtung eine bestimmte Dauer der Unternehmertätigkeit voraussetzt; nur insoweit hat die Vorschrift allenfalls gegenüber den in § 2 Abs. 2 GAL 1965 geregelten Fällen "Ausnahmecharakter". Für die Ermittlung des Sinns einer Ausnahmevorschrift gelten aber keine anderen Auslegungsgrundsätze als für Vorschriften, die keinen Ausnahmecharakter haben. Auch zur Ermittlung des Inhalts einer solchen Vorschrift dürfen andere Rechtsvorschriften herangezogen werden, die gleiche oder ähnliche Sachverhalte regeln.

2. Das LSG hat für die Auslegung des Art. 2 § 9 Buchst. b AHNG zutreffend die §§ 33, 34 GAL 1965 herangezogen, die mit dem Buchstaben b) gleiche Anspruchsvoraussetzungen enthalten. Hieran ist es weder dadurch gehindert gewesen, daß Art. 2 § 9 idF der Bekanntmachung des AHNG vom 14. September 1965 unter den "Überleitungs- und Schlußvorschriften" steht, noch dadurch, daß die §§ 33, 34 GAL 1965 im Siebenten Abschnitt des Gesetzes unter der Überschrift "Übergangsbestimmungen" aufgeführt sind. Das Wort "Schlußvorschriften" läßt nur erkennen, daß mit diesen Vorschriften nach der damaligen Auffassung die Normierung der Gesetzesmaterie "abgeschlossen" sein sollte, es enthält nicht und kann gar nicht enthalten ein Verbot einer ergänzenden Rechtsfindung für den Fall, daß sich eine Lücke im Wortlaut des Gesetzes herausstellt. Mit dem Wort "Übergangsvorschriften" vor dem Abschnitt, der die §§ 33 und 34 GAL 1965 enthält, ist nichts anderes gesagt, als daß in diesem Abschnitt "Altfälle" unter den dort genannten Voraussetzungen in das Gesetz einbezogen werden; auch damit ist nicht ausgeschlossen, daß die Vorschriften der §§ 33 Abs. 5, 34 Abs. 4 über die Anrechnung von Ersatzzeiten zur Auslegung des Art. 2 § 9 Buchst. b herangezogen werden dürfen. Die Rechtsauffassung des LSG steht auch nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des BSG. Für das Urteil vom 26. August 1965 (BSG 23, 275, 277) ist es allein darauf angekommen, ob durch die Verweisung auf "die in § 1251 RVO genannten Ersatzzeiten" in § 26 Abs. 5, § 27 Abs. 4 GAL 1961/63 (= § 33 Abs. 5, § 34 Abs. 4 GAL 1965) auch auf die Anrechnungsvorschriften des § 1251 Abs. 2 RVO verwiesen ist; dies ist bejaht worden. Das Urteil vom 14. Juni 1966 (SozR Nr. 3 zu § 9 - Abs. 2 Buchst. a - GAL 1961/63 = § 14 Abs. 2 Buchst. a GAL 1965) hat die Frage betroffen, ob nach § 9 Abs. 2 Buchst. a GAL 1961/63 bei der Prüfung der Voraussetzung für eine Beitragsbefreiung (Beitragszahlung für 180 Kalendermonate in der Rentenversicherung der Arbeiter, der Angestellten u. s. w.) auch Ersatzzeiten im Sinne von § 1251 RVO angerechnet werden dürfen; dies ist verneint worden. In Art. 2 § 9 Buchst. b AHNG kommt es aber ebenso wie in den §§ 33, 34 GAL 1965 nicht auf die Dauer einer solchen Beitragszahlung, sondern auf die Dauer der Unternehmertätigkeit an. Schließlich ergibt sich gegen die Rechtsauffassung des LSG entgegen der Meinung der Beklagten auch nichts daraus, daß in Art. 2 § 10 AHNG 1965 der Altersgeldanspruch für die dort genannten alten landwirtschaftlichen Unternehmer - die gemäß § 8 Abs. 7 GAL 1957 nach Vollendung des 65. Lebensjahres wegen jugendlichen Alters des Hoferben kraft Gesetzes von der Beitragspflicht befreit waren - "nach Maßgabe des § 34" zu beurteilen ist und daß sich daraus auch die Ersatzzeitenanrechnung nach § 34 Abs. 4 ergibt, während in Art. 2 § 9 AHNG die §§ 33, 34 GAL 1965 nicht zitiert sind. Ein Hinweis auf die §§ 33, 34 GAL 1965 in Art. 2 § 9 AHNG wäre systemwidrig gewesen, weil Art. 2 § 9 AHNG nicht wie die §§ 33,34 die Anspruchsberechtigung der "alten" landwirtschaftlichen Unternehmer auf das "normale" Altersgeld betrifft, sondern die Voraussetzungen für den Bezug des vorzeitigen Altersgeldes für noch nicht 65 Jahre alte Unternehmer im Falle einer Erwerbsunfähigkeit. Gemeinsam ist jedoch den Übergangsfällen der §§ 33, 34 GAL 1965 und der Übergangsvorschrift des Art. 2 § 9 AHNG, daß es für den Erwerb des Anspruchs auf Altersgeld bzw. vorzeitiges Altersgeld ua auf die Dauer der Unternehmertätigkeit ankommt, die für beide Fallgruppen mit genau übereinstimmendem Wortlaut vorgeschrieben ist. Der Anrechnung von Ersatzzeiten nach den §§ 33, 34 GAL 1965 liegt der gleiche Gedanke zugrunde, der auch in der Rentenversicherung zur Anrechnung beitragsloser Zeiten als Versicherungszeiten geführt hat, nämlich die Erwägung, ein Anspruch dürfe nicht daran scheitern, daß eine Unternehmertätigkeit wegen der in § 1251 RVO genannten Ersatzzeittatbestände unterbrochen worden ist oder erst nach Beendigung des Ersatzzeittatbestandes - innerhalb des zeitlichen Rahmens des § 1251 Abs. 2 Satz 2 RVO (vgl. BSG 23, 273, 278) - hat begonnen werden können. Es sind keinerlei Gründe dafür erkennbar, daß und warum das Gesetz einen Anspruch auf vorzeitiges Altersgeld nach Art. 2 § 9 AHNG allein daran habe scheitern lassen wollen, daß die in Buchst. b geforderte Zeit der Unternehmertätigkeit infolge eines Ersatzzeittatbestandes nicht erreicht würde. Mit dem Hinweis der Beklagten darauf, daß durch Art. 2 § 9 AHNG der Kreis der zum Bezug von vorzeitigem Altersgeld Berechtigten "nicht unangemessen" habe erweitert werden sollen, kann das Fehlen einer ausdrücklichen Vorschrift über die Anrechnung von Ersatzzeiten nicht erklärt werden, weil kein Anhalt dafür besteht, daß das Gesetz Personen, bei denen Ersatzzeittatbestände, insbesondere zB die in § 1251 RVO genannten Zeiten des Kriegsdienstes, der Kriegsgefangenschaft, der Internierung, der politischen Verfolgung, vorliegen, von der Möglichkeit des Erwerbs eines Anspruchs auf vorzeitiges Altersgeld nach Art. 2 § 9 AHNG durch Beitragsnachentrichtung hat ausschließen wollen und daß es ein solches Ergebnis als "angemessen" angesehen hat. Der Beklagten ist zwar einzuräumen, daß es nahe gelegen hätte, eine Vorschrift über die Anrechnung von Ersatzzeiten auch in den Art. 2 § 9 AHNG aufzunehmen. Es ist aber auch nicht ganz ungewöhnlich, daß gerade dann, wenn - wie sich im vorliegenden Fall aus den Gesetzesmaterialien ergibt (vgl. BT-Drucks. IV/3471 zu Art. 2 des Entwurfs des AHNG 1965 unter Nr. 3) - ein bereits vorliegender Gesetzesentwurf während des Gesetzgebungsverfahrens noch geändert wird, Änderungen sich nicht widerspruchslos und "nahtlos" in das bereits vorhandene System des Gesetzesentwurfs einfügen. Zur Klärung solcher "planwidriger" Gesetzeslücken ist die Rechtsprechung befugt. Wenn sich die Richter dabei am Sinn und Zweck einer "lückenhaften" Vorschrift orientieren, greifen sie nicht in die Kompetenz des Gesetzgebers ein und sie setzen auch nicht ihre "subjektiven" Vorstellungen über die Billigkeit und Angemessenheit einer Vorschrift über "das Gesetz", sondern sie verhelfen im Wege der Auslegung der bereits "latent" in der unvollständigen Vorschrift enthaltenen Zielvorstellung des Gesetzes zum Durchbruch.

3. Die 77 Monate des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft des H. K. sind sonach auf die in Art. 2 § 9 Buchst. b AHNG geforderte Dauer der Unternehmertätigkeit von 180 Kalendermonaten anzurechnen, da auch die Voraussetzungen des § 1251 Abs. 2 RVO in der hier maßgebenden Fassung des Rentenversicherungsänderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 (vgl. Art. 1 § 1 Nr. 15 Buchst. d, Art. 5 § 4 Abs. 2 Buchst. b) vorliegen; H. K. hat die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer jedenfalls innerhalb von drei Jahren nach Beendigung der Ersatzzeit (Rückkehr aus der Gefangenschaft im Februar 1947) aufgenommen; es kommt deshalb nicht darauf an, ob er nach der insoweit nicht eindeutigen Feststellung des LSG schon ab 1. April 1947 oder erst seit seiner Verheiratung mit der Klägerin im November 1948 Unternehmer im Sinne von § 1 GAL gewesen ist. Er hat alle Voraussetzungen für die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 9 AHNG erfüllt.

Die Revision der Beklagten ist daher unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669730

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