Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 26.01.1990)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. Januar 1990 aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie verurteilt hat, dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

2. Die Revision des Beigeladenen gegen das Urteil des Hessichen Landessozialgerichts vom 26. Januar 1990 wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) erworben hat.

Der Kläger, ein Franzose, ist vereidigter Dolmetscher. Obwohl er die Befähigung für das Lehramt an öffentlichen Schulen nicht besitzt, war er vom 1. August 1979 bis zum 31. Juli 1980 im Rahmen von zwei Lehraufträgen im Unterrichtsfach Französisch im Bereich des Regierungspräsidenten in Darmstadt im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Aufgrund des einen Lehrauftrags unterrichtete der Kläger in B H im Realschulzweig an der Gesamtschule „A G” sieben Wochenstunden zwei achte Klassen. Aufgrund des anderen Lehrauftrags gab er am B in F sechs Wochenstunden Französischunterricht in den Jahrgangsstufen 11 und 12. Dieses Stundendeputat war derart verteilt, daß der Kläger während des gesamten Schuljahres an jeweils zwei gleichen Wochentagen an beiden Schulen unterrichten mußte. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) sind die Orte B H – und F 19 Straßenkilometer voneinander entfernt.

Am 1. August 1980 und – nach einer freiberuflichen Tätigkeit in der Zeit vom 1. September 1980 bis zum 9. Januar 1981 – am 12. Januar 1981 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 10. März 1981 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger sei innerhalb der Rahmenfrist nicht beitragspflichtig beschäftigt gewesen, da seine Tätigkeit beim Regierungspräsidenten in Darmstadt im Rahmen der Lehraufträge kurzzeitig und somit beitragsfrei gewesen sei. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. August 1981).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger Alg für die Zeit vom 1. August bis zum 31. August 1980 und ab 12. Januar 1981 zu gewähren (Urteil vom 10. März 1987).

Das LSG hat die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen zurückgewiesen (Urteil vom 26. Januar 1990). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, nach § 102 Abs 2 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei eine Beschäftigung dann nicht als kurzzeitig anzusehen, wenn sie zwar auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt sei, aber zusammen mit der für die Ausübung erforderlichen Vor- und Nacharbeit die Arbeitskraft des Beschäftigten in der Regel mindestens 20 Stunden wöchentlich in Anspruch nehme. Unter Vor- und Nacharbeiten seien Arbeiten zu verstehen, die die eigentliche Beschäftigung erst vorbereiteten bzw die nach der Ausübung der Beschäftigung – aber noch im Zusammenhang mit dieser – ausgeführt würden. Die Frage sei unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 102 Abs 2 AFG zu entscheiden.

Die Beurteilungsgrundlage dafür, wie lange der Kläger wöchentlich beschäftigt war, sei demnach „der Natur der Sache”, nämlich der Art und dem Umfang der Verrichtungen sowie den zeitlichen Umständen ihrer Erledigung zu entnehmen. Mithin sei entscheidend, ob bei normalem Ablauf der Ereignisse unter üblichen Arbeitsbedingungen ein durchschnittlich begabter Lehrer weniger als 20 Arbeitsstunden wöchentlich benötige. Entscheidend seien die Grenzen, die sich ungeachtet subjektiver Gesichtspunkte allein aus Art und Wesen der Beschäftigung objektiv ergeben würden.

Aus dem Merkmal „der Natur der Sache” des § 102 Abs 1 Satz 1 AFG folge jedoch zugleich, daß die individuellen Besonderheiten der vom Arbeitnehmer auszuführenden Arbeiten zu berücksichtigen seien. Bei gleichartigen Verpflichtungen und gleichartigen Aufgaben könne der Zeitaufwand aus Gründen der Praktikabilität – soweit für die gesamte Breite der Tätigkeiten Gemeinsamkeiten bestünden – generalisiert werden. Erlasse des Kultusministeriums könnten dabei dem Gericht Hinweise geben, wieviel Zeit ein Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst für eine bestimmte Arbeit brauche.

Bei Anwendung dieser Grundsätze sei von einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung des Klägers auszugehen. Bei vollbeschäftigten Lehrern (wöchentlich 40 Stunden) seien gemäß § 13 Abs 2 Ziff 2 der Verordnung über die Pflichtstunden der Lehrer über die Anrechnung dienstlicher Tätigkeiten und über Pflichtstundenermäßigung aus sozialen Gründen vom 15. Juli 1976 (GVBl I S 301) zwei Wochenstunden auf die Pflichtstundenzahl anzurechnen, wenn er an mindestens zwei Wochentagen an Schulen, die mehr als 15 Kilometer voneinander entfernt sind, eingesetzt ist. Damit solle die zusätzliche Belastung, insbesondere Wegezeiten und Teilnahme an Konferenzen berücksichtigt werden (§ 13 Abs 1 der Verordnung). Entsprechendes müsse für teilzeitbeschäftigte Lehrer gelten. Bestimme man die Arbeitszeit des Klägers nach der Berechnungsmethode der Beklagten dahin, daß Vor- und Nacharbeiten in gleicher Weise und in gleichem Verhältnis der geteilten Unterrichtszahl heranzuziehen seien, indem die Teilarbeit zur vollen Arbeitszeit stehe, so sei bei einer Pflichtstundenzahl von 28 Wochenstunden die Zahl von 26 Stunden und bei einer Pflichtstundenzahl von 27 Stunden die Zahl von 25 Stunden zugrundezulegen mit der Folge, daß der Kläger mit 13 Stunden in beiden Fällen mehr als kurzzeitig beschäftigt gewesen sei.

Entgegen der Auffassung des Beigeladenen habe der Kläger auch in einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis zu ihm gestanden. Dem widerspreche nicht, daß der Kläger aufgrund zweier Lehraufträge tätig gewesen und dies nicht auf eine Weisung des Beigeladenen erfolgt sei.

Gegen das Urteil des LSG haben sowohl die Beklagte als auch der Beigeladene Revision eingelegt.

Die Beklagte rügt eine Verletzung der §§ 169 Nr 6 iVm 102 Abs 2 Nr 1 AFG idF vom 23. Dezember 1976, 103 Satz 1, 128 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Sie macht geltend, den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen lasse sich nicht entnehmen, daß Wegezeiten des Klägers überhaupt vergütet werden sollten. Ziehe man dennoch – wie das LSG – als Vergleichsmaßstab einen an zwei Schulen vollbeschäftigten und um zwei Deputatsstunden entlasteten Lehrer heran, so ergebe sich allenfalls, daß der Kläger die Hälfte der geminderten Pflichtstundenzahl erbracht habe. Keinesfalls folge hieraus aber, wie von den §§ 169 Nr 6 iVm 102 Abs 2 Satz 1 AFG gefordert, daß ihn seine Arbeitszeit einschließlich der Vor- und Nacharbeiten mindestens 20 Stunden in Anspruch genommen habe. Denn eine rechnerisch feststehende Relation zwischen geminderter Pflichtstundenzahl und realer Gesamtarbeitszeit bestehe nicht, es steige nur der Anteil der zu leistenden, nicht jedoch derjenige der tatsächlich erbrachten Vor- und Nacharbeit notwendig in dem Maße, in dem die zu leistende Pflichtstundenzahl sinke.

Aus der Anzahl der Pflichtstunden lasse sich nicht ablesen, daß im Falle des Klägers die Zeiten tatsächlicher Vor- und Nacharbeit insgesamt 7 Wochenstunden umfaßt hätten. Das Urteil des LSG widerspreche nach allem den Gesetzen der Logik, wenn nach seiner Begründung die Zahl der (Soll-)Pflichtstunden nur als eine Komponente vergüteter Tätigkeit für Vergleichszwecke herabzusetzen seien, ohne eine andere, hier diejenige der vom „Vergleichslehrer” zu leistende (Soll-)Vor- und Nacharbeit einschließlich der Wegezeit, dafür zu erhöhen.

Die tatsächliche Wochenarbeitszeit des Klägers, zugunsten dessen von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis mit dem Beigeladenen auszugehen sei, ließe sich allenfalls analog zu einem in gleicher Situation befindlichen „Vergleichslehrer”, der bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer Pflichtstundenzahl von 27 Stunden 13 Stunden anteilige Vor- und Nacharbeit zu leisten habe, dahin ermitteln, daß 6,26 Stunden (13/27) den 13 wöchentlichen Unterrichtsstunden zuzuschlagen seien mit der Folge, daß von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,26 Stunden auszugehen und mithin kein mehr als kurzzeitiges Beschäftigungsverhältnis gegeben sei.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. Januar 1990 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtssteit zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Beigeladene beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. Januar 1990 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 1987 abzuweisen.

Der Beigeladene rügt eine Verletzung des § 102 AFG und macht zur Begründung geltend, das LSG habe den Umfang der Arbeitszeit des Klägers falsch abgesteckt. Die Arbeitszeit sowie die übrigen Arbeitsbedingungen seien grundsätzlich durch den Arbeitsvertrag bestimmt. Die schriftlichen Abmachungen mit dem Kläger legten ausdrücklich nur die Zahl der Unterrichtsstunden fest. Da der Unterricht eines Lehrers jedoch nur einen Teil der Arbeitszeit ausmache, weitere Aufgaben, insbesondere Vor- und Nacharbeiten hinzukämen, welche jedoch vom Lehrer eigenverantwortlich zu erledigen seien, sei es zur Bestimmung des zeitlichen Gesamtaufwandes unerläßlich, diesen generalisierend festzulegen. Das BSG habe daher auch anerkannt, daß für teilzeitbeschäftige Lehrer die im öffentlichen Dienst durch Tarifvertrag und Gesetz festgelegte Arbeitszeit sowie die Pflichtstundenzahl einer vergleichbaren vollbeschäftigten Lehrkraft als objektive Eckdaten herangezogen werden müßten.

Der Kläger gehöre als Lehrer ohne Lehramtsbefähigung zur Gruppe der sonstigen Lehrer im Sinne der Pflichtstundenverordnung. Soweit solche im Realschulzweig unterrichteten, betrage die volle Pflichtstundenzahl gemäß § 1 Nr 3 der Pflichtstundenverordnung 28 Wochenstunden, im gymnasialen Bereich liege die Pflichtstundenzahl der sonstigen Lehrkräfte bei wöchentlich 27 Stunden. Für den Kläger errechne sich hieraus eine wöchentliche Arbeitszeit von 18,9 Stunden.

Dem LSG könne nicht gefolgt werden, wenn es die dem Kläger entstandenen Fahrtzeiten zwischen den Schulen berücksichtige. Die Ansicht des LSG lasse sich weder in schriftlichen Vereinbarungen noch den allgemeinen Umständen entnehmen. Mit dem Kläger hätten zwei getrennte Arbeitsverhältnisse ohne sachlichen und organisatorischen Zusammenhang bestanden. Die Fahrten zwischen den Schulen seien mithin Fahrten zum Dienst und nicht im Dienst gewesen mit der Folge, daß sie als Wegezeiten bei der Berechnung der Arbeitszeit nicht in Ansatz gebracht werden könnten. § 13 Abs 2 Nr 2 der Pflichtstundenverordnung könne vorliegend nicht herangezogen werden, denn der Einsatz des Klägers an verschiedenen Schulen sei nicht auf Weisung des Arbeitgebers zurückzuführen, sondern die freie Entscheidung des Klägers gewesen.

Schließlich verändere die Vorschrift des § 13 Abs 2 Nr 2 der Pflichtstundenverordnung nicht den vertraglich festgeschriebenen Umfang der Arbeitszeit, wozu das LSG jedoch letztlich gelange. Sei die Vorschrift anzuwenden, so hätte der Kläger verlangen können, statt 13 nur 11 Unterrichtsstunden abhalten zu müssen. Das LSG hätte nicht nur den Pflichtstundenmaßstab, sondern auch den Umfang der Unterrichtsverpflichtung reduzieren müssen.

Der Kläger stellt keinen Antrag.

 

Entscheidungsgründe

II

1. Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 10. März 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 1981 (§ 95 SGG). Hierdurch hat die Beklagte die Anträge des Klägers auf Alg abgelehnt. Ob dieser Verwaltungsakt rechtmäßig ist, läßt sich derzeit nicht abschließend entscheiden.

Nach § 100 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat.

Zu Unrecht hat die Beklagte die streitige Ablehnung von Alg allerdings darauf gestützt, daß der Kläger nicht die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Nach § 104 Abs 1 AFG in der vorliegend anzuwendenden Fassung des 5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 (BGBl I S 1189) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist 180 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt 3 Jahre und geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind, unmittelbar voraus (§ 104 Abs 2 und 3 AFG). Der Kläger hat sich am 1. August 1980 und am 12. Januar 1981 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Waren am 1. August 1977 auch die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt, umfaßt die Rahmenfrist die Zeit vom 1. August 1977 bis zum 31. Juli 1980. In diesem Zeitraum war der Kläger mehr als 180 Tage beim Beigeladenen beitragspflichtig beschäftigt.

Nach § 168 Abs 1 AFG in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) sind beitragspflichtig Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer), soweit sie nicht nach § 169 oder einer Rechtsverordnung nach § 173 Abs 1 beitragsfrei sind. Die Voraussetzungen des ersten Halbsatzes dieser Vorschrift liegen vor; denn nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG war der Kläger bei dem Beigeladen im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Dessen Beitragspflichtigkeit kann mithin nur verneint werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis aus anderen Gründen beitragsfrei war. Das war jedoch nicht der Fall.

Aufgrund der Feststellungen des LSG zu Art und Inhalt der Beschäftigung des Klägers beim Beigeladenen kommt als Grund für deren Beitragsfreiheit lediglich der Tatbestand des § 169 Nr 6 AFG in der hier maßgeblichen Fassung von Artikel 1 § 4 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 (BGBl I 1061) in Betracht. Danach sind beitragsfrei Arbeitnehmer in einer kurzzeitigen Beschäftigung iS von § 102 AFG (Satz 1). Die Arbeitszeiten mehrerer nebeneinander ausgeübter kurzzeitiger Beschäftigungen werden nicht zusammengerechnet (Satz 2). Die Tätigkeit des Klägers in der Rahmenfrist war nicht kurzzeitig.

Gemäß § 102 AFG in der hier anzuwendenden Fassung des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 (BGBl I S 3556) ist eine Beschäftigung kurzzeitig, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist (§ 102 Abs 1 Satz 1 AFG). Davon abweichend gilt eine Beschäftigung ua nicht als kurzzeitig, wenn sie zwar auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt ist, aber zusammen mit der für die Ausübung erforderlichen Vor- und Nacharbeit die Arbeitskraft des Beschäftigten in der Regel mindestens 20 Stunden wöchentlich in Anspruch nimmt (§ 102 Abs 2 Nr 1 AFG).

Daß die Tätigkeit des Klägers in ihrem zeitlichen Gesamtumfang im voraus durch Arbeitsvertrag auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt war, hat das LSG nicht festgestellt. Festgestellt ist lediglich, daß der Kläger aufgrund zweier sogenannter Lehraufträge des Beigeladenen vom 1. August 1979 bis 31. Juli 1980 in zwei Schulen an zwei jeweils gleichen Wochentagen Unterricht zu erteilen hatte, und zwar in einer Gesamtschule (Realschulzweig) in B H sieben Unterrichtsstunden und an einem Gymnasium in F sechs Unterrichtsstunden, ferner, daß zur Tätigkeit des Klägers auch Vor- und Nacharbeiten sowie die sonstigen Arbeiten gehörten, die mit der Tätigkeit eines Lehrers notwendigerweise verbunden sind. Diese Feststellungen sind nicht angegriffen (§ 163 SGG). Daraus folgt, daß eine vertragliche Bestimmung der für die Tätigkeit des Klägers insgesamt anfallenden Arbeitszeit nicht vorliegt. Insoweit kommt es deshalb darauf an, ob die Tätigkeit des Klägers der Natur der Sache nach auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt (vgl BSG SozR 4100 § 102 Nrn 4 und 8). Ob dies der Fall war, ist der Art und dem Umfang der anfallenden Verrichtungen sowie den zeitlichen Umständen ihrer Erledigung zu entnehmen (BSG aaO).

Entscheidend ist dabei, ob bei normalem Ablauf der Ereignisse unter üblichen Arbeitsbedingungen ein durchschnittlich begabter Ausführender mit durchschnittlicher Fertigkeit weniger als 20 Arbeitsstunden wöchentlich benötigt (BSG SozR 4100 § 102 Nr 8). Bei dem anzulegenden objektiven Maßstab kommt es auf die Grenzen an, die sich ungeachtet subjektiver Gesichtspunkte (zB Arbeitstempo) allein aus Art und Wesen der Beschäftigung ergeben (BSG SozR 4100 § 102 Nr 4). Ferner folgt aus dem Merkmal „der Natur der Sache nach”, daß lediglich die Tätigkeiten des Ausführenden, nicht hingegen die Arbeit, zu deren Verrichtung sich gerade dieser Arbeitnehmer verpflichtet hat, generalisiert werden (BSG SozR 4100 § 102 Nr 4). Bei gleichartigen Verpflichtungen und gleichartigen Aufgaben ist aus Gründen der Praktikabilität sogar eine Generalisierung des Zeitaufwandes zulässig, soweit für die gesamte Breite dieser Tätigkeiten – wenigstens im allgemeinen und in der Regel – Gemeinsamkeiten bestehen (BSG SozR 4100 § 102 Nr 4). Hierbei können nach der Rechtsprechung des BSG ua Erlasse des zuständigen Ministeriums dem Gericht Hinweise dafür geben, wieviel Zeit ein Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst für eine bestimmte Arbeit benötigt (BSG SozR 4100 § 102 Nrn 4 und 8).

Das LSG hat diese Rechtsgrundsätze nicht verkannt. Für seine Schlußfolgerung, daß der Kläger mehr als geringfügig (= kurzzeitig) beschäftigt war, hat es zurecht auf die Gesamttätigkeit des Klägers aus seiner Unterrichtsverpflichtung für zwei Schulen abgestellt. Der Kläger hat seine Tätigkeit zwar aufgrund zweier Lehraufträge ausgeübt, jedoch für ein und denselben Arbeitgeber, nämlich den Beigeladenen. In diesem Fall sind alle bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigungen sozialversicherungsrechtlich als ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis anzusehen, und zwar ohne Rücksicht auf ihre arbeitsvertragliche Gestaltung. Der 12. Senat des BSG hat dies zwar zu § 168 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung entschieden (vgl BSGE 55, 1 = SozR 2200 § 168 Nr 7), damit jedoch nur die bereits zum Vorläuferrecht bestehende Rechtslage fortgeschrieben. Für den Bereich der Arbeitslosenversicherung gilt nichts anderes. Insoweit handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz, der seine Rechtfertigung ohne weiteres aus den vom 12. Senat des BSG (aaO) ausgeführten Gründen erfährt (vgl auch Heuer in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Januar 1992, § 169a RdNr 4; Gagel, Komm zum AFG, § 169 RdNr 24a). Die Besonderheit der Regelung von § 169 Nr 6 Satz 2 AFG aF (heute: § 169a Abs 1 Satz 2 AFG), wonach mehrere nebeneinander ausgeübte kurzzeitige Beschäftigungen nicht zusammengerechnet werden (zur Kritik hieran vgl Heuer, aaO, RdNr 2), greift hier nicht ein; denn sie betrifft lediglich mehrere kurzzeitige Tätigkeiten bei verschiedenen Arbeitgebern. Für die Frage der sozial- und arbeitslosenversicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Klägers ist schließlich, worauf schon der 12. Senat des BSG (aaO) hingewiesen hat, nicht von Bedeutung, wie deren arbeitsrechtliche Grundlagen gestaltet waren oder zu beurteilen sind. Folglich kommt es nicht darauf an, ob der Beigeladene mit dem Kläger zwei Arbeitsverträge abschließen wollte oder abgeschlossen hat.

Ist für die Frage der Beitragspflicht zur Beklagten nach § 169 Nr 6 AFG aF von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis des Klägers zum Beigeladenen auszugehen, gilt dasselbe für die Frage, ob dieses als solches kurzzeitig iS von § 102 AFG war. Denn § 102 AFG füllt mit seinem Regelungsgehalt den § 169 Nr 6 AFG aF lediglich aus, ohne für die Frage der Beitragspflicht oder -freiheit eine davon unabhängige Bedeutung zu besitzen (vgl Heuer aaO, § 102 RdNrn 1, 3). Kurzzeitig iS von § 102 AFG aF und damit beitragsfrei iS von § 169 Nr 6 AFG aF war die Beschäftigung des Klägers für den Beigeladenen in der Rahmenfrist folglich nur, wenn sie unter Berücksichtigung aller Tätigkeiten aus der Unterrichtsverpflichtung an beiden Schulen der Natur der Sache nach auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt war.

Daß das LSG dies verneint hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das LSG hat hierbei rechtsfehlerfrei nicht nur die Zeiten der Unterrichtsverpflichtung als solche (13 Stunden), sondern auch die Zeiten für Vor- und Nacharbeiten sowie für die Zurücklegung des Weges zwischen den beiden Schulen berücksichtigt, der davon bestimmt wird, daß nach den unangegriffenen Feststellungen B H von F 19 Straßenkilometer entfernt liegt. Der Natur der Sache nach kann für die Beurteilung des anfallenden Zeitaufwandes keine der oa Komponenten außer Betracht bleiben. Für die beiden erstgenannten ist dies offenbar; das wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Dasselbe gilt aber auch für den Fahrzeitaufwand. Denn wenn ein Lehrer verpflichtet ist, an ein und demselben Tag nacheinander an mehreren Schulen desselben Arbeitgebers Unterricht zu halten, gehört auch die Zeit, die er für die Zurücklegung des Weges von der einen zur anderen Schule benötigt, zu der Zeit, die für ihn objektiv erforderlich ist, um die ihm übertragenen Aufgaben zu erledigen. Dies bedarf keiner näheren Begründung und führt ohne weiteres zu dem Schluß, daß dieser Zeitaufwand zu ermitteln ist für die Feststellung, ob seine Beschäftigung iS von § 102 AFG aF kurzzeitig war oder nicht, sie der Natur der Sache nach also weniger als 20 Stunden in der Woche erforderte oder nicht. Dieser Betrachtung liegt im übrigen, wie das LSG festgestellt hat, erklärtermaßen die Regelung der Hessischen Pflichtstunden-Verordnung vom 15. Juli 1976 (GVBl I S 301), auf die noch zurückzukommen ist, zugrunde, wonach derart beschäftigten Vollzeit-Lehrern eine ermäßigte Pflichtstundenzahl zugestanden wird. Der Einwand der Beklagten, die oa Wegstreckenzeit sei deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie weder vereinbart noch bezahlt worden ist, verkennt den Begriff der Kurzzeitigkeit iS des § 102 AFG. Für diesen kommt es allein auf den nach objektiven Maßstäben erforderlichen Zeitaufwand zur Ausübung der übernommenen Tätigkeit an. Die Entlohnung dieses Aufwandes kann ein Indiz sein für dessen Berücksichtigung; sie ist jedoch kein unverzichtbares Merkmal für die Frage, ob der Zeitaufwand anfällt oder nicht. Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung der Natur der Sache nach auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt, kommt es lediglich auf Art und Umfang der anfallenden Verrichtungen an, nicht aber darauf, ob alle Zeiten der anfallenden Verrichtungen unmittelbar entlohnt werden (vgl BSG SozR 4100 § 102 Nr 7). Der Senat hat deshalb im vorliegenden Fall nicht darüber zu entscheiden, ob dem Kläger für die streitige Wegezeit arbeitsrechtlich ein Entgelt zustand oder ob die zwischen dem Beigeladenen und dem Kläger bestehenden Vereinbarungen arbeitsrechtlich zulässig waren.

Für die Feststellung des den Kläger treffenden Zeitaufwandes ist das LSG ohne Rechtsfehler von den Vergleichsmaßstäben ausgegangen, die in der oa Pflichtstunden-Verordnung für vollzeitbeschäftigte Lehrer aufgestellt worden sind. Das LSG hat diesen Regelungen nur Hinweise für die Beurteilung der Sachlage beim Kläger entnommen, die Verordnung nicht etwa als bindende Rechtsgrundlagen angesehen, was unzulässig gewesen wäre (BSG SozR 4100 § 102 Nr 4). Die Feststellungen des LSG zum Inhalt der Verordnung binden den Senat, da es sich insoweit um vom LSG angewendetes Landesrecht handelt (§§ 162, 163 SGG).

Soweit es sich um die Feststellung des den Kläger in seiner Tätigkeit objektiv treffenden Zeitaufwandes für erforderliche Vor- und Nacharbeiten eines wie er beschäftigten Teilzeitlehrers handelt, beanstandet die Beklagte die entsprechende Heranziehung der in der Pflichtstunden-Verordnung enthaltenen Maßstäbe für Vollzeitlehrer nicht. Der Senat teilt diese Rechtsauffassung. Wenn – wie nach der „Rechnung” der Beklagten – von dem vollzeitbeschäftigten Vergleichslehrer an Gymnasien mit einer Pflichtstundenzahl von 27 ausgegangen wird, was angesichts der Art des vom Kläger zu erteilenden Unterrichts her nicht fehlerhaft ist, ergibt sich bereits hieraus für 13 Unterrichtsstunden ein Aufwand für Vor- und Nacharbeiten von 6,26 Stunden, somit ein wöchentlicher Zeitaufwand von 19,26 Stunden. Dies änderte sich selbst dann nicht wesentlich, wenn wegen der Art der Lehraufträge (einmal Unterricht an einem Gymnasium, zum anderen an einer Realschule) nur für eine Woche von 27 Pflichtstunden des Gymnasiallehrers, für die andere jedoch von 28 Pflichtstunden für den Realschullehrer – alles nach den Maßstäben der Pflichtstunden-Verordnung – ausgegangen würde. In diesem Fall errechnete sich für den mit 13 Wochenstunden beschäftigten Teilzeitlehrer ein durchschnittlicher Zeitaufwand für Vor- und Nacharbeiten mit 5,94 Stunden in der Woche, aus beidem somit ein Zeitaufwand von 18,94 Wochenstunden. Welche Methode hier letztlich maßgeblich ist, kann offen bleiben. Denn in jedem Fall ergibt sich aus der – wie dargestellt – notwendigen Berücksichtigung des den Kläger wie jedem anderen Lehrer in seiner Lage treffenden Zeitaufwandes für die unvermeidliche Zurücklegung des Weges zwischen beiden Schulen ein Zeitaufwand, der die 20-Wochenstunden-Grenze des § 102 AFG aF erreicht oder übersteigt.

Für diese Schlußfolgerung kann dahingestellt bleiben, ob das LSG insoweit bereits eine bindende tatsächliche Feststellung getroffen hat, wenn es unter Berücksichtigung aller drei Komponenten (13 Unterrichtsstunden, Vor- und Nacharbeit, Wegezeit) ausführt, nach den Maßstäben der Pflichtstunden-Verordnung ergäbe sich, daß der Kläger „mehr als geringfügig beschäftigt war”. Der Beklagten ist insoweit zuzustimmen, daß der Charakter dieser Ausführungen nicht eindeutig ist. Jedoch ist die Beurteilung des LSG im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ergibt nämlich bereits die Berücksichtigung der Zahl der Unterrichtsstunden und des Aufwandes für Vor- und Nacharbeiten einen Zeitaufwand von annähernd 19 Wochenstunden, liegt auf der Hand, daß für die Zurücklegung einer notwendigen Wegstrecke von 2 × 19 Straßenkilometern in der Woche ein Zeitaufwand erforderlich ist, der zumindest die Differenz zu 20 Wochenstunden ausfüllt. Für diese Schlußfolgerung bedarf der Senat keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen als der vom LSG bereits getroffenen. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Berechnungsmethode des LSG zu folgen ist, die von einem vollzeitbeschäftigten Vergleichslehrer ausgeht, bei dem wegen notwendigen Unterrichts an zwei mindestens 15 Kilometer entfernt liegenden Schulen das Pflichtstundendeputat bereits um 2 Stunden gemindert wird, entsprechend § 13 Abs 2 Ziff 2 der Pflichtstunden-Verordnung. Angesichts dessen braucht auch nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob die Verfahrensrüge der Beklagten gegen diese Berechnungsmethode durchgreift.

Obwohl die Beurteilung des LSG zu billigen ist, daß der Kläger die Anwartschaftszeit des § 104 AFG für den Klageanspruch erfüllt, ist die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG hat das Urteil des SG bestätigt, wonach die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger für August 1980 und ab 12. Januar 1981 Alg zu zahlen. Für die Richtigkeit dieser Entscheidung – damit für die Begründetheit der Klage – kommt es jedoch darauf an, ob der Kläger auch alle übrigen Anspruchsvoraussetzungen (§ 100 Abs 1 AFG) erfüllt, gegebenenfalls wie lange. Feststellungen dazu fehlen im Urteil des LSG völlig, insbesondere, ob und wielange der Kläger arbeitslos war und er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand (§§ 101, 103 AFG). Das LSG wird dies nachzuholen haben.

2. Die Revision des Beigeladenen wird zurückgewiesen; insoweit ist die Sache entscheidungsreif, ohne daß es einer weiteren Prüfung in der Sache bedarf.

Der Beigeladene ist durch das Urteil des LSG nicht materiell beschwert. Das LSG hat die Entscheidung des SG bestätigt, in der die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger antragsgemäß Alg zu zahlen. Diese Entscheidung kann wirtschaftliche oder rechtliche Interessen des Beigeladenen berühren, weil das LSG die Beschäftigung des Klägers beim Beigeladenen als beitragspflichtig zur Beklagten angesehen hat, so daß der Beigeladene zu besorgen hat, auf Beitragszahlungen in Anspruch genommen zu werden. Dies mag als Voraussetzung der Zulässigkeit der vom Beigeladenen eingelegten Revision genügen (vgl BSGE 56, 45, 47 = SozR 2100 § 70 Nr 1 mwN). Jedoch ergibt sich daraus keine rechtliche Beschwer, derzufolge der Beigeladene geltend machen könnte, er werde durch diese Entscheidung in seinen subjektiven Rechten verletzt, wie von § 54 Abs 1 Satz 2 SGG verlangt. Nach dieser Vorschrift ist eine Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, ua durch einen Verwaltungsakt beschwert zu sein. Daraus folgt zugleich, daß der Kläger mit seiner Klage nur eigene Rechte verfolgen kann. Nur wenn der angefochtene Verwaltungsakt eigene subjektive Rechte des Klägers verletzt, ist er rechtswidrig; denn nur dann beschwert dieser ihn iS von § 54 Abs 2 Satz 1 SGG (vgl BSGE 42, 256, 257 = SozR 1500 § 54 Nr 14). Für das Rechtsmittelverfahren gilt nichts anderes. Zwar darf der Beigeladene grundsätzlich selbst Rechtsmittel einlegen (§ 75 Abs 4 SGG). Sein Rechtsmittel kann aber nur Erfolg haben, wenn er begründet geltend machen kann, damit eigene Rechte zu verfolgen, nämlich in dem Sinn, daß die angefochtene Entscheidung in seine Rechte eingreift. Wenn dies nicht möglich ist, ist seine Revision in jedem Fall unbegründet, weil das angefochtene Urteil ihm gegenüber nicht rechtswidrig ist. Auf die Frage, ob die Entscheidung objektiv richtig ist oder nicht, sie also gegebenenfalls rechtswidrig in Rechte anderer, auch anderer Rechsmittelkläger, eingreift, kommt es hier nicht an (vgl Eyermann/Fröhler, Komm zur VwGO, 9. Aufl, § 42 RdNr 185).

Weder der angefochtene Verwaltungsakt, der den Alg-Antrag des Klägers ablehnte, noch die die Verurteilung der Beklagten zur Alg-Zahlung durch das SG bestätigende Entscheidung des LSG greift in subjektive Rechte des Beigeladenen als früheren Arbeitgeber des Klägers ein. Grundlage für den hier allein streitigen Anspruch auf Alg ist § 100 Abs 1 AFG, wonach einem Antragsteller unter bestimmten Voraussetzungen diese Leistung eingeräumt ist. § 100 Abs 1 AFG regelt ausschließlich die Rechte des Antragstellers selbst, der ua ein arbeitsloser Arbeitnehmer sein muß. Infolgedessen schützt er auch nur die Rechte dieses Antragstellers gegenüber einer rechtswidrigen Anwendung. Einen weitergehenden Schutz zum Vorteil Dritter, insbesondere des früheren Arbeitgebers, besitzt § 100 Abs 1 AFG nicht. Deshalb ist dieser aus eigenem Recht weder befugt, Ansprüche des früheren Arbeitnehmers auf Alg gegenüber der Beklagten geltend zu machen noch gegen die Einräumung oder Ablehnung solcher Ansprüche Rechtsbehelfe einzulegen. Folglich ist er trotz einer Verfahrensbeteiligung nach Maßgabe des § 75 SGG nicht befugt, gegen entsprechende sozialgerichtliche Entscheidungen mit Rechtsmitteln vorzugehen.

Denn auch Gerichtsentscheidungen zum Alg-Anspruch eines (früheren) Arbeitnehmers greifen nicht in die Rechte des (früheren) Arbeitgebers ein (vgl dazu BVerwGE 47, 19, 21 ff zur entsprechenden Anwendung des § 113 Abs 1 und Abs 4 VwGO bezüglich der Rechte des beigeladenen Nachbarn im öffentlich-rechtlichen Bauprozeß; soweit das BVerwG später auch öffentliche Belange als rechtsschutzfähige subjektive Rechte behandelt hat, ist dies hier nicht einschlägig; s dazu Eyermann/Fröhler aaO, § 42 RdNrn 186 ff mwN).

Etwas anderes kann zwar gelten, wenn die einem streitigen Verwaltungsakt zugrunde liegende Schutznorm selbst so gestaltet ist, daß sie (auch) subjektive Rechte des Arbeitgebers berührt. Darauf gestützte Verwaltungsakte können dann auch in seine Rechte eingreifen (vgl das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 5. Juni 1991 – 7 RAr 26/89 –). Noch stärker tritt die Rechtsschutzberechtigung des Arbeitgebers im AFG-Bereich in Erscheinung, wo ihm durch ausdrückliche Vorschrift die Wahrnehmung von Arbeitnehmerrechten im eigenen Namen übertragen worden ist, wie durch §§ 72, 88 AFG für die Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen auf Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeld als Prozesstandschafter (vgl ua BSGE 38, 98 = SozR 1500 § 75 Nr 3; SozR 4100 § 86 Nr 1). Hinsichtlich der Ansprüche auf Alg nach § 100 Abs 1 AFG ist dies jedoch nicht der Fall.

Ein die Rechtsmittelberechtigung auslösender Rechtsschutzbedarf auf seiten des Beigeladenen folgt schließlich nicht aus der Rechtskraftwirkung nach § 141 Abs 1 SGG. Zwar wird das Urteil des LSG, soweit darin über die Berufung des Beigeladenen entschieden worden ist, durch die abschließende Entscheidung des Senats über die Revision des Beigeladenen rechtskräftig, eine Folge, die übrigens auch eingetreten wäre, wenn die Revision als unzulässig verworfen worden wäre (vgl Peters-Sauter-Wolff, Komm zum SGG, 4. Aufl, § 169 RdNr 21, § 141 RdNr 70, § 170 RdNr 14; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 4. Auflage, § 141 RdNrn 2a ff). Nach § 141 Abs 1 SGG binden rechtskräftige Entscheidungen die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Beteiligter in diesem Sinn ist allerdings auch der Beigeladene (§ 69 Nr 3 SGG). Jedoch erstreckt sich die Bindung nur auf den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Streitgegenstand, dh auf das Ergebnis, welche Rechtsfolge sich aus einem bestimmten, festgestellten Sachverhalt ergibt (BSGE 35, 228, 230 = SozR Nr 15 zu § 160 SGG). Die Rechtskraft ergäbe mithin nur dann eine Beschwer des Beigeladenen, wenn der rechtskraftfähige Teil der Entscheidung des LSG in rechtschutzfähige Rechte des Beigeladenen eingriffe. Dafür reicht die formelle Rechtskraft nicht aus; vielmehr ist an der materiellen Rechtskraft zu messen, ob die Entscheidung den Beigeladenen beschwert (Meyer-Ladewig, aaO, § 75 RdNr 19, Vorbem 8 vor § 143). An dieser aus materieller Rechtskraft erwachsenden Bindung des Beigeladenen hinsichtlich eigener subjektiver Rechte fehlt es. Wie schon ausgeführt, betrifft die Entscheidung des LSG rechtsfehlerfrei nur den streitigen Alg-Anspruch des Klägers; denn nur der Anspruch des Klägers auf Alg ist Streitgegenstand dieses Verfahrens. Zwar hat das LSG in den Gründen seiner Rechtsauffassung dargelegt, daß und weshalb die Beschäftigung des Klägers beitragspflichtig zur BA war und er deshalb hieraus eine Anwartschaft auf Alg erworben hat. Die Entscheidungsgründe nehmen jedoch an der aus der Rechtskraft eines Urteils folgenden Bindungswirkung grundsätzlich nicht teil (Meyer-Ladewig, aaO, § 141 RdNrn 7, 12 mwN). Etwas anderes kann sich in Ausnahmefällen ergeben, zB, wenn die Entscheidungsgründe notwendigerweise zur Auslegung des Tenors der Entscheidung heranzuziehen sind (vgl BSGE 43, 1, 3 = SozR 1500 § 131 Nr 4). Der Tenor des LSG-Urteils ist hier aber nicht auslegungsbedürftig.

Soweit der Beigeladene zu besorgen hat, aufgrund der Entscheidung des LSG auf Beitragszahlungen seitens der Beklagten in Anspruch genommen zu werden, handelte es sich bei derartigen Beitragsforderungen gegen ihn um einen anderen Streitgegenstand. Das bedeutet zugleich, daß das Urteil des LSG über den Alg-Anspruch des Klägers in einem Beitragsprozeß nicht iS von § 141 Abs 1 SGG beachtlich wäre. Die hierzu notwendige Präjudizialität liegt nur vor im Falle der direkten Abhängigkeit der im Zweitprozeß geltend gemachten Rechtsfolge von der Rechtsfolge, über die im Erstprozeß entschieden worden ist (BSG SozR 1500 § 141 Nr 13; BSGE 35, 6, 9 = SozR Nr 14 zu § 40a BVG; Bley, SGG/RVO-GesKomm, Bd 9 SGG, Stand: Dezember 1978, § 141 Anm 6d).

Voraussetzung dafür ist also eine Identität der Streitgegenstände, dh eine Deckungsgleichheit des in dem früheren und in dem erneut anhängig gemachten Rechtsstreit erhobenen Anspruchs (vgl BSGE 58, 119, 125 = SozR 1300 § 104 Nr 7). Eine solche Identität besteht jedoch nicht, wenn einerseits ein Anspruch auf Alg streitig ist, andererseits ein Anspruch auf Zahlung von Beiträgen zur Beklagten. Die im Klageverfahren zu treffende Entscheidung, ob derartige Beitragsbescheide aufzuheben sind oder nicht, ist unabhängig von der Gewährung oder Nichtgewährung von Alg an einen Arbeitnehmer zu treffen. Denn es existiert für die Arbeitslosenversicherung kein Rechtssatz dahin, daß die Gewährung von Alg zur Beitragspflicht führt, ebensowenig übrigens wie die Zahlung von Beiträgen oder die beitragsrechtliche Verpflichtung hierzu für sich allein bereits den Anspruch auf Alg auslösen. Vielmehr sind beide Fragen gesondert zu entscheiden, ohne daß jeweils eine gegenseitige Bindungswirkung besteht.

Der Senat verkennt nicht, daß im Falle der Gewährung von Alg an den Kläger eine faktische Vorgreiflichkeit im Hinblick auf ein Beitragsstreitverfahren bewirkt werden kann. Indes ist dies im Hinblick auf das Erfordernis der Verletzung eigener Rechte ebenso unerheblich, wie die Beurteilung einer Vorfrage für die Entscheidung über den Streitgegenstand. Selbst wenn diese Beurteilung mittelbar die Rechtsphäre eines Dritten berührt, folgt daraus insoweit keine Bindung iS § 141 Abs 1 SGG gegenüber dem (beteiligten) Dritten aufgrund der Entscheidung über den eigentlichen Streitgegenstand. So hat der Senat mit dieser Begründung entschieden, daß weder die betroffenen Arbeitnehmer noch die betroffenen Renten- oder Krankenversicherungsträger iS von § 75 Abs 2 SGG dem Verfahren notwendig beizuladen sind, in dem der Arbeitgeber wegen Gewährung von Kurzarbeitergeld von der Beklagten die Erstattung höherer Aufwendungen für die Kranken- und Rentenversicherung der Kurzarbeiter begehrt und es sachlich entscheidend ist, nach welchen Maßstäben die Beiträge für jene Aufwendungen zu ermitteln sind; denn die präjudizielle Rechtsfrage (richtige Höhe der Beiträge für die jeweils Versicherten) wird von der Rechtskraft über den streitigen Aufwendungsersatz nicht erfaßt, auch nicht für den Fall, daß der Arbeitgeber bei negativem Ausgang jenes Verfahrens zu Unrecht entrichtete Beiträge zurückverlangen wollte (BSG SozR 4100 § 163 Nr 3).

Die Revision des Beigeladenen muß deshalb ohne Erfolg bleiben.

3. Aus den unterschiedlichen Entscheidungen über beide Revisionen rechtfertigt sich die getroffene Kostenentscheidung (§§ 193, 194 SGG). Das LSG wird bei seiner abschließenden Entscheidung je nach deren Ausgang nur noch darüber zu befinden haben, ob die Beklagte dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungs-und Revisionsverfahrens zur Hälfte zu erstatten hat oder nicht.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI913637

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