Entscheidungsstichwort (Thema)

Eisenbahnerrente. Alte Versorgung. Sozialpflichtversicherungsrente. Zusatzversorgung. Dynamisierung. RAnglG-Überführungsprogramm. Systementscheidung. Realwertgarantie

 

Leitsatz (amtlich)

  • Renten iS des § 13 der DDR-Eisenbahner-Verordnung – sogenannte Alte Versorgung – sind keine Zusatz- oder Sonderversorgungsrenten, sondern als Sozialpflichtversicherungsrenten anzupassen.
  • Zur “Abschmelzung” der Zusatzversorgungen und zum zweifachen Inhalt der sogenannten Systementscheidung (Weiterentwicklung von BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1).
 

Normenkette

SGG § 162; EisenbV § 13; Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn (DBRRkVtrAnl 11) § 9; EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nrn. 2, 9; EinigVtr Art. 19; RAnglG §§ 23-25, 29; SGB VI §§ 307b, 307a; RAV 1 §§ 2, 6; RAV 2 §§ 4, 8; GG Art. 3, 14

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Urteil vom 16.05.1994; Aktenzeichen S 15 An 3995/92)

 

Tenor

Die Revisionen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 1994 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Höhe der Altersversorgung ab 1. Juli. 1990.

Der 1922 geborene Kläger war zuletzt von 1959 bis Januar 1987 im Verkehrsministerium der früheren DDR beschäftigt. Sein Dienstverhältnis unterfiel während dieser Zeit dem Rahmenkollektivvertrag für die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn (DR) vom 20. April 1960 (amtlich nicht veröffentlicht; dessen Anlage 11, die Versorgungsordnung der DR, ist abgedruckt in Aichberger II, Sozialgesetze, Nr 81) bzw der Verordnung über die Pflichten und Rechte der Eisenbahner (Eisenbahner-Verordnung ≪Eisenbahner-VO≫) vom 28. März 1973 (GBl I Nr 25 S 217). Im Jahre 1971 war er der Zusatzversorgung nach der Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (FZAO-StMitarb), eingerichtet durch amtlich nicht veröffentlichten Beschluß des Ministerrates vom 29. Januar 1971 (Aichberger II, Sozialgesetze, Nr 208), beigetreten.

Durch Bescheid des FDGB vom 6. Februar 1987 wurde dem Kläger ab 1. Februar 1987 eine Altersrente nach § 13 der Eisenbahner-VO iVm § 9 der Versorgungsordnung der DR in Höhe von monatlich 800,00 M bewilligt. Der Ministerrat der früheren DDR setzte “die monatliche Gesamtversorgung” des Klägers durch Versorgungsbescheid vom 29. April 1987 auf 1.010,00 M fest. Der “Gesamtanspruch” ergab sich als Summe des Anspruchs auf “Rente der Sozialversicherung (AVDR § 9)” von 800,00 M und der zusätzlichen Altersrente aus der Zusatzversorgung von 210,00 M. Hierbei war berücksichtigt, daß die Gesamtversorgung 90 vH des letzten maßgeblichen Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen durfte. Der FDGB erhöhte die Altersrente nach der Eisenbahner-VO ab 1. Dezember 1989 auf 870,00 M. Daraufhin wurde die “Gesamtversorgung” auf 1.080,00 M festgesetzt (Bescheid der Staatlichen Versicherung der früheren DDR vom 16. Januar 1990).

Der Gesamtanspruch des Klägers wurde durch undatierten Bescheid zum 1. Juli 1990 im Verhältnis 1:1 auf DM aufgewertet und weitergezahlt, der Teilanspruch aus der Zusatzversorgung wurde dabei unter Überprüfungsvorbehalt gestellt.

Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte mit dem streitigen Bescheid 1) vom 27. November 1991 dem Kläger anstelle der bislang weitergezahlten Altersversorgung von 1.080,00 DM ab 1. Januar 1992 eine Regelaltersrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) von monatlich 1.153,87 DM, so daß der Kläger seinen Beitrag zur Krankenversicherung von 73,85 DM tragen konnte und ihm 1.080,02 DM auszuzahlen waren. Die BfA holte durch den streitigen Bescheid 2) vom 27. Januar 1993 die Rentenanpassungen zum 1. Januar 1991 nach § 6 der Ersten Verordnung zur Anpassung der Renten in dem in Art 3 des Einigungsvertrages (EinigVtr – im folgenden: EV) genannten Gebiet (Erste Rentenanpassungsverordnung – 1. RAV) vom 14. Dezember 1990 (BGBl I S 2867) und zum 1. Juli 1991 gemäß § 8 der Zweiten Rentenanpassungsverordnung (2. RAV) vom 19. Juni 1991 (BGBl I S 1300) nach. Dabei legte die Beklagte als anzupassende “Rente aus der Sozialversicherung” eine fiktiv nach den §§ 11 und 12 der Eisenbahner-VO berechnete Rente von 660,00 DM monatlich zugrunde, nicht die nach § 13 der Eisenbahner-VO iVm § 9 der Versorgungsordnung der DR zuerkannte, von ihr als Versorgung “alter Art” bezeichnete Rente von 870,00 DM monatlich. Deswegen überstieg nach Auffassung der BfA die anzupassende Sozialpflichtversicherungsrente erstmals zum 1. Januar 1991 die Versorgung alter Art; für die Zeit von Juli 1991 bis zum 31. Dezember 1991 ergab sich ein monatlicher Erhöhungsbetrag von 73,00 DM. Die BfA nahm mit dem streitigen Bescheid 3) (gleichfalls) vom 27. Januar 1993 die Umwertung und Anpassung der Regelaltersrente ab Januar 1992 im sog maschinellen Verfahren nach § 307b Abs 5 SGB VI vor. Sie setzte die Rente ab Januar 1992 auf monatlich 1.231,87 DM, ab Juli 1992 auf 1.346,04 DM und ab Januar 1993 auf 1.428,11 DM (jeweils abzüglich des Beitrags des Klägers zu seiner Krankenversicherung) und für die Zeit von Januar 1992 bis 31. März 1993 einen Nachzahlungsanspruch des Klägers (bemessen nach § 307b Abs 5 SGB VI) von 2.293,59 DM fest. Ihre Entscheidungen bestätigte sie im Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1993.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat durch Urteil vom 16. Mai 1994 die Beklagte unter Abänderung der streitigen Bescheide “sowie der Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Januar 1991 und 1. Juli 1991” verurteilt, die dem Kläger zustehenden Renten ab dem 1. Januar 1991 neu zu berechnen, dabei von einer Sozialversicherungsrente in Höhe von 870,00 “Mark der DDR” auszugehen und diese Rente “nach den allgemeinen Grundsätzen auf DM umzustellen” und zu erhöhen. Im übrigen hat es die Klage, die auf eine Dynamisierung der Altersrente zzgl der ungekürzten und ebenfalls zu dynamisierenden Zusatzversorgung für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 sowie darauf gerichtet war, ab 1. Januar 1992 die nach § 307b Abs 1 und 2 SGB VI neu berechnete Altersrente einschließlich der Ansprüche aus der Eisenbahnerversorgung und zzgl der ungekürzten Zusatzversorgung zu zahlen und den Gesamtbetrag zu dynamisieren, abgewiesen.

Das SG ist im wesentlichen folgender Ansicht: Die Klage sei unzulässig, soweit sie auf die individuelle Neuberechnung der Regelaltersrente gerichtet ist; insoweit fehle es an einer Entscheidung der Beklagten. Begründet sei die Klage, soweit die BfA bei Anwendung von § 6 Abs 1 der 1. RAV und der §§ 4, 8 der 2. RAV nicht die zuerkannte Rente nach § 13 der Eisenbahner-VO in Höhe von monatlich 870,00 DM, sondern eine fiktiv berechnete Rente von 660,00 DM zugrunde gelegt habe. Der FDGB habe im Falle des Klägers dessen Rente zu Recht nicht nach den allgemeinen Regeln des § 11 der Eisenbahner-VO, sondern gemäß der Sonderregelung in § 13 der Eisenbahner-VO berechnet, der für Eisenbahner gelte, die bereits vor dem 1. Januar 1974 bei der DR tätig gewesen seien. Diese Vorschrift iVm § 9 der Versorgungsordnung der DR sei auch richtig angewandt worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten handele es sich bei dieser Altersrente um eine “Rente der Sozialversicherung iS der Anpassungsvorschriften der 1. und der 2. RAV”. Hierfür spreche die Gesetzessystematik, die Einbeziehung der Eisenbahner in die allgemeine Sozialversicherungspflicht, die Organisation und die Auszahlung durch den FDGB und auch der Umstand, daß nach EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 2 Buchst a (im folgenden: EV Nr 2) die §§ 11 bis 15 der Eisenbahner-VO und die Versorgungsordnung bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden seien. Die Eisenbahnerversorgung sei Teil der Sozialversicherung, kein Versorgungssystem eigener Art gewesen. Bei richtiger Anwendung des Gesetzes hätte sich der Zahlbetrag der Altersversorgung des Klägers bis Dezember 1991 unter Abschmelzung der Zusatzversorgung auf mehr als 1.400,00 DM erhöht. Die streitigen Bescheide über die Regelaltersrente ab Januar 1992 seien deshalb insoweit aufzuheben gewesen, weil der nach § 307b Abs 3 Satz 2 und Abs 2 Satz 2 SGB VI maßgebliche Mindestbetrag unterschritten worden sei. Außerdem müsse die Beklagte berücksichtigen, ob aufgrund der vor 1992 abgeschmolzenen Zusatzversorgung eine Umwertung noch nach § 307b SGB VI oder aber nach § 307a SGB VI vorzunehmen sei. Die weitergehende Klage sei unbegründet, weil es dafür keine Anspruchsgrundlage gebe. Diesbezüglich hat das SG sich im wesentlichen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (≪BSG≫ seit BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1) angeschlossen. Wegen des weiteren Inhalts des angefochtenen Urteils des SG wird auf dessen Entscheidungsgründe (Bl 4 bis 18 der BSG-Akte) Bezug genommen.

Zur Begründung der – vom SG zugelassenen – (Sprung-)Revision trägt der Kläger im wesentlichen folgendes vor: Seine Klage sei in vollem Umfang zulässig, weil er Anspruch auf Neuberechnung spätestens ab 1. Januar 1994 gehabt habe. Die Abschmelzung und schrittweise “Liquidierung” der Zusatzversorgungsansprüche widerspreche offensichtlich dem notwendigen Anstand, den Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag und aus dem EV, aus der Verfassung der DDR und aus dem Grundgesetz (GG) sowie aus der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und stehe im Gegensatz zur Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit. Die Rechtsprechung des BSG sei in sich widersprüchlich und führe zu fehlerhaften Ausgangspunkten. Die 1. und die 2. RAV seien ohne hinreichende gesetzliche Ermächtigung ergangen. Die pauschale Rentenberechnung nach § 307b Abs 5 SGB VI führe dazu, daß die allermeisten Berechtigten aus Zusatzversorgungssystemen über lange Zeit hinweg wesentlich geringere Zahlbeträge erhielten, als ihnen nach dem SGB VI (ohne Zusatzversorgung) zustehen würden. Die beiden Verwaltungsakte über die Gewährung der Altersrente und der Zusatzaltersrente seien jeweils für sich nach Art 19 EV bindend geblieben. Die vom BSG angenommene gesetzliche Schuldgrundersetzung/Novation sei ungeeignet und unzulässig. Die Auffassung, die in der DDR begründeten Altersversorgungsansprüche seien nicht in ihrem “Realwert” garantiert, verkenne den Sinn des EV. Zu Unrecht habe das BSG die sog Systementscheidung als rechtens angesehen. Durch die Systementscheidung werde das Eigentum an Zusatzversorgungsansprüchen und damit die zweite Säule der Alterssicherung praktisch entzogen. Das verstoße gegen Art 14, 3 GG sowie gegen weitere Verfassungsgebote. Das BSG mache es sich auch mit der Frage der Rechtsfortbildung zu einfach. Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird auf dessen Schriftsatz vom 18. September 1994 (Bl 40 bis 72 der BSG-Akte) und auf den Schriftsatz vom 7. November 1995 nebst Anlage (= Stellungnahme des Prozeßbevollmächtigten des Klägers in der Anhörung im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages am 21. Juni 1995; Bl 85, 86 bis 98 der BSG-Akte) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 1994 abzuändern, die Bescheide der Beklagten, die zum 1. Juli 1990, zum 1. Januar 1991, zum 1. Juli 1991 und zum 1. Januar 1992 wirksam wurden, sowie die Bescheide vom 27. Januar 1993 und den Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 die jeweils angepaßte (dynamisierte) Altersrente zzgl der ungekürzten und ebenfalls zu dynamisierenden Zusatzversorgung zu zahlen, sowie für den Leistungszeitraum ab 1. Juli 1990 die nach § 307b Abs 1 und 2 SGB VI neu berechnete Altersrente einschließlich der Ansprüche aus der Eisenbahnerversorgung, ebenfalls zzgl der ungekürzten Zusatzversorgung, zu zahlen und den Gesamtbetrag zu dynamisieren und den jeweils höheren Betrag zu zahlen,
  • die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt mit ihrer Revision,

  • das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 1994 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,
  • die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie rügt, das SG habe die Vorschriften der Eisenbahner-VO und der Versorgungsordnung der DR unzutreffend angewandt. Die anstelle des gleichartigen Anspruchs auf Rente der Sozialversicherung gezahlte Versorgung der DR nach § 13 der Eisenbahner-VO iVm § 9 der Versorgungsordnung der DR sei – anders als die nach den §§ 11 und 12 der Eisenbahner-VO iVm §§ 2 bis 7 der Versorgungsordnung der DR berechneten Renten – keine “echte” Sozialversicherungsrente. Diese Versorgungen “alter Art” sein den als echte Sozialversicherungsrenten zu qualifizierenden Eisenbahnerrenten nach den §§ 2 bis 7 der Versorgungsordnung der DR gegenübergestellt worden. Sie seien zum 1. Juli 1990 als zusätzliche “Versorgungen” iS von § 23 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen (Rentenangleichungsgesetz – RAnglG – im folgenden: RAG) vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr 38 S 495, berS 1457) angesehen worden. Erst im Oktober 1990 sei laut Schreiben des DDR-Ministeriums für Arbeit und Soziales vom 1. Oktober 1990 entschieden worden, es sei für die Zeit ab Juli 1990 zu prüfen, ob der nach den §§ 2 bis 7 der Versorgungsordnung der DR berechnete Anspruch höher als die Versorgung alter Art sei; ggf seien die Leistungen umzustellen und Differenzbeträge ab Juli 1990 nachzuzahlen. So sei auch nach der 1. und nach der 2. RAV zu verfahren. In dem entsprechenden Bescheid vom 27. Januar 1993 sei insoweit ein Fehler unterlaufen, als die Zusatzversorgungsrente neu berechnet worden sei. Ab Juli 1991 habe dem Kläger ein Gesamtanspruch auf 1.223,00 DM zugestanden, der ab Januar 1992 (erhöht um 6,84 vH) als Besitzschutzbetrag bei der vorläufigen Umwertung der Rente nach § 307b SGB VI hätte zugrunde gelegt werden müssen.

Die Anträge des Klägers halte sie teils für unzulässig, teils für unbegründet. Soweit die Anträge noch über die unberechtigte Verurteilung durch das SG hinausgingen, gebe es dafür einfachgesetzlich keine Anspruchsgrundlage. Eine individuelle Rentenberechnung nach § 307b Abs 1 und Abs 2 SGB VI sei bei ihr nicht beantragt und von ihr auch nicht abschlägig beschieden worden; allerdings gebe es dafür auch keine Anspruchsgrundlage. Die Beklagte hat den unter dem 11. Oktober 1994 erteilten “Ausführungsbescheid” zum Urteil des SG übersandt; danach beträgt der nach § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI geschützte Betrag monatlich 1.306,65 DM; ab Dezember 1994 beträgt die monatliche Rente 1.747,26 DM. Nach Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die BfA dem Kläger mit Bescheid vom 22. Juni 1995 die individuell berechnete Regelaltersrente bewilligt; sie beträgt ab August 1995 2.111,79 DM; ferner wurde ein (weiterer) Nachzahlungsanspruch für Bezugszeiten ab 1. Juli 1990 von 12.360,20 DM (einschließlich Zinsen) bewilligt. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 30. August 1994 nebst Anlage (Bl 25 bis 35, 36 der BSG-Akte) sowie auf den Schriftsatz vom 10. November 1994 nebst Anlage (Bl 75 bis 76, 77 bis 83 der BSG-Akte) sowie auf den Schriftsatz vom 26. Juli 1995 (Bl 84 der BSG-Akte) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II

A: Die Revisionen des Klägers und der Beklagten sind zulässig, aber in der Sache unbegründet, denn das Urteil des SG steht im Einklang mit dem Bundesrecht.

Das BSG darf – entgegen der Ansicht des Klägers – als oberster Gerichtshof des Bundes gemäß § 162 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nur prüfen, ob das SG Bundesrecht verletzt hat (stRspr seit BSGE 72, 50, 52 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1). “Bundesrecht” in diesem Sinne sind nur das GG sowie solche Rechtsnormen, deren Anwendung das GG, der Bundesgesetzgeber oder (soweit nach dem GG hierfür kompetent und nach § 162 SGG beachtlich) ein Landesgesetzgeber angeordnet hat. Normen, für die eine im vorgenannten Sinne bundesrechtliche Anwendungsanordnung nicht erteilt ist, darf das BSG weder befolgen noch maßstäblich anwenden. Dies gilt insbesondere für Vorschriften, die eine dem GG nicht unterworfene Staatsgewalt (zB die der früheren DDR) erlassen hat. Recht der früheren DDR ist (als sekundäres Bundesrecht) nur maßgeblich, soweit dies im EV angeordnet worden ist.

Das SG hat im Ergebnis richtig erkannt, daß die dem Kläger zuerkannte Altersrente nach § 13 der Eisenbahner-VO (mtl 870,00 DM) nach der 1. und der 2. RAV angepaßt werden muß und deswegen ab Januar 1992 der Mindestbetrag der Rente höher als 1.153,00 DM (zzgl 6,84 vH) ist.

Allerdings bedarf der Urteilsausspruch des SG der Klarstellung. Das Gericht hat die Bescheide vom 27. November 1991 und vom 27. Januar 1993, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1993, nur hinsichtlich des Verfügungssatzes über die Höhe der Gesamt-Altersversorgung für die Zeit von Juli 1990 bis Dezember 1991 bzw der Regelaltersrente ab Januar 1992 aufgehoben. Zugleich hat es die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger für die Zeit von Juli 1990 bis Dezember 1991 die Gesamt-Altersversorgung in der Höhe zu gewähren, die sich ergibt, wenn die ihm bindend (Art 19 EV) zuerkannte Rente nach § 13 der Eisenbahner-VO als Sozialpflichtversicherungsrente in die Rentenanpassung nach der 1. und nach der 2. RAV einbezogen wird. Soweit das SG im Urteil Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 erwähnt, sind solche nach dem vom SG festgestellten Sachverhalt, an den das BSG gebunden ist (§ 161 Abs 5 SGG), nicht ergangen; die entsprechenden Entscheidungen sind erstmals in dem Bescheid 2) vom 27. Januar 1993 getroffen worden. Soweit es im Urteilsausspruch heißt, die Beklagte solle die Rente von 870,00 “Mark der DDR” nach den allgemeinen Grundsätzen auf DM umstellen, ist dies ausweislich des festgestellten Tatbestandes bereits zum 1. Juli 1990 geschehen. Der Kläger erhält seitdem monatlich jeweils mindestens 1.080,00 DM, davon 870,00 DM als Altersrente gemäß § 13 der Eisenbahner-VO. Unter Berücksichtigung dieser Klarstellungen müssen die Revisionen gegen das Urteil des SG ohne Erfolg bleiben.

B: Die Revision der Beklagten erweist sich in der Sache als unbegründet, weil das SG § 13 der Eisenbahner-VO iVm § 9 der Versorgungsordnung der DR als hier maßgebliches (sekundäres) Bundesrecht richtig angewandt hat. Gemäß EV Nr 2 Buchst a sind die §§ 11 bis 15 der Eisenbahner-VO und die Vorschriften der auf ihrer Grundlage erlassenen Versorgungsordnung der DR bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden. EV Nr 2 Buchst a ist originäres, dh dem Bundesgesetzgeber unmittelbar zuzurechnendes und damit primäres Bundesrecht. Die Vorschrift gebietet der Verwaltung, ua § 13 der Eisenbahner-VO und § 9 der Versorgungsordnung der DR (als sekundäres Bundesrecht) zu befolgen und verpflichtet die Gerichte, diese Vorschriften maßstäblich zur Beurteilung heranzuziehen, ob Entscheidungen über ua die Altersversorgung der Eisenbahner der früheren DDR rechtmäßig sind. Keiner Darlegung bedarf, daß EV Nr 2 Buchst a (anders als zB EV aaO Nr 6 – berufsbezogene Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen) thematisch Regelungen enthält, die (iS des Bundesrechts) dem öffentlichrechtlichen Rentenversicherungsrecht iS des SGB VI entsprechen. Dies bestreitet letztlich auch die Beklagte nicht, die selbst § 11 der Eisenbahner-VO und die §§ 2 bis 7 der Versorgungsordnung der DR für anwendbar erachtet.

Entgegen der Ansicht der BfA gibt es auf parlamentsgesetzlicher Regelungsebene keine Vorschrift des primären oder sekundären Bundesrechts, welche die Anwendung von § 13 der Eisenbahner-VO iVm § 9 der Versorgungsordnung der DR ausschließt. Da EV Nr 2 Buchst a den Rang primären und formell-gesetzlichen Bundesrechts hat, scheiden Regelungen in der 1. oder der 2. RAV, die beide lediglich den Rang von Rechtsverordnungen haben, schon wegen des Vorrangs des Parlamentsgesetzes als Verdrängungsgründe aus. Auch in den Regelungen über die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im EV (aaO, Nr 9) findet sich keine Regelung über die Anwendung von § 13 der Eisenbahner-VO. Zwar trägt die Beklagte vor, die Organe der demokratisierten DDR hätten die Versorgung “alter Art” als Zusatzversorgung iS von § 23 RAG angesehen. Jedoch kommt es auch hier – entgegen der Ansicht des Klägers – wegen der ausschließlichen Maßgeblichkeit des Bundesrechts nicht entscheidend auf die Auffassungen der Organe der früheren DDR über ihr Recht und auch nicht auf deren Verwaltungspraxis an. Im einschlägigen Bundesrecht findet sich kein Hinweis, der Gesetzgeber habe diese Auffassung geteilt. Vielmehr ist in EV Nr 2 und damit abschließend, speziell und EV Nr 9 insoweit verdrängend geregelt, daß ua § 13 der Eisenbahner-VO und ua § 9 der Versorgungsordnung der DR anzuwenden sind. Damit hat der Vertragsgesetzgeber diese Renten (auch die sog alte Versorgung) der Gruppe der Sozialpflichtversicherungsrenten/Renten aus der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR), nicht derjenigen der Zusatz- oder Sonderversorgungsrenten zugeordnet. Zutreffend führen die Erläuterungen zu den Anlagen zum EV (BT-Drucks 11/7817) zu Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III zu Nrn 1 bis 8 (rentenversicherungsrechtliche Sonderregelungen) aus, bis zur Angleichung des Rentensystems der früheren DDR im Jahre 1992 solle grundsätzlich das DDR-Rentenrecht fortgelten; dies solle sich auch “auf die rentenrechtlichen Sonderregelungen für bestimmte Personengruppen” erstrecken. Der Bundesgesetzgeber hat ferner auch bei Erlaß des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606, 1677) die Ansprüche und Anwartschaften nach den §§ 11 bis 15 der Eisenbahner-VO nicht als solche aus einem Zusatzversorgungssystem (oder gar aus einem Sonderversorgungssystem) qualifiziert. Die von der Beklagten unter Hinweis auf das Schreiben des Ministerrats der früheren DDR vertretene Rechtsauffassung steht mit dem hier anwendbaren Bundesrecht also nicht in Einklang.

Allerdings war es nach (der sekundär-bundesrechtlichen Norm des) § 23 Abs 1 RAG gerechtfertigt, die zum 1. Juli 1990 auf DM aufgewertete Altersrente nach § 13 der Eisenbahner-VO wegen des gleichzeitigen Bezuges einer Zusatzaltersrente aus der Zusatzversorgung für den Staatsapparat zunächst nur – wenn auch aufgewertet in DM – im Nominalbetrag weiterzuzahlen. Die Beklagte war jedoch nicht befugt, die Altersrente von 870,00 DM entgegen §§ 2, 6 der 1. RAV und §§ 4, 8 der 2. RAV zum 1. Januar 1991 bzw zum 1. Juli 1992 nicht zu erhöhen.

Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß zwar der Wortlaut von § 6 Abs 1 der 1. RAV die Beklagte scheinbar dazu ermächtigt, die Renten, die wegen des Bezuges einer Zusatzversorgung nach § 23 Abs 1 RAG bislang nicht anzugleichen waren, vorab nach den für Arbeitnehmer ohne Zusatzversorgung geltenden Bestimmungen “der Rentenverordnung” festzusetzen und dann erst anzugleichen. Jedoch ist der Vorinstanz darin beizutreten, daß der Wortlaut der Verordnung zu ungenau gefaßt ist. Der Rentenberechnung sind (sekundär-bundesrechtlich) ohnehin vier Rentenverordnungen nebst Durchführungsbestimmungen zugrunde zu legen. § 6 Abs 1 der 1. RAV ist schon aus sich heraus so zu verstehen, daß die Beklagte die Sozialpflichtversicherungsrenten nach den hierfür (bundesrechtlich) jeweils maßgeblichen Bestimmungen festzusetzen hat. Auch die Beklagte sieht dies letztlich so, da sie die fiktive “Sozialpflichtversicherungsrente” des Klägers nach § 11 der Eisenbahner-VO berechnet hat. Hierauf ist aber schon deswegen nicht näher einzugehen, weil die Verordnung gesetzeskonform, dh in Übereinstimmung mit EV Nr 2 Buchst a ausgelegt werden muß. Das aber bedeutet, daß die zunächst wegen des Bezuges einer Zusatzversorgung nicht anzugleichenden Renten nach der Eisenbahner-VO gemäß § 6 Abs 1 der 1. RAV iVm EV Nr 2 Buchst a unter Anwendung auch des § 13 der Eisenbahner-VO iVm § 9 der Versorgungsordnung der DR festzusetzen und sodann anzugleichen sind. Schon deswegen erweist sich die Verurteilung der Beklagten unter Abänderung der streitigen Bescheide als richtig.

Bei der Ausführung des Grundurteils hat die Beklagte aber entgegen dem Hinweis des SG für die Feststellung der Höhe der Regelaltersrente ab Januar 1992 übergangsrechtlich für den Zeitraum bis zum Ablauf des Monats nach der Bekanntgabe des Bescheides über die individuelle Rentenberechnung § 307b SGB VI anzuwenden. Denn das für das Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigte gültige, der Überprüfung von möglichen politischen Vergünstigungen und – bei MfS-Verstrikkung möglichen – Unrechtsentgelten dienende Übergangsrecht ist immer dann maßgeblich, wenn der in der früheren DDR erworbene Gesamtanspruch auch nur zum Teil aufgrund einer Versorgungszusage erworben worden ist (stRspr; näher dazu Senatsurteil – 4 RA 90/94 – vom 14. September 1995, zur Veröffentlichung vorgesehen).

C: Auch die Revision des Klägers ist in der Sache unbegründet. Der Senat hält in vollem Umfang an seiner – den Beteiligten bekannten – ständigen Rechtsprechung fest (seit BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; stellvertretend Urteil vom 14. Juni 1995 in SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9, Nr 1 und Vorlagebeschlüsse vom 14. Juni 1995, ua in 4 RA 98/94 und 4 RA 54/94):

1. Unbegründet ist die Revision, soweit das SG die Klage als unzulässig abgewiesen hat. Nach positivem Bundesrecht steht dem Kläger ein Anspruch auf individuelle Rentenberechnung frühestens zu, wenn sein Versicherungskonto hat geklärt werden können. Für die Übergangszeit, die nach der Rechtsprechung des Senats etwa Mitte 1996 ausläuft, hat er es hinzunehmen, daß seine Regelaltersrente nach dem SGB VI ab Januar 1992 zunächst nur nach pauschalierten Werten im sog maschinellen Verfahren nach § 307b Abs 5 SGB VI festgesetzt wird. Der Bundesgesetzgeber hat berechtigterweise das Anliegen verfolgt, die Höhe der seit Januar 1992 zu gewährenden Rente nach dem SGB VI nur aus Arbeitsentgelten (bis zur Beitragsbemessungsgrenze) zu ermitteln, die auf Arbeit und Leistung beruhen. In typisierender Wertung ist bei Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten die Möglichkeit nicht abstrakt-generell auszuschließen, daß im Einzelfall von der Qualität der Arbeit nicht gerechtfertigte Löhne/Gehälter gezahlt werden. Deshalb ist bei diesen der (Anspruch auf den) Rentenzahlbetrag erst (zukunftsgerichtet, aber mit Nachzahlungsanspruch für fiktiv-rückberechnete Differenzbeträge ab 1. Juli 1990) dann festzusetzen, wenn die in der früheren DDR erzielten Arbeitsentgelte individuell daraufhin überprüft worden sind, ob sie aufgrund politischer Vergünstigungen überhöht oder – bei MfS-Verstrickung – sogar ggf rentenversicherungsrechtlich unbeachtliche Unrechtsentgelte waren. Bei mehr als 300.000 Bestandsrentnern mit Zusatz- oder Sonderversorgungsberechtigungen ist es verfassungsrechtlich noch hinnehmbar, daß der Deutsche Bundestag diesem Personenkreis für die og Übergangszeit eine Rente jedenfalls auf der Grundlage von Durchschnitts- oder etwas darüber liegenden Arbeitsentgelten zuerkannt hat, mindestens aber den Zahlbetrag, der ihnen als Gesamtanspruch auf Altersversorgung nach dem Recht der demokratisierten DDR zum 1. Juli 1990 – iS des Bundesrechts – rechtmäßig zuerkannt bzw zu zahlen war (EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5 und § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI).

2. Das SG hat auch richtig entschieden, daß dem Kläger nach Bundesrecht kein Anspruch auf Gewährung höherer Altersversorgung gegen die Beklagte zusteht, als ihm im angefochtenen Urteil dem Grunde nach zuerkannt wurde:

Der Kläger hat nie weniger, schon für Bezugszeiten seit Juli 1991 mehr erhalten, als ihm nominell in der DDR höchstens versprochen worden war. Schon deshalb liegt keine Beeinträchtigung, erst recht keine Verletzung seines Eigentums iS von Art 14 Abs 1 GG vor.

a) Die streitigen Verwaltungsakte haben keinen Anspruch des Klägers auf Altersrente zu dessen Nachteil verändert oder gar “liquidiert”:

In der Zeit vor dem 1. Juli 1990 hatte er lediglich zwei Teilansprüche auf Zahlung von 870,00 M der früheren DDR gegen den FDGB und von 210,00 M der früheren DDR gegen die Staatliche Versicherung der DDR; beide Ansprüche waren vom Ministerrat der früheren DDR (im Bescheid vom 16. Januar 1990 auch von der Staatlichen Versicherung der früheren DDR) zu einen “Gesamtversorgungsanspruch” verbunden worden (dazu schon BSGE 72, 50, 55). Die Kritik des Kläger an der Rechtsprechung des Senats zum “Gesamtanspruch” berücksichtigt nicht das hier allein maßgebliche Bundesrecht (noch – im übrigen entgegen seinem eigenen Ansatz – die Rechtsansicht des Ministerrats der früheren DDR, deren Staatlicher Versicherung und auch nicht den damals verbindlichen Willen des früheren Gesetzgebers der demokratisierten DDR, der in §§ 24, 25 RAG Ausdruck gefunden hat, dort “Gesamtanspruch” oder “Gesamtbetrag” genannt). Insgesamt konnte der Kläger bis zum 30. Juni 1990 höchstens die Zahlung von insgesamt 1.080,00 M der früheren DDR beanspruchen. Beide Teilansprüche waren nicht “dynamisierbar”; weder aus der Eisenbahner-VO noch aus der Zusatzversorgung für den Staatsapparat hatte der Kläger eine Anwartschaft darauf, die jeweiligen Renten müßten von den verpflichteten Leistungsträgern oder von der früheren DDR selbst dynamisiert werden.

Die demokratisierte DDR hatte direkt ab 1. Juli 1990 eine Rentendynamisierung nur für die echte Sozialpflichtversicherung und die FZR vorgesehen. Ansprüche und Anwartschaften auf Zusatz- und Sonderversorgungsrenten und auf daneben gezahlte Sozialpflichtversicherungsrenten waren demgegenüber zunächst bis zur Überführung in die Rentenversicherung, die bis Ende 1990 durch Rechtsverordnung (§ 29 RAG) erfolgen sollte, in unveränderter Höhe, aber aufgewertet in DM, weiterzuzahlen (§ 23 Abs 1 Satz 2 RAG). Das Überführungsprogramm der demokratisierten DDR war von Anfang an nur durch eine sog Anschubfinanzierung aus Steuermitteln der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht worden und von seither gezahlten Beiträgen getragen. Es sah in den §§ 24, 25 RAG grundsätzlich vor, Zusatzrenten und Sozialpflichtversicherungs- sowie FZR-Renten durch eine einzige, neu festzusetzende Rente aus der Sozialpflichtversicherung zu ersetzen. Lag deren Betrag über dem ab 1. Juli 1990 weitergezahlten “Gesamtbetrag”, waren die Differenzbeträge nachzuzahlen; für die Zukunft, dh ab dem Zeitpunkt der (geplanten) Überführung, sah das Recht der demokratisierten DDR also grundsätzlich und in aller Regel nur einen einzigen Anspruch auf (und die Zahlung einer einzigen) Rente vor; dies galt auch für Rentenzugänge nach dem 30. Juni 1990 (§ 24 Abs 1 bis Abs 3 Buchst a, § 25 Abs 1 Nrn 1 und 2 RAG). Diese schon von der DDR vorgesehene gesetzliche Schuldgrundersetzung (Novation) sollte nur in folgender Fallgruppe nicht sofort in vollem Umfang durchgreifen. Lag der Gesamtanspruch ab 1. Juli 1990 über dem neuen Rentenanspruch, sollte die zusätzliche Versorgung, die zuvor ggf auf 90 vH des letzten Nettoverdienstes zu begrenzen war (dazu BSGE 72, 50, 65 ff und Senatsurteil vom 16. November 1995 – 4 RA 33/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen), in Höhe des Differenzbetrages zwischen Gesamtanspruch und neuer Rente weitergezahlt werden, bis die neue Rente ihn erreichte. Nur hierbei, dh für die schon von der DDR vorgesehene Abschmelzung des (als Rentenzuschlag – so BSGE 72, 50, 56) weitergezahlten Versorgungsrestes, war vorgesehen, daß die sich ua aus der neu eingeführten Dynamisierung der neuen Rente ergebenden Rentenerhöhungen nur zur Hälfte auf den Versorgungsrest (“den noch gezahlten Teil der zusätzlichen Versorgung” – so § 24 Abs 5 Satz 2, § 25 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 Satz 2 RAG) anzurechnen waren – (= “Liquidierung” iS der Terminologie des Prozeßbevollmächtigten des Klägers). War hingegen der Gesamtanspruch (Gesamtbetrag an Zusatz- und Pflichtversicherungsrente) bereits von der Volkskammer nach § 23 Abs 2 RAG im Zahlbetrag auf höchstens 1.500,00 DM (oder nach § 2 des Gesetzes über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen MfS/AfNS vom 29. Juni 1990 - GBl I Nr 38 S 501 – auf 990,00 DM oder weniger) begrenzt worden, sah schon das Recht der DDR im übrigen vor, die Erhöhungen der neuen Rente in voller Höhe auf den Versorgungsrest anzurechnen, soweit die Grenze (1.500,00 DM bzw 990,00 DM) überschritten wurde (§§ 24 Abs 4, 25 Abs 1 Nr 4 RAG). Diese Überführungsgrundsätze kamen jedoch vor der Wiedervereinigung nicht mehr zur Ausführung.

Inzwischen war nämlich – im Vergleich zu den bei Abschluß des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (BGBl II S 537) bekannt gewesenen Verhältnissen – klar geworden, daß die DDR und gerade auch ihre Sozialleistungsträger sich im Zustand des Bankrotts befanden und keinerlei Geld oder geldwertes Vermögen hatten, das zu Erfüllung der Rentenversprechen der DDR, des FDGB oder der Staatlichen Versicherung hätte genutzt werden können. Diese zeitgeschichtlich gewisse Tatsache hatte das Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ (BVerfGE 84, 90, 131) schon im Urteil vom 23. April 1991 zutreffend wie folgt festgestellt: “Angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage in den neuen Bundesländern, deren Bereinigung schon nach dem derzeit absehbaren Stand Zuschüsse in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages erfordert, …” – “Die durch die Mißwirtschaft in der ehemaligen DDR verursachte wirtschaftliche Bankrottlage, für die die Bundesrepublik nicht verantwortlich ist, …”. Dem hat der Senat sich in seiner Grundentscheidung vom 27. Januar 1993 angeschlossen (BSGE 72, 50, 55). Nachdem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers gegenüber dem Senat mehrfach – ohne Belege – vorgetragen hatte, es seien erhebliche Vermögenswerte übergegangen, die jetzt den Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten vorenthalten würden, hat der Senat dies durch Nachfragen bei den Funktionsnachfolgern und bei der Deutschen Bundesbank überprüft. Es ist kein Vermögen übergegangen; die Rentenversprechen waren wirtschaftlich nicht gedeckt. EV Nr 9 hat das Überführungsprogramm der früheren DDR mit Wirkung für die Zeit ab 1. Juli 1990 in den Grundzügen übernommen, in Einzelheiten und vor allem für Personengruppen, denen der Kläger nicht angehört (vgl BSGE 72, 50), aber auch einschneidend geändert. Insbesondere wurde die Abschmelzung von Versorgungsresten beschleunigt. Jedoch blieb – insbesondere durch die Vertrauensschutzregelung in EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5 (sog Zahlbetragsgarantie) garantiert, daß jeder zusatz- oder sonderversorgungsberechtigte Bestandsrentner bzw rentennaher Jahrgang eine Rente wenigstens in der Höhe der Gesamtheit seiner – iS von EV Nr 9: rechtmäßigen – Rentenzahlungsansprüche gegen die frühere DDR (oder deren Leistungsträger) erhalten würde. Die Höchstsumme aller rechtmäßigen “DDR-Ansprüche” war damit der Mindestbetrag der bundesrechtlichen Rentenleistung.

Demgemäß ist auch der in der DDR erworbene, nicht dynamisierbare Zusatzversorgungsanspruch des Klägers auf eine Zusatzaltersrente von 210,00 M der DDR – aufgewertet auf 210,00 DM – monatlich nicht etwa “liquidiert”, sondern von der Beklagten und ihren Funktionsvorgängern für die Zeiten seit dem 1. Juli 1990 ununterbrochen in voller Höhe, aber aufgewertet in DM, erfüllt worden; dasselbe gilt für den Altersrentenanspruch des Klägers nach § 13 der Eisenbahner-VO. Schon seit Juli 1991 erhält er mehr als den Höchstbetrag der Summe seiner in der DDR erlangten Ansprüche und Anwartschaften. Vertrauensschutz iS von Staatsvertrag und EV ist also – mindestens – gewahrt.

b) Demgegenüber begehrt der Kläger, die Beklagte müsse von sich aus oder aufgrund einer angeblich das Recht fortbildenden Entscheidung der Sozialgerichtsbarkeit zusätzliche Leistungen in DM erbringen, weil nach dem EV nicht etwa nur seine in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften, die auf konkrete, nicht dynamisierbare Zahlbeträge gerichtet waren, sondern die Altersversorgungsstruktur der DDR (Zusatzversorgung als “zweite Säule”) Maßstab für die gebotenen Zahlungen sein müsse. Hierfür gibt es im gesamten Bundesrecht keine Grundlage. Art 19 EV verleiht den DDR-Verwaltungsakten, also iS des Bundesrechts öffentlich-rechtlichen Einzelfallregelungen, bundesrechtliche Wirksamkeit. Er garantiert nicht die schichtenspezifische Versorgungsstruktur der DDR-Altersversorgung. EV Nr 9 ordnet nur die Überführung bestimmter Ansprüche (und Anwartschaften als Vorstufe hierzu) an. Ein “Anspruch” ist aber (nur) das Recht, von einem anderen ein (bestimmtes) Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Auch EV Nr 9 gibt schon seinem Wortlaut nach, aber auch unter Berücksichtigung der Systematik des EV, der Problem- und Entstehungsgeschichte nicht einmal andeutungsweise Anhalt, der Bundesgesetzgeber habe – entgegen dem Überführungsprogramm der DDR in §§ 24, 25 RAG – eine Zusatzrente neben der SGB VI-Rente zuerkennen wollen. Der Deutsche Bundestag hat der Bundesrepublik und ihren Ländern nicht zugerechnet und mußte dies auch nicht, daß die DDR durch ihre Mißwirtschaft nicht nur die Berechtigten aus der Sozialpflichtversicherung und aus der FZR, sondern auch die Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten um ihre Altersversorgung gebracht hat. Jedenfalls derzeit noch, dh in der Übergangsphase, ist aber die sog Systementscheidung (hierzu siehe unten) mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Abs 1 GG vereinbar (BSGE 72, 50, 67 ff).

c) Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch der “Realwert” seiner in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften erhalten geblieben. Er hatte in der früheren DDR allenfalls nur das Recht, Zahlung von 1.080,00 M der DDR zu verlangen. Die “Mark der DDR” war eine reine Binnenwährung und hatte angesichts des Staatsbankrotts der DDR noch weiter an Wert verloren. Schon deshalb bedeutete die nominell-gleichwertige Umstellung der auf Zahlung in Mark der DDR gerichteten Ansprüche in solche auf Zahlung in DM eine reale Aufwertung der Ansprüche mindestens um 100 vH. Diese zeitgeschichtliche Tatsache hat auch die Deutsche Bundesbank in den og Verfahren gleichfalls bestätigt.

d) Falls das Vorbringen des Klägers unter “Realwertgarantie” verstehen sollte, die Höhe der Altersversorgung des Klägers in DM müsse so bemessen sein, daß sie es ihm ermöglicht, den im Vergleich zu Sozialpflichtversicherungsrentnern gehobenen Lebensstandard zu erhalten, den er in der früheren DDR innegehabt hatte, findet sich für ein derartiges Schichtenprivileg weder im EV noch im sonstigen Bundesrecht eine Anspruchsgrundlage. Falls er aber meint, die Altersversorgung müsse so hoch bemessen werden, daß sie es ihm unter den veränderten Lebensumständen (gestiegene allgemeine Lebenshaltungskosten, Wohnungskosten etc) ermöglicht, seinen früheren Lebensstandard uneingeschränkt aufrechtzuerhalten, ist keine Rechtsvorschrift im positiven Bundesrecht ersichtlich, aufgrund welcher er dies von der beklagten BfA begehren könnte. Insbesondere gibt es weder im Staatsvertrag noch im EV Regelungen, die einen Ausgleich des Fortfalls staatlich festgesetzter “Preise” durch Erhöhung der Rentenansprüche im Ausmaß der wirklichen Knappheitsrelationen, also nach Maßgabe der marktwirtschaftlichen Preise, vorschreiben. Falls der Kläger aber meint, der Bundesgesetzgeber müsse gesetzlich die Zusatzversorgung neben der SGB VI-Rente gewährleisten oder mindestens gleichwertig als “zweite Säule” ersetzen, macht er einen Anspruch auf Gesetzgebung geltend, der im Sozialrechtsweg nicht verfolgt werden kann (BSGE 72, 50, 52 f mwN; dazu auch Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 7. Juli 1993 – 1 BvR 620/93). Die dem Senat vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers unter dem Ausdruck “Rechtsfortbildung” (zu deren Grenzen zuletzt Hillgruber, JZ 1996, 118 ff mwN) angesonnene Entscheidung gegen das Gesetz und gegen den klaren politischen Willen der demokratisch gewählten Volksvertretung scheidet von vornherein aus.

e) Schließlich weist der Senat – nochmals – darauf hin, daß die – schon vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber der DDR unter Beachtung des Verfassungsgrundsätz-Gesetzes der früheren DDR beschlossene – sog Systementscheidung, alle Altersversorgungsansprüche auch der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten ausschließlich durch eine einzige Rente aus der Rentenversicherung zu ersetzen (welche schon die DDR getroffen hatte) und (bundesrechtlich) in die gesetzliche Rentenversicherung des SGB VI zu überführen, dh ab Januar 1992 durch einen gesetzlichen Anspruch auf entsprechende Renten nach dem SGB VI zu ersetzen (gesetzliche Novation), der Sache nach aus zwei Entscheidungen besteht: Zum einen wird – die Betroffenen ausschließlich begünstigend – ein gesetzlicher Anspruch nach dem SGB VI eingeräumt, der ihnen ohne diese gesetzliche Regelung nicht zugestanden hätte. Die zweite Entscheidung, die zusatz- und sonderversorgungsberechtigten Bestandsrentner und rentennahen Jahrgänge – unter gesetzlicher Zahlbetragsgarantie – “ausschließlich” auf derartige Ansprüche nach dem SGB VI zu verweisen, ist – wie der Senat (BSGE 72, 50, 67 ff) ausgeführt hat – jedenfalls derzeit noch, dh für die Phase des Übergangsrechts, mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar und deshalb verfassungsgemäß.

3. Nach alledem waren die unbegründeten Revisionen der Beteiligten gegen das zutreffende Urteil des SG zurückzuweisen.

Die den gesamten Rechtsstreit betreffende Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG sowie auf der Erwägung, daß der Kläger im Gesamtergebnis nur zu einem geringen Teil obsiegen konnte.

 

Fundstellen

BSGE, 41

Breith. 1997, 219

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