Orientierungssatz

Der Ersatzanspruch der Familienausgleichskasse nach RVO § 1541a aF betreffend den Kinderzuschuß aus der Rentenversicherung ging auch insoweit dem Anspruch der KK (RVO § 183 Abs 3 S 2) vor, als die KK das Krankengeld nach RVO § 182 Abs 4 S 2 wegen des Vorhandenseins von Familienangehörigen erhöht hatte (Anschluß an BSG 1970-01-20 3 RK 29/66 = SozR Nr 45 zu § 183 RVO).

 

Normenkette

RVO § 182 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1961-07-12, § 183 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1961-07-12, § 1541a Fassung: 1955-12-23

 

Tenor

Die Revisionen der Beklagten und der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse F gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. März 1968 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über das Rangverhältnis des Ersatzanspruchs der Familienausgleichskasse (FAK) nach § 1541 a Reichsversicherungsordnung (RVO) a. F. und des Forderungsübergangs auf die Krankenkasse nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO.

Der 1919 geborene (beigeladene) Versicherte H war seit 9. September 1961 wegen Krankheit arbeitsunfähig und bezog von der beigeladenen Krankenkasse Kranken- bzw. Hausgeld. Auf seinen Antrag vom 14. November 1961 bewilligte ihm die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) mit Bescheid vom 17. April 1962 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit rückwirkend vom 1. September 1961 an. In der Rente waren fünf Kinderzuschüsse von je 44,40 DM monatlich für die in den Jahren 1946 bis 1961 geborenen Kinder S, R, E, W und P enthalten. Die Rente wurde vom 1. Juni 1962 an laufend gezahlt. Bis zu diesem Zeitpunkt ergab sich eine Rentennachzahlung im Betrag von 3.039,30 DM, den die Beklagte vorläufig einbehielt. - Nachträglich erhöhte die Beklagte mit Verwaltungsakt vom 11./15. Mai 1962 die Rente um zwei weitere Kinderzuschüsse, und zwar rückwirkend vom 1. September 1961 an für ein 1947 unehelich geborenes Kind des Versicherten und vom 1. Februar 1962 an für das am 7. Februar 1962 geborene Kind Andreas. Die laufende Zahlung der erhöhten Rente begann am 1. Juli 1962. Die sich bis dahin ergebenden Nachzahlungsbeträge für die Zeit vom 1. September 1961 bzw. vom 1. Februar 1962 an bis zum 30. Juni 1962 in Höhe von 444,- DM bzw. von 222,- DM behielt die Beklagte ebenfalls vorläufig ein. -

Auf einen Teil der bis 30. Juni 1962 auf insgesamt 3.705,30 DM aufgelaufenen Nachzahlungsbeträge erhoben die Familienausgleichskasse bei der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft und die beigeladene Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Anspruch. Die FAK hatte Kindergeld für die Kinder R, E, W und P des Beigeladenen H für die Zeit von September 1961 bis März 1962 und für das Kind A für die Monate Februar und März 1962 in Höhe von je 40,- DM monatlich gezahlt (insgesamt 1.200,- DM).

Die Beklagte sah den Anspruch der Beigeladenen als vorrangig an und überwies ihr den geforderten Betrag in voller Höhe; dagegen befriedigte sie die Ersatzforderung der FAK nur in Höhe von 128,- DM (statt der geforderten 1.200,- DM). Die FAK, an deren Stelle während des Verfahrens die jetzige Klägerin als Rechtsnachfolgerin getreten ist, hat daraufhin Klage auf Zahlung ihrer Restforderung in Höhe von 1.072,- DM erhoben.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten und der beigeladenen AOK zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es bestehe eine Anspruchskonkurrenz zwischen der Klägerin und der beigeladenen AOK lediglich für den Zeitraum vom 21. Oktober 1961 bis 31. März 1962, nicht dagegen für die Zeit vom 10. September bis 20. Oktober 1961. Die Klägerin habe einen Ersatzanspruch nach § 1541 a RVO alter Fassung; dieser sei ein selbständiger Anspruch, der kraft Gesetzes entstehe. Dadurch werde der Rentenanspruch i. S. einer dauernden Inhaltsbeschränkung belastet, er könne daher nur mit der Belastung aus § 1541 a RVO nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO auf die Beklagte übergehen. Denn die Kindergeldzahlung sei nur vorläufig gewährt worden. Zum Ausgleich dafür müsse der vorläufig leistungsverpflichtete Träger der Kindergeldzahlung die Gewähr dafür haben, daß er für seine Aufwendungen vor dem endgültig zur Leistung verpflichteten Rentenversicherungsträger Ersatz erhalte. Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Beklagte und die beigeladene AOK haben Revision eingelegt.

Die Beklagte trägt vor:

Der Übergang des Rentenanspruchs nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO erfolge kraft Gesetzes ohne Mitwirkung des Ersatzberechtigten. Dadurch würden die Krankenkassen Gläubiger des Leistungsanspruchs des Rentenberechtigten, während die FAK nur Gläubiger eines Ersatzanspruches sei. Der gesetzliche Anspruchsübergang habe aber nach dem Willen des Gesetzgebers den ersten Rang gegenüber allen anderen Ersatzansprüchen.

Die beigeladene AOK trägt vor:

Die Regelung des § 183 Abs. 3 RVO solle Doppelleistungen vermeiden und sicherstellen, daß die Krankenkasse wegen der ihr obliegenden Vorleistungspflicht auf die Rente zurückgreifen könne. Dieser Forderungsübergang bewirke eine Aufspaltung des Rentenanspruchs in den Rentenanspruch der Krankenkasse und den des Versicherten, wobei dem Versicherten in Höhe des auf die Krankenkasse übergegangenen Rentenanspruchs keine Forderungsrechte mehr zuständen. Der Anspruch der Krankenkasse müsse daher ungeachtet etwaiger Ersatzansprüche der FAK vorab befriedigt werden. Das müsse auch im Verhältnis zum § 1541 a RVO a. F. gelten, weil der Kinderzuschuß ein unteilbarer Bestandteil der Rente sei. Dieser Vorrang müsse vor allem auch dann gelten, wenn, wie hier, die Krankenkasse das Kranken- und das Hausgeld nach § 182 Abs. 4 Satz 2 und § 186 Abs. 1 Satz 2 wegen des Vorhandenseins von Kindern erhöht habe.

Die Beklagte und die beigeladene AOK beantragen,

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 11. März 1968 und des SG Mannheim vom 24. Mai 1966 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Beigeladene H ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revisionen sind nicht begründet.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 20. Januar 1970 - SozR RVO § 183 Nr. 45 - ausgesprochen hat, geht der Ersatzanspruch der FAK nach § 1541 a RVO a. F. bezüglich des Kinderzuschusses aus der Rentenversicherung insoweit dem nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO auf die Krankenkasse übergegangenen Anspruch vor. Der Senat hat dieses Ergebnis mit folgenden Erwägungen begründet:

Krankenkasse und Träger der Kindergeldzahlung sollten dafür entschädigt werden, daß sie für den eigentlichen verpflichteten Rentenversicherungsträger hätten einspringen müssen. Beide Ansprüche entständen kraft Gesetzes ohne eine Überleitungsanzeige oder eine ähnliche Handlung des Berechtigten. § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO regele nur den Ausgleich globaler, auf den gesamten Lebensbedarf zugeschnittener Leistungen. Dagegen stelle § 1541 a RVO a. F. eine besondere Ausgleichsbeziehung zwischen Kinderzuschuß und Kindergeld her, welche der Gleichartigkeit dieser im gewissen Sinne zweckgebundenen Leistung Rechnung trage. § 1541 a RVO a. F. löse den Kinderzuschuß eigens für den Zugriff des Trägers der Kindergeldzahlung aus dem engen Verband mit der Stammrente heraus. Das Kindergeld werde also als Vorschuß auf den künftig nachzuzahlenden Kinderzuschuß gewährt. § 1541 a RVO könne daher als ein gesetzlich geregelter Sonderfall der in § 119 RVO zugelassenen Verpfändung eines bevorschußten Leistungsanspruchs erblickt werden. Dagegen hebe die Interessenwertung in § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO es auf das Ausgleichsverhältnis zur Krankenversicherung ab. Der Senat habe schon für den Fall des § 1262 Abs. 8 RVO eine besondere Bezugsberechtigung angenommen, die den Forderungsübergang nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO einschränke. Für die besondere Ersatzberechtigung des § 1541 a RVO a. F. könne nichts anderes gelten.

Der Senat hat in dem genannten Urteil die Frage offen gelassen, ob etwa anders zu entscheiden wäre, wenn die Krankenkasse mit Rücksicht auf die Kinder des Versicherten das Krankengeld gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 RVO erhöht habe.

Im vorliegenden Falle tragen nun die Revisionsführer vor, das Kranken- und das Hausgeld sei mit Rücksicht auf das Vorhandensein der Kinder erhöht worden. Feststellungen hierzu hat das LSG nicht getroffen. Selbst wenn man aber zu Gunsten der Revisionskläger davon ausgeht, daß die Zahlungen so erfolgt sind, wie es die beigeladene AOK in ihrem Schriftsatz vom 7. August 1970 vorträgt, sind die Revisionen nicht begründet.

Soweit es sich um das Krankengeld handelt, so ist dieses nach dem Vortrag in dem genannten Schriftsatz für die Ehefrau um 4 v. H. und für die Kinder Rainer und Edeltraud je 3 v. H. erhöht worden, und zwar auf 75 v. H. des Regellohnes (§ 182 Abs. 4 Satz 2 RVO). Die Erhöhung für die Ehefrau mit 0,95 DM werktäglich muß aber hier außer Betracht bleiben, so daß nur die Erhöhung um insgesamt 1,42 DM werktäglich für die Kinder R und E von Bedeutung sein kann. In der Zeit ist Kindergeld u. a. auch für die Kinder R und E in Höhe von je 40,- DM monatlich gezahlt worden, während der Kinderzuschuß zur Rente nach den Feststellungen des LSG in der streitigen Zeit auch für das Kind S gezahlt worden ist. Da die Kinderzuschüsse aus der Rente aber 44,40 DM monatlich betrugen, und der AOK der Kinderzuschuß in Höhe von 44,- DM monatlich für das Kind Sonja voll zur Verfügung stand, hat die AOK schon Ersatz ihrer Mehraufwendungen an Krankengeld erhalten, ohne daß insoweit eine Anspruchskonkurrenz mit der FAK in Frage käme. Insoweit ist also kein Anspruch der Krankenkasse auf den Kinderzuschuß gegeben.

Was das Hausgeld anbelangt, so ist dieses nach der Darstellung im Schriftsatz vom 7. August 1970 für die Zeit vom 6. April bis 16. April 1962 gezahlt worden. Für diese Zeit macht aber die FAK keine Ansprüche auf die Kinderzuschüsse zur Rente geltend, sondern nur für die Zeit bis Ende März 1962. Eine Anspruchskonkurrenz für diese Zeit besteht also nicht.

Die Revisionen müssen daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670272

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