Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsberechnung bei Überstundenvergütungen und Schmutzzulagen, die später abgerechnet und gezahlt werden. Beitragsberechnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grundsätzlich sind die Sozialversicherungsbeiträge nach RFM/RAMErl 1944-09-10 Abschn 1 (AN 1944, 281) vom dem Versicherten zugeflossenen Entgelt auch dann zu berechnen und zu entrichten, wenn es durch eine tarifvertragliche Vereinbarung zu Lohnverschiebungen kommt.

2. Das gilt ausnahmsweise nicht, wenn die durch das Abrechnungsverfahren bedingten Lohnverschiebungen krasse sozialversicherungsrechtliche Nachteile für den einzelnen Versicherten bewirken. In solchen Fällen ist der Teil des Entgelts, dessen Abrechnungsweise den krassen sozialversicherungsrechtlichen Nachteil bewirkt, für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge in der Lohnperiode zu berücksichtigen, in der er erzielt worden ist (Anschluß an BSG 1964-12-17 3 RK 74/60 = BSGE 22, 162; BSG 1971-09-09 3 RK 33/71 = SozR Nr 6 zu § 385 RVO).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem geltenden Lohnsteuerrecht sind Einnahmen dann steuerpflichtig, wenn sie dem Steuerpflichtigen "zugelassen" sind. Der Begriff des "Zufließens" wird dahin verstanden, daß der Steuerpflichtige in der Lage sein muß, über die Einnahmen zu verfügen, dh er muß die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Einnahmen erlangt haben.

2. Für die Beitragsberechnung ist es unerheblich, auf welchem Rechtsgrund die Schwankung beruht (zB, ob es auf Grund einer tarifvertraglichen Vereinbarung zu Lohnverschiebungen kommt).

 

Orientierungssatz

Zu der Frage, ob Überstundenvergütungen und Schmutzzulagen als nicht ständige Vergütung bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge in dem Lohnzeitraum zu berücksichtigen sind, in dem sie erzielt wurden.

 

Normenkette

RVO §§ 160, 180 Abs. 1, § 385 Abs. 1 Fassung: 1933-11-15, § 1385 Abs. 3 Buchst. a Fassung: 1957-02-23, § 1399 Fassung: 1957-02-23; AFG § 174 Abs. 1, § 175 Abs. 1 Nr. 1; RFM/RAMErl 1944-09-10 Abschn. 1; EStG § 11 Abs. 1 S. 1; LStDV § 2 Abs. 1 Fassung: 1971-04-29

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 11.06.1976; Aktenzeichen L 1 Kr 59/75)

SG Lübeck (Entscheidung vom 11.07.1975; Aktenzeichen S 6 Kr 12/74)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 11. Juni 1976 aufgehoben.

Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) werden zurückgewiesen.

Die Widerklagen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) werden abgewiesen.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 10) haben die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 9) des gesamten Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu erstatten.

Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die den Beigeladenen zu 2) bis 9) gewährten Überstundenvergütungen und Schmutzzulagen als nicht ständige Vergütungen bei der Beitragsberechnung in dem Lohnzeitraum zu berücksichtigen sind, in dem sie erzielt wurden.

Anläßlich einer Betriebsprüfung bei der Standortverwaltung Putlos stellte der Betriebsprüfer der Beklagten am 18. Januar 1974 fest, daß die Standortverwaltung für die bei ihr beschäftigten Beigeladenen zu 2) bis 9) vom 1. Januar bis 31. Oktober 1973 Überstundenvergütungen und Schmutzzulagen bei der Beitragsberechnung nicht dem Lohnzahlungszeitraum, in dem sie erzielt worden waren, sondern späteren Zeiträumen zugerechnet hatte. Durch Bescheid vom 13. Februar 1974 forderte die Beklagte, die schon anläßlich früherer Betriebsprüfungen vom 30. August bis 29. September 1971 diese Berechnungsweise beanstandet hatte, von der Standortverwaltung Putlos Beiträge für die Beigeladenen zu 2) bis 9) in Höhe von 100,16 DM nach; diesen Betrag berichtigte sie während des sozialgerichtlichen Verfahrens auf 96,58 DM. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 3. April 1974). Auf die Klage der Klägerin hob das Sozialgericht (SG) Lübeck den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides auf (Urteil vom 11. Juli 1974).

Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) hat das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Auf die Widerklagen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) hat es festgestellt, daß die Klägerin verpflichtet ist, bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge die an die Arbeitnehmer gezahlten Überstundenvergütungen und Schmutzzulagen dem Regellohn des Monats zuzuschlagen, in dem die zugrunde liegende Arbeitsleistung erbracht wurde. Das LSG hat die Revision zugelassen (Urteil vom 11. Juni 1976).

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 160 der Reichsversicherungsordnung (RVO), der §§ 2, 8, 11, 33 und 38 des Einkommensteuergesetzes (BStG), des § 1 des Tarifvertragsgesetzes und der §§ 19, 27, 29 und 31 des Manteltarifs für Arbeiter des Bundes (MTB II) sowie des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des LSG aufzuheben, die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des SG zurückzuweisen und die Widerklagen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) abzuweisen.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 10) beantragen,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 2) bis 9) sind nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben. Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) sind zurückzuweisen. Die Widerklagen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) sind abzuweisen.

Zu Unrecht hat das LSG die Rechtsauffassung der Beklagten bestätigt. Diese will, indem sie sich auf das Urteil des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. September 1971 - 3 RK 33/71 - (SozR Nr 6 zu § 385 RVO = Breith. 1972, 273 = BKK 1971, 329 = Die Beiträge 1971, 380) beruft, die Sozialversicherungsbeiträge der Beigeladenen zu 2) bis 9) (§§ 180 Abs 1, 385 Abs 1, 1385 Abs 3 Buchst a RVO; 174 Abs 1, 175 Abs 1, Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober 1973 nicht nach dem diesen Beigeladenen tatsächlich zugeflossenen Lohn berechnet wissen. Sie meint vielmehr, soweit die Klägerin mit dem Monatslohn zugleich nach der Arbeitsleistung des Vorvormonats bemessene Überstundenvergütungen und Schmutzzulagen als nicht ständige Vergütungen gezahlt habe, seien diese Lohnzahlungen der Beitragsberechnung nicht zugrunde zu legen. Es sei darauf abzuheben, in welchem Lohnabschnitt die den Überstundenvergütungen und Schmutzzulagen zugrunde liegenden Arbeitsleistungen erbracht worden seien. Lohnteile seien dem Lohnabrechnungszeitraum zuzurechnen, in dem der Lohn verdient worden sei. Das gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber den Lohn entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen berechnet und ausgezahlt habe. Zwar bestimme § 31 Abs 2 Satz 4 MTB II idF des Ergänzungstarifvertrags Nr 15 vom 5. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (GMBl 1970, 527, 528): "Der Teil des Monatslohnes, der nicht im Monatsregellohn enthalten ist, bemißt sich nach der Arbeitsleistung des Vorvormonats." Auf Grund dieser Tarifvertragsregelung werde jedoch geschuldeter, möglicherweise sogar gestundeter Lohn verspätet gezahlt. Das dürfe bei der Beitragsberechnung nicht hingenommen werden, um nachteilige Auswirkungen für die Versicherten auszuschließen. Überstundenvergütungen und Schmutzzulagen seien als zeitbezogenes Entgelt stets dem Entgelt des Lohnabrechnungszeitraums hinzuzurechnen, in dem es erzielt werde. Wenn die Klägerin jeweils mit zwei Monaten Verspätung die Überstundenvergütungen und die Schmutzzulagen zahle, müsse dies als Unterfall einer beitragsrechtlich nicht haltbaren und daher zu berichtigenden Lohnnachzahlung angesehen werden.

Dem widersetzt sich mit Recht die Klägerin mit ihrer Aufhebungsklage. Der Beitragsbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids mit der - während des sozialgerichtlichen Verfahrens berichtigten - Beitragsnachforderung ist rechtswidrig. Das ergibt sich aus folgendem:

Seitdem der Gemeinsame Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 10. September 1944 (AN 1944, 281) den sozialversicherungsrechtlichen Begriff des Entgelts an das Lohnsteuerrecht gebunden hat, ist der Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung nur das Entgelt zugrunde zu legen, das für die Berechnung der Lohnsteuer maßgebend ist (BSGE 6, 47, 53; 16, 91, 94; 21, 48, 50; 22, 106f; 22, 157, 160; 22, 169, 170; 24, 71, 72; BSG SozR Nrn 23 und 25 zu § 160 RVO; Urteil des erkennenden Senats vom 1. Dezember 1977 - 12 RK 11/76 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Im Einkommen- und Lohnsteuerrecht unterliegen solche Einnahmen der Steuerpflicht, die dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (vgl § 11 Abs 1 Satz 1 EStG: "Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind."). Wenn auch eine steuerrechtliche Bestimmung des Begriffs des "Zufließens" fehlt (vgl Hartmann/Böttcher/Grass/Gericke, Großkomm. zur Einkommensteuer, EStG, § 11, Anm 2b), wird doch im Einkommen- und Lohnsteuerrecht einhellig in Rechtsprechung und Schrifttum der Begriff des Zufließens dahin verstanden, daß der Steuerpflichtige in der Lage sein muß, über die Einnahme zu verfügen. Der Steuerpflichtige muß die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt haben (Blümich/Falk/Steinbring/Uelmer, EStG, § 11, Anm 2a; Hartmann/Böttcher/Grass/Gericke, aaO; Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht. 4. Aufl. 1973, § 30 LStDV, Anm 4; Handwörterbuch des Steuerrechts, 1. Band 1972, S. 3, Stichwort: Abfluß; BFH BStBl 1963 III 96). "Ein Zufluß iS des § 11 EStG ist erfolgt, wenn und sobald die Einkommen in bar oder in geldwerten Gütern (§ 8 EStG) so in die Vermögenssphäre des Gläubigers gelangt sind, daß er darüber wirtschaftlich unbedingt verfügen kann, ohne daß es darauf ankommt, auf welchen Zeitraum sich der zugeflossene Betrag bezieht oder wann er fällig geworden ist" (Hartmann/Böttcher/Grass/Gericke, aaO). Nach § 2 Abs 1 der für den streitigen Zeitraum gültigen Lohnsteuer-Durchführungsverordnung idF der Bekanntmachung vom 29. April 1971 (BGBl I 1971, 397) gehören zum Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis zufließen (aaO, Satz 1). Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen (aaO, Satz 2). Es ist gleichgültig, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und unter welcher Bezeichnung oder Form sie gewährt werden (aaO, Satz 3). Dem ist die Rechtsprechung des BSG gefolgt, die für den Zufluß von Einnahmen ebenfalls darauf abstellt, ob das Geld oder die geldwerten Güter so in die Vermögenssphäre des Versicherten gelangt sind, daß er über das Geld oder die geldwerten Güter wirtschaftlich verfügen kann (BSGE 21, 48, 51; 26, 120, 121; SozR Nr 23 zu § 160 RVO; Urteil des erkennenden Senats vom 1. Dezember 1977 - 12 RK 11/76 -, zur Veröffentlichung bestimmt; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I/2, S. 310k II, III, 36. Nachtrag, Juli 1971).

Zwar hatte der früher für Beitragsstreitigkeiten allein zuständige 3. Senat des BSG in seiner älteren Rechtsprechung bei der Beitragsberechnung entscheidend darauf abgehoben, daß dem Versicherten das Entgelt zusteht; für die Beitragsschuld des Arbeitgebers sollte der Anspruch des Versicherten auf Arbeitsentgelt maßgebend sein (vgl SozR Nr 1 zu § 393 RVO = Breith. 1961, 792; BSGE 16, 91, 96, 97 = SozR Nr 6 zu § 160 RVO). Diese Rechtsprechung hat der 3. Senat des BSG jedoch ausdrücklich aufgegeben (BSGE 22, 106, 108 = SozR Nr 12 zu § 160 RVO; 22, 162, 168 = SozR Nr 16 aaO). Der Gemeinsame Erlaß (Abschnitt 1) stellt aus Vereinfachungsgründen für die Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung grundsätzlich auf den Betrag ab, nach dem die Lohnsteuer berechnet wird (vgl BSGE 22, 157, 160 = SozR Nr 13 zu § 160 RVO). Lohnsteuerpflicht und Beitragspflicht laufen parallel (BSGE 22, 162, 166, 167 = SozR Nr 16 zu § 160 RVO). Nach Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung konnte der 3. Senat des BSG mit Recht hervorheben, daß es diese nach Wortlaut und Zweck des Gemeinsamen Erlasses gebotene Auslegung den Einzugsstellen ermögliche, die Beitragsentrichtung unter Verzicht auf schwierige Nachforschungen, welcher Lohn in Wirklichkeit geschuldet ist, auf einfache Weise anhand der Lohnzahlungsunterlagen zu überprüfen (BSGE 22, 106, 108 = SozR Nr 12 zu § 160 RVO).

Allerdings läßt die Rechtsprechung des BSG von diesem einfachen und praktikablen Berechnungsansatz des Gemeinsamen Erlasses, der sich am tatsächlich zugeflossenen Entgelt orientiert, zwei Ausnahmen zu: Die erste Ausnahme betrifft den Fall, in dem der Arbeitgeber geschuldeten Lohn, also Lohn auf Grund eines von vornherein bestehenden Rechtsanspruchs, verspätet zahlt, sei es auf Grund einer geläuterten Rechtsauffassung, sei es, weil er seiner Zahlungspflicht bei Fälligkeit nicht entsprechen konnte (BSGE 22, 162, 167f. = SozR Nr 16 zu § 160 RVO). Den damit verbundenen - an sich auf Grund der gewandelten Rechtsprechung aufgegebenen - Rückgriff auf den der Lohnzahlung zugrunde liegenden Rechtsanspruch und die darauf beruhende Verteilung des verspätet gezahlten Lohns auf die zurückliegenden Lohnzahlungsperioden erachtet das BSG deshalb für gerechtfertigt, weil sonst der Arbeitgeber mit der Auszahlung geschuldeten Lohns manipulieren könnte, um sich ungerechtfertigt Vorteile bei der Beitragsentrichtung zu verschaffen, und die betroffenen Arbeitnehmer in ihren versicherungsrechtlichen Ansprüchen durch die verspätete Lohnzahlung benachteiligt werden könnten. Durch diese Handhabung wird erreicht, daß die Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten sind, die bei rechtmäßiger und pünktlicher Lohnzahlung zu entrichten gewesen waren (aaO, 168). Die andere von der Rechtsprechung des BSG zugelassene Ausnahme betrifft folgenden Sonderfall: Bei Stücklohnarbeiten wurde ein Teil des Entgelts (Akkordspitze) erst in einer späteren Lohnperiode ausgezahlt; im übrigen wurden Abschlagszahlungen geleistet (BSG SozR Nr 6 zu § 385 RVO). Auch in diesem zweiten Fall hat das BSG es für geboten erachtet, den erst später ausgezahlten Teil des Lohnes (Akkordspitze) nicht dem Zeitraum der Auszahlung zuzurechnen, sondern dem Zeitraum, in dem er erarbeitet wurde. Den tragenden Grund hierfür hat das BSG darin erblickt, daß auf diese Weise vermieden wird, versicherungsrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer durch die verspätete Lohnzahlung zu verkürzen. Die vom dortigen Arbeitgeber geübte Beitragsberechnung hatte nämlich häufig zur Folge, daß in den Lohnperioden, in denen Stücklohnarbeiten endgültig abgerechnet wurden, die Beitragsbemessungsgrenzen überschritten wurden.

Die Beklagte möchte vornehmlich die letztgenannte Ausnahmerechtsprechung auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen wissen. Dem ist nicht zu folgen. Diese von der Rechtsprechung des BSG zugelassene Ausnahme von der grundsätzlichen Regelung des Gemeinsamen Erlasses - wie das Wort "grundsätzlich" in Abschnitt 1 des Gemeinsamen Erlasses zeigt, sind Ausnahmen zugelassen - ist erkennbar auf folgenden Grundgedanken zurückzuführen: Führen die jeweiligen Abrechnungsverfahren zu erheblichen Schwankungen von Zahlungs- zu Zahlungsperiode und führen diese Schwankungen im Sozialversicherungsrecht zu krassen Nachteilen zu Lasten des Versicherten, so kann von der grundsätzlichen Regelung des ersten Abschnitts des Gemeinsamen Erlasses abgegangen werden. Während gewisse Lohnverschiebungen, die sich aus tarifvertraglichen (oder einzelvertraglichen) Abrechnungsvereinbarungen ergeben, im allgemeinen kein Anlaß sind, die dem Gemeinsamen Erlaß folgende Beitragsentrichtung durch den Arbeitgeber zu beanstanden - sonst wäre die mit dem Gemeinsamen Erlaß erstrebte wesentliche Verwaltungsvereinfachung hinfällig -, drängt sich eine Ausnahmebehandlung auf, wenn die dadurch ermittelten Lohnschwankungen krasse sozialversicherungsrechtliche Nachteile für den einzelnen Versicherten nach sich ziehen. Derartige Folgen des Abrechnungsverfahrens sind bei dem von der Beklagten in den Vordergrund ihrer Argumentation gerückten Vergleichsfall, der Abrechnung von Abschlags- und Spitzenakkordzahlungen (SozR Nr 6 zu § 385 RVO), eingetreten, weil in den Lohnperioden, in denen Stücklohnarbeiten abgerechnet wurden, die Beitragsbemessungsgrenzen überschritten wurden. Derartige krasse Folgen sind hier nicht ersichtlich; sie werden auch nicht in der Revisionsinstanz behauptet. Die Beklagte als Einzugsstelle muß sich also einschränkungslos an die tatsächlichen Lohnzahlungen halten, zumal sich diese an bindenden tarifvertraglichen Vorschriften orientieren. Sie ist entgegen ihrer Auffassung nicht gehalten, den Rechtsgrund der einzelnen Lohnzahlungen zu überprüfen. Da die von der Klägerin gezahlten Monatslöhne, jeweils in der Höhe, in der sie den beigeladenen Arbeitnehmern tatsächlich zugeflossen waren, lohnsteuerpflichtig waren, waren auch von diesen Lohnbeträgen die Sozialversicherungsbeiträge zu berechnen und von der Klägerin zu entrichten. Dies ist geschehen. Die Beklagte hat keinen weiteren Beitragsanspruch gegen die Klägerin.

Soweit das LSG auf die Widerklagen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) festgestellt hat, daß die Klägerin verpflichtet ist, bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge die an die Arbeitnehmer gezahlten Überstundenvergütungen und Schmutzzulagen dem Regellohn des Monats zuzuschlagen, in dem die zugrunde liegende Arbeitsleistung erbracht wurde, fehlt dieser Feststellung nach dem oben Gesagten die Rechtsgrundlage. Die Widerklagen sind daher antragsgemäß abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193 Abs 1, 194 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654401

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