Entscheidungsstichwort (Thema)

Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels. Richtige Anberaumung eines Termins zur Beweisaufnahme

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) beruhen kann, ist in der Begründung der Beschwerde der Verfahrensmangel zu bezeichnen. Hierzu sind – wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision – die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert so darzutun, dass das Revisionsgericht allein anhand der Beschwerdebegründung sich ein Urteil darüber zu bilden vermag, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (st.Rspr.; vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 14; SozR 3-1500 § 160a Nr. 4 und 32).

2. Die fehlende Benachrichtigung eines Beteiligten über eine beabsichtigte Beweiserhebung kann zwar einen Verfahrensmangel darstellen, dieser wird jedoch geheilt, wenn der anwesende Beteiligte im mündlichen Termin der Beweisaufnahme nicht widerspricht.

3. Bei der Frage, ob das LSG die Grundsätze der objektiven Beweislast verkannt oder unrichtig angewandt hat, handelt es sich nicht um einen wesentlichen Mangel des Verfahrens, sondern um eine Frage der Verletzung materiellen Rechts.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3, §§ 111, 106 Abs. 3 Nr. 4, § 155 Abs. 1, §§ 112, 118

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.10.2002; Aktenzeichen L 5 AL 225/00)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2002 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat die behaupteten Verfahrensmängel nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entsprechend bezeichnet.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), ist in der Begründung der Beschwerde der Verfahrensmangel zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hierzu sind – wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision – die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert so darzutun, dass das Revisionsgericht allein anhand der Beschwerdebegründung sich ein Urteil darüber zu bilden vermag, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14; SozR 3-1500 § 160a Nr 4 und 32). Der Beschwerdebegründung ist schlüssiges Vorbringen für ein den Revisionsrechtszug eröffnenden Verfahrensmangel nicht zu entnehmen.

1.1 Das Vorbringen, es liege ein Verfahrensverstoß nach § 111 SGG vor, weil der Beschluss vom 27. Dezember 2000, mit dem ursprünglich ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme für den 23. Januar 2001 anberaumt werden sollte, nicht erkennen lässt, ob der Beschluss vom Senatsvorsitzenden oder vom Berichterstatter erlassen wurde, enthält schon deshalb nicht die substantiierte Rüge eines Verfahrensmangels, weil dieser Termin nicht stattgefunden hat. Ebenfalls nicht die schlüssige Bezeichnung eines Verfahrensmangels liegt in dem weiteren Vorbringen, der Beschluss des Vorsitzenden vom 15. Januar 2001 habe die Ladung der Zeugin nicht vorgesehen und die Ladung der Zeugin sei deshalb entgegen § 111 Abs 2 SGG nicht bekannt gegeben worden. Die Beschwerdebegründung führt insoweit nicht aus, warum für die Beteiligten nicht ersichtlich gewesen sein sollte, dass es sich nicht bei der zweiten Verfügung um eine Verlegung des bereits anberaumten Termins mit der vorgesehenen Zeugenvernehmung gehandelt haben soll. Im Übrigen hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden, dass die fehlende Benachrichtigung eines Beteiligten über eine beabsichtigte Beweiserhebung zwar einen Verfahrensmangel darstellen kann, dieser jedoch geheilt wird, wenn der anwesende Beteiligte im mündlichen Termin der Beweisaufnahme nicht widerspricht (BSG, Urteil vom 22. April 1998 – B 9 V 23/97 R –).

1.2 Auch die Rüge, es liege ein Verfahrensverstoß vor, weil nach § 118 SGG iVm § 359 Zivilprozessordnung (ZPO) zur Beweisaufnahme ein formeller Beweisbeschluss notwendig werde, wenn ein besonderes Verfahren notwendig sei, enthält nicht die schlüssige Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Dies gilt auch für das weitere Vorbringen, es sei nicht einmal eine prozessleitende Beweisanordnung als Mindestvoraussetzung ergangen. Insoweit übersieht die Beschwerde, dass es zur Beweiserhebung durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter nach §§ 106 Abs 3 Nr 4, 155 Abs 1 SGG eines Beweisbeschlusses durch das Gericht nicht bedarf (vgl nur Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl 2002, III Kap RdNr 37).

1.3 Mit der Rüge, es liege ein Verfahrensverstoß nach §§ 112, 118 SGG iVm § 370 ZPO vor, weil der Termin einschließlich der Beweisaufnahme vom Berichterstatter durchgeführt worden sei, wird den Begründungserfordernissen des § 160 Abs 2 Satz 3 SGG nicht Genüge getan. Auch insoweit wird nicht dargelegt, warum für den rechtskundig vertretenen Kläger nicht ohne weiteres ersichtlich gewesen ist, dass lediglich der ursprüngliche Termin zur Erörterung und Beweisaufnahme verschoben werden sollte. Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung des BSG, dass sogar die Rüge einer fehlerhaften Besetzung des Gerichts sich auf die letzte mündliche Verhandlung bzw im schriftlichen Verfahren auf die dem Urteil zu Grunde liegende letzte Beratung beziehen muss (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 5).

2. Die Beschwerde macht geltend, es liege ein Verfahrensverstoß vor, weil das LSG die materielle Beweislast nicht berücksichtigt habe. Es gelte der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Umstände trage, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründeten. Nachdem die Beklagte die Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht habe beweisen können und auch die Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts erschöpft gewesen seien, habe die Beklagte die Folgen zu tragen. Mit diesen Ausführungen wird verkannt, dass es sich bei der Frage, ob das LSG die Grundsätze der objektiven Beweislast verkannt oder unrichtig angewandt hat, nicht um einen wesentlichen Mangel des Verfahrens, sondern um eine Frage der Verletzung materiellen Rechts handelt (BSG SozR 1500 § 161 Nr 26; BSG, Beschluss vom 23. September 1992 – 1 BK 28/92 –). Selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen würde, er wolle die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen, so wird jedenfalls nicht ausgeführt, welche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sich im Zusammenhang mit der objektiven Beweislast im vorliegenden Verfahren stellen könnten.

3. Das Vorbringen der Beschwerdebegründung, es liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 62 SGG vor, weil das LSG nicht auf die vom Kläger vorgelegten Reparaturrechnungen und auf den Vortrag hinsichtlich der im ersten Halbjahr des Jahres 1994 erwirtschafteten Provisionen eingegangen sei, enthält ebenfalls nicht die schlüssige Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein Gericht nicht vorab Hinweise auf eine mögliche Beweiswürdigung zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten geben muss (ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 13; Beschluss vom 12. Februar 2002 – B 11 AL 249/01 B –). Soweit sich die Beschwerde wiederholt im Sinne einer anderweitigen Würdigung der Gesamtumstände unter Einbeziehung der von ihr für erheblich gehaltenen Umstände äußert, verkennt sie, dass ein Verfahrensmangel nicht auf einer Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

Die unzulässige Beschwerde ist somit zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176619

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