Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung

 

Orientierungssatz

Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache iS von § 160a Abs 2 S 3 SGG ist erforderlich, daß der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere die Schritte darstellt, die die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfragen notwendig machen (vgl BSG vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 = SozR 1500 § 160a Nr 31).

Es ist nicht Aufgabe der Revisionsinstanz, aus einer Vielzahl aufgeworfener und als grundsätzlich bezeichneter Rechtsfragen diejenige herauszufinden, über die im Revisionsverfahren notwendigerweise zu entscheiden wäre.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 11.03.1993; Aktenzeichen L 9 Ar 154/92)

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem diese die Bewilligung von Zuschüssen zur Durchführung einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) für die Zeit vom 18. Februar 1989 bis 17. Februar 1990 mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen und eine Rückforderung in Höhe von 45.505,00 DM geltend gemacht hat.

Mit Bescheid vom 13. März 1989 bewilligte die Beklagte unter Abänderung früherer Bescheide auf einen Verlängerungsantrag der Klägerin die Förderung der ABM "Erstellung eines Umweltatlasses und Biotopkatasters" über den ursprünglichen Bewilligungszeitraum von zwei Jahren hinaus für ein weiteres Jahr, beginnend ab 18. Februar 1989. In dieser Maßnahme war bei der Klägerin bereits der Arbeitnehmer Martin M. tätig. Der Bescheid enthielt folgenden Zusatz: "Nach Ablauf der Förderungsfrist ist ein zusätzlicher Dauerarbeitsplatz einzurichten, der mit den geförderten Arbeiten im Zusammenhang stehen muß. Der in der Maßnahme beschäftigte Arbeitnehmer Martin M. ist nach Ablauf der Zuweisungsdauer in ein unbefristetes und nicht nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gefördertes Dauerarbeitsverhältnis zu übernehmen."

Mit weiterem Bescheid vom 15. März 1989 wurde die Verlängerung der Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers bis 17. Februar 1990 unter nachstehender Maßgabe verfügt: "Die Verlängerung der Zuweisung (über zwei Jahre hinaus) erfolgt unter der Bedingung, daß Sie bzw der von Ihnen beauftragte Unternehmer den (die) Arbeitnehmer(in) im Anschluß an die Maßnahme in ein Dauerarbeitsverhältnis übernehmen. Wird diese Bedingung für eine Verlängerung nicht eingehalten, ist der für den/die Arbeitnehmer gezahlte Förderungsbetrag für diesen Zeitraum zu erstatten."

Nach Beendigung der ABM wurde der Arbeitnehmer M. von der Klägerin als Umweltschutzbeauftragter in ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis mit sechsmonatiger Probezeit übernommen; zum 31. August 1990 wurde dem Arbeitnehmer mit der Begründung gekündigt, er sei für die auszuführenden Arbeiten nicht geeignet.

Die Beklagte widerrief daraufhin gemäß § 151 AFG die Bewilligung von Zuschüssen für die Zeit vom 18. Februar 1989 bis 17. Februar 1990 und forderte die gezahlten Zuschüsse in Höhe von 45.505,00 DM von der Klägerin zurück (Bescheid vom 26. November 1990; Widerspruchsbescheid vom 21. August 1991). Während die Klage erstinstanzlich Erfolg hatte, hat das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung der Beklagten die Klage unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts abgewiesen (Urteil vom 11. März 1993). Die Entscheidung ist im wesentlichen damit begründet, daß die Beklagte die Bewilligung von Zuschüssen zu Recht widerrufen und die Zuschüsse zurückverlangt habe, weil der Bewilligungsbescheid mit der Bedingung verbunden gewesen sei, den Arbeitnehmer in ein Dauerarbeitsverhältnis zu übernehmen. Dies sei nicht geschehen; die Stelle des Umweltschutzbeauftragten habe nicht mehr im erforderlichen Zusammenhang mit dem Aufgabenbereich während der ABM gestanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die Klägerin das zweitinstanzliche Urteil angreift, ist unzulässig. Die Klägerin hat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), auf den sie sich allein beruft, nicht in der erforderlichen Weise aufgezeigt.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, muß diese in der Begründung dargelegt werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder -fortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es muß daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angegeben werden, welche Rechtsfragen sich stellen, daß diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb ihre Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und daß das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65; Hennig/Danckwerts/König, SGG, Stand März 1993, § 160 Anm 7 und § 160a Anm 7.7; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 106 ff; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX. Kap RdNrn 180 ff; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 160a RdNr 14). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.

Die Klägerin hält nachstehende Gesichtspunkte für grundsätzlich bedeutsam:

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ob die Inhalte der ABMAnO der Beklagten auch dann Grundlage bzw Inhalt der Zuschußbewilligung würden, wenn eine Bezugnahme auf die ABMAnO im Bewilligungsbescheid fehle und dem Zuschußempfänger die Inhalte dieser Anordnung nicht mitgeteilt worden seien,

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ob bzw in welchem Ausmaß eine Deckungsgleichheit zwischen dem geforderten Dauerarbeitsverhältnis und der Aufgabenstellung im Rahmen der ABM bestehen müsse und ob die Nichterreichung dieses Ausmaßes eine Rückforderung der Zuwendung rechtfertige,

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ob die Vereinbarung einer Probezeit im Anschluß an eine ABM auch dann mit der Vorgabe der Einrichtung eines unbefristeten Dauerarbeitsplatzes in Einklang zu bringen sei, wenn die Arbeitsinhalte der neu eingerichteten Stellen notwendigerweise von der Aufgabenstellung der geförderten ABM erheblich abwichen,

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ob die Besetzung des neu eingerichteten Dauerarbeitsplatzes mit einer anderen Kraft, die ebenfalls dem Arbeitsmarkt arbeitssuchend zur Verfügung gestanden habe, dem Förderungszweck der ABM zuschußschädlich entgegenstehe.

Zweifelhaft ist schon, ob und inwieweit die Klägerin mit diesem Vorbringen konkrete Rechtsfragen klar bezeichnet hat, über die im Revisionsverfahren zu entscheiden wäre (vgl zu dieser Voraussetzung: BVerwG Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 62; BSG, Beschluß vom 18. April 1983 - 6 BK 18/82 - <unveröffentlicht>; Kummer, aaO, RdNr 108; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, RdNr 62). In der vorliegenden Form gibt die Beschwerde wegen der Differenziertheit der Fragen uU nur eine allgemeine Kritik und Zweifel an der Richtigkeit der zweitinstanzlichen Entscheidung wieder; Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist demgegenüber nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Indes bedarf es insoweit keiner Entscheidung.

Es fehlt nämlich völlig am Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen. Dafür ist unter Auswertung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Problemkreis vorzutragen, daß das BSG entweder noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch schon vorliegende Urteile die aufgeworfenen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung abstrakt noch nicht beantwortet sind (BSG SozR 1500 § 160a Nr 65; Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 183). Die Beschwerdebegründung enthält nicht einmal die Behauptung, die bezeichneten Rechtsfragen seien höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Schließlich fehlt es am Vortrag zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BFHE 105, 335, 336; Kummer, aaO, RdNr 128). Über die betreffenden Fragen müßte das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden können (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 39 und 53 und § 160a Nr 31; BVerwG Buchholz 310 § 75 VwGO Nr 11; BFHE 96, 41, 44). Erforderlich ist deshalb, daß der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere die Schritte darstellt, die die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfragen notwendig machen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31; BSG, Beschluß vom 23. Februar 1993 - 7/9b BAr 22/92 - <unveröffentlicht>). Es ist nämlich nicht Aufgabe der Revisionsinstanz, aus einer Vielzahl aufgeworfener und als grundsätzlich bezeichneter Rechtsfragen diejenige herauszufinden, über die im Revisionsverfahren notwendigerweise zu entscheiden wäre. Diese Aufgabe ist vielmehr der Beschwerdebegründung übertragen worden, in der nach dem Willen des Gesetzgebers nicht etwa nur eine grundsätzliche Rechtsfrage zu bezeichnen ist, sondern die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden muß (BSG aaO). Dies gilt vorliegend in besonderer Weise, weil zwei im Wortlaut verschiedene Bescheide über die Verlängerung der ABM mit uU unterschiedlichen Rechtsfolgen für deren Widerruf ergangen sind. Darüber hinaus hätte es des Vortrags bedurft, daß der angefochtene Bescheid idF des Widerspruchsbescheides nicht bereits aus anderen Gründen - etwa mangels ordnungsgemäßer Ausübung des Ermessens durch die Beklagte - aufzuheben wäre.

Fehlt es der Beschwerdebegründung somit bereits an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Rechtsfragen, so bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, ob die Klägerin die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen aufgezeigt hat (vgl hierzu: BVerwG Buchholz 235.16 § 5 LBesG Nr 1 und 430.0 § 40 BSHG Nr 9; BAG AP Nr 31 zu § 72a ArbGG 1979), was ebenfalls mehr als zweifelhaft ist, und ob die Voraussetzungen des § 71 Abs 3 SGG (Handeln des gesetzlichen Vertreters bzw des besonders Beauftragten für die Behörde) iVm § 166 Abs 1 SGG erfüllt sind.

Die Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1667990

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