Entscheidungsstichwort (Thema)

Behördenvertretung im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Orientierungssatz

Lassen sich juristische Personen des öffentlichen Rechts gemäß § 71 Abs 3 SGG durch eigene Beamte oder Angestellte vertreten, so bedarf es für die Wirksamkeit der Prozeßhandlungen keiner Vollmacht. Es ist auch unerheblich, ob der für die juristische Person des öffentlichen Rechts Handelnde ausdrücklich "in Vertretung" oder "im Auftrag" auftritt oder ob er bei schriftlichen Erklärungen seiner Unterschrift entsprechende Zusätze hinzufügt oder nicht (vgl BVerwG vom 16.3.1993 - 4 B 253/92 = Buchholz 310 § 67 VwGO Nr 80 und BVerwG vom 26.3.1993 - 4 NB 45/92 = Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr 63).

 

Normenkette

SGG § 71 Abs 3

 

Verfahrensgang

LSG Sachsen-Anhalt (Entscheidung vom 22.09.1993; Aktenzeichen L 2 (1) Eg 73/92)

SG Dessau (Entscheidung vom 30.09.1992; Aktenzeichen S 3b Eg 1/92)

 

Gründe

Die Klägerin begehrt wegen der Geburt eines Kindes am 25. Juni 1991 noch für den Zeitraum vom 26. Januar bis 24. Dezember 1992 Erziehungsgeld (Erzg). Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben, weil die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 2 Abs 3 Bundeserziehungsgeldgesetz - Erzg während des Bezugs von Arbeitslosengeld - vorlägen. Während des zweitinstanzlichen Verfahrens haben die Beteiligten einen Vergleich unter Widerrufsvorbehalt geschlossen, nach dem der Klägerin Erzg bis zum 24. September 1992 zu zahlen gewesen wäre. Den nachfolgenden Widerruf dieses Vergleichs durch den Beklagten hat die Klägerin bereits gegenüber dem Landessozialgericht (LSG) als unwirksam angesehen, weil der Unterzeichner des entsprechenden Schriftsatzes nicht vertretungsberechtigt gewesen sei. Das LSG hat in seinem der Berufung des Beklagten stattgebenden Urteil vom 22. September 1993 zur Wirksamkeit des Widerrufs des Vergleichs nicht Stellung genommen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist nicht in der durch § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten gesetzlichen Form begründet worden. Sie ist deshalb entsprechend § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Klägerin weist zwar auf Zulassungsgründe hin, die in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt sind. Sie behauptet, das angegriffene Urteil sei verfahrensfehlerhaft iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zustandegekommen. Die von ihr gerügte fehlende Überprüfung eines Nachweises einer wirksamen Vollmacht des Behördenvertreters zur Abgabe von Prozeßerklärungen durch das LSG stellt jedoch keinen Verfahrensfehler iS dieser Vorschrift dar. Soweit die Klägerin damit geltend macht, das LSG habe aufgrund einer rechtlich falschen Beurteilung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine von einem vollmachtlosen Vertreter abgegebene Prozeßerklärung dem Beklagten zugerechnet, enthält ihr Vorbringen die Rüge, das LSG habe nicht in der Sache entscheiden dürfen, sondern wegen der fortbestehenden Wirksamkeit des Vergleichs ein Prozeßurteil erlassen müssen. Zwar kann ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG auch darin liegen, daß das LSG anstelle eines Prozeßurteils ein Sachurteil erläßt (BSG SozR Nr 191 zu § 162 SGG); gleichwohl ist die Verfahrensrüge hier nicht formgerecht. Denn die nach § 160a Abs 2 S 3 SGG notwendige Bezeichnung eines Verfahrensfehlers setzt voraus, daß dieser zumindest nach dem Vortrag des Beschwerdeführers vorliegen kann. Wird vom Beschwerdeführer ein Verhalten der Vorinstanz als fehlerhaft angesehen, das unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Verfahrensmangel sein kann, fehlt es schon an der Bezeichnung eines Verfahrensfehlers (BSG Breithaupt 1991, 610; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, Rdnr 190).

Aus der von der Klägerin gerügten fehlenden Überprüfung einer wirksamen Vollmacht des für den Beklagten handelnden Vertreters kann ein Verfahrensfehler schon deshalb nicht hergeleitet werden, weil es zur wirksamen Vertretung des Beklagten der Vorlage einer Vollmacht nicht bedurfte. Lassen sich juristische Personen des öffentlichen Rechts gemäß § 71 Abs 3 SGG durch eigene Beamte oder Angestellte vertreten, so bedarf es für die Wirksamkeit der Prozeßhandlungen keiner Vollmacht. Es ist auch unerheblich, ob der für die juristische Person des öffentlichen Rechts Handelnde ausdrücklich "in Vertretung" oder "im Auftrag" auftritt oder ob er bei schriftlichen Erklärungen seiner Unterschrift entsprechende Zusätze hinzufügt oder nicht (BVerwG NVwZ 1994, 266 = Buchholz 310 § 67 VwGO Nr 80 und BVerwG NVwZ-RR 1993, 598 = Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr 63).

Die Klägerin hat zudem nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise schlüssig dargelegt, daß das angegriffene Urteil auf dem von ihr gerügten Verfahrensfehler beruht. Der Beschwerde fehlte es danach an der gesetzlichen Form iS des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1668123

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