Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 22.11.1994; Aktenzeichen L 6 Ka 41/93)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. November 1994 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat der Beklagten deren Aufwendungen für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet.

Soweit die Beschwerde geltend macht, das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) weiche von der Entscheidung des Senats vom 16. Januar 1991 – 6 RKa 12/90 – (BSGE 68, 102 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 1) ab (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), ist die Divergenz nicht hinreichend bezeichnet (§ 160 a Abs. 2 Satz 3 SGG). Eine Abweichung i.S. der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht und diese zu der in einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts niedergelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. In der Beschwerdebegründung muß deshalb dargelegt werden, mit welcher konkreten Rechtsaussage das LSG von welchem näher bezeichneten Rechtssatz der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist. Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen der Klägerin nicht. Sie benennt keinen abstrakten Rechtssatz, den das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat und der vom Senat daraufhin geprüft werden könnte, ob er zu den Rechtsausführungen im Urteil vom 16. Januar 1991 in Widerspruch steht. Die These der Klägerin, das LSG habe aus den Darlegungen des Senats hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Material- und Laborkosten im Rahmen der Versorgung mit Zahnersatz für die hier entscheidungserhebliche Frage der Erstattung der Kosten für Abformmaterial bei der Behandlung von Parodontose und Kieferbruch nicht die gebotenen Schlußfolgerungen gezogen, macht die behauptete Divergenz nicht deutlich. Damit wird allenfalls dargetan, das LSG habe die einschlägige Rechtsprechung des Senats nicht hinreichend beachtet, also in der Sache falsch entschieden. Die unrichtige oder unterbliebene Anwendung eines vom Revisionsgericht entwickelten und im angefochtenen Urteil nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall bedeutet aber noch keine Abweichung i.S. der Zulassungsvorschriften (BVerwG Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 260).

Soweit sich die Beschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft, ist sie zulässig, aber unbegründet.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage einerseits klärungsbedürftig und andererseits klärungsfähig ist. Klärungsfähig ist sie, wenn sie im konkreten Falle entscheidungserheblich ist und damit nach Zulassung der Revision vom Revisionsgericht zu entscheiden wäre. Nicht klärungsfähig in einem Revisionsverfahren sind Rechtsfragen des irrevisiblen Rechts, wie sich aus § 162 SGG ergibt. Dieser Gesichtspunkt steht der Zulassung der Revision entgegen, weil das Urteil des LSG im wesentlichen auf der Auslegung der zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergütungsvereinbarungen bzw der sie ersetzenden Entscheidungen des Schiedsamtes beruht, die weder Bundesrecht sind noch Normen darstellen, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Schleswig-Holsteinischen LSG hinaus erstreckt (§ 162 SGG).

Das LSG hat entschieden, daß der geltend gemachte Zahlungsanspruch der Klägerin nicht zusteht, weil die Kosten für das Abformmaterial bei der Behandlung von Parodontose und Kieferbruch im streitigen Zeitraum aufgrund vertraglicher Vereinbarungen der Beteiligten durch einen Zuschlag zum vereinbarten Punktwert bzw durch den Punktwert allein abgegolten worden sind. Rechtsgrundlage für die verschiedenen „Punktwertvereinbarungen zur Errechnung der Gesamtvergütung” war ursprünglich § 368 f Abs. 2 Satz 1 RVO und war im streitigen Zeitraum 1991 § 85 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) i.d.F. des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1988. Die kassen- bzw vertragszahnärztliche Gesamtvergütung wurde und wird auf Landesebene zwischen Krankenkassen und Kassenzahnärztlicher Vereinigung vereinbart, und die Festlegung des Punktwertes ist ein zentraler Bestandteil der gesamtvertraglichen Regelungen über die Entrichtung der Gesamtvergütung. Die Punktwertvereinbarungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung mit den Verbänden der Krankenkassen bzw mit den Krankenkassen stellen kein Bundesrecht dar, und ihr Geltungsbereich erstreckt sich nicht über den Bezirk des LSG Schleswig-Holstein hinaus. Für den vom Landesschiedsamt auf der Grundlage des § 89 Abs. 1 SGB V festgesetzten Inhalt eines nicht durch freie Vereinbarung zustande gekommenen Vertrages über die kassen- bzw vertragszahnärztliche Versorgung gilt hinsichtlich der Rechtsqualität i.S. des § 162 SGG nichts anderes, als für die Vereinbarung gelten würde, die durch den Schiedsamtsspruch ersetzt worden ist. Auch die Auslegung der Schiedssprüche vom 27. März 1990 und 11. Juni 1991 durch das LSG kann der Senat grundsätzlich nicht überprüfen.

Einer Klärung im Revisionsverfahren zugänglich könnte allenfalls die Frage sein, ob – wie das LSG offenbar angenommen hat – die Partner der Gesamtverträge „etwas anderes” i.S. von Nr. 4 Satz 2 der Allgemeinen Bestimmungen zum Bewertungsmaßstab für kassenzahnärztliche Leistungen (Bema) bestimmen können. Diese Rechtsfrage wäre indessen in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, weil die gesamtvertraglichen Punktwertvereinbarungen nach der für den Senat bindenden Auslegung durch das LSG gerade nicht normiert haben, daß die Kosten für das Abformmaterial bei Parodontose- und Kieferbruchbehandlung entgegen Nr. 4 Satz 2 der Allgemeinen Bestimmungen zum Bema in den abrechnungsfähigen Leistungsansätzen enthalten sein sollen. Die Partner der Punktwertvereinbarungen haben an der Abrechnungsfähigkeit der Kosten für das Abformmaterial, wie sie sich aus Nr. 4 Satz 2 der Allgemeinen Bestimmungen zum Bema ergibt, nichts geändert, sondern sie haben lediglich Umfang und Form der Vergütung der dem Zahnarzt insoweit entstehenden Aufwendungen geregelt. Daß sie sich einer langen, in die sechziger Jahre zurückreichenden Tradition folgend vor allem unter Praktikabilitätsgesichtspunkten für eine Abgeltung der entsprechenden Aufwendungen durch einen Punktwertzuschlag bzw durch den Punktwert selbst entschlossen haben, stellt keine „andere Bestimmung” i.S. von Nr. 4 Satz 2 der Allgemeinen Bestimmungen zum Bema dar und steht nicht im Widerspruch zu den bundesrechtlichen Vorgaben in § 85 Abs. 2 SGB V.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1508617

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