Verfahrensgang

SG Dresden (Entscheidung vom 02.07.2018; Aktenzeichen S 24 R 918/16)

Sächsisches LSG (Urteil vom 06.11.2019; Aktenzeichen L 6 R 448/18)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 6. November 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Mit Urteil vom 6.11.2019 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf eine Abweichung des angegriffenen Urteils von der Rechtsprechung des BSG (Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).

II

Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

1. In seiner Beschwerdebegründung vom 11.2.2020 beruft sich der Kläger zunächst auf eine Abweichung des angegriffenen Urteils von dem Urteil des BSG vom 19.8.1997 (13 RJ 55/96 - SozSich 1998, 112). Der damit geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz wird jedoch nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG folgenden Anforderungen genügend dargelegt.

Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit dem Vortrag, das LSG habe die Zurückweisung der Berufung ua damit begründet, "dass eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nach der Rechtsprechung des BSG im vorliegenden Fall nicht gegeben sei und damit eine Benennungspflicht für eine konkrete Verweisungstätigkeit für die Beklagte nicht bestanden hätte", einen hinreichend konkreten Rechtssatz des LSG benannt hat. Zugleich kann dahinstehen, ob dieser Satz tatsächlich mit dem dem BSG (Urteil vom 19.8.1997 - 13 RJ 55/96 - SozSich 1998, 112) zugeschriebenen Rechtssatz unvereinbar ist, wonach "auch eine größere Summierung 'gewöhnlicher' Leistungseinschränkungen zur Benennungspflicht führen" kann. Jedenfalls versäumt er es, die nachfolgende Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob dies noch eine "fortbestehende aktuelle" Aussage ist. Dies wäre aber schon aufgrund des vom Kläger an anderer Stelle der Beschwerdebegründung zitierten Urteils des 5. Senats des BSG vom 9.5.2012 (B 5 R 68/11 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 18) erforderlich gewesen, nach dessen Leitsatz bei zeitlich uneingeschränkt leistungsfähigen Versicherten eine Verweisungstätigkeit unverändert nur dann zu benennen ist, wenn sich wenigstens zwei "ungewöhnliche" Leistungseinschränkungen "summieren".

Unabhängig davon versäumt es der Kläger aber auch darzulegen, dass die Entscheidung des LSG auf der vermeintlichen Abweichung beruht. Vielmehr trägt er selbst vor, das LSG habe ihn - zumindest hilfsweise - auf die Tätigkeit eines Pförtners in Verwaltungsgebäuden verwiesen, die ihm gesundheitlich noch zumutbar sei, weshalb es auf die Frage, ob eine Verweisungstätigkeit zu benennen war oder nicht, nicht ankommt. Zwar führt er gegen diese Verweisung das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.7.2018 (L 8 R 883/14) an, wonach die "Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte" im Rahmen einer veränderten Arbeitswelt isoliert nicht mehr angeboten werde. Jedoch kann der Kläger im Rahmen der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision damit nicht gehört werden. Denn gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann die Beschwerde nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 SGG, also die vom Kläger mit diesem Vorbringen gerügte fehlerhafte Beweiswürdigung des Berufungsgerichts gestützt werden.

2. Darüber hinaus genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, soweit sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - juris RdNr 6 mwN).

Es kann offenbleiben, ob mit den Ausführungen zum Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.7.2018 (L 8 R 883/14) eine diesen Darlegungsvoraussetzungen genügende abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert wird (vgl allgemein BSG Beschluss vom 24.10.2018 - B 13 R 239/17 B - juris RdNr 8 mwN) und ob diese zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung trotz des Urteils des BSG vom 11.12.2019 (B 13 R 7/18 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 22, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) über die vom LSG Berlin-Brandenburg zugelassene Revision noch klärungsbedürftig war. Jedenfalls fehlt es aber in Bezug auf die "Rechtsfrage der Benennungspflicht im Falle der Summierung nur 'gewöhnlicher' Leistungseinschränkungen" an der Darlegung der Klärungsfähigkeit. Anders als erforderlich lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, wieso diese Frage im Rahmen der angestrebten Revision entscheidungserheblich sein könnte, obwohl der Kläger - wie bereits ausgeführt - nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG auf die Tätigkeit eines Pförtners in Verwaltungsgebäuden verwiesen werden kann. Mit seinen hiergegen gerichteten Einwänden kann der Kläger - wie ebenfalls schon ausgeführt - im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gehört werden. Im Übrigen gilt, dass die Einschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG auch nicht durch die Berufung auf vermeintliche andere Verfahrensmängel (vgl BSG Beschluss vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris RdNr 10) oder - wie am Ende der Beschwerdebegründung - die Einkleidung in eine "Rechtsfrage" umgangen werden können. Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

3. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14297493

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