Leitsatz (amtlich)

Die ungleiche Behandlung von Witwen und geschiedenen Frauen bei der Gewährung von Hinterbliebenenrenten verletzt GG Art 3 nicht; dies gilt auch für geschiedene Frauen, die anläßlich einer sogenannten konventionellen Scheidung auf Unterhalt verzichtet haben.

 

Normenkette

AVG § 42 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1265 Fassung: 1957-02-23; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. April 1975 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt Geschiedenenwitwenrente nach § 42 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) idF des Rentenreformgesetzes (RRG). Die Beklagte hat den Rentenantrag abgelehnt. Klage und Berufung waren ohne Erfolg, weil die Klägerin wegen des von ihr erklärten Unterhaltsverzichts im Zeitpunkt des Todes des Versicherten keine Unterhaltsansprüche gegen ihn haben konnte; zudem bedeute ein Unterhaltsbeitrag nach § 60 des Ehegesetzes (EheG) keine "Unterhaltsverpflichtung" im Sinne von § 42 Satz 2 AVG. Nach der Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) ist es nicht grundgesetzwidrig (willkürlich), daß das Gesetz die geschiedene Frau nach dem Tode des Versicherten nicht einer Witwe gleichstellt.

Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Mit der dagegen eingelegten Beschwerde beantragt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Sie meint, § 42 AVG beinhalte eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der geschiedenen Frau gegenüber der Witwe des Versicherten. Wenn die Witwenrente Unterhaltsersatzfunktion haben solle, dann müsse das für alle Witwen gelten; die geschiedene Witwe habe genauso wie die Witwe in ihrer Ehe zu dem beigetragen, was die Eheleute gemeinschaftlich erwirtschaftet haben.

Die Beschwerde ist zulässig; ihre Begründung bezeichnet genügend klar die zu entscheidende Rechtsfrage; es ist auch ausreichend dargetan, weshalb ihrer Klärung nach Meinung der Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Der Senat hat bereits in seinem Beschluß vom 22. August 1975 - 11 BA 8/75 - entschieden, daß eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht ausgeschlossen ist, wenn die Verfassungsmäßigkeit bzw. Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift zu klären ist.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) schon darin, daß Witwen und geschiedene Frauen überhaupt ungleich behandelt werden. Soweit bekannt, ist darüber zwar bisher weder vom Bundessozialgericht (BSG) noch vom Bundesverfassungsgericht entschieden worden. Doch geht die bisherige Rechtsprechung zu §§ 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO), 42 AVG stets davon aus, daß die ungleiche Behandlung gerechtfertigt, jedenfalls nicht willkürlich ist. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage liegt deshalb insoweit nicht vor.

Nichts anderes kann gelten, soweit die Klägerin im besonderen den Witwen geschiedene Frauen gegenüberstellt, die anläßlich einer sogenannten konventionellen Scheidung auf Unterhalt verzichtet haben. Die Ungleichbehandlung ist hier um so weniger willkürlich, da diese geschiedenen Frauen beim Tode des Versicherten nicht einmal einen Unterhaltsanspruch mehr gehabt und auch haben konnten. Insoweit fehlt es ebenfalls an einer Klärungsbedürftigkeit, weil die Antwort auf diese spezielle Frage von vornherein klar ist (vgl. BSG, Beschluß vom 4. Juni 1975 - 11 BA 4/75).

Im übrigen hat der Senat in seinem Urteil vom 22. August 1975 - 11 RA 150/74 - entschieden, es sei unerheblich, daß die Klägerin bei Abschluß des Unterhaltsvergleichs die Einführung und spätere Änderung des § 42 Satz 2 AVG nicht voraussehen und berücksichtigen konnte; da die Lage der Klägerin durch die Gesetzesänderung jedenfalls nicht verschlechtert worden sei, bestünden auch aus Gründen der Rechtssicherheit insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Beschwerde ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647623

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