Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 14.07.1999; Aktenzeichen L 3 AL 1544/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juli 1999 – L 3 AL 1544/96 – wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Rechtsstreit betrifft die Rückerstattung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (einschließlich Versicherungsbeiträgen) in Höhe von 19.483,98 DM, die der frühere Mitarbeiter der Klägerin Johann Meroth vom 27. Dezember 1983 bis 31. Oktober 1984 bezogen und die Klägerin der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) erstattet hat.

Die Erstattungsbescheide vom 8. August 1984, 9. November 1984 und 11. März 1985 hat die Klägerin mit dem Widerspruch angefochten. Wegen einer seinerzeit ausstehenden Klärung der Verfassungsmäßigkeit des § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) idF vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) regte sie an, über den Widerspruch vorläufig nicht zu entscheiden. Die in den angefochtenen Bescheiden festgestellten Erstattungsbeträge zahlte sie unter Vorbehalt. Im Mai 1992 berief sich die Klägerin auf die Aufhebungsfiktion des § 239 Satz 2 AFG idF vom 21. Juni 1991 (BGBl I 1306) und teilte mit, sie sei an der vertraglichen Pauschalregelung zwischen der Bundesregierung und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände nicht beteiligt.

Die BA wies den Widerspruch gegen die Erstattungsbescheide mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 1992 zurück. Der dagegen gerichteten Klage hat das Sozialgericht (SG) nach entsprechender Anwendung des § 239 Satz 2 AFG stattgegeben. Auf die Berufung der BA hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, ist ausgeführt, die Erstattungsbescheide seien formell und materiell rechtmäßig. Anhaltspunkte für anderweitige sozialrechtliche Ansprüche des früheren Arbeitnehmers der Klägerin im Erstattungszeitraum seien nicht gegeben. Die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23. Januar 1990 (BVerfGE 81, 156 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1) erlassene Übergangsvorschrift des § 239 AFG führe nicht zu einer abweichenden Entscheidung. Entgegen der Ansicht des SG sei § 239 Satz 2 AFG nicht in Fällen der Zahlung unter Vorbehalt anzuwenden. Die differenzierenden Übergangsregelungen des § 239 AFG seien mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.

Mit der Beschwerde macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache als Zulassungsgrund geltend. Sie wirft die Rechtsfragen auf, ob (1.) eine Feststellungslast (gemeint ist: Beibringungslast) des Arbeitgebers für einen anderweitigen Anspruch des früheren Arbeitnehmers auf Sozialleistungen als unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit anzusehen sei und (2.) die unterschiedliche Behandlung von Arbeitgebern, die vollziehbaren Erstattungsbescheiden nachgekommen seien, und solchen, die Erstattungsbescheiden nicht entsprochen hätten, einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz enthalte. Für klärungsbedürftig hält sie diese Fragen im Hinblick auf weitere Rechtsstreitigkeiten zu § 128 AFG idF vom 12. Dezember 1981. Unabhängig davon seien die Rechtsfragen auch wegen § 128 AFG idF vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2044) und § 147a Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) idF vom 24. März 1999 (BGBl I 396) bedeutsam. Die Beweislastverteilung nach § 239 Satz 1 Nr 2 AFG werde von der Rechtsprechung unterstellt, obwohl ihre Verfassungsmäßigkeit im Schrifttum bezweifelt werde. Die Annahme des LSG, es lägen keine Anhaltspunkte für einen anderweitigen sozialrechtlichen Anspruch des betroffenen Arbeitnehmers vor, sei verfahrensfehlerhaft und mißachte die Entscheidung des BVerfG vom 23. Juni 1990 (BVerfGE 81, 156 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Nach dieser Entscheidung fordere Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) wirksame Vorkehrungen zum Schutz des Arbeitgebers vor unberechtigter Inanspruchnahme mit Erstattungsansprüchen der BA zu treffen. Aus diesem Grunde sei auch § 239 Satz 1 Nr 2 AFG verfassungswidrig. Grundsätzlicher Klärungsbedarf bestehe auch deshalb, weil dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Mai 1998 – B 11 AL 81/97 R – verfassungsrechtliche Darlegungen nicht zu entnehmen seien. Das LSG verkenne die Bedeutung des Art 3 Abs 1 GG für die Anwendung des § 239 Satz 2 AFG. Eine Ungleichbehandlung ergebe sich daraus, daß derjenige Arbeitgeber, der Zahlungen erbracht habe, die Rückerstattung nicht verlangen könne, während nicht zahlende Arbeitgeber durch die Aufhebungsfiktion begünstigt würden. Die vom LSG angenommenen Rechtfertigungsgründe (geringere Schutzbedürftigkeit nach Vermögensdisposition, Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für Übergangsvorschrift, Beteiligung von Arbeitgebern an Pauschalregelung) seien nicht überzeugend. Es handele sich um bloße Äußerlichkeiten technischer Fragen des Zahlungsvorgangs. Vor Erlaß des § 128c AFG idF vom 12. Dezember 1995 (BGBl I 1824) seien Erstattungsbescheide der BA nach § 128 AFG aF sofort vollziehbar gewesen. Deshalb müsse effektiver Rechtsschutz gewährleistet sein, wenn er den Erstattungsbetrag vor Eintritt der Bindungswirkung des Erstattungsbetrags zahle. Werde dieser Zusammenhang nicht beachtet, so würden mit der Differenzierung des § 239 AFG verfassungsrechtliche Wertungen in offenkundiger Weise verkannt. Die Ungleichbehandlung von Arbeitgebern, die Erstattungsbescheiden entsprochen, und solchen, die Erstattungsbeträge nicht geleistet hätten, habe Auswirkungen auf die Berufsfreiheit der Betroffenen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sei die Begünstigung einzelner, die ihren „Gemeinschaftspflichten” nicht nachkämen, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar. Auch das Urteil des BSG vom 7. Mai 1998 – B 11 AL 81/97 R – lasse Ausführungen zum Gleichheitssatz vermissen.

 

Entscheidungsgründe

II

1. Die Beschwerde ist nicht zulässig, soweit sie eine Feststellungslast für anderweitige sozialrechtliche Ansprüche früherer Arbeitnehmer als Frage der Berufsfreiheit des Arbeitgebers aufwirft. Die Beschwerdebegründung entspricht insoweit nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Nach dieser Vorschrift ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdebegründung darzulegen. Zur Darlegung grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ist auszuführen, welche Rechtsfrage sich stellt, daß sie nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht geklärt ist, weshalb ihre Klärung im allgemeinen Interesse zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich erscheint (Klärungsbedürftigkeit) und das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt (Klärungsfähigkeit). Diese Anforderungen entsprechen ständiger Rechtsprechung (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 59 und 65 mwN sowie SozR 3-1500 § 160 Nr 8; BVerwG NJW 1999, 304; vgl ferner: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nrn 6 und 7). Sie gelten auch, wenn verfassungsrechtliche Bedenken geäußert werden oder die Verfassungswidrigkeit eines Rechtssatzes geltend gemacht wird (BSGE 40, 158, 160 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23). In der Regel ist eine Rechtsfrage nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie vom Revisionsgericht bereits geklärt ist. Allerdings kommt eine Klärungsbedürftigkeit in Betracht, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13).

Die Beschwerdebegründung wirft zwar eine verfassungsrechtliche Frage zu § 239 Satz 1 AFG auf, sie stellt aber weder die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hinreichend dar, noch macht sie deutlich, inwiefern die aufgeworfene Rechtsfrage für die angestrebte Revision entscheidungserheblich ist. Zur Frage, ob eine Beibringungslast der Arbeitgeber für tatsächliche Grundlagen anderweitiger Sozialleistungsansprüche früherer Arbeitnehmer einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstelle, legt sie nicht dar – und sie kann dies auch nicht darlegen –, daß sich diese Frage im vorliegenden Verfahren stellt. Eine Beibringungslast von Arbeitgebern besteht nur unter den übrigen Voraussetzungen des § 239 Satz 1 AFG. Danach ist die Vorschrift aber nur einschlägig, wenn der Arbeitgeber Leistungen wegen Arbeitslosigkeit eines früheren Arbeitnehmers aufgrund eines bindenden Bescheids erstattet hat. Nur unter dieser Voraussetzung bestand nach der Entscheidung des BVerfG vom 23. Januar 1990 ein Regelungsbedarf durch eine Übergangsvorschrift, weil nach § 79 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, die auf einer für nichtig erklärten Norm beruhen, grundsätzlich bestehen bleiben. Gemessen an diesem Grundsatz enthält § 239 Satz 1 AFG eine Begünstigung der Betroffenen, indem er Voraussetzungen regelt, unter denen eine vollzogene bestandskräftige Entscheidung rückabgewickelt werden kann. Für die Anwendung des § 239 Satz 1 AFG ist dagegen kein Raum, wenn der Erstattungsbescheid – wie hier – mit dem Widerspruch bzw der sozialgerichtlichen Klage angefochten worden ist. In solchen Fällen ist über den Rechtsbehelf nach § 128 AFG aF unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG zu entscheiden (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 3). Das ist auch geschehen. Sowohl die BA im Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 1992 als auch das LSG im angefochtenen Urteil haben festgestellt, daß Anhaltspunkte für anderweitige sozialrechtliche Ansprüche des früheren Arbeitnehmers der Klägerin im Erstattungszeitraum vom 27. Dezember 1983 bis 31. Oktober 1984 nicht bestanden haben. Sie haben nicht den Beibringungsgrundsatz des § 239 Satz 1 AFG, sondern den Ermittlungsgrundsatz (§ 20 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren bzw § 103 SGG) herangezogen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG hat das LSG ausgeführt, eine solche (negative) Feststellung sei hier ohne weitere Ermittlungen möglich, weil nach den Umständen des Falles kein Anlaß für weitere Ermittlungen gegeben sei (BSGE 81, 259, 262 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 5; BSG Urteil vom 7. Mai 1998 – B 11 AL 81/97 R –). Es handelt sich mithin auch nicht um einen Fall der sog Feststellungslast im Sinne einer objektiven Beweislast (BSGE 6, 70, 73; vgl auch: Runderlaß der BA vom 12. März 1990, DBl 35/90). Die von der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Feststellungs- oder Beibringungslast (§ 239 Satz 1 Nr 2 AFG) stellt sich damit im vorliegenden Verfahren nicht. Schon aus diesem Grunde ist die Frage nicht geeignet, den Revisionsrechtszug zu eröffnen.

2. Der gleiche Einwand läßt sich der weiteren Frage nach der Vereinbarkeit des Anwendungsbereichs des § 239 Satz 2 AFG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht entgegenhalten. Dabei ist es unschädlich, daß sich die Beschwerdebegründung mit der Entscheidung BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 3 nicht auseinandergesetzt hat. In jener Entscheidung hat sich das BSG zwar zum Anwendungsbereich § 239 Satz 2 AFG geäußert, es hatte jedoch keinen Anlaß, zur Vereinbarkeit der Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz Stellung zu nehmen. Grundsätzliche Bedeutung macht die Beschwerde für die Frage geltend, ob aus dem positiven Gleichbehandlungsgebot, Gleiches gleich zu behandeln, die Notwendigkeit einer analogen Anwendung des § 239 Satz 2 AFG auf Fälle der Zahlung unter Vorbehalt zu begründen sei (zum Zusammenhang von Verfassungsgebot und Analogieschluß: E.A. Kramer, Juristische Methodenlehre, 1998, 30, 149). Die Begünstigung anderer kann eine Beeinträchtigung des Gleichheitsrechts der Angehörigen einer nicht berücksichtigten Fallgruppe darstellen (BVerfGE 79, 1, 17).

Ob die Beschwerdebegründung die zu Art 3 Abs 1 GG vorliegende Rechtsprechung des BVerfG hinreichend ausschöpft, um die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG darzulegen, kann offen bleiben. Jedenfalls ist die Beschwerde nicht begründet, denn im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG erweist sich die Frage der entsprechenden Anwendbarkeit des § 239 Satz 2 AFG auf Erstattungsfälle der vorliegenden Art nicht mehr als klärungsbedürftig.

Wegen der Unbestimmtheit des allgemeinen Gleichheitssatzes (vgl BSGE 74, 184, 194 = SozR 3-8570 § 11 Nr 1: „Keine inhaltlichen Vorgaben”) ist nach der Rechtsprechung jeweils sachbereichsbezogen auszuweisen, unter welchen Voraussetzungen die Zuordnung von Rechtsfolgen zu Sachverhalten „sachgerecht, vertretbar oder willkürlich” ist (BVerfGE 90, 226, 239; BSGE 76, 224, 227 f = SozR 3-8120 Kap VIII E III Nrn 4 und 5 mwN).

Die Klägerin möchte an der Aufhebungsfiktion des § 239 Satz 2 AFG teilhaben, obwohl der vollzogene Erstattungsbescheid rechtmäßig ist und auch nicht auf einer verfassungswidrigen Norm beruht. Das LSG hat § 128 AFG aF unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG angewandt. Auch nach § 128 AFG idF vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2044) oder § 147a SGB III idF vom 24. März 1999 (BGBl I 396) wäre die Klägerin erstattungspflichtig gewesen. Insoweit bleibt unverständlich, weshalb aus Art 12 Abs 1 GG hier Anhaltspunkte für die Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes zu gewinnen sein sollten. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, der mit einer entsprechenden Anwendung des § 239 Satz 2 AFG zu begegnen wäre, läge allenfalls vor, wenn es mit der Aufhebungsfiktion des § 239 Satz 2 AFG für die begünstigte Gruppe – Arbeitgeber, die Leistungen der BA an frühere Arbeitnehmer nicht erstattet haben – sein Bewenden hätte. Das trifft jedoch nicht zu. Die Klägerin selbst hat in den Vorinstanzen auf die Pauschalregelung zwischen der Bundesregierung und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände hingewiesen, nach der Arbeitgeber allein an die BA 400 Millionen DM gezahlt und auf die Rückerstattung bereits erstatteter Beträge verzichtet haben. Die Aufhebungsfiktion des § 239 Satz 2 AFG, die eine Folge der Streichung des § 128 AFG ist, steht mit dieser Pauschalerstattung im Zusammenhang (vgl BT-Drucks 12/222 S 7). Das Urteil des BVerfG vom 23. Januar 1990 und der Runderlaß der BA vom 12. März 1990 (DBl 35/90) hatte Prüfungen und Überprüfungen (§ 44 SGB X) von etwa 200.000 Erstattungsfällen erforderlich gemacht. Das stellte die BA vor erhebliche Probleme, zumal gleichzeitig die Arbeitsverwaltung in den neuen Bundesländern aufzubauen war. Auf Anregung des Bundesarbeitsministeriums kam es zu der erwähnten Pauschalregelung, um den Aufwand für die nicht vollzogenen Altfälle möglichst gering zu halten. Sie zielte darauf ab, daß die Arbeitgeberseite 500 Mill DM, davon 400 Mill DM für die BA, aufbrachte und zusätzlich auf die Rückerstattung bereits gezahlter Beträge (ca 820 Mill DM) verzichtete. Dafür sollte § 128 AFG bis zu einer praktikableren Neuregelung gestrichen werden. Neue Erstattungsansprüche sollten nicht entstehen und auf die bisher entstandenen Erstattungsansprüche sollte verzichtet werden, soweit sie nicht getilgt waren. Der Verzicht betraf sowohl Ansprüche, die die BA noch nicht geltend gemacht hatte, wie auch durch Bescheide geltend gemachte Ansprüche, auf die die Arbeitgeber nicht gezahlt hatten. Das war insbesondere nach dem Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des erkennenden Senats vom 21. Mai 1986 – 11b/7 RAr 98/84 – häufig der Fall gewesen. Eine „Generalbereinigung”, die auf die von der Klägerin beanstandete Differenzierung des § 239 Satz 2 AFG verzichtete, erschien indes nicht durchführbar, um Unternehmen, die glaubten, „mit großer Hoffnung in jeden Rechtsstreit gehen” zu können und sich deshalb an der Pauschalregelung nicht beteiligten, diesen Weg nicht abzuschneiden (vgl dazu eingehend: Reß NZA 1991, 369 ff). Da die 1900 Unternehmen sich an der Pauschalregelung beteiligt und nicht nur 500 Mill DM aufgebracht, sondern zusätzlich ausdrücklich auf die Rückzahlung der von ihnen erstatteten Beträge verzichtet hatten, führt die Beschränkung der Aufhebungsfiktion des § 239 Satz 2 AFG auf Verwaltungsakte, soweit Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung nicht erstattet worden sind, zu einer gleichmäßigeren Belastung der Arbeitgeberschaft. Denn sie bewirkt, daß Arbeitgeber, die sich wie die Klägerin an der Pauschalregelung nicht beteiligt haben, die erstatteten Beträge nicht zurückerhalten, wenn diese im Ergebnis zu Recht gezahlt worden sind. Keinesfalls werden Arbeitgeber, die sich an der Pauschalregelung nicht beteiligt haben, an einer rechtswidrigen oder auf einer verfassungswidrigen Grundlage beruhenden Erstattung festgehalten. Im übrigen kommt die Aufhebungsfiktion auch den Arbeitgebern zugute, die sich an der Pauschalregelung nicht beteiligt haben. Das könnte auch für die Klägerin zutreffen, wenn die BA entstandene Erstattungsforderungen nicht geltend gemacht hat. Letzteres ist planmäßig jedenfalls nach der Entscheidung des BVerfG geschehen. Die BA hat nämlich wegen der Pauschalregelung schon vor der Streichung des § 128 AFG und der Einfügung des § 239 AFG durch das Gesetz vom 21. Juni 1991 (BGBl I 1306) von der Erteilung von Erstattungsbescheiden abgesehen und auf den Vollzug ergangener Erstattungsbescheide verzichtet (Runderlaß vom 17. Januar 1991 – IIIa 4-7128 A/3350/9031; vgl auch: Reß aaO 370 f).

Eine entsprechende Anwendung des § 239 Satz 2 AFG ist – abgesehen von der erörterten Sachlage – mit Hilfe des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht begründbar, weil nach ständiger Rechtsprechung dem Gesetzgeber bei Übergangsregelungen (BVerfGE 44, 283, 287) und bevorzugender Typisierung (BVerfGE 17, 1, 23 f; 44, 290, 295; 65, 325, 356) ein besonders weiter Entscheidungsspielraum zugestanden wird. Der Gesichtspunkt der Praktikabilität spielte für die Fassung der Übergangsvorschrift – wie ausgeführt – eine entscheidende Rolle. Er ist als Sachgrund für pauschalisierende gesetzliche Regelungen, insbesondere Übergangsregelungen anerkannt. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß der allgemeine Gleichheitssatz den Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet, die „zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung” zu wählen (BVerfGE 81, 156, 206 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; vgl auch: Sachs/Osterloh, GG, 1996, Art 3 RdNr 95 mwN). Die Annahme eines solchen verfassungsrechtlichen Optimierungsgebots wäre aber Voraussetzung für die Klärungsbedürftigkeit der von der Klägerin angestrebten entsprechenden Anwendung des § 239 Satz 2 AFG. Wegen der durch die Rechtsprechung geklärten Grenzen des Gleichheitssatzes iS einer Rechtssetzungsgleichheit ist eine grundsätzliche Bedeutung der in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Frage einer entsprechenden (verfassungskonformen) Anwendung des § 239 Satz 2 AFG nicht zu erkennen.

Die Beschwerde kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175203

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