Leitsatz (amtlich)

Die Nichtzulassungsbeschwerde, die damit begründet wird, das Berufungsgericht sei einem mündlich gestellten Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, muß den Hinweis darauf enthalten, daß der Beweisantrag protokolliert oder im Urteilstatbestand aufgeführt ist (Ergänzung von BSG vom 22.10.1975 8 BU 100/75 = SozR 1500 § 160 Nr 12).

 

Normenkette

SGG §§ 103, 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2, § 136 Abs 2 S 2, § 160a Abs 2 S 3, § 122; ZPO § 159 Abs 1 S 1, § 160 Abs 3 Nr 2, § 165

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 14.08.1987; Aktenzeichen L 9 V 234/84)

SG Hildesheim (Entscheidung vom 26.06.1984; Aktenzeichen S 8 V 122/82)

 

Gründe

Prozeßkostenhilfe kann der Klägerin nicht gewährt werden, weil ihre Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz -SGG- iVm § 114 Abs 1 Satz 1 Zivilprozeßordnung -ZPO-).

Die Revision ist nicht durch das Bundessozialgericht (BSG) zuzulassen; denn die Klägerin hat einen Beweisantrag, den das Landessozialgericht (LSG) ohne hinreichende Begründung übergangen haben soll (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 103), nicht formgerecht bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Einen solchen Antrag hätte sie entweder nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht oder wenigstens nach dem Urteilsinhalt gestellt oder vorher schriftlich vorgebracht und bis zum Ende der Sitzung aufrecht erhalten haben müssen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 12). Nach der Beschwerdebegründung ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt.

Die Klägerin bezieht sich lediglich auf einen mündlich gestellten Antrag, der nicht protokolliert wurde. Sie behauptet nicht, er sei in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden (§§ 153, 122 SGG iVm § 159 Abs 1 Satz 1, § 160 Abs 3 Nr 2 und Abs 5 ZPO), was auch nicht zutrifft. Ein Beweisantrag, der über § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG für die Zulassung der Revision bedeutsam wird, muß protokolliert sein; er gehört zu den Anträgen "im weiteren Sinn", und zwar zu den rechtserheblichen Angriffsmitteln, die in § 136 Abs 2 Satz 2 SGG neben dem "erhobenen Anspruch" (vgl dazu § 123 SGG) genannt werden. Das Beachten dieser vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 165 ZPO). Wenn eine Klägerin - wie im gegenwärtigen Fall - vor dem LSG durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ist der protokollierte Antrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ebenso maßgeblich, wie wenn sie nicht rechtskundig vertreten war. Im zweiten Fall muß das Revisionsgericht davon ausgehen, daß der Vorsitzende des Berufungsgerichts einen gestellten Beweisantrag hätte protokollieren lassen (§ 112 Abs 2 Satz 2 SGG iVm § 160 Abs 3 Nr 2 ZPO). Die Klägerin behauptet nicht, sie habe durch ihren Rechtsanwalt die Protokollierung eines Beweisantrages, auf den die Beschwerde abstellt, beantragt (§ 160 Abs 4 Satz 1 ZPO) und dies sei abgelehnt worden (§ 160 Abs 4 Satz 2 und 3 ZPO). Schließlich hat die Klägerin keine Protokollergänzung oder -berichtigung beantragt (§ 160a Abs 2 Satz 3 und § 164 ZPO).

Ein Beweisantrag, auf den sich die Klägerin jetzt bezieht, wird auch nicht im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben (§ 136 Abs 1 Nr 5 und Abs 2 Satz 2 SGG). Insoweit hat die Klägerin keine Berichtigung des Urteils beantragt (§ 139 SGG). Eine Prozeßhandlung, die für die Eröffnung des Revisionsverfahrens unerläßlich wäre, muß in verfahrensrechtlich vorgeschriebener Form beurkundet sein, dh im Protokoll oder wenigstens im Urteilstatbestand. Die Zulassung der Revision kann nicht davon abhängig sein, ob sich bei einer vom Revisionsgericht zu veranlassenden Zeugenvernehmung die Richter, der Schriftführer oder ein Beteiligter daran erinnern können, daß der Kläger eine weitere Beweiserhebung mündlich beantragt hat.

Die Beschwerdebegründung verweist mit ihrem Bezug auf die beiden Schriftsätze der Klägerin vom 14. März 1986 und 29. April 1986 nicht auf einen solchen Beweisantrag. Die Beschwerde wird darauf gestützt, daß ein Ursachenzusammenhang zwischen einer Leberschädigung und einer Lues-Behandlung mit arsenhaltigem Neo-Salvarsan nicht geprüft worden sei. Zwar hat die Klägerin in den bezeichneten Schriftsätzen für notwendig erklärt, noch durch ein Gutachten zu klären, ob eine Salvarsan-Behandlung ihren Leberschaden verursacht habe. Aber damit stellte sie kein neues Beweisthema zur Diskussion; denn Prof. Dr. K, dessen Gutachten vom 25. Mai 1984 die Klägerin damals beanstandete und noch weiterhin für unzureichend hält, hat auch eine Leberschädigung durch andere Medikamente als Quecksilberpräparate zur Behandlung einer Lues nicht als wahrscheinlich beurteilt (vgl das wörtliche Zitat in der Beschwerdebegründung). Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin zu ihren schriftlichen Anträgen darlegen müssen, warum das Gutachten insoweit unzureichend sein sollte. Abgesehen davon wird mit der Beschwerde nicht schlüssig geltend gemacht, nach dem weiteren Verfahrensverlauf müsse angenommen werden, daß der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten wurde (BSGE 3, 284, 285; SozR 1500 § 160 Nr 12). Falls der Klägerin die nach ihrer schriftlichen Beweisanregung vorgenommene Sachaufklärung nicht genügte, hätte ihr Prozeßbevollmächtigter im Hinblick auf § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG zuletzt vor der mündlichen Verhandlung oder im Termin selbst einen ergänzenden Beweisantrag entsprechend dem jetzigen Beschwerdevorbringen ausdrücklich stellen müssen. Die Klägerin behauptete nicht, sie habe genau einen derartigen Beweisantrag in der Sitzung vorgebracht. Bei dieser Verfahrenslage durfte das LSG davon ausgehen, daß eine Begutachtung über eine Verursachung durch Neo-Salvarsan nicht mehr beantragt wurde.

Die Kostenentscheidung entspricht § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659299

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