Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit. Divergenzrevision

 

Orientierungssatz

1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sich die zu entscheidende Rechtsfrage nicht auf einen Einzelfall beschränkt und ihre Klärung dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern (vgl BSG vom 26.6.1975 12 BJ 12/75 = SozR 1500 § 160a Nr 7). Voraussetzung hierfür ist stets, daß eine Rechtsfrage zur Entscheidung ansteht, die klärungsbedürftig ist (vgl BSG vom 4.6.1975 11 BA 4/75 = SozR 1500 § 160a Nr 4) und die in dem zur Entscheidung anstehenden Verfahren auch geklärt werden kann.

2. Mit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen befaßt. Danach ist für die Entscheidung das Gesamtbild der Tätigkeit unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles maßgeblich, wobei insbesondere der tatsächlichen Gestaltung neben den vertraglichen Vereinbarungen Bedeutung zukommt. Für die Beurteilung des Gesamtbilds hat das BSG einzelne Faktoren aufgezeigt und bewertet. Danach setzt ein Beschäftigungsverhältnis voraus, daß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Grundsätzlich ist dazu erforderlich, daß der Beschäftigte in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist. Dies kann allerdings je nach Art der Tätigkeit durch Sachzwänge, die sich aus der Natur der Sache ergeben, oder wegen der besonderen Kompetenz des Beschäftigten eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß verfeinert sein. Andererseits kennzeichnen vornehmlich das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit eine selbständige Tätigkeit.

3. Die enge Bindung der Beurteilung an die Besonderheiten des Einzelfalles schließt es aus, für konkrete Formen einer beruflichen Betätigung generelle Aussagen zu machen. Dies könnte nur der Fall sein, wenn aufgezeigt wird, daß ein bestimmtes Tätigkeitsmerkmal, das berufstypisch ist und deshalb regelmäßig oder mindestens häufig anzutreffen ist, in seiner Bewertung umstritten ist oder wenn bestimmte Merkmale vorliegen, die in der Rechtsprechung bisher in ihrer Bedeutung für die Frage der Versicherungspflicht nicht gewürdigt worden sind.

4. Bei einer Divergenzrevision vermag nicht schon jede abweichende rechtliche Wertung die Revisionszulassung zu begründen, sondern nur eine Abweichung in genau bezeichneten, in ihrer Bedeutung über die Entscheidung des Einzelfalls hinausgehenden Rechtssätzen.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2, § 160 Abs 2 Nr 1, § 160 Abs 2 Nr 2

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 16.06.1987; Aktenzeichen L 9 Kr 10/87)

 

Gründe

Der Kläger macht mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und weiche von einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) ab (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Diese Gründe hat er jedoch nicht hinreichend dargelegt, so daß die Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen ist.

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sich die zu entscheidende Rechtsfrage nicht auf einen Einzelfall beschränkt und ihre Klärung dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Voraussetzung hierfür ist stets, daß eine Rechtsfrage zur Entscheidung ansteht, die klärungsbedürftig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4) und die in dem zur Entscheidung anstehenden Verfahren auch geklärt werden kann.

Den Darlegungen des Klägers sind diese Voraussetzungen nicht zu entnehmen. Er bezeichnet es als klärungsbedürftig, wie Tätigkeiten des Bürobetriebes (Postbearbeitung, Telefondienst usw), die im Rahmen einer anwaltlichen Bürogemeinschaft ein Anwalt für den anderen verrichtet, sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen seien. Mit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen befaßt. Danach ist für die Entscheidung das Gesamtbild der Tätigkeit unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles maßgeblich, wobei insbesondere der tatsächlichen Gestaltung neben den vertraglichen Vereinbarungen Bedeutung zukommt. Für die Beurteilung des Gesamtbilds hat das BSG einzelne Faktoren aufgezeigt und bewertet. Danach setzt ein Beschäftigungsverhältnis voraus, daß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Grundsätzlich ist dazu erforderlich, daß der Beschäftigte in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist. Dies kann allerdings je nach Art der Tätigkeit durch Sachzwänge, die sich aus der Natur der Sache ergeben, oder wegen der besonderen Kompetenz des Beschäftigten eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß verfeinert sein. Andererseits kennzeichnen vornehmlich das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit eine selbständige Tätigkeit. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt letztlich davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl besonders Beschluß vom 9. Oktober 1984 - 12 BK 22/84 -).

Die enge Bindung der Beurteilung an die Besonderheiten des Einzelfalles schließt es aus, für konkrete Formen einer beruflichen Betätigung generelle Aussagen zu machen. Dies könnte nur der Fall sein, wenn aufgezeigt wird, daß ein bestimmtes Tätigkeitsmerkmal, das berufstypisch ist und deshalb regelmäßig oder mindestens häufig anzutreffen ist, in seiner Bewertung umstritten ist oder wenn bestimmte Merkmale vorliegen, die in der Rechtsprechung bisher in ihrer Bedeutung für die Frage der Versicherungspflicht nicht gewürdigt worden sind. Derartige Ausführungen enthält indes die Beschwerdeschrift nicht. Sie beschränkt sich im wesentlichen auf das Vorbringen, daß die gegenseitige technische Hilfe zweier Rechtsanwälte im Rahmen einer Bürogemeinschaft sozialversicherungsrechtlich noch nicht hinreichend geklärt sei, daß insbesondere der Auffassung des Landessozialgerichts (LSG) über die Versicherungsfreiheit solcher Hilfeleistungen nicht zu folgen sei. Damit wird aber die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits nicht ausreichend begründet. Dazu hätte vielmehr dargelegt werden müssen, daß die tatsächliche und vertragliche Gestaltung der technischen Zusammenarbeit des Klägers und des Beigeladenen zu 2) in ihrer Bürogemeinschaft für derartige Bürogemeinschaften typisch oder mindestens weit verbreitet ist und welche versicherungsrechtlichen Fragen die Einordnung der vom Kläger für wesentlich gehaltenen Merkmale seiner Tätigkeit aufwirft.

Der Kläger hat aber auch nicht ausreichend dargetan, daß das LSG in seiner Entscheidung von einem Urteil des BSG abweicht. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, aufzuzeigen, daß das LSG einen über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem Rechtssatz einer Entscheidung des BSG abweicht. Dabei hätten beide Rechtssätze näher bezeichnet werden müssen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29). Auch bei einer Divergenzrevision vermag nicht schon jede abweichende rechtliche Wertung die Zulassung zu begründen, sondern nur eine Abweichung in genau bezeichneten, in ihrer Bedeutung über die Entscheidung des Einzelfalls hinausgehenden Rechtssätzen. Der Kläger hat hier indes lediglich eine bestimmte Entscheidung des BSG zitiert und das Thema benannt, in dessen Rahmen seiner Ansicht nach eine Abweichung vorliegen soll. Das genügt nicht.

Die Nichtzulassungsbeschwerde konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663125

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