Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 31.07.2017; Aktenzeichen L 20 SO 512/15)

SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 07.10.2015; Aktenzeichen S 2 SO 273/13)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Im Streit sind Ansprüche des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Der Kläger beantragte solche Leistungen ua am 18.8.2014; die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil der Kläger den Verbrauch von Vermögen aus einer Rentennachzahlung in Höhe von 22 277,76 Euro nicht hinreichend nachgewiesen habe (Bescheid vom 3.9.2014; Widerspruchsbescheid vom 22.10.2014). Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen, mit der er eine monatliche Zahlung von Grundsicherungsleistungen in Höhe von 186,70 Euro ab dem 1.8.2014 sowie die Übernahme der Kosten für eine Stromrechnung vom 23.5.2014 in Höhe von 538,03 Euro geltend machte (S 2 SO 287/14). Beim SG waren weitere Verfahren wegen Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1.2.2013 bis zum 30.9.2013 sowie Leistungen wegen einer Stromrechnung vom 19.2.2013 (S 2 SO 273/13), vom 1.11.2013 bis zum 30.11.2013 (S 2 SO 71/14) und vom 1.12.2013 bis zum 30.7.2014 sowie Leistungen wegen einer Stromrechnung vom 15.1.2014 (S 2 SO 125/14) anhängig. Das SG verhandelte die genannten Verfahren an einem Tag, ohne sie zu verbinden. Wegen der begehrten Übernahme der Stromkosten aus der Rechnung vom 23.5.2014 hat es den Antrag des Klägers als Untätigkeitsklage angesehen, diese in der mündlichen Verhandlung abgetrennt und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 7.10.2015); die übrigen Klagen hat es ebenfalls abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die hiergegen gerichteten Berufungen (vom 21.12.2015) miteinander verbunden (Beschluss vom 7.4.2017). Die Berufung wegen der Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1.8.2014 bis zum 31.10.2014 hat es als unzulässig verworfen; die weiteren Berufungen hat es zurückgewiesen (Urteil vom 31.7.2017).

Gegen das genannte Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und macht einen Verfahrensfehler geltend. Das LSG habe zu Unrecht über den Anspruch für die Zeit vom 1.8.2014 bis zum 31.10.2014 im Wege eines Prozessurteils statt eines Sachurteils entschieden.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Wegen der Versäumung der Frist zu ihrer Begründung ist allerdings Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl § 67 Abs 1 SGG) zu gewähren; denn den Kläger trifft an dem Fristversäumnis kein Verschulden. Zwar hat die Rechtsanwaltsfachangestellte der von ihm bevollmächtigten Rechtsanwältin die Frist zur Begründung der Beschwerde, die mit Zustellung des Beschlusses vom 19.2.2018 über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) an den Kläger persönlich in Lauf gesetzt worden ist, unzutreffend nach dem Eingang des Beschlusses in der Kanzlei bestimmt, worauf die Versäumung der Frist beruht. Sie hatte zuvor aber von der Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Einzelanweisung erhalten, dass die Frist erst nach Rückfrage in der Geschäftsstelle des Senats wegen des Zustelldatums an den Kläger zu bestimmen gewesen sei. Soweit sie diese Anweisung nicht ausgeführt hat, ist dies der Prozessbevollmächtigten des Klägers und damit auch dem Kläger selbst nicht anzulasten. Ein Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, die Ausführung einer klaren Anweisung nachzuprüfen, wenn deren Erledigung - wie hier - keine besonderen Schwierigkeiten erkennen lässt und er auf die Befolgung vertrauen kann, weil sich die Anweisung an langjährig tätiges und entsprechend für die Fristenbehandlung geschultes Personal gerichtet hat (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 67 RdNr 8c und 8d und Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl 2018, § 233 RdNr 23, Stichwörter "Büropersonal" und "Fristenbehandlung", jeweils mwN).

Die Begründung der Beschwerde entspricht aber nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Den Verfahrensfehler, das LSG hätte in der Sache entscheiden müssen und kein Prozessurteil erlassen dürfen (vgl dazu BSGE 34, 236, 237 = SozR Nr 57 zu § 51 SGG; BSGE 35, 267, 271 = SozR Nr 5 zu § 551 RVO Bl Aa 8; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 658 ff mwN), hat der Kläger nicht ausreichend bezeichnet. Der Vortrag, die auf eine Geldleistung gerichtete Klage habe den Wert des Beschwerdegegenstands von 750 Euro überstiegen (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), ist nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands ist die Einlegung der Berufung (vgl § 202 SGG iVm § 4 Abs 1 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫). Da der Kläger selbst vorträgt, eine Verbindung der verschiedenen, von ihm jeweils ausdrücklich selbständig erhobenen Klagen sei erst durch das LSG einige Monate nach Einlegung der Berufung erfolgt, ist nicht erkennbar, weshalb die Verbindung noch die Folge einer Zusammenrechnung der jeweiligen Werte (vgl § 202 SGG iVm § 5 ZPO) gehabt und zu einer Zulässigkeit der Berufung in der von ihm genannten Sache geführt haben sollte. Dass eine Verbindung der Klagen, die im Ermessen des Gerichts steht (vgl § 113 Abs 1 SGG), vom SG willkürlich unterblieben ist, behauptet der Kläger nicht. Soweit er vorträgt, die Klage habe nach Klageerweiterung den Wert von 750 Euro ohnehin erreicht, fehlen Ausführungen im Einzelnen zu den jeweils vor dem SG in der mündlichen Verhandlung zuletzt gestellten Anträgen und dazu, worüber das SG im jeweiligen Verfahren entschieden hat. Nur solche Ausführungen, die nachvollziehbar machen, was das SG dem Kläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt hat, würden aber eine Entscheidung des Senats über den Wert des Beschwerdegegenstands erlauben. Solche Ausführungen sind hier schon deshalb nicht entbehrlich, weil der Kläger selbst vorträgt, im Klageverfahren (S 2 SO 287/14) habe das SG die Frage nach den (weiteren) Stromkosten vor seiner Entscheidung abgetrennt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12335607

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