Entscheidungsstichwort (Thema)

Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Geschiedenenwitwenrente. Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Grundsätzliche Bedeutung im revisionszulassungsrechtliche Sinn hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 11, 39). Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4) oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 13, 65).

2. Die Frage, ob eine nach jugoslawischem Recht im Jahr 1983 erfolgte Scheidung einer Scheidung nach deutschem Recht gleichsteht, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz, dass ausländische Scheidungsurteile ohne ein zusätzliches deutsches Feststellungsverfahren anzuerkennen sind, wenn die beiden früheren Ehegatten im Zeitpunkt der Ehescheidung die Staatsangehörigkeit des Staas hatten, dessen Institution die Entscheidung gefällt hat.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1; SGB VI § 243

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 15.01.2002; Aktenzeichen L 5 RJ 48/01)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2002 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit Urteil vom 15. Januar 2002 hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nach ihrem am 20. Juni 1999 verstorbenen Ehemann im Wesentlichen mit folgender Begründung – unter teilweiser Bezugnahme auf das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Landshut – verneint: Der Klägerin, deren Ehe mit dem Versicherten am 25. Februar 1983 geschieden worden sei, könne eine Hinterbliebenenversorgung nicht gewährt werden, weil die Scheidung nicht vor dem 1. Juli 1977 erfolgt sei. Unerheblich sei demgegenüber die Angabe der Klägerin, bereits vor diesem Zeitpunkt den Versicherten auf Zahlung von Unterhalt verklagt zu haben und somit „de facto” schon vor dem 1. Juli 1977 geschieden gewesen zu sein. Die Scheidung der Klägerin sei nicht bereits mit der Durchsetzung von ehelichem Unterhalt, sondern erst mit der rechtsgültigen Scheidung nach jugoslawischem Recht erfolgt. Ob die Klägerin aus eigener Versicherung eine Erziehungsrente erhalten könne, sei nicht Gegenstand des Verfahrens.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin persönlich beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt und für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

Dem Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin kann nicht stattgegeben werden.

Nach § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 166 Abs 2 SGG) in der Lage wäre, die Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder von der Klägerin vorgetragen noch nach Prüfung des Streitstoffes ersichtlich.

Zunächst ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das von der Klägerin angegriffene Urteil auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 11, 39). Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 4) oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzlich bedeutsam sein könnten, sind hier nicht ersichtlich. Bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des hier allein in Betracht kommenden § 243 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ergibt sich, dass eine Witwenrente nach dem geschiedenen Ehegatten nur gewährt werden kann, wenn die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist. Auch die Frage, ob die nach jugoslawischem Recht im Jahre 1983 erfolgte Scheidung einer Scheidung nach deutschem Recht gleichsteht, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz, dass ausländische Scheidungsurteile ohne ein zusätzliches deutsches Feststellungsverfahren anzuerkennen sind, wenn – wie hier – die beiden früheren Ehegatten im Zeitpunkt der Ehescheidung die Staatsangehörigkeit des Staates hatten, dessen Institution die Entscheidung gefällt hat (vgl Jörg in Kreikebohm, SGB VI, § 243 RdNr 6; Gürtner in KasslerKomm, Sozialversicherungsrecht, § 243 SGB VI RdNr 4; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, § 243 RdNr 8; Verbandskommentar, SGB VI, § 243 RdNr 5; zur Wirkung von ausländischen Scheidungsurteilen s auch BSG SozR 2200 § 1265 Nr 71, 88).

Eine Zulassung nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG scheidet ebenfalls aus. Die danach erforderliche Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden; eine Abweichung des LSG von höchstrichterlicher Rechtsprechung ist nicht zu erkennen.

Schließlich ist auch kein Verfahrensmangel ersichtlich, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Da der Klägerin nach alledem kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zusteht, kann sie auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

Die von der Klägerin persönlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil diese insoweit nicht von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten ist (vgl § 166 SGG). Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG idF des Sechsten Gesetzes zur Änderung des SGG (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl I 2144) iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (vgl dazu Art 17 Abs 2 des 6. SGGÄndG).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176645

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