Verfahrensgang

AG Bad Freienwalde (Entscheidung vom 05.04.2007; Aktenzeichen 60 F 58/07)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind J... S..., geboren am ... 2000, wird der Antragstellerin übertragen.

Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I.

Die beteiligten Eltern streiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren Sohn J... S..., geboren am ... 2000.

Die Eltern lebten zunächst in dem dem Antragsgegner allein gehörenden Haus in P... getrennt. Am 9.4.2007 zog die Mutter in eine eigene Wohnung nach F..., J... blieb im Haushalt des Vaters und besucht seit September 2007 die Schule in N....

Da anlässlich des Auszugs der Mutter über den Aufenthalt des Kindes eine Einigung nicht zustande kam, hat die Mutter das vorliegende Verfahren eingeleitet. Beide Elternteile haben die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich beantragt.

Das Amtsgericht hat den Bericht des Jugendamts vom 30.3.2007 eingeholt sowie Eltern und Kind angehört. Durch Beschluss vom 5.4.2007 hat es dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Mutter mit der Beschwerde.

Sie rügt das zu sehr beschleunigte Verfahren des Amtsgerichts und trägt im Übrigen vor:

Sie habe in der Vergangenheit die größeren Erziehungsanteile gehabt und J... in den ersten drei Lebensjahren im Wesentlichen allein versorgt. Der Vater sei wegen seines Berufs nur sehr eingeschränkt in der Lage, sich selbst um das Kind zu kümmern. Sie arbeite zwar auch vollschichtig, könne aber eine umfassende Versorgung mit Hilfe des Horts sicherstellen. Schule und Hort lägen in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung.

Die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch den Vater werde zu einer Entfremdung zwischen J... und ihr führen. Nach ihrem Auszug sei es ihr zunächst nicht gelungen, eine Umgangsregelung mit dem Vater zu finden, er sei auch mit einem zweiwöchigen Urlaub des Kindes bei ihr nicht einverstanden gewesen.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind J... S... auf sie zu übertragen.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Er verweist im Wesentlichen darauf, dass J... sich in der ländlichen Umgebung in P... wohl fühle und den Wunsch geäußert habe, in seinem Haushalt zu bleiben. Bei der täglichen Versorgung werde er von seiner Schwester A... unterstützt, deren Sohn P... für J... wie ein Bruder sei. Dem Umgang der Mutter mit J... stehe er aufgeschlossen gegenüber.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten zu 1. und 2. wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Jugendamt hat am 8.6.2007 ergänzend Stellung genommen und einen Bericht des Kindergartens beigefügt.

Der Senat hat die Eltern und das Kind im Termin vom 28.6.2007 angehört und alsdann die Einholung eines fachpsychologischen Gutachtens beschlossen. Die Sachverständige Dipl.-Psych. G... M... hat das schriftliche Gutachten vom 8.10.2007 erstattet. Im Senatstermin vom 27.11.2007 hat sie ihr Gutachten erläutert, Eltern und Kind wurden erneut gehört.

Auf die ergänzende Stellungnahme des Jugendamts vom 8.6.2007 nebst Kindergartenbericht, das schriftliche Gutachten der Sachverständigen M... vom 8.10.2007 sowie die Berichterstattervermerke von den Terminen am 28.6. und 27.11.2007 wird Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind J... S..., geboren am ... 2000, ist ihr allein zu übertragen. Denn die Aufhebung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts und dessen Übertragung auf die Antragstellerin entspricht dem Wohl des Kindes am besten.

Gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechts als Teilbereich der elterlichen Sorge stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bzw. eines Teilbereichs davon und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am Besten entspricht. Diese Regelung bedeutet nicht, dass dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge ein Vorrang vor der Alleinsorge eines Elternteils eingeräumt wird. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung ist (vgl. BVerfG, FamRZ 2004, 77 f). Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt in aller Regel eine tragfähige soziale Beziehung der Eltern voraus. Dabei kommt es insbesondere darauf an, dass eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen überhaupt noch in einer Art und Weise möglich ist, die auch bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleistet. Denn elterliche Gemeinsamkeit lässt sich weder vom Gesetzgeber noch von den Gerichten verordnen. Streiten sich Eltern bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge fo...

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