Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsminderungsrente: Prüfung des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente.

 

Orientierungssatz

1. Trotz eines Leistungsvermögens von 6 Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gegeben, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt und dem Versicherten keine Tätigkeit benannt werden kann, die er trotz ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann.

2. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, sind grundsätzlich alle qualitativen Einschränkungen zu berücksichtigen, die nicht bereits von dem Erfordernis "körperlich leichte Arbeit" erfasst werden. Es umfasst begrifflich unter anderem solche Leistungseinschränkungen, die das Seh- und Hörvermögen, die Handbeweglichkeit oder die Einwirkung bestimmter Witterungseinflüsse (Kälte, Nässe, Staub) betreffen. Hier genügt jedenfalls die Bezeichnung von Arbeitsfeldern wie Prüfer, Montierer oder Verpacker von Kleinteilen (BSG, 19. August 1997, 13 RJ 57/96).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 10.12.2013; Aktenzeichen B 13 R 198/13 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin des Revisionsverfahrens zu tragen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1951 geborene Klägerin absolvierte nach der mittleren Reife von September 1968 bis Juli 1971 eine Fachschule (Hauswirtschaft) mit anschließender Ausbildung zur Fachlehrerin. Von Oktober 1972 bis Juli 1978 studierte sie Pädagogik, Psychologie und Soziologie mit einem Abschluss zum Magister Artium. Am 6. Februar 1991 legte sie die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf "Reiseverkehrskauffrau, Reisevermittlung/Reiseveranstaltung" erfolgreich ab. Sie war von April bis September 1978 und von Juni 1979 bis August 1980 als Reiseleiterin, von März 1984 bis Oktober 1985 als Fremdsprachensekretärin, von August bis September 1986 als Reiseleiterin, von Januar 1987 bis März 1990 als Reisevermittlerin in einem Reisebüro, von September 1991 - mit Unterbrechungen - bis Mai 1995 als Reiseverkehrskauffrau, von August 1996 bis März 1997 als Rezeptionsangestellte, von April 2001 bis März 2002 und anschließend von April 2002 bis Oktober 2002 als Reiseleiterin bei der A. O. GmbH (Saisonvertrag) und zuletzt von September 2004 bis August 2005 im Rahmen eines befristeten Vertrags halbtags als Justizangestellte (Vorlesekraft für einen blinden Mitarbeiter) versicherungspflichtig beschäftigt. Daran anschließend war sie arbeitslos bzw. seit 9. Januar 2006 arbeitsunfähig. Seit 1. November 2011 bezieht die Klägerin aufgrund des Bescheids vom 26. August 2011 Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Nachdem ein erster Rentenantrag der Klägerin vom 10. Juli 1998 erfolglos geblieben war, begehrte die Klägerin mit Antrag vom 6. April 2006 erneut Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Die Beklagte holte Auskünfte der Firma A. O. GmbH sowie des Oberlandesgerichts A-Stadt über die Tätigkeiten der Klägerin als Reiseleiterin bzw. Justizangestellte sowie ein internistisches Gutachten von Dr. S. vom 19. März 2007, ein orthopädisches Gutachten von Dr. W. vom 25. März 2007 und ein nervenärztliches Gutachten von Dr. G. vom 12. April 2007 ein.

Dr. S. stellte bei der Klägerin ein gemischtförmiges Asthma bronchiale, ein Wirbelsäulensyndrom (BWS, LWS), eine Gonalgie beidseits, kardiovaskuläre Risikofaktoren (alimentäre Adipositas, arterielle Hypertonie), einen Verdacht auf Angst und depressive Störung, posttraumatische Belastungsstörung sowie anamnestisch eine Harndrang-Inkontinenz Grad I und einen Zustand nach "Karzinoma in situ" linke Mamma in 2000 (nicht belegt) fest. Die Klägerin könne noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten auch als Magister für Pädagogik/Soziologie/Psychologie und als Justizangestellte über 6 Stunden täglich verrichten. Ein Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Reiseleiterin sei nicht mehr gegeben.

Dr. W. diagnostizierte bei der Klägerin ein Lumbalsyndrom mit Wurzelreizung L 5 und S 1 links bei degenerativen Veränderungen L 4-S 1, ein Halswirbelsäulensyndrom bei Osteochondrose C 5/C 6, ein Brustwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen Th 4 bis Th11, eine Chondropathia patellae beidseits, eine Innenmeniskusläsion links, einen Senk-Spreizfuß mit Hallux valgus beidseits sowie ein Übergewicht mit ungünstiger Auswirkung auf die Wirbelsäule und die lasttragenden Körpergelenke. Die Klägerin könne noch leichte bis gelegentlich mittelschwere kö...

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