Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 8 AL 386/04 durch die Rücknahmeerklärung der Klägerin vom 19. Juli 2007 beendet ist.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anfechtung einer Berufungsrücknahme streitig.

Streitig war in den zugrundeliegenden Verfahren zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin Arbeitslosenhilfe ab 10.11.1993 zusteht. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Arbeitslosenhilfe ab mit Bescheid vom 10.01.1994 (Widerspruchsbescheid vom 13.06.1996) und mit Bescheid vom 05.09.1996 (Widerspruchsbescheid vom 13.01.1997). Die dagegen erhobenen Klagen wies das Sozialgericht München - SG - mit Urteil vom 18.06.2004 ab und führte aus, der Klägerin stehe keine Arbeitslosenhilfe zu. Sie sei nicht bedürftig. Die dagegen zum Bayerischen Landessozialgericht - LSG - eingelegte Berufung nahm die Klägerin im Erörterungstermin - ET - vom 19.07.2007 ausweislich der angefertigten Sitzungsniederschrift vom selben Tage zurück. Die entsprechende Erklärung wurde vorgelesen und genehmigt.

Mit Schreiben vom 26.12.2007 bat die Klägerin um die Wiederaufnahme des Verfahrens. Aus gesundheitlichen Gründen sei es ihr nicht möglich gewesen, sich auf das Verfahren angemessen vorzubereiten und zu beteiligen. Aus demselben Grund habe sie dieses Schreiben leider nicht früher an das Gericht richten können.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 8 AL 386/04 mit der Rücknahme der Berufung am 19. 07.2007 nicht rechtskräftig beendet wurde, das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.06.2004 sowie den Bescheid vom 10.01.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.06.1996 und die Bescheide vom 05.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.1997 aufzuheben und ihr Arbeitslosenhilfe ab 10.11.1993 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakten sowie der Akten beider Instanzen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung war zulässig, denn sie war statthaft (§ 143 SGG) und form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG).

Die Berufung wurde jedoch zurückgenommen, so dass der Rechtsstreit erledigt ist.

Die Klägerin hat durch die Erklärung im ET vom 19.07.2007 die Berufung ausdrücklich zurückgenommen. Die Zurücknahme bewirkt den Verlust des Rechtsmittels, § 156 Abs. 2 S. 1 SGG und hat zur Folge, dass der Rechtsstreit wie auch bei der Klagerücknahme (§ 102 Satz 2 SGG in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung) in der Hauptsache erledigt ist.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im ET vom 19.07.2007 mit dem Einverständnis die Rücknahme erklärt. Die Abgabe der prozessbeendenden Erklärung der Klägerin wird durch das Sitzungsprotokoll vom 19.07.2007 bewiesen, das als öffentliche Urkunde den Beweis für die tatsächliche Abgabe der darin bekundeten Erklärung begründet (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 Abs. 1 Zivilprozeßordnung - ZPO -). Das Sitzungsprotokoll ist auch geeignet, über die Abgabe einer derartigen Erklärung Beweis zu begründen (vgl. § 122 SGG i.V.m. § 160 Abs. 3 Ziffer 8 ZPO). Die Erklärung ist der Klägerin im Beisein ihres Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß vorgelesen und genehmigt worden (§ 122 SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 ZPO), so dass alle für die Errichtung des Protokolls vorgeschriebenen Förmlichkeiten beachtet worden sind. Kein Zweifel besteht für den Senat daran, dass die Klägerin bei Abgabe dieser Erklärung prozessfähig war. Es liegen keine objektiven Anhaltspunkte und erst recht keine Nachweise für eine einmalige und zeitlich beschränkte Prozessunfähigkeit vor. Diesbezügliche Zweifel ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem am 23.07.2008 beim LSG eingegangenen Schreiben der Klägerin. Die Klägerin behauptet auch selbst nicht, dass sie nicht in der Lage war, Verfahrenshandlungen selbst oder durch ihren bestellten Vertreter wirksam vornehmen zu können.

Die Rücknahme kann als Prozesshandlung nicht angefochten werden. Dies entspricht allgemeiner Meinung. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Nichtigkeit und Anfechtung, insbesondere auch wegen Irrtums, sind auf Prozesshandlungen nicht anwendbar (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. Rn. 12 vor § 60; Rn. 2 a zu § 156; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 102 SGG, Anm. 2; BSG SozR Nr. 3 zu § 119 BGB; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16.10.2001, Az.: L 15 V 37/01). Bei der Rücknahmeerklärung handelt es sich um eine rechtsgestaltende Prozesserklärung, die auch im Falle eines Irrtums über den Inhalt oder die Reichweite der abgegebenen Erklärung im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich nicht anfechtbar oder widerrufbar ist (vgl. z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.11.2004, Az.: L 2 KN 118/04 P juris Rn. 12).

Ein Wiederaufgreifen eines durch Zurücknahme der Berufung beendeten Rechtss...

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