Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. freie Verpflegung bei Aufenthalt im Krankenhaus. Einkommensberücksichtigung. Sachbezug. Absetzungen vom Einkommen

 

Leitsatz (amtlich)

Anrechnung der Verpflegung bei stationärem Aufenthalt als Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2.

 

Orientierungssatz

1. Die kostenfreie Verpflegung während eines Krankenhausaufenthalts ist als Einkommen in Form einer Sachleistung mit Geldeswert nach § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen. Der Wert der Sachleistung ist nach § 13 S 1 Nr 1 SGB 2, §§ 2b, 2 AlgIIV iVm § 1 SachBezV 1995 zu ermitteln. Dieser Wert ist nicht auf den im Regelsatz enthaltenen Verpflegungsanteil zu verringern.

2. Von den Einkommen in Höhe des Sachbezugswerts ist nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 2 iVm § 3 AlgIIV ein Pauschbetrag in Höhe von 30 Euro und sind die mit der Erzielung der Einkünfte verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen. Nicht notwendig mit Erzielung von Einkommen verbunden sind die für den Klinikaufenthalt zu leistenden Zuzahlungen, soweit dabei nicht bereits die gesetzlich vorgesehene Grenze für Zuzahlungen überschritten ist. Diese Zuzahlungen sind aus der Regelleistung zu decken.

3. Wegen der Anrechnung der Sachleistungen als Einkommen kann offen bleiben, ob die Regelleistung (§ 20 Abs 2 SGB 2) aufgrund der Vollverpflegung während des Krankenhausaufenthalts gekürzt werden darf.

 

Normenkette

SGB II § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 13 S. 1 Nr. 1; Alg II-V § 2; Alg II-V § 2b; Alg II-V § 3; SachBezV 1995 § 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.06.2008; Aktenzeichen B 14 AS 22/07 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.09.2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Januar und Februar 2006, insbesondere die Anrechnung von Verpflegung während eines stationären Krankenhausaufenthaltes als Einkommen.

Dem 1954 geborenen, geschiedenen Kläger, der seit 01.01.2005 Alg II bezieht, bewilligte die Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 07.12.2005 diese Leistung für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von 479,34 EUR monatlich (345,00 EUR Regelsatz, 134,34 EUR Unterkunfts- und Heizungskosten).

Mit Schreiben vom 03.01.2006 teilte der Kläger der Beklagten mit, er trete infolge der seit 09.08.2005 bestehenden Arbeitsunfähigkeit am 12.01.2006 einen Krankenhausaufenthalt an.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 17.01.2006 die bisher bewilligte Leistung teilweise wegen Eintritts einer wesentlichen Änderung auf. Für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.01.2006 bestehe Anspruch auf Alg II in Höhe von lediglich 398,93 EUR und ab 01.02.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von 358,68 EUR. Durch die Verpflegung im Krankenhaus werde der Bedarf des Klägers zum Teil gedeckt, so dass der Regelsatz um 35 vH, also 120,75 EUR, anteilig zu kürzen sei. Den Klinikaufenthalt habe der Kläger erst verspätet gemeldet, so dass es aufgrund der fehlenden Mitwirkung zu einer Überzahlung gekommen sei. Es sei ihm bekannt gewesen, dass er jede Änderung in seinen Verhältnissen unverzüglich der Beklagten habe melden müssen. Ein Entlassungstermin aus der Klinik sei nicht bekannt.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Eine Kürzung des Regelsatzes sehe das Gesetz nicht vor, mangels Tauschbarkeit sei die Verpflegung auch nicht als Einkommen anzusehen.

Nach Mitteilung über das Ende des Klinikaufenthaltes am 16.02.2006 erließ die Beklagte den Änderungsbescheid vom 21.02.2006. Für Februar 2006 würden Leistungen in Höhe von 415,03 EUR und ab März bis Juli 2006 in Höhe von 479,43 - wie mit Bescheid vom 07.12.2005 gewährt - monatlich bewilligt. Der Klinikaufenthalt sei am 16.02.2006 beendet worden. Für Februar sei der Regelsatz daher um 64,40 EUR zu kürzen, ab März sei keine Kürzung mehr vorzunehmen.

Den Widerspruch wies die Beklagte (im Übrigen) mit Widerspruchsbescheid 09.05.2006 zurück.

Mit seiner dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung der Leistungskürzung für Januar und Februar 2006 begehrt. Die Regelleistung dürfe nicht gekürzt werden, zumal im Krankenhaus höhere Aufwendungen entstünden. Auch für Warmwasser dürfe bei den Heizkosten kein Abzug mehr erfolgen, er brauche in dieser Zeit zuhause kein warmes Wasser. Zudem sei der Bescheid nicht hinreichend bestimmt, denn nach der Begründung des Bescheides wäre die Verpflegung als Einkommen angerechnet, nicht aber der Regelsatz gekürzt worden. Er habe während des Krankenhausaufenthaltes 10,00 EUR täglich zuzahlen müssen.

Das SG hat mit Urteil vom 13.09.2006 den Bescheid vom 17.01.2006 und den Bescheid vom 21.02.2006 abgeändert, den Widerspruchsbescheid vom 09.05.2006 aufgehoben und die Beklagte "verpflichtet", an den Kläger für Januar und Februar 2006 Leistungen in Höhe des Regelsatzes von 345,00 EUR zuzüglich der Kosten der Unterkunft ...

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