Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung für eine Krankenhausbehandlung. Kodierung. High-Flow-Nasenkanüle. Druckaufbau in der Lunge. Entwöhnung von der Beatmung

 

Leitsatz (amtlich)

Die HFNC-Beatmung Frühgeborener unter 1.500 gr ist als künstliche Beatmung iSd DKR (2009) 1001h zu kodieren und abzurechnen.

 

Normenkette

SGB V § 109 Abs. 4 S. 3, § 39

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.07.2019; Aktenzeichen B 1 KR 13/18 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.10.2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten auch der Berufung.

III. Der Streitwert der Berufung wird auf 9.150,41 € festgesetzt.

IV. Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf weitere Vergütung von Krankenhausleistungen iHv 9.150,41 € für die Behandlung des bei der Beklagten familienversicherten frühgeborenen M. C. in der Zeit vom 27.12.2009 bis 1.3.2010.

1. Die Klägerin ist als Universitätsklinikum in A-Stadt in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts ein als Leistungserbringer zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde die gesetzlich bei der Beklagten krankenversicherte, 1979 geborene I. C. 2009 in der 33. Schwangerschaftswoche von ihrem Sohn C. (im Folgenden:C.) entbunden. Dieser hatte ein Geburtsgewicht von 1.335 Gramm.

C. musste künstlich beatmet werden wegen Frühgeburtlichkeit. Zur künstlichen Beatmung setzte die Klägerin ein Beatmungsgerät ein, welches angereichertes, angewärmtes und angefeuchtete Atemgas erzeugt und dieses unter Beatmungsdruck setzt. Zur Atmung selbst wurde zunächst im Wege eines Tubus an das Beatmungsgerät angekoppelt, also mit Hilfe eines Beatmungsendschlauches, welcher in seinen Rachen (nicht in seine Luftröhre) eingebracht war. Sodann kam zur Ankoppelung vom 28.12.2009 0:15 Uhr bis 30.12.2009 23:59 Uhr (71,2 h) eine Atemmaske zum Einsatz. Anschließend wurde bis 1.1.2010, 9:00 Uhr (33,5 h) mit Hilfe einer High-Flow-Nasenkanüle (HFNC) über Brille angekoppelt. Die nachfolgende Low-Flow-Beatmung vom 1.1.2010 bis 3.1.2010 ist nicht streitgegenständlich. wurde bis 26.1.2010 auf der Neugeborenen-Intensivstation, ab 26.1.2010 auf der Neugeborenen-Station und ab 25.2.2010 auf der Kinderstation behandelt.

2. Für die notwendige Behandlung stellte die Klägerin nach erfolglos versuchter konsensualer Abrechnung am 13.9.2012 insgesamt 39.951,85 € in Rechnung. Hieraus ist allein strittig, ob die Klägerin über die Beatmungszeit von bis 30.12.2009 von 71,2 h hinaus auch die Beatmung in Ankoppelung über HFNC vom 30.12.2009, 23:59 Uhr bis 1.1.2010, 9:00 Uhr, also über weitere 33,5 h, als künstliche Beatmung qualifizieren darf. Denn dann ist die Klägerin zum Ansatz und zur Abrechnung der DRG P03B berechtigt, welche eine Beatmungsdauer von mehr als 95 Stunden mit schweren Problemen voraussetzt. Dadurch würde die strittige weitere Vergütung iHv 9.150,41 € begründet.

Die Beklagte hielt allein die Zeit bis 30.12.2009 23:59 Uhr über 71,2 h als künstliche Beatmung ansetzbar und damit den Ansatz der um die Streitsumme niedriger zu vergütenden DRG P64Z für zutreffend. Sie berief sich dazu auf eingeholte Stellungnahmen des MDK. Die nasale Gabe von Atemgas über eine Nasenbrille mit hohem Fluss entspreche nicht der Definition der “maschinellen Beatmung„, die in der Kodierrichtlinie DKR 1001 niedergelegt ist. Dem widersprach die Klägerin. Bei dem frühgeborenen sei während der streitauslösenden Beatmung bis 1.1.2010, 9:00 Uhr mit Hilfe der bereits vorher eingesetzten Beatmungsmaschine über 33,5 h hinweg ein messbarer Druck von 4,5 bis 4,8 cm Wassersäule aufgebaut gewesen. Dieser Druck habe sich über die Ankoppelung per HFNC bis zu den unteren Atemwegen fortgepflanzt und habe dort zu einem positiven ausdehnenden Druck geführt (positive endexpiratoric pressure - PEEP). Zugleich habe die kontrollierte Erwärmung und Anfeuchtung des Atemgases die Schleimhäute des geschützt, wobei zugleich ein Wärmeverlust des Frühgeborenen habe verhindert werden können. Die Beklagte schloss sich dem nicht an und vergütete für die erbrachten Behandlungen 30.801,44 €.

3. Mit beim Sozialgericht München am 27.12.2013 eingegangener Klage hat die Klägerin Zahlung des Differenzbetrages von 9.150,41 € beantragt. Auch die 33,5 h der Überdruckbeatmung per HFNC-Brille sei der maschinellen Beatmung zuzuordnen, so dass die DRG P03B zutreffend sei. Die Beklagte hat eingewandt, dass die DKR zur künstlichen Beatmung streng nach dem Wortlaut auszulegen seien. Erst 2013 seien die DKR wegen eines Urteils (LSG Saarbrücken, 14.12.2011 - L KR 76/10), welches eine maschinenwirksame Einflussnahme auf den Körper verlangt hatte, geändert worden. Frühestens mit dieser, zeitlich später gelegenen Änderung, sei das HFNC-System als maschinelle Beatmung anzusehen sowie ansetz-, kodier- und abrechenbar

Das Sozialgericht hat nach Beiziehung der Patientenakten ein Sachverständigengutachten des Neonatologen Dr. C. M., F. eingeholt. Dieser hat auch für den Behandlungszeitraum die HFNC-Beatmung als vergütungsrelevante Zeit der maschinellen Be...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge