Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Rücknahme eines bindenden Feststellungsbescheides nach Erlass eines inzwischen bestandskräftig gewordenen Rentenbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein bindender Feststellungsbescheid bei Erlass eines inzwischen bestandskräftig gewordenen Rentenbescheids nicht aufgehoben worden, so begründet § 44 SGB 10 nach seinem Sinn und Zweck (Restitutionsgedanke) keinen Anspruch auf eine Rentenfeststellung, die auf den dem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden und bis zum Erlass des Rentenbescheides geänderten bzw außer Kraft getretenen Vorschriften beruht (Anschluss an LSG München vom 24.5.2011 - L 6 R 332/10).

2. Mit dem Eintritt der Bestandskraft des Rentenbescheids endet die Bindung des Rentenversicherungsträgers an den früheren Feststellungsbescheid.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.04.2014; Aktenzeichen B 13 R 3/13 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. April 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger unter Einbeziehung weiterer Anrechnungszeiten Anspruch auf eine höhere Altersrente hat.

Für den 1941 geborenen Kläger wurden im Feststellungsbescheid der Seekasse vom 08.02.1989 nach § 1325 Abs. 3 RVO die Zeiten im beigefügten Versicherungsverlauf bis 31.12.1982 verbindlich festgestellt. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass über die Anrechnung und Bewertung der Daten erst bei Feststellung einer Leistung entschieden werde. Nach dem Versicherungsverlauf absolvierte der Kläger u.a.

- vom 04.05.1957 (Vollendung des 16. Lebensjahres) bis 29.03.1958 (Datum des Abiturzeugnisses) eine 11-monatige "Schulausbildung",

- vom 01.08.1963 bis 30.09.1963 eine zweimonatige "Hochschulausbildung"; für den selben Zeitraum liegen auch Pflichtbeiträge vor,

- vom 10.10.1963 bis 31.10.1963 eine einmonatige "Hochschulausbildung"; für den Zeitraum vom 01.10.1963 bis 09.10.1963 ist auch ein Pflichtbeitrag ausgewiesen.

Insgesamt sind in dem Versicherungsverlauf 11 Monate Schulausbildung und 35 Monate Hochschulausbildung ab 01.04.1963 bis 10.02.1966 genannt (d.h. in der Summe 46 Monate).

In der Rentenauskunft vom 08.09.1997 wurde die Zeit der Schulausbildung vom 04.05.1957 bis 29.03.1958 nicht mehr angerechnet.

Mit Bescheid vom 29.03.2001 wurde dem Kläger ab 01.06.2001 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit gewährt. Im Versicherungsverlauf heißt es:

04.05.1957 - 29.03.1958 Schulausbildung, keine Anrechnung.

Ausgewiesen sind außerdem insgesamt 32 Monate mit Hochschulausbildung; in den Zeiten, in denen zugleich Pflichtbeiträge vorliegen (insgesamt 3 Monate), ist der Hochschulausbildung im Versicherungsverlauf keine Zahl an Monaten zugeordnet.

Eine Aufhebung des Bescheids vom 08.02.1989 ist dem Rentenbescheid nicht vorausgegangen. Auch im Rentenbescheid wurde der Feststellungsbescheid vom 08.02.1989 nicht erwähnt. Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.03.2001 wurde nicht erhoben.

Am 12.11.2005 beantragte der Kläger unter Hinweis auf Urteile des Bundessozialgerichts vom 30.04.2004 (B 4 RA 36/02 R) und des Bayer. Landessozialgerichts vom 10.08.2005 (L 13 R 4204/03), die Altersrente neu festzustellen und der Berechnung 46 Kalendermonate mit Anrechnungszeiten für Schul- und Hochschulbesuch zu Grunde zu legen.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.09.2007 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Ein Anspruch auf Rücknahme des Rentenbescheids hinsichtlich der Rentenhöhe bestehe nicht. Sie wies darauf hin, dass bei Erlass des Rentenbescheids nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) Anrechnungszeiten wegen Schulausbildung nur noch ab Vollendung des 17. Lebensjahres berücksichtigt werden könnten. Die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Zeiten entspreche den geltenden gesetzlichen Bestimmungen; zudem habe der Bescheid Bestandskraft erlangt. Auch wenn in einem früheren Bescheid entsprechend der seinerzeit geltenden Rechtslage eine Versicherungszeit vorgemerkt und später nicht mit hinreichender Bestimmtheit aufgehoben worden sei, habe der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2008 zurückgewiesen. Im Unterschied zu den vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen sei im vorliegenden Fall der Rentenbescheid bereits bestandskräftig geworden. Es sei nicht Sinn und Zweck des Überprüfungsverfahrens, mehr Sozialleistungen zu gewähren, als dem Berechtigten nach der materiellen Gesetzeslage insgesamt tatsächlich zustünden. Nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI seien Anrechnungszeiten solche Zeiten, in denen der Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht habe, insgesamt höchstens bis zu 8 Jahren. Die Zeit der schulischen Ausbildung vom 04.05.1957 bis 29.03.1958 habe daher nach dem am 29.03.2001 geltenden Recht nicht als Anrechnungszeit anerkannt werden kön...

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