Leitsatz (amtlich)

1. § 44 SGB X verpflichtet den Rentenversicherungsträger nicht zur Rücknahme eines unanfechtbaren Rentenbescheides und zur Neufeststellung der Rentenhöhe unter Berücksichtigung gesetzlicher Regelungen, die bereits bei Erlass des Rentenbescheides außer Kraft waren.

2. Eine mangels Bestimmtheit rechtswidrige Aufhebung eines Feststellungsbescheides im Rentenbescheid begründet nach § 44 SGB X ausschließlich einen Anspruch auf eine auch in formaler Hinsicht korrekte Neufeststellung gemäß § 149 Abs. 5 S. 2, nicht aber auf eine Rentenfeststellung, die auf den dem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden und bis zum Erlass des Rentenbescheides geänderten bzw. außer Kraft getretenen Vorschriften beruht (Abweichung zur Entscheidung des 14. Senats des Bayer. Landessozialgerichts; L 14 R 916/08).

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15.04.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Neufeststellung seiner Altersrente unter Beachtung weiterer, vormals durch Vormerkungsbescheid anerkannter, Anrechnungszeiten.

Die Beklagte hatte dem 1938 geborenen Kläger auf seinen Antrag vom 27.01.1999 mit Bescheid vom 10.03.1999 ab 01.05.1999 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bzw. nach Altersteilzeit in Höhe von anfänglich 2826,24 DM monatlich zuerkannt. Der Rentenbescheid enthält keinen Hinweis, dass ggf. früher ergangene Vormerkungsbescheide aufgehoben oder abgeändert würden. Lediglich im Versicherungsverlauf ist die Schulausbildung ab Vollendung des 16. Lebensjahres bis zum 17. Lebensjahr mit "keine Anrechnung" gekennzeichnet und zur sechsmonatigen Fachschulausbildung vom 01.09.1963 bis 10.02.1964 ist vermerkt, dass "die Höchstdauer überschritten" sei. Mit Neuberechnungsbescheiden vom 19.05.1999 und 25.06.1999 berücksichtigte die Beklagte ausschließlich die Rentenanpassung sowie eine Änderung der Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisse; eine Aufhebung etwaiger bindender Vormerkungsbescheide ist auch durch diese weiteren Rentenbescheide nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 30.08.2006 wandte sich der Kläger an die Beklagte und machte geltend, das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 30.03.2004 (B 4 RA 36/02 R) entschieden, dass Versicherte in Rentenfällen Anspruch auf Berücksichtigung aller verbindlich festgestellter Schul- und Hochschulausbildungszeiten hätten, wenn diese Feststellungen nicht bis zur Erteilung des Rentenbescheides ausdrücklich und mit eindeutiger Bestimmtheit aufgehoben worden seien. In seinem Fall sei mit Bescheid vom 17.07.1985 die Anerkennung von 58 Monaten für Schul- und Fachschulbesuch festgestellt und bis zur Erteilung des Rentenbescheides nicht aufgehoben worden. Damit seien der Rentenberechnung nicht nur die 40 berücksichtigten, sondern die 58 ursprünglich anerkannten Monate Anrechnungszeit zugrunde zu legen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2006 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung der bestandskräftigen Rentenfeststellung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, SGB X im Wesentlichen mit der Begründung ab, das Begehren widerspreche der materiellen Rechtslage, die nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG zu § 44 SGB X ausschließlich maßgebend sei.

Die am 28.11.2006 zum Sozialgericht München erhobene Klage begründete der Kläger damit, dass die mit Vormerkungsbescheid vom 17.07.1985 erfolgte Anerkennung der Zeiten der Schul- und Fachschulausbildung bisher nicht aufgehoben worden sei.

Nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten hat die 25. Kammer des Sozialgerichts München den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid vom15.04.2010 entschieden und die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, "eventuell" nicht mit hinreichender Bestimmtheit aufgehobene Vormerkungsbescheide (vom 18.10.1982 bzw. 17.07.1985 - die sich beide nicht in den Akten der Beklagten befänden) rechtfertigten nicht die Neufeststellung des Rentenanspruches zugunsten des Klägers. Denn es sei nicht Zweck des Überprüfungsverfahrens, mehr an Sozialleistungen zu gewähren, als dem Kläger nach der materiellen Rechtslage zustehe. Dieser Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 21.04.2010 zugestellt worden.

Die am 04.05.2010 hiergegen eingelegte Berufung hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, dass der 14. Senat des Bayer. Landessozialgerichts im Urteil vom 17.12.2009 (L 14 R 916/08) den Anspruch auf Neufeststellung gemäß § 44 SGB X in einem entsprechenden Falle bejaht habe und rückwirkend höhere Rentenleistungen auf der Grundlage unanfechtbar gewordener Vormerkungsbescheide zuerkannt habe.

Der Senat hat mit Beschluss vom 20.04.2011 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, nachdem sich der angefochtene Gerichtsbescheid zunächst bereits im Hinblick auf die Beweislage als im Ergebnis zutreffend dargestellt hatte.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger jeweils eine Kopie des Vormerkungsbe...

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