Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Streitigkeiten über die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung von Beitragszuschüssen an berufsständische Versorgungseinrichtung (hier: Bayerische Ärzteversorgung) nach § 172a SGB 6. Eröffnung des Sozialrechtswegs. Arbeitgeberzuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung nach § 257 SGB 5. sozialversicherungsrechtlicher Anspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Anspruch auf den Beitragszuschuss nach § 172a SGB VI ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben.

 

Orientierungssatz

Die im Wesentlichen inhaltsgleiche Überführung der Vorschriften der RVO in das SGB 5 hat nichts an der Zugehörigkeit des Anspruchs aus § 257 SGB 5 zum Sozialversicherungsrecht geändert. Die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 = BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2 zu § 405 RVO beansprucht deshalb weiterhin Geltung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 31.01.2023; Aktenzeichen B 12 SF 1/22 R)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. Januar 2022 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist zulässig.

II. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die weitere Beschwerde an das Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Gründe

I.

In dem der Rechtswegbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin von der Beklagten einen Beitragszuschuss zu ihrer privaten Krankenversicherung (PKV) für die Zeit vom 27.2.2014 bis 31.7.2021 sowie einen Arbeitgeberzuschuss zur berufsständischen Versorgungseinrichtung für die Zeit vom 27.2.2014 bis 31.8.2021.

Die im streitigen Zeitraum wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze privat gegen Krankheit versicherte Klägerin war aufgrund eines sog. Honorararztvertrags seit 31.1.2014 als Fachärztin für plastische Chirurgie bei der Beklagten tätig. Im August 2014 beantragte die Klägerin bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens. Letztere stellte fest, dass die Honorararzttätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung ab 27.2.2014 bestehe (Bescheid vom 16.2.2015; Widerspruchsbescheid vom 20.10.2015). Die dagegen zum Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage (S 14 R 1196/15) der Klägerin blieb ohne Erfolg (Urteil vom 13.5.2016). Das anschließende Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (L 7 R 5097/16) endete durch Vergleich, in dessen Ausführung die DRV Bund die Klägerin ab dem 27.2.2014 aufgrund ihrer seit dem 1.7.2001 bestehenden Mitgliedschaft in der Bayerischen Ärzteversorgung (berufsständische Versorgungseinrichtung) von der Versicherungspflicht in der GRV für die Tätigkeit als angestellte Ärztin bei der Beklagten befreite (Bescheid vom 23.4.2018).

Am 20.9.2021 hat die Klägerin gegen die Beklagte Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben, gerichtet auf Zahlung eines Beitragszuschusses zur PKV in Höhe von 31.644,31 Euro für die Zeit vom 27.2.2014 bis 31.7.2021 gemäß § 257 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie eines Arbeitgeberzuschusses zur berufsständischen Versorgungseinrichtung in Höhe von 42.093,56 Euro für die Zeit vom 27.2.2014 bis 31.8.2021 gemäß § 172a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Die Anspruchsvoraussetzungen dieser Vorschriften lägen vor. Auch sei der Sozialrechtsweg eröffnet, weil sowohl § 257 SGB V als auch § 172a SGB VI vom sog. Beschäftigtenbegriff des § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) als Anspruchsvoraussetzung ausgingen.

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten gerügt und eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Nürnberg-Fürth beantragt. Es handele sich nicht um eine sozialrechtliche Streitigkeit. Dies zeigten Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck sowohl des § 172a SGB VI als auch des § 257 SGB V. Auch sei nicht von einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit auszugehen, weil zwischen den Beteiligten kein Arbeitsvertrag vorgelegen habe.

Mit Schreiben vom 9.11.2021 hat das Sozialgericht den Beteiligten mitgeteilt, dass es beabsichtige, den streitigen Anspruch aus § 257 SGB V vom Verfahren abzutrennen und als eine Rechtsstreitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fortzuführen. Bezüglich des geltend gemachten Anspruchs aus § 172a SGB VI sei beabsichtigt, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Nürnberg zu verweisen.

Die Beteiligten sind dem unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 26.1.2022 hat das Sozialgericht den Sozialrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit insgesamt an das Arbeitsgericht Nürnberg verwiesen. Das Gericht folge der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vo...

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