Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Vermerk der Aufgabe eines Bescheids zur Post

 

Leitsatz (amtlich)

Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage und Erlass des vom Kläger begehrten Bescheides ist dieser auf die Möglichkeit zur Klageänderung hinzuweisen und das Widerspruchsverfahren nachzuholen.

Der Vermerk der Aufgabe zur Post gemäß § 37 Abs. 2 SGB X muss im Regelfall von der Poststelle angebracht werden.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 27.12.2017 - S 15 AS 56/16 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Streitig ist zuletzt im Rahmen einer Anfechtungs- und Leistungsklage der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach Versagung für die Zeit vom 01.11.2015 bis 30.06.2016.

Mit Bescheid vom 18.07.2016 - laut Vermerk der Sachbearbeiterin des Beklagten abgesandt am 18.07.2016 - versagte der Beklagte das zuletzt ab 01.11.2015 vom Kläger begehrte Alg II mangels Mitwirkung. Ein an den Beklagten gerichteter Widerspruch hiergegen findet sich nicht in den Akten des Beklagten. Ab 01.07.2016 erhielt der Kläger Alg II aufgrund anderweitiger Bescheide des Beklagten.

Bereits am 16.02.2016 hatte der Kläger Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Würzburg (SG) wegen der Nichtverbescheidung seines Antrages auf Alg II ab 01.11.2015 gestellt. Zudem hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt. Mit Schreiben vom 28.07.2016 und 03.08.2016 hat das SG den vom Beklagten übersandten Bescheid vom 18.07.2016 an den Kläger weitergeleitet und mit Schreiben vom 29.08.2016 beim Kläger angefragt, ob er die Untätigkeitsklage nunmehr für erledigt erkläre. Mit Schreiben vom 02.09.2016 - eingegangen beim SG am 05.09.2016 - hat der Kläger allein unter Bezugnahme auf das gerichtliche Schreiben vom 29.08.2016 "aufgrund fehlerhafter Angaben in diesem Beschluss (Angaben des Jobcenters) Widerspruch" eingelegt und gleichzeitig den Verfasser des Ablehnungsschreibens als befangen abgelehnt.

Den Antrag auf Bewilligung von PKH hat das SG mit Beschluss vom 11.01.2017 abgelehnt. Die Beschwerde hiergegen ist ohne Erfolg geblieben (Beschluss des Senates vom 21.02.2017 - L 11 AS 59/17 B PKH -: mangels bislang erfolgter Umstellung der Untätigkeitsklage unter Berücksichtigung des Bescheides vom 18.07.2016; anschließend: BSG, Beschluss vom 14.03.2017 - B 4 AS 56/17 S-).

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 07.07.2017 die Untätigkeitsklage in eine Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Bescheid vom 18.07.2016 umgestellt und erneut die Bewilligung von PKH begehrt. Er habe den Bescheid vom 18.07.2016 vom Gericht mit Schreiben vom 03.08.2016 übersandt bekommen und dagegen mit Schreiben vom 02.09.2016 Widerspruch eingelegt.

Das SG hat mit Beschluss vom 27.12.2017 diesen Antrag abgelehnt. Es fehle an einer hinreichenden Erfolgsaussicht. Für eine Umstellung der Untätigkeitsklage im Wege der Klageänderung in eine Anfechtungs- und Leistungsklage fehle es an der Durchführung eines Vorverfahrens. Dieses Vorverfahren könne auch nicht nachgeholt werden. Der Bescheid vom 18.07.2016 sei mit einfachem Brief vom Beklagten bekanntgegeben worden.

Gemäß § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gelte er am 21.07.2016 als bekanntgegeben. Bis zum 22.08.2016 (Montag) sei aber kein Widerspruch eingelegt worden. Im Übrigen sei der Bescheid mit gerichtlichem Schreiben vom 28.07.2016 nochmals übersandt worden, so dass auch ein Widerspruch mit Schreiben vom 02.09.2016 verfristet sei. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht ersichtlich.

Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Er habe den Bescheid vom 18.07.2016 ausschließlich über das SG mit Schreiben vom 03.08.2016 erhalten und mit Schreiben vom 02.09.2016 Widerspruch eingelegt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist nicht begründet.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in t...

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