Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Vermögenseinsatz. Kapitallebensversicherung. Härteregelung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine - ggf nach Kündigung verfügbare - Kapitallebensversicherung ist verwertbares Vermögen.

2. Nicht jede Unwirtschaftlichkeit begründet eine Härte.

3. Die Rechtsprechung des BSG über den Verwertungsschutz einer Kapitallebensversicherung zur Arbeitslosenhilfe ist nicht auf das SGB 12 übertragbar.

 

Orientierungssatz

Die unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung der Vermögensanrechnung im Sozialhilferecht und in der Arbeitslosenhilfe begründet keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 06.04.2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Antragsteller (ASt) den Rückkaufswert einer Lebensversicherung zur Bedarfsdeckung einsetzen müssen.

Die 1943 geborene Antragstellerin zu 1. (ASt 1) und ihr 1938 geborener Ehemann, der ASt zu 2. (ASt 2), beantragten bei der Antragsgegnerin (Ag) Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab dem 01.01.2005.

Der ASt 2 erhält seit dem 01.07.2004 von der Landesversicherungsanstalt Westfalen Versichertenrente in Höhe von monatlich 495,15 EUR, die ASt 1 erhält seit dem 01.09.2004 von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern Altersrente in Höhe von monatlich 278,07 EUR, wobei die Beitragsanteile zur Krankenversicherung und die Beiträge zur Pflegeversicherung bereits jeweils in Abzug gebracht wurden. Der Ast 2 hat ausweislich des Versicherungsscheines der B.-Versicherung Öffentl. Lebensversicherungsanstalt, München, vom 29.04.1998 eine Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung auf den Todes- und Erlebensfall abgeschlossen. Die Versicherungssumme beträgt 20.000,00 DM (entspricht 10.225,84 EUR), der monatliche Beitrag 135,20 DM (entspricht 69,13 EUR). Die Versicherung soll vertragsgemäß bis zum 01.05.2010 angespart werden. Am 01.05.2010 um 12.00 Uhr läuft die Versicherung ab. Am 14.01.2005 betrug der aktuelle Rückkaufswert dieser Lebensversicherung lt. Mitteilung der Sparkasse M. 4.902,48 EUR.

Mit Bescheid vom 25.01.2005 lehnte die Ag den Antrag der ASt auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII ab. Die von den ASt eingereichten Unterlagen zeigten, dass die ASt durch den Rückkaufswert ihrer Lebensversicherung über ein Vermögen in Höhe von 4.900 EUR verfügten. Der gemeinsame Freibetrag belaufe sich aber nur auf 3.214 EUR. Die ASt hätten deshalb Vermögen in Höhe von ca. 1.700 EUR zur Bedarfsdeckung. Die Lücke zwischen ihrem sozialhilferechtlichen Bedarf und ihrem laufenden monatlichen Einkommen betrage monatlich ca. 300 EUR. Mithin könnten sie ihren Lebensunterhalt aus dem vorhandenen Vermögen für mindestens fünf Monate decken.

Über den Widerspruch der ASt gegen die Ablehnung der Leistungsbewilligung ist bislang - soweit ersichtlich - nicht entschieden worden.

Am 03.03.2005 beantragten die ASt beim Sozialgericht München (SG) sinngemäß, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu bewilligen.

Der von der Ag angegebene Vermögensbetrag in Höhe von 4.900 EUR stehe ihnen derzeit nicht zur Verfügung. Bei einer Kündigung der Versicherung im Februar könnten sie allenfalls Anfang April 2005 über das Vermögen verfügen. Bereits im November und Dezember 2004 sowie im Januar und Februar 2005 hätten sie Schulden machen müssen, um den notwendigen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Der ASt 2 sei schwer gehbehindert und könne die im Jahre 2010 fällige Versicherungssumme von etwa 11.000 bis 12.000 EUR zur behindertengerechten Ausgestaltung seiner Wohnung verwenden. Die Verwertung der Lebensversicherung sei eine übermäßige Härte, weil sie jeder wirtschaftlichen Vernunft widerspreche.

Die Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.

Sie wiederholte im Wesentlichen ihre bisherigen Ausführungen und wies darauf hin, dass auch eine vorläufige darlehensweise Gewährung von Hilfe ausscheide, weil die sofortige Verwertung des vorhandenen Vermögens möglich und eine Härtegrund nicht ersichtlich sei.

Das SG lehnte mit Beschluss vom 06.04.2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Die ASt verfügten über verwertbares Vermögen im Sinne des § 90 Abs 1 SGB XII. Der streitgegenständliche Vermögenseinsatz stelle keine Härte im Sinne des § 90 Abs 3 SGB XII dar. Soweit die ASt zudem Schulden hätten, seien diese Verbindlichkeiten nicht durch die Ag zu decken.

Hiergegen wenden sich die ASt mit ihrer Beschwerde, die beim Bayer. Landessozialgericht am 02.05.2005 eingegangen ist. Das SG habe erhebliche materiell-rechtliche und prozessuale Fehler begangen. Die Lebensversicherung hätte frühestens im April 2005 zur Verfügung gestanden. Sie hätten zur Überbrückung ihrer Notlage weitere Darlehen bei Freunden aufnehmen müssen. Ein Härtefall sei zu Unrecht verneint wo...

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