Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung einer Schwangerschaft – Mitteilungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Eine Arbeitnehmerin, die dem Arbeitgeber das Bestehen einer Schwangerschaft mitgeteilt hat, ist verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn die Schwangerschaft vorzeitig endet (etwa aufgrund einer Fehlgeburt), auch dann, wenn der Arbeitgeber sich mit der Annahme ihrer Dienste in Verzug befindet und eine von ihm erklärte Kündigung wegen Verstoßes gegen § 9 MuSchG rechtskräftig für rechtsunwirksam erklärt worden ist.
Hat eine Arbeitnehmerin diese Mitteilung schuldhaft unterlassen, und hat der Arbeitgeber deshalb das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt, so kann der Arbeitgeber die „Nichtbeendigung” des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Ansprüche der Arbeitnehmerin auf Entgelt nicht als Schaden geltend machen.
Normenkette
BGB §§ 249, 615; MuSchG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. November 1998 – 13 Sa 785/98 – im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als es auf die Berufung des Beklagten das Teilurteil des Arbeitsgerichts Emden vom 19. Februar 1998 – 2 Ca 447/97 – abgeändert und die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen hat.
Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Emden teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für
- August 1997 2.336,00 DM brutto abzgl. vom Arbeitsamt gezahlter 985,40 DM,
- September 1997 2.336,00 DM brutto abzgl. vom Arbeitsamt gezahlter 985,40 DM,
- Oktober 1997 2.336,00 DM brutto abzgl. vom Arbeitsamt gezahlter 1.023,30 DM,
- November 1997 4.672,00 DM brutto abzgl. vom Arbeitsamt gezahlter 947,50 DM,
- Dezember 1997 2.336,00 DM brutto abzgl. vom Arbeitsamt gezahlter 1.023,30 DM,
- Januar 1998 2.336,30 DM brutto abzgl. vom Arbeitsamt gezahlter 1.014,01 DM,
- die Zeit vom 1. Februar 1998 bis zum 1. April 1998 4.789,87 DM brutto abzgl. vom Arbeitsamt gezahlter 1.962,60 DM sowie
- als Zuschuß zum Mutterschaftsgeld 2.966,37 DM netto zu zahlen.
Im übrigen werden die Berufung des Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung und die der Revision hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Die 1972 geborene Klägerin war seit Januar 1995 bei dem Beklagten als Arzthelferin mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.336,00 DM zuzüglich 52,00 DM Arbeitgeberzuschuß zu den vermögenswirksamen Leistungen beschäftigt. Außerdem erhielt sie jährlich im November ein 13. Monatsgehalt des Beklagten. In der Regel arbeiten regelmäßig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer.
Am 15. Mai 1997 teilte die Klägerin dem Beklagten das Bestehen einer Schwangerschaft mit; voraussichtlicher Entbindungstermin sei der 18. Januar 1998. Am Tag darauf kündigte die Ehefrau des Beklagten das Arbeitsverhältnis fristlos und erteilte der Klägerin Praxisverbot. Mit Anwaltsschreiben vom 21. Mai 1997 kündigte der Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht. In dem Schreiben wird ua. ausgeführt, die Klägerin habe am 12. Mai 1997 eine Spritzenpumpe nachlässig vorbereitet. In dem Schlauchsystem sei noch derart viel Luft gewesen, daß ihre Verabreichung für die Patientin tödlich gewesen wäre. Die Abmahnung des Beklagten habe sie mit einem Schulterzucken aufgenommen. Am 15. Mai 1997 sei der dreijährige Patient W. nach einer Narkose aus dem Aufwachraum nach vorn in den EKG-Raum verbracht und die Klägerin für seine Überwachung eingeteilt worden. Der Beklagte habe das Kind in einem lebensbedrohlichen Zustand vorgefunden, die Gesichtsfarbe habe sich bläulich verfärbt und das Kind sei nicht ansprechbar gewesen. Ob die Klägerin, wie sie angegeben habe, gerade schwanger geworden sei, sei für die Berechtigung der fristlosen Kündigung ohne Belang. Vorsorglich würden sich die Anwälte für den Beklagten an die für Mutterschutzangelegenheiten zuständige Stelle wenden, damit auch von dieser Behörde die erklärten Kündigungen „abgesegnet” würden. In dem an das Gewerbeaufsichtsamt gerichteten Antrag auf Zulässigkeitserklärung einer Kündigung verweisen die Rechtsanwälte ua. auf eine von der Klägerin vorgelegte ärztliche Schwangerschaftsbescheinigung.
Auf die von der Klägerin erhobene Klage stellte das Arbeitsgericht durch das am 26. Juni 1997 rechtskräftig gewordene Versäumnisurteil vom 16. Juni 1997 auf ihren Antrag die Unwirksamkeit der Kündigungen fest. Zu dieser Zeit hatte die Schwangerschaft der Klägerin bereits aufgrund einer am 5./6. Juni 1997 erlittenen Fehlgeburt geendet. Vom 5. bis 18. Juni 1997 war sie arbeitsunfähig erkrankt.
In dem Verwaltungsverfahren hatte die Klägerin zunächst am 29. Mai 1997 zu den Kündigungsgründen Stellung genommen und ua. ausgeführt, sie sei in die Bedienung der Spritzenpumpe nicht ordnungsgemäß eingewiesen worden. Der Vorfall vom 15. Mai 1997 sei auf mangelnde Praxisorganisation zurückzuführen. Zu der ihr zugeleiteten Erwiderung des Beklagten vom 18. Juni 1997 äußerte sie sich am 4. Juli 1997 ohne auf die Fehlgeburt hinzuweisen. Durch Bescheid vom 21. Juli 1997 wurde der Antrag des Beklagten zurückgewiesen. Sein Widerspruch blieb erfolglos. Im September 1997 wurde bei der Klägerin eine erneute Schwangerschaft festgestellt und der voraussichtliche Entbindungstag auf den 14. Mai 1998 festgelegt. Von der Fehlgeburt und der zweiten Schwangerschaft erlangte der Beklagte Anfang Januar 1998 Kenntnis.
Die Klägerin hat zunächst Gehaltsansprüche sowie die vermögenswirksamen Leistungen für Mai 1997 bis Januar 1998 unter Anrechnung der Leistungen des Arbeitsamtes geltend gemacht. Der Beklagte hat widerklagend die im Verwaltungsverfahren entstandenen Gebühren sowie Freistellung von den dabei entstandenen Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil stattgegeben; über die Widerklage hat es nicht entschieden. Mit ihrer Anschlußberufung hat die Klägerin die Klage auf Zahlung der Monatsgehälter bis einschließlich 1. April 1998, des 13. Gehalts, der vermögenswirksamen Leistungen sowie des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld für die Zeit vom 2. April bis 12. Juli 1998 erweitert. Sie hat gemeint, sie sei nicht verpflichtet gewesen, im Juni 1997 dem Beklagten die Beendigung ihrer Schwangerschaft anzuzeigen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
- die Abrechnung für den Monat Mai 1997 zu korrigieren und an sie 2.388,00 DM brutto abzüglich gezahlter 1.442,57 DM netto zu zahlen,
- an sie die ausstehende Vergütung für den Monat Juni 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 379,00 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 1. Juli 1997 zu zahlen,
- an sie die ausstehende Vergütung für den Monat Juli 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 1.022,30 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 1. August 1997 zu zahlen,
- an sie die ausstehende Vergütung für den Monat August 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 985,40 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 1. September 1997 zu zahlen,
- an sie die ausstehende Vergütung für den Monat September 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 985,40 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 1. Oktober 1997 zu zahlen,
- an sie die ausstehende Vergütung für den Monat Oktober 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 1.023,30 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 1. November 1997 zu zahlen,
- an sie die ausstehende Vergütung für den Monat November inklusive dem 13. Monatseinkommen in Höhe von insgesamt 4.724,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 947,50 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 1. Dezember 1997 zu zahlen,
- an sie die ausstehende Vergütung für den Monat Dezember 1997 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 1.023,30 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 1. Januar 1998 zu zahlen,
- an sie die ausstehende Vergütung für den Monat Januar 1998 in Höhe von 2.388,00 DM brutto, abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 1.014,01 DM, nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 1. Februar 1998 zu zahlen,
- weitere 4.855,60 DM brutto und 2.966,37 DM netto, jeweils nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit, abzüglich von der Bundesanstalt für Arbeit gezahltem Arbeitslosengeld von 1.962,60 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin hätte ihm die Beendigung ihrer Schwangerschaft unverzüglich mitteilen müssen. Er hätte dann sofort gekündigt, so daß das Arbeitsverhältnis noch im Juli 1997 beendet worden wäre. Weitergehende Zahlungsansprüche habe sie daher nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin über den 31. Juli 1997 hinaus Leistungen zu erbringen. Insoweit hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer auf die Hauptforderungen beschränkten Revision. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten über den 31. Juli 1997 hinaus Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Bruttomonatsgehalts und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld. Unbegründet ist die Revision hinsichtlich des Zuschusses des Beklagten zu den verlangten vermögenswirksamen Leistungen.
I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für die Zeit vom 1. August 1997 bis zum 1. April 1998 Anspruch auf das monatliche Gehalt von 2.336,00 DM brutto und das 13. Gehalt.
1. Der Beklagte hat der Klägerin seit der fristlosen Kündigung und dem erteilten Praxisverbot keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Er ist daher mit der Annahme ihrer Dienste in Verzug geraten und schuldet der Klägerin deshalb die infolge des Verzugs entgangene vereinbarte Vergütung(§§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1 iVm. §§ 293 ff. BGB). Die Klägerin war auch nicht gehalten, im Anschluß an das Versäumnisurteil dem Beklagten ihre Dienste erneut anzubieten, sondern konnte eine Arbeitsaufforderung des Beklagten abwarten (BAG 19. Januar 1999 – 9 AZR 679/97 – AP BGB § 615 Nr. 79 = EzA BGB § 615 Nr. 93). Die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im Juni 1997 ist für die Entgeltansprüche ebenfalls ohne Bedeutung(BAG 24. November 1994 – 2 AZR 179/94 – AP BGB § 615 Nr. 60 = EzA BGB § 615 Nr. 83).
2. Der Beklagte ist nicht aufgrund einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner Zahlungspflicht befreit. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zwar anerkannt, daß unter außergewöhnlichen Verhältnissen die Geschäftsgrundlage eines Arbeitsverhältnisses entfallen kann, so daß es auch ohne besondere rechtsgestaltende oder rechtsfeststellende Erklärung sein Ende findet oder die Berufung auf das Fehlen einer Kündigungserklärung oder eines anderen Beendigungstatbestandes rechtsmißbräuchlich sein kann(zuletzt 24. August 1995 – 8 AZR 134/94 – AP BGB § 242 Geschäftsgrundlage Nr. 17 = EzA BGB § 242 Geschäftsgrundlage Nr. 5 mwN). Das setzt aber voraus, daß die tatsächlichen Grundlagen für eine Beschäftigung des Arbeitnehmers durch äußere Ereignisse sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer erkennbar dauernd oder doch auf unabsehbare Zeit weggefallen sind. Daran fehlt es.
3. Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht ausgeschlossen, weil dem Beklagten ihre weitere Beschäftigung unzumutbar gewesen wäre.
Der Arbeitgeber, dessen Kündigung rechtsunwirksam ist, gerät ausnahmsweise nicht in Annahmeverzug, wenn ihm die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht zumutbar ist. Hierfür reicht nicht jedes Verhalten aus, das zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Erforderlich ist vielmehr ein besonders grober Vertragsverstoß und die Gefährdung von Rechtsgütern des Arbeitgebers, seiner Familienangehörigen oder anderer Arbeitnehmer, deren Schutz Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Verdienstes hat(BAG 29. Oktober 1987 – 2 AZR 144/87 – AP BGB § 615 Nr. 42 = EzA BGB § 615 Nr. 43). Das Vorliegen derartiger Gründe läßt sich dem Vorbringen des Beklagten nicht entnehmen.
4. Die Verpflichtung des Beklagten zur Entgeltfortzahlung ist nicht aus anderen Gründen mit dem 31. Juli 1997 erloschen, sondern besteht über diesen Zeitpunkt hinaus.
a) Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen, weil die Klägerin es bewußt unterlassen habe, dem Beklagten im Juni 1997 die Beendigung der Schwangerschaft anzuzeigen, um eine Kündigung zu verhindern oder hinauszuschieben. Nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung sei sie zum Schadenersatz verpflichtet und habe den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn sie ihrer Mitteilungspflicht genügt hätte. Der Beklagte hätte dann noch in der zweiten Hälfte des Juni 1997 das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 1997 gekündigt. Eine solche Kündigung hätte das Arbeitsverhältnis beendet, weil sie unter Berücksichtigung der Vorfälle vom 12. und 15. Mai 1997 weder willkürlich noch von unsachlichen Motiven bestimmt gewesen wäre. Dem Beklagten sei nicht verwehrt, sich auf den Vertragsverstoß der Klägerin zu berufen, obwohl er durch die fristlose Kündigung grob gegen seine Vertragspflichten verstoßen habe.
b) Dem folgt der Senat nicht.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zutreffend angenommen, daß die Klägerin verpflichtet war, dem Beklagten unverzüglich die Beendigung der Schwangerschaft anzuzeigen.
(1) Auch ohne gesonderte vertragliche oder gesetzliche Grundlage können den Arbeitnehmer Mitteilungs- oder Anzeigepflichten treffen. So ist anerkannt, daß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber drohende Schäden anzuzeigen hat (BAG 1. Juni 1995 – 6 AZR 912/94 – BAGE 80, 144). Ein wegen geringfügiger Beschäftigung versicherungsfreier Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die Aufnahme einer weiteren Beschäftigung mitzuteilen, weil sich hieraus Beitrags- und Meldepflichten ergeben, sofern dadurch Versicherungspflicht eintritt (BAG 18. November 1988 – 8 AZR 12/86 – BAGE 60, 135). Eine solche vertragliche Mitteilungspflicht hat auch eine Arbeitnehmerin, die dem Arbeitgeber das Bestehen einer Schwangerschaft und den voraussichtlichen Entbindungstermin(§ 5 Abs. 1 MuSchG) mitgeteilt hat, wenn die Schwangerschaft vorzeitig endet(Buchner/Becker MuSchG BErzGG 6. Aufl. § 5 Rn. 15; Meisel/Sowka Mutterschutz und Erziehungsurlaub 5. Aufl. § 5 Rn. 10 a und 19 c; Zmarzlik/Zipperer/Viethen MuSchG ua. 8. Aufl. § 5 Rn. 6; Gröninger/Thomas MuSchG Stand Juni 2000 § 5 Rn. 13; Heilmann MuSchG 2. Aufl. § 5 Rn. 37).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hierfür ohne Bedeutung, daß die Arbeitnehmerin nach § 5 Abs. 1 MuSchG jedenfalls im Regelfall nicht verpflichtet ist, das Bestehen einer Schwangerschaft mitzuteilen(BAG 13. Juni 1996 – 2 AZR 736/95 – BAGE 83, 195 mwN). Die gesetzliche Fassung als Sollvorschrift beruht auf der Achtung des Persönlichkeitsrechts der Frau. Obwohl die Gesundheit von Mutter und Kind an sich eine frühzeitige Unterrichtung des Arbeitgebers nahelegt, soll die Arbeitnehmerin nicht zur Offenbarung ihrer Schwangerschaft gezwungen sein. Dieser Grund entfällt, sobald die Arbeitnehmerin von der Schwangerschaft Mitteilung macht und damit die Rechtsbeziehungen zum Arbeitgeber beeinflußt. Dieser hat nunmehr die mutterschutzrechtlichen Pflichten, Verbote und Beschäftigungsbeschränkungen zu beachten. Für die Dauer der Schwangerschaft bestimmen sich Art, Inhalt und Umfang der von der Arbeitnehmerin geschuldeten Arbeitsleistung nicht mehr allein nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, sondern nach Maßgabe des Mutterschutzrechts. Das bedingt eine Verpflichtung der Arbeitnehmerin, den Arbeitgeber unverzüglich und unaufgefordert zu unterrichten, sobald die mit der Mitteilung beanspruchten Schutzrechte nicht mehr bestehen.
(2) Die Unterrichtungspflicht besteht auch dann, wenn sich der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste der Arbeitnehmerin in Verzug befindet. Der Arbeitnehmer ist zwar nach § 615 Abs. 1 BGB nicht zur Nachleistung der nicht erbrachten Dienste verpflichtet. Seine Arbeitspflicht entfällt aber ebensowenig wie die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Nebenpflichten. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zuvor gekündigt hat, der Arbeitnehmer aber, wie hier die Klägerin, am Arbeitsverhältnis festhalten will (vgl. BAG 25. April 1991 – 2 AZR 624/90 – AP BGB § 626 Nr. 104 = EzA BGB § 626 nF Nr. 140 zum vertraglichen Wettbewerbsverbot).
(3) Die von der Klägerin im Hinblick auf die ihr bekannte Kündigungsabsicht des Beklagten geäußerten Bedenken, es könne von niemandem erwartet werden, daß er für seine eigene Kündigung sorge, greifen nicht durch. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, daß kein Arbeitnehmer verpflichtet ist, den Arbeitgeber über das Bestehen von Kündigungsgründen zu unterrichten; eine Selbstbezichtigung ist nicht zumutbar (BAG 7. September 1995 – 8 AZR 828/93 – AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 24 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 4; BGH 23. Februar 1989 – IX ZR 236/86 – AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 9). Die Klägerin übersieht jedoch, daß eine Arbeitnehmerin mit der Anzeige der Beendigung einer vorab mitgeteilten Schwangerschaft keine Tatsache offenbart, die eine Kündigung des Arbeitgebers begründen könnte. Die Rechtsfolgen einer Kündigung bestimmen sich vielmehr nach den vom Arbeitgeber in einem möglichen Bestandsrechtsstreit ggf. vorzutragenden Tatsachen, die die Kündigung begründen sollen. Hier geht es dagegen um den Anspruch des Arbeitgebers auf Unterrichtung über die rechtlichen Grundlagen des Arbeitsverhältnisses. Dazu gehört auch seine Kenntnis, ob eine Kündigung aufgrund der von der Arbeitnehmerin reklamierten Schutzrechte weiterhin nur unter den engen Voraussetzungen des § 9 MuSchG zulässig ist oder ob die allgemein für ihn als Arbeitgeber geltenden Kündigungsbestimmungen eingreifen.
(4) Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte könne sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben(§ 242 BGB) wegen seines eigenen grob rechtswidrigen Verhaltens nicht auf eine mögliche Verletzung ihrer Mitteilungspflicht berufen, so läßt sich ihrem Vorbringen kein revisionsrechtlich beachtlicher Rechtsfehler entnehmen.
bb) Die vom Landesarbeitsgericht für ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin gegebene Begründung trägt seine Entscheidung allerdings nicht. Es ist nicht maßgeblich, ob die Klägerin die Mitteilung über die Beendigung der Schwangerschaft dem Beklagten bewußt vorenthalten hat, um eine Kündigung zu verhindern. Das Verschulden muß sich vielmehr auf die haftungsbegründende Verletzungshandlung beziehen, hier also auf das Bestehen der Mitteilungspflicht. Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Kenntnis der Klägerin vom Bestehen dieser Pflicht oder deren verschuldete Unkenntnis fehlen indessen. Eine Entscheidung des Senats ist insoweit aber entbehrlich.
cc) Auch wenn die Klägerin schuldhaft ihre Mitteilungspflicht über die Beendigung der Schwangerschaft verletzt hat, ist der Beklagte dadurch nicht von seiner Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung befreit worden.
(1) Nach § 249 Satz 1 BGB ist ein Schaden grundsätzlich durch Naturalrestitution auszugleichen. Das bedeutet die Herstellung des Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dabei kann sich der Schadenersatzanspruch auch auf die Befreiung von einer Verbindlichkeit richten. Dementsprechend geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß ein Vertragspartner, der aufgrund Irreführung oder infolge unzureichender Aufklärung der Gegenpartei zum Vertragsschluß veranlaßt worden ist, nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluß im Wege der Naturalrestitution verlangen kann, daß dieser Vertrag rückgängig gemacht wird (vgl. BGH 26. September 1997 – V ZR 29/96 – ZIP 1998, 154 mwN). Dabei ist der Anspruch des Geschädigten an sich auf den Abschluß eines Aufhebungsvertrags gerichtet, also auf die Annahme eines vom Geschädigten dem Vertragspartner unterbreiteten Angebots auf Aufhebung des Vertrags und erst anschließend auf die Rückabwicklung des Vertrags. Auf den „Zwischenschritt” einer Vertragsaufhebung wird allerdings regelmäßig verzichtet und als zulässig erachtet, die sich aus der fiktiven Aufhebung des Vertrags ergebenden Folgeansprüche unmittelbar durch Klage oder im Passivprozeß durch Einwendung geltend zu machen (Lorenz ZIP 1998, 1053).
Ein solcher Schadensausgleich im Wege der Naturalrestitution ist in einem wie hier mangelfrei zustande gekommenen Arbeitsverhältnis rechtlich unmöglich. Der Beklagte kann nicht so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht genügt hätte. Denn in diesem Fall wäre das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund einer vom Beklagten zum 31. Juli 1997 erklärten Kündigung rechtlich beendet worden. Erst aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wäre der Beklagte von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung befreit worden. Rechtlich endet ein Arbeitsverhältnis aber nur aufgrund eines gesetzlich bestimmten Beendigungstatbestandes wie Befristung, Bedingung, Aufhebungsvertrag oder Betriebsübergang. Soll das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung enden, so ist eine hierauf gerichtete Gestaltungserklärung erforderlich. Die Abgabe einer Kündigungserklärung kann nicht über § 249 BGB fingiert werden.
(2) Das Landesarbeitsgericht hat zudem nicht geprüft, ob dem Beklagten überhaupt ein Vermögensschaden entstanden ist, der von der Klägerin in Geld zu ersetzen wäre(§ 251 BGB). Es hat offenbar als selbstverständlich angenommen, der Beklagte sei geschädigt, weil er das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nicht zum 31. Juli 1997 gekündigt hat, das Arbeitsverhältnis mithin fortbesteht und er deshalb ua. zur Entgeltfortzahlung ohne Gegenleistung der Klägerin verpflichtet ist.
Ob ein Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach der sog. Differenzhypothese, also einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist indessen anerkannt, daß die Differenzmethode für sich als wertneutrale Rechenoperation nicht genügt, um den Eintritt eines Vermögensschadens festzustellen. Welche „Rechnungsposten” in den Vergleich/die Bilanz einzubeziehen sind, ist vielmehr wertend zu bestimmen(BGH 9. Juli 1986 – GSZ 1/86 – BGHZ 98, 212). Geht es um die Ermittlung eines Schadens im Zusammenhang mit dem unredlich erwirkten Abschluß eines gegenseitigen Vertrages, so wird der Wert des Gegenstandes mit dem Wert der hierfür vereinbarten Gegenleistung (idR Kaufpreis) verglichen und das rechnerische Minus ermittelt. Zusätzlich werden die mit dem Erwerb verbundenen Vor- und Nachteile berücksichtigt. Ein Vermögensschaden tritt also nicht automatisch mit der Eingehung des Vertrags ein, sondern bedingt, daß der Vertragsschluß für den Betroffenen wirtschaftlich nachteilig ist (BGH 26. September 1997 – V ZR 29/96 – aaO).
Von diesen Grundsätzen ist auch für den hier gegebenen gegenläufigen Sachverhalt, nämlich der Aufrechterhaltung eines unerwünschten Vertrags, auszugehen. Zwar kann ein Arbeitsvertrag, der ohne ein vorvertragliches Verschulden einer Vertragspartei überhaupt nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen worden wäre, als Schaden beurteilt werden. Das gilt aber nicht für die „Nichtbeendigung” eines Arbeitsverhältnisses. Ein Fortbestehen der sich aus einem mangelfrei begründeten Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als Schaden zu beurteilen.
Das Bundesarbeitsgericht hat bereits zum Haftungstatbestand Verschulden bei Vertragsschluß entschieden, daß die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht wie die des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung für die Dauer einer Kur keinen Vermögensschaden im Rechtssinn bedeutet(27. März 1991 – 5 AZR 58/90 – AP LohnFG § 1 Nr. 92 = EzA LohnFG § 1 Nr. 117). Für die Aufrechterhaltung eines mangelfrei zustande gekommenen Arbeitsverhältnisses gilt nichts anderes. Zwar wird ein Arbeitgeber, der sich vom Arbeitsvertrag lösen will, sich durch dessen Fortbestand und die damit verbundenen Geldansprüche des Arbeitnehmers belastet fühlen. Eine solche regelmäßig auch wirtschaftlich fühlbare Beeinträchtigung läßt sich gleichwohl nicht als Schaden beurteilen. Der Arbeitgeber wird allein an den Bedingungen festgehalten, die er selbst im Arbeitsvertrag(§ 611 Abs. 1 BGB) vereinbart hat. Leistung und Gegenleistung der Arbeitsvertragsparteien sind deshalb als gleichwertig zu beurteilen. Diese Gleichwertigkeit wird durch den Umstand, daß der Arbeitgeber Arbeitnehmerschutzrechte zu beachten hat, nicht berührt. Diese beruhen auf der Entscheidung des Gesetzgebers über den jeweiligen arbeitsrechtlichen Schutzumfang. Sich daraus ergebende gesetzliche Pflichten des Arbeitgebers sind bei der „Bilanzierung” der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile eines bestehenden Arbeitsverhältnisses deshalb nicht als Minus einzustellen.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich nicht aus der Überlegung, die schuldhafte Verletzung der Mitteilungspflicht der Klägerin bliebe „sanktionslos”. Das trifft zum einen nicht zu, weil der Ersatz anderer Aufwendungen nicht ausgeschlossen ist. Zum anderen dient das Schadensrecht dem Ausgleich von Vermögensinteressen und nicht der Bestrafung. Darauf läuft indessen die Annahme hinaus, ein Arbeitgeber werde trotz des rechtlichen Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses von allen sich daraus ergebenden Pflichten befreit. Damit würde ein faktischer Beendigungstatbestand geschaffen, der im geltenden Recht nicht vorgesehen ist.
5. Entgegen der Hilfsbegründung des Landesarbeitsgerichts hat der Annahmeverzug des Beklagten auch nicht mit dem 6. Dezember 1997 geendet, weil dieses Datum in der Schwangerschaftsbescheinigung als letzter Arbeitstag vor Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 1 MuSchG genannt war. Die Mitteilung über den voraussichtlichen Entbindungstermin und damit den Beginn der Schutzfrist vor der Entbindung soll dem Arbeitgeber ermöglichen, die Abwesenheit der Arbeitnehmerin einplanen zu können. Sie enthält aber keine Aussage zur Leistungsbereitschaft oder Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmerin. Da die Klägerin tatsächlich nicht mehr schwanger war, war ihr die Erbringung der geschuldeten Dienste auch nicht rechtlich unmöglich (§ 297 BGB).
II. Die Revision hat damit auch hinsichtlich des nach § 14 Abs. 1 MuSchG verlangten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für die Zeit vom 2. April bis 12. Juli 1998 Anspruch auf den rechnerisch unstreitigen Betrag von 2.996,37 DM.
III. Unbegründet ist die Revision, soweit die Klägerin von dem Beklagten den Zuschuß zu den vermögenswirksamen Leistungen von monatlich 52,00 DM verlangt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 5 5. VermBG hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung an sie selbst, sondern nur auf Zahlung an das von ihr bestimmte Unternehmen/Institut (vgl. BAG 3. März 1993 – 10 AZR 36/92 – nv.). Die Erfüllung der Voraussetzungen einer ausnahmsweise nach § 3 Abs. 3 5. VermBG zulässigen Zahlung an den Arbeitnehmer hat die Klägerin nicht dargelegt.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 iVm. § 92 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Leinemann, Düwell, Reinecke, Klosterkemper, R. Trümner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.01.2000 durch Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 537525 |
BAGE, 179 |
BB 2000, 2206 |
DB 2000, 2276 |
NJW 2001, 92 |
ARST 2001, 37 |
FA 2000, 357 |
FA 2001, 19 |
NZA 2000, 1157 |
RdA 2001, 333 |
SAE 2001, 32 |
ZAP 2000, 1343 |
ZTR 2001, 86 |
AP, 0 |
PERSONAL 2001, 326 |