Sondergutachten zu den Krankengeldausgaben

Die Krankengeldausgaben steigen seit Jahren konstant. In den letzten 10 Jahren haben sie sich sogar verdoppelt. Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit hat ein Sachverständigenrat nun die Gründe begutachtet und Ideen entwickelt, wie die Ausgaben reduziert werden können.

In dem Sondergutachten werden die Gründe für den erheblichen Anstieg der Krankengeldausgaben - insbesondere ab dem Jahr 2006 – aufgezeigt. Außerdem sind darin Handlungsoptionen enthalten, die den Ausgabenanstieg begrenzen sollen.

Politische Ursachen für Anstieg der Krankengeldausgaben

In dem Sondergutachten wird ausgeführt, dass die Krankengeldausgaben seit 2006 kontinuierlich durchschnittlich um 8 % jährlich angestiegen sind. Die Hälfte des Anstiegs ist jedoch auf politisch gewünschte Entwicklungen zurückzuführen. So wirken höhere durchschnittliche Einkommen, eine größere Anzahl von Beschäftigungen und die Zunahme der älteren krankengeldberechtigten Mitglieder sich auf die Ausgaben im Krankengeldbereich erhöhend aus.

Neben den erwünschten Entwicklungen gibt es jedoch auch vermeidbare Krankengeldausgaben. Diese sollen nach Ansicht des Sachverständigenrates begrenzt werden. Hierzu zeigt der Rat gesundheitspolitische Handlungsoptionen auf. Sie verfolgen insbesondere das Ziel, Fehlanreize für den Bezug von Krankengeld zu beseitigen.

Teilarbeitsunfähigkeit und Teilkrankengeld

Bei der Einführung einer Teilarbeitsunfähigkeit soll der Grundgedanke der stufenweisen Wiedereingliederung - analog des Beispiels Schweden - weiterentwickelt werden: Mit einer Krankschreibung soll regelmäßig ein stufenweiser Begutachtungsprozess zur Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit beginnen. In festgelegten Zeitintervallen soll dabei geprüft werden, ob und in welchem Umfang die vorherige bzw. eine andere Tätigkeit ausgeübt werden kann. Hierbei wird im Rahmen der AU-Feststellung durch den Arzt im Konsens mit dem Versicherten die Arbeitsunfähigkeit prozentual differenziert (z. B. 100 %, 75 %, 50 % oder 25 % Arbeitsunfähigkeit). So soll das verbleibende "Restleistungsvermögen" des Arbeitnehmers aktiv genutzt werden, um für alle Verfahrensbeteiligten motivierende Anreize zu schaffen. Dies soll eine möglichst frühzeitig beginnende, gut organisierte Wiedereingliederung des Versicherten ermöglichen. Dies hätte folgende Vorteile:

  • dem Arbeitgeber würden durch die teilweise Arbeitsaufnahme des Versicherten weniger Ausfallzeiten entstehen,
  • durch die Verpflichtung zur Zahlung von einem Teilarbeitsentgelt für die geleistete Arbeit hätte der Versicherten weniger Entgeltverluste und
  • den Krankenkassen würde durch die Kürzung des Krankengeldes im Rahmen der Teilarbeitsfähigkeit weniger Krankengeldausgaben entstehen.

Verbesserte psychische Betreuung

Psychische Erkrankungen sind der zweithäufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit. Die teilweise sehr langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz verlängern aber unnötig die Krankheitsdauer. Daher soll die Bedarfsplanung für die Psychotherapie kritisch geprüft und weiterentwickelt werden. Zusätzlich sollen die Krankenkassen durch Anreize in Verträgen und besserer Koordination der Leistungen die Versorgung der Versicherten diesbezüglich verbessern.

Erweiterte Mitwirkungspflichten der Versicherten

Derzeit bestehen im Zusammenhang mit Antragspflichten während des Krankengeldbezuges nur Mitwirkungspflichten für Versicherte für die Stellung eines Reha-Antrags (§ 51 SGB V). Wird der Reha-Antrag nach Aufforderung nicht gestellt, entfällt der Krankengeldanspruch. Diese Pflichten sollen dahingehend erweitert werden, dass auch zur Antragstellung zu einer Erwerbsminderungs- oder Altersrente aufgefordert werden kann. Um die Verfahren im Sinne einer schnelleren Leistungsgewährung weiter zu beschleunigen, wird gleichzeitig empfohlen, die bisherigen Fristen von 10 auf 4 Wochen zu reduzieren und die Zusammenarbeit zwischen den Krankenkassen und der Rentenversicherung zu intensivieren.

Kein Krankengeld für Zeiten einer Urlaubsabgeltung

Aktuell gibt es keine gesetzliche Regelung, wonach das Krankengeld für Zeiten einer Urlaubsabgeltung ausgeschlossen ist. Ein zum Beschäftigungsende Arbeitsunfähiger erhält Krankengeld, auch wenn grundsätzlich nach Beschäftigungsende kein Arbeitsentgelt ausfällt. Arbeitsunfähige Versicherte werden daher gegenüber arbeitsfähigen Versicherten bessergestellt. Wird ein Arbeitsfähiger nach Beschäftigungsende arbeitslos, ruht das Arbeitslosengeld für die Dauer der Urlaubsabgeltung. Zukünftig soll daher auch der Bezug von Krankengeld für die Dauer der Urlaubsabgeltung ausgeschlossen werden.

Verweisung auf sämtliche zumutbare Tätigkeiten

Endet eine Beschäftigung kann die Arbeitsagentur den Arbeitslosen auf sämtliche zumutbare Tätigkeiten vermitteln. Endet hingegen das Arbeitsverhältnis während des Krankengeldbezuges ist die Verweisung nur auf den vorherigen Beruf begrenzt. Um eine Gleichbehandlung der Versicherten zu gewährleisten, soll zukünftig auch für Krankengeldbezieher die Arbeitsunfähigkeit auf sämtliche zumutbare Tätigkeiten beurteilt werden.

Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit und Bezug von Arbeitslosengeld

Bisher werden Versicherte mit befristeten Arbeitsverhältnissen abhängig vom Eintritt der Arbeitsunfähigkeit leistungsrechtlich unterschiedlich behandelt. Tritt aktuell die Arbeitsunfähigkeit vor dem Ende der Beschäftigung ein und dauert darüber hinaus an, erhält der Versicherte Krankengeld auf Basis des in der befristeten Beschäftigung erzielten Arbeitsentgelts. Tritt hingegen die Arbeitsunfähigkeit erst nach dem Ende der Beschäftigung ein, erhalten diese Versicherten Arbeitslosengeld und bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit Krankengeld in Höhe des Arbeitslosengeldes. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen soll daher zukünftig in allen Fällen nach dem Ende der befristeten Beschäftigung das Krankengeld auf die Höhe des Arbeitslosengelds begrenzt werden.

Das Sondergutachten enthält viele Vorschläge, bleibt jedoch abzuwarten, welche davon - insbesondere im Hinblick auf das absehbare Ende der aktuellen Legislaturperiode - tatsächlich umgesetzt werden.