Immer mehr Geld für immer weniger Arzneimittel

Gegenüber 2011 hat sich der Durchschnittspreis einer Arzneimittelpackung für eine neue Markteinführung auf das 57-fache erhöht: Im Jahr 2011 lag der durchschnittliche Packungspreis für ein Arzneimittel, das in den vorangegangenen 36 Monaten auf den Markt gekommen ist, bei 902 Euro. Im August 2021 wurde hier schon ein Preis von 51.189 Euro notiert. Der aktuelle Spitzenplatz wird von Libmeldy® mit einem Listenpreis von 2,875 Millionen Euro belegt, einem Medikament, das zur Behandlung einer seltenen Erbkrankheit bei Kindern eingesetzt wird.
Immer mehr Geld für immer weniger Arzneimittel
Generell werden "Hochpreiser" nicht nur häufiger von den Herstellern auf den Markt gebracht, sondern nehmen auch immer größere Umsatzanteile ein. Die Folge ist, dass zunehmend mehr Geld für die Versorgung von wenigen Patientinnen und Patienten aufgewendet wird. Während 2011 noch rund 17 Prozent des Gesamtumsatzes auf Arzneimittel mit Preisen von 1.000 Euro oder mehr entfielen, waren es 2020 bereits 43 Prozent des Umsatzes. Damit haben sich die Umsätze von hochpreisigen Arzneimitteln in den letzten zehn Jahren vervierfacht und lagen 2020 bei rund 20,9 Milliarden Euro. Diese Arzneimittel mit einem Preis von 1.000 Euro und mehr erreichten aber nur einen Verordnungsanteil von 1,1 Prozent aller 684 Millionen Verordnungen des Jahres 2020.
Hohe Preise gehen mit hohen Gewinnen einher
In den letzten Jahren ist ein in Teilen entfesselter Arzneimittelmarkt der Rekordpreise und Rekordgewinne zu beobachten, in dem der tatsächliche Nutzen sowie die Sicherheit der Patientinnen und Patienten nicht ausreichend berücksichtigt werden. Den Herausforderungen durch hohe Arzneimittelpreise stehen hohe Gewinnmargen der pharmazeutischen Unternehmen gegenüber. In diesem Zusammenhang wird auf die 21 weltweit umsatzstärksten Unternehmen verwiesen, die im vergangenen Jahr 53,0 Prozent der Nettoumsätze des GKV-Gesamtmarktes auf sich vereint haben und dabei große EBIT-Margen (Gewinn vor Zinsen und Steuern im Verhältnis zum Umsatz) von durchschnittlich 25,7 Prozent aufweisen. Ob in der Wirtschaftskrise in den Jahren nach 2008 oder auch in der Corona-Pandemie – die Branche der pharmazeutischen Industrie erweist sich ein ums andere Mal als krisensicher. Gleichwohl erhöhten die vollen Forschungspipelines der pharmazeutischen Hersteller, die sich auf Felder konzentrieren, in denen hohe Gewinne locken, auch den Handlungsdruck. Um diese Entwicklung zu bremsen, zeigt der Arzneimittel-Kompass 2021 verschiedene Lösungswege auf. Dazu gehört unter anderem die Weiterentwicklung der frühen Nutzenbewertung und der daran anschließenden Erstattungspreisverhandlungen.
Weg zu einem fairen Preis
Um dem weltweit erkennbaren Trend zur Hochpreisigkeit von Arzneimitteln langfristig zu begegnen, gibt es Lösungsansätze, wie die Preissetzung von patentierten Arzneimitteln grundsätzlich reformiert werden kann. Ein auf einem Vorschlag der Erasmus-Universität Rotterdam basierender Lösungsansatz vom Internationalen Verband der Krankenkassenverbände und Krankenversicherungen auf Gegenseitigkeit (AIM) ermöglicht die Ermittlung eines Preises für jedes neue Arzneimittel, der als „fair“ betrachtet wird. Damit kann die inzwischen fehlende Balance zwischen dem Nutzen eines Arzneimittels, den hohen Preisen sowie den sich daraus ergebenden Einnahmen und Gewinnen der pharmazeutischen Industrie wiederhergestellt werden.
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