BSG fordert: Leistungsantrag muss weit ausgelegt werden

Krankenkassen müssen weit auslegen, was als Leistungsantrag gilt. Zusätzliche Schwierigkeit: durch das Patientenrechtegesetz müssen Kassen schneller über Leistungen entscheiden. Daher wäre gut zu wissen, "ob" und "wann" ein Antrag gestellt wird.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat Klartext zum Thema „Versorgungsverträge“ gesprochen. Die gängige Praxis der Kassen wird kritisiert: Es "mute abenteuerlich an", dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben.

Ein solches Vorgehen werde weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht, noch trage es zur Kostendämpfung bei. Das dürfte „klar auf der Hand liegen“, so die BSG-Richter im Urteil v. 24.1.2013 (B 3 KR 5/12 R).

Krankenkasse zahlte Festbetrag

Die Krankenkasse war ursprünglich nur Beigeladene in dem Rechtsstreit; es ging eigentlich um eine Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung. Die Klägerin leidet an einer Schwerhörigkeit. Der  Vertragsarzt verordnete eine Hörhilfe links, da die bisherige Hörhilfe zu alt war. Daraufhin versorgte das Hörakustikstudio S, ein Vertragspartner (§ 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V) der beigeladenen Krankenkasse, die Klägerin mit einem Hörgerät.  Zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt hatte das Hörakustikstudio S der Kasse die Hörgeräteversorgung der Klägerin per  Formular (Anlage 3 des Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen) angezeigt. Die Kasse überwies den Festbetrag.

Später beantragte die Klägerin bei der Rentenversicherung jedoch Leistungen zur Rehabilitation inklusive der Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät.

Leistungsrecht der Rentenversicherung gilt - auch für die Krankenkasse

Das BSG hat offen gelassen, ob der maßgebliche Leistungsantrag (§ 14 SGB IX) durch Übergabe der kassenärztlichen Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker oder durch die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers bei der Krankenkasse erfolgt ist. Als erstangegangene Leistungsträgerin ist die Krankenkasse nach dem SGB IX i. V. m. dem Leistungsrecht der Rentenversicherung zur Kostenerstattung an die Klägerin verpflichtet. Und das obwohl sie das nach dem Leistungs- und Kostenerstattungsrecht des SGB V nicht wäre.

Leistungsrechtliche Verantwortung abgegeben

Ein Rehabilitationsträger entzieht sich seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch Verträge zur Komplettversorgung nahezu vollständig. Lässt er dann den Leistungserbringer quasi entscheiden ob dem Versicherten eine Leistung zugebilligt wird, dann erfülle er nach Auffassung der Richter weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolge er die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) entzieht, könne sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden.

Neue Entscheidungsfrist ist knapp bemessen

Die Frage nun, ob und wann ein Krankenkassenkontakt als Leistungsantrag gilt. Es bewegt derzeit schon aus anderem Grund die Gemüter: Seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes am 26.2.2013 müssen die Krankenkassen über Leistungsanträge spätestens bis zum Ablauf von 3 Wochen nach Antragseingang entscheiden (§ 13 Abs. 3a SGB V). Wird eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes oder im Rahmen eines psychotherapeutischen Gutachterverfahrens eingeholt, beträgt die Frist 5 Wochen bzw. beim zahnärztlichen Gutachterverfahren 6 Wochen.

Wird die jeweils geltende Frist nicht eingehalten, muss die Kasse das schriftlich begründen. Anderenfalls gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt.