Wann kann die Gesellschaft der Auszahlung von Forderungen an ihre Gesellschafter widersprechen?
Seit der Reform des GmbHG durch das MoMiG im Jahr 2008 können GmbHs Gesellschafterdarlehen hingegen ohne Verstoß gegen §§ 30, 31 GmbHG an ihre Gesellschafter zurückzahlen; die Rückzahlungen sind nur im Insolvenzfall anfechtbar. Das bedeutet auch, dass die Gesellschaft eine Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens nicht unter Verweis auf §§ 30, 31 GmbHG verweigern kann. Auch wenn der Gesellschafter wie ein außenstehender Dritter mit der Gesellschaft eine Vereinbarung abgeschlossen und hieraus eine Forderung hat („Verkehrsgeschäft“) ist das Zahlungsverbot der §§ 30, 31 GmbHG nicht einschlägig.
Hintergrund
Der Kläger schied aus der beklagten GmbH aus und vereinbarte nach seinem Ausscheiden mit der GmbH und seinen Mitgesellschaftern, dass die GmbH ihm einen Kaufpreis für seine an die Mitgesellschafter übertragenen Geschäftsanteile zahlt. Da sich die Gesellschaft in der Krise befand, stundete der Kläger die Zahlungsansprüche gegenüber der Gesellschaft. Nach Aufhebung der Stundung verlangte er Auszahlung des Kaufpreises. Durch die Stundung sei die Forderung wie ein Gesellschafterdarlehen zu behandeln, das nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG auch in der Krise erfüllt werden könne.
Das Urteil des OLG Hamburg vom 27.07.2012, Az. 11 U 135/11
Das OLG Hamburg wies die Klage ab. Auch, wenn der Gesellschafter bei Abschluss der Zahlungsvereinbarung bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden gewesen sei, finde § 30 GmbHG auf diese Zahlung Anwendung. Schließlich sei § 30 GmbHG auch einschlägig, wenn eine allein gesellschaftsrechtlich veranlasste Zahlung durch die Gesellschaft anlässlich des Ausscheidens erfolge. Das sah das OLG im vorliegenden Fall als erfüllt an, denn eine für die Gesellschaft vorteilhafte Gegenleistung im Sinne eines sog. Verkehrsgeschäfts war nicht vereinbart. Und nur die Stundung wandle die Forderung nicht in ein Gesellschafterdarlehen um.
Anmerkung
Der Entscheidung des OLG Hamburg ist zuzustimmen. Denn eine einmal gegen die §§ 30, 31 GmbHG verstoßende Zahlung kann nicht durch Stundung aus dem Schutz der Kapitalerhaltung herausgelöst werden. Im Unterschied zum Gesellschafterdarlehen und erst recht zum Verkehrsgeschäft gewährt der ausgeschiedene Gesellschafter der GmbH nicht erst einen Vermögensvorteil, sondern die Zahlung ist allein gesellschaftsrechtlich veranlasst – einem fremden Dritten gegenüber würde sie nicht erbracht. Damit kann die Zahlung allein nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen erfolgen und diese sehen bei der GmbH vor, dass nur über das Stammkapital hinausgehende Eigenkapitalbeträge an die Gesellschafter ausgeschüttet werden können. Dies ist bei laufenden Gewinnen ebenso der Fall, wie beim Erwerb eigener Anteile, der Einziehung von Anteilen und kann in der vorliegenden Situation, die eine Art Abfindungszahlung darstellt, nicht anders behandelt werden.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Jan Henning Martens, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7762
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.549
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.499
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.435
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.364
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.337
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.190
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.155
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
1.126
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
9861
-
Neue Bundesverordnung zur „Cookie-Einwilligung“
31.10.2024
-
Zahl der Datenschutz-Bußgeldverfahren steigt
24.10.2024
-
Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im B2B-Bereich
23.10.2024
-
Fernmeldegeheimnis gilt nicht für private E-Mails und Telefonate am Arbeitsplatz
17.10.2024
-
Wirecard: Geschädigte Aktionäre sind keine nachrangigen Gläubiger!
16.10.2024
-
Entscheidung zu drittstaatlichen Subventionen billigt Durchsuchung eines chinesischen Konzerns
15.10.2024
-
Neues zur Gesellschaft mit gebundenem Vermögen
15.10.2024
-
Rechtliche Aspekte beim KI-Einsatz in Unternehmen
10.10.2024
-
Doch kein Monster: Ein Jahr Hinweisgeberschutzgesetz
09.10.2024
-
Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste im einstweiligen Rechtsschutz
08.10.2024