Keine Verkleinerung des Vorstands - auch wenn der gesamte Bereich abgebaut wird
Hintergrund
Der Kläger war als Vorstand bei der Commerzbank AG tätig. Er wurde zuletzt bis zum 31.05.2017 zum Vorstand bestellt. Im Zuge des erheblichen Personalabbaus bei der Commerzbank AG sollten bis 2016 rund 3.000 Stellen abgebaut werden. Im Zuge dessen sollte der Kläger ursprünglich vom Aufsichtsrat abberufen werden. Dieses Vorhaben wurde aufgegeben und es sollte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden, was mehrfach scheiterte.
LG Frankfurt, Urteil v. 22.4.2014, 3-05 O 8/14
Das Landgericht gab der Klage statt, die Abberufung war rechtswidrig. Nach § 84 Abs. 3 AktG könne der Vorstand nur aus wichtigem Grund abberufen werden, der vorliegend nicht gegeben sei. Betriebsbedingte Gründe könnten zwar allgemein einen wichtigen Grund zur Abberufung darstellen. Allerdings sei in diesen Fällen eine besondere Rücksichtnahme geboten, um die Unabhängigkeit des Vorstandes zu gewährleisten. Im Einklang mit der Literatur könne auch ein erheblicher Personalabbau nicht zu einem Kündigungsrecht aus wichtigem Grund führen. Zwar war vorliegend gemäß der Satzung der Commerzbank AG der Aufsichtsrat berechtigt, die Verkleinerung des Vorstandes vorzunehmen. Von dieser Ermächtigung dürfe der Aufsichtsrat jedoch nicht Gebrauch machen, um ohne wichtigen Grund eine bereits erfolgte Bestellung zu beseitigen. Nur durch Nichtbesetzung frei werdender Mandate (oder Vorliegen eines anerkannt wichtigen Grundes, bspw. erheblicher Pflichtverletzungen des Vorstands) könne der Vorstand verkleinert werden.
Hinweis
Die Entscheidung verdeutlicht anschaulich die Unabhängigkeit des Vorstandes einer deutschen Aktiengesellschaft. Während bei der GmbH die Geschäftsführer gegenüber der Gesellschafterversammlung weisungsgebunden sind und stets abberufen werden können, ist dies in der AG nicht der Fall – es besteht kein Weisungsrecht und die Abberufung ist nur aus wichtigem Grund möglich. Das macht die AG für solche Gesellschaften interessant, bei denen der Vorstand weitestgehend eigenverantwortlich handeln möchte oder soll. Beispielsweise kann die Unabhängigkeit von den (regelmäßig im Aufsichtsrat vertretenen) Mehrheitsgesellschaftern erreicht werden. Das kann zum Wohle des Unternehmens auch bei zerstrittenen Gesellschaftern (Beispiel Suhrkamp-Verlag) und aus Sicht der Gründer bei der Aufnahme externer Geldgeber relevant sein.
Praxistipp
Aufsichtsräte sollten darauf achten, bei „Wackelkandidaten“ die Bestellung möglichst nicht auf das gesetzlich zulässige Maximum von fünf Jahren zu beschließen, sondern die Intervalle kürzer zu halten.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Jan Henning Martens; Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.2472
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
932
-
Minderung schlägt auf Betriebskostenabrechnung durch
720
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
690
-
Diese Compliance-Regelungen gelten für Geschenke und Einladungen
550
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
490
-
Transparenzregister: Wirtschaftlich Berechtigter nach GWG
448
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
434
-
Eigenbedarfskündigung bei Senioren – Ausschluss wegen unzumutbarer Härte?
419
-
Wann ist ein Anspruch verwirkt? Worauf beruht die Verwirkung?
413
-
Cybersicherheit: Die NIS2-Richtlinie und ihre Folgen für Unternehmen
23.12.2025
-
Der Gesellschafterstreit – Streitbeilegung
17.12.2025
-
Der Gesellschafterstreit - Prävention
17.12.2025
-
Der Gesellschafterstreit – Vor Gericht
17.12.2025
-
Außergerichtliche Erscheinungsformen eines Gesellschafterstreits
17.12.2025
-
China führt elektronische Stempel ein: Was Unternehmen jetzt beachten müssen
09.12.2025
-
Wie Unternehmen und Manager mit Nachhaltigkeit umgehen sollten
02.12.2025
-
Internationale Zuständigkeiten deutscher Gerichte im Zusammenhang mit dem Brexit
02.12.2025
-
Revision von CSRD und CSDDD: EU-Parlament beschließt Verhandlungsposition
26.11.2025
-
Ladung zur Gesellschafterversammlung: Prüfungsumfang des Registergerichts
12.11.2025
Nadine Römer
Fri May 23 12:13:20 CEST 2014 Fri May 23 12:13:20 CEST 2014
Sehr geehrter Herr Kashu,
das ist richtig, es muss "Unabhängigkeit" heißen.
Vielen Dank für Ihren Hinweis.
Freundliche Grüße
Haufe Online Redaktion
Andy Kashu
Thu May 22 19:53:09 CEST 2014 Thu May 22 19:53:09 CEST 2014
Zitat: Beispielsweise kann die Abhängigkeit von den regelmäßig im Aufsichtsrat vertretenen Mehrheitsgesellschaftern erreicht werden.
Es muss Unabhänigkeit heißen, sonst ergibt das Ganze im Unterschied zu einer GmbH gar keinen Sinn.
Fri May 23 12:10:13 CEST 2014 Fri May 23 12:10:13 CEST 2014
Haufe Online Redaktion: Dieser Text wurde redaktionell gelöscht.