Prospektangaben: BGH zu den Grenzen der Haftung des Anlageberater

Die Gerichte beschäftigt immer wieder die Frage, inwieweit der Anlageberater die Prospektangaben zu einem von ihm vertriebenen Anlageobjekt zu überprüfen hat. Die Rechtsprechung hierzu ist nicht immer einheitlich.

Der BGH hat nun eine klare Grenzziehung vorgenommen. Im entschiedenen Fall hatte der Kläger  Schadenersatz wegen einer seiner Auffassung nach fehlerhaften Anlageberatung bei einem geschlossenen Immobilienfonds geltend gemacht.

Schlechte Anlage: Immobilienfonds in wirtschaftlicher Schieflage

Nach ausführlichen Beratungsgesprächen mit dem Geschäftsstellenleiter der Beklagten zeichnete der Kläger im Jahr 1996 eine Beteiligung an einer Immobilienfondsgesellschaft (GbR) zu einem Nominalbetrag von 25.000,- DM zuzüglich der Zahlung eines Agios in Höhe von 5% der Zeichnungssumme. Zweck des Immobilienfonds waren „Erwerb und Vermietung“ einer „Vorsorge- und Rehabilitationsklinik“, die sich zum Zeichnungszeitpunkt noch im Bau befand.

Ab dem Jahr 2000 geriet der Fonds in eine wirtschaftliche Schieflage. Der Kläger fühlte sich falsch beraten und klagte auf Schadenersatz. Die Instanzgerichte entschieden  unterschiedlich. Nach Abweisung  der Klage durch das OLG wurde die Revision beschränkt zugelassen auf zwei Fragen: Hatte es die Beklagte versäumt,  die Prospektangaben unter der Rubrik „Avale Bauzeit“ und unter der Rubrik „Finanzierungskosten“ hinreichend zu überprüfen.

Anlageberater sind zu kritischer Prospektprüfung verpflichtet

Der BGH stellte in seiner Entscheidung zunächst klar: Empfiehlt der Berater seinem Kunden eine Anlage, so gibt er damit gleichzeitig kund, den Anlageprospekt einer kritischen, fachgerechten Prüfung unterzogen zu haben, es sei denn, er weist ausdrücklich darauf hin, eine Prüfung unterlassen zu haben. Allerdings führt auch eine unterlassene Überprüfung nicht automatisch zu  einer Haftung des Anlageberaters. Eine unterlassene Prüfung wird nach ständiger Rechtsprechung nämlich nur dann kausal für einen später beim Anleger eintretenden Schaden, wenn die Überprüfung aus der „ex-ante“-Betrachtung ein Risiko zutage gefördert hätte, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen. (BGH, Urteil v. 05.03.2009, III ZR 302/07).

„Avale Bauzeit“ ist ein für den Anleger verständlicher Begriff

In dem fraglichen Fondsprospekt war im „Investitions- und Finanzierungsplan“ unter der Position „Avale Bauzeit“ ein Betrag von 782.568 DM ausgewiesen. Der Kläger hatte insoweit beanstandet, dieser Begriff sei unklar und hätte den Anlageberater zur Aufklärung veranlassen müssen. Wie sich später herausgestellt habe, habe auch nur der Gründungsgesellschafter der GbR ein Angebot zur Stellung eines Avals abgegeben. Bei dem Kostenbetrag habe es sich daher in Wahrheit um eine verdeckte Ausschüttung an den Gründungsgesellschafter gehandelt. Dies sah der BGH-Senat allerdings nicht so.

Dem kundigen Anleger sei ohne weiteres bekannt, dass im Bankengeschäft unter dem Begriff  „Aval“ Bürgschaften und ähnliche Garantien verstanden würden. Der Betrag von 782.568 DM habe einen Anteil von 1,1% an der veranschlagten Investitionssumme  ausgemacht. Dies sei ein vergleichsweise niedriger Anteil. Jedem  Anleger sei klar, dass für Handwerker-leistungen am Bau Ausfallsicherheiten gestellt werden müssten. Der hierfür ausgewiesene Betrag hätte keinerlei Anlass zu Befürchtungen für ein erhöhtes Risiko geben müssen.

Beurteilungsmaßstab

Selbst  wenn es sich bei dieser Position um eine verdeckte Ausschüttung gehandelt haben sollte, so wäre dies nach Auffassung des Senats für einen Anlegeberater zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar gewesen, so dass  die diesbezügliche Behauptung des Klägers dahinstehen könne. Mehr als eine Plausibilitätsprüfung  hätte der Kläger von der Beklagten nicht verlangen können.

Die Position „Avale Bauzeit“ sei aber aus der damaligen Sicht plausibel gewesen und bot aus der Sicht eines  sorgfältigen Beraters keinen Anlass für weitere Nachforschungen. Der Verdacht, dass es sich hierbei  um eine verdeckte Sonderzuwendung an den Gründungsgesellschafter  handelte, musste sich nach Auffassung des Senats dem Berater jedenfalls nicht aufdrängen. 

Finanzierungskosten

Mit ähnlichen  Überlegungen verneinte der BGH auch eine Pflichtverletzung des Anlageberaters hinsichtlich der Position „Finanzierungskosten“ über 2,285 Mio DM. Der Kläger hatte  insoweit einwendet, auch diese Position hätte dem Anlageberater zu Zweifeln Anlass geben müssen,  denn um Zinsverbindlichkeiten könne es sich nicht gehandelt haben.

Zinsverbindlichkeiten fielen unter die laufenden Kosten der Fondsgesellschaft, so dass unklar bliebe, was denn überhaupt an zusätzlichen Finanzierungskosten hätte anfallen sollen. Nach Auffassung des Senats war dies aber zu kurz gedacht, da bereits während der Investitionsphase Bedarf an Fremdkapital bestanden und der Prospekt hierauf sogar ausdrücklich hingewiesen habe. Damit seien Zinsaufwendungen, die nicht als laufende Kosten der Gesellschaft zu verbuchen gewesen seien, ohne weiteres plausibel. Aus Beratersicht habe deshalb auch hier keine Veranlassung bestanden, die Korrektheit dieser Kostenposition in Zweifel zu ziehen. Der Kläger ging daher im Ergebnis leer aus.

(BGH, Urteil v. 15.11.2012, III ZR 55/12).