Online Apotheke und Widerrufsrecht

Verbraucher dürfen online bestellte Medikamente innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist zurücksenden, entschied das Berliner KG: Ein genereller Ausschluss des Widerrufsrechts für Medikamente ist unwirksam. Auch Unternehmen mit Sitz im Ausland sind bei der Einfuhr von Medikamenten an die inländischen Versandhandelsvorschriften gebunden. Außerdem muss DocMorris die Telefonnummern seiner Kunden gem. § 17 Abs. 2 a S.1 Nr. 7 ApBetrO abfragen.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte gegen die niederländische Versandapotheke DocMorris Unterlassungsklage eingereicht, da diese in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Medikamentenbestellungen das Widerrufsrecht vollständig ausgenommen hatte.

Zurückgegebene Arznei müsse daher als „rechtlich verdorben“ angesehen werden

Als Begründung hierfür wurde angegeben, dass die zurückgegeben Medikamente entsorgt werden müssten, da diese aus Sicherheitsgründen nicht wieder verkauft werden könnten. Zurückgegebene Arznei müsse daher als „rechtlich verdorben“ angesehen werden, so das Unternehmen aus den Niederlanden. Die Verbraucherschützer sahen hingegen in der Widerrufsbelehrung eine Zuwiderhandlung gegen §§ 312 g Abs. 1, 355 BGB und hielten die Klausel somit für unwirksam.

KG Berlin: Medikamente nicht generell „schnell verderbliche Waren“

Dieser Auffassung des vzbv schloss sich das KG Berlin an und bestätigte damit auch die erstinstanzliche Entscheidung.

Nach Auffassung der Richter sei der generelle Ausschluss des Widerrufsrechts bei Medikamenten nicht vom Ausnahmekatalog den § 312 g Abs. 2 BGB gerechtfertigt.

Dies entspreche auch einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung zur aktuellen Rechtslage (z.B. OLG Karlsruhe, Urteil v. 9.02.2018, 4 U 87/17).

Medikamente seien keine Waren, welche generell und stets im Sinne von Nr. 2 „schnell verderben“ könnten.

Kammergericht akzeptiert kein "rechtliches Verderben"

„Die Annahme eines „rechtlichen Verderbens“ erscheine als eine interessensgeleitete semantische Kunstkonstruktion, welche dem Gesetzeswortlaut und dem erkennbaren Gesetzgeberwillen ersichtlich zuwiderlaufe“,

so das KG Berlin in seiner Begründung. Zwar könne im Ausnahmefall die Versiegelungsentfernung i.S. der Nr. 3 im Einzelfall eingreifen, jedoch nicht immer und stets, so dass auch diesbezüglich kein generelles Widerrufsausschlussrecht gerechtfertigt wäre.

Online-Versandapotheke verstößt auch gegen gesetzliche Telefonnummernpflicht

Das Kammergericht entschied zudem, dass DocMorris gesetzlich (§ 17 Abs. 2 a S.1 Nr. 7 ApBetrO) verpflichtet ist, die Telefonnummer seiner Kunden abzufragen, unter der sie für eine kostenlose Beratung durch das pharmazeutische Personal erreichbar sind. Zugleich müsse das Unternehmen darauf hinweisen, dass ohne Angabe der Telefonnummer die Lieferung von Medikamenten nicht möglich ist. Die Telefonnummernpflicht dient dazu, dass die Online-Apotheken ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten erfüllen können und gilt für die Beklagte gleichermaßen wir für inländische Versandhandelsapotheken. Beispielsweise kann ein Anruf notwendig sein, wenn sich die bestellten Medikamente hinsichtlich ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen.

(KG Berlin, Urteil vom 9.11.2018, 5 U 185/17).


Norm.

§ 312g Widerrufsrecht
(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.
(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

  1. Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
  2. Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,
  3. Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
  4. Verträge zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,
  5. Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
  6. Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
  7. Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
  8. Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten,
  9. Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,
  10. Verträge, die im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist (öffentlich zugängliche Versteigerung),
  11. Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden,
  12. Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, und
  13. notariell beurkundete Verträge; dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen nur, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Verbrauchers aus § 312d Absatz 2 gewahrt sind.

(3) Das Widerrufsrecht besteht ferner nicht bei Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits auf Grund der §§ 495, 506 bis 513 ein Widerrufsrecht nach § 355 zusteht, und nicht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits nach § 305 Absatz 1 bis 6 des Kapitalanlagegesetzbuchs ein Widerrufsrecht zusteht.