Neuregelung der deutschen Grundversorgungsverordnung
Diese hatte der deutsche Gesetzgeber – wohl angesichts der bereits in diese Richtung deutenden Schlussanträge des Generalanwalts – vorbereitet. Ungelöst ist jedoch die Behandlung von Preisanpassungen auf Basis der alten Regelungen, da der EuGH die Wirkung des Urteils ausdrücklich nicht auf die Zukunft begrenzt hat.
Hintergrund
Für den Bereich der sog. Grundversorgung mit Strom und Gas – also die Versorgung von Energiekunden, die ohne einen Energieliefervertrag ausdrücklich abzuschließen Energie aus dem öffentlichen Netz entnehmen – regeln die sog. Grundversorgungsverordnungen die Bedingungen der Energielieferung. Der Preis des Grundversorgers setzt sich aus verschiedenen, jeweils staatlich regulierten Preisbestandteilen zusammen und konnte bisher nach den jeweiligen §§ 5 der Strom-/GasGVV unter bestimmten Voraussetzungen angepasst werden, wenn sich die Berechnungsgrundlagen änderten. Eine Vorankündigung oder sonstige vorherige Informationen der Grundversorgungskunden waren bisher nicht erforderlich.
EuGH, Urteil v. 23.10.2014, C-359/11 und C-400/11
Das ein Grundversorger nach den deutschen Grundversorgungsverordnung bisher nicht verpflichtet war, bei jeder Preisänderung vorab individuell über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang zu informieren, hat der EuGH in seinem Urteil für europarechtswidrig erachtet. Er verlangt zwar nicht, dass die genauen Voraussetzungen bestimmte Preisanpassungen schon in den Verordnungen geregelt sein müssen. Diese müssen aber die Verpflichtung der Grundversorger zu entsprechender Information vor Wirksamwerden der Änderungen vorsehen. Die zum 30.10.2014 geänderten Strom-/ GasGVV setzen dies um.
Die bisher geltenden Preisanpassungsregeln der Strom-/GasGVV verstoßen jedoch gegen das europarechtliche Transparenzgebot. Die hieraus folgende Nichtigkeit der Vorschriften hat der EuGH nicht auf zukünftige Fälle begrenzt. Der Bundesgerichtshof, der die Sache dem EuGH vorgelegt hatte, wird nun im weiteren Fortgang des Verfahrens – und damit auch für weitere Fälle – zu entscheiden haben, inwieweit hieraus Rückforderungsansprüche grundversorgter Kunden nach Preisanpassungen bestehen können.
Praxistipp
Klar ist nach dem Urteil des EuGH und der Änderung der Verordnungen, dass zukünftige Preisanpassungen im Grundversorgungsbereich nur noch nach den neuen, seit dem 30.10.2014 gültigen Regelungen zulässig sind, wonach Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Preisanpassung den Kunden im Vorhinein individuell mitgeteilt werden müssen. Dies werden neben den Grundversorgern auch Energieversorger zu berücksichtigen haben, die mit ihrem Sondervertragskunden Preisanpassungsrechte unter Verweis auf die entsprechenden Regelungen in den Strom-/GasGVV vereinbart haben. Denn ungeachtet der Problematik, ob solche Preisanpassungsrechte aus Verweisklauseln an sich der AGB-Kontrolle standhalten, wird man davon ausgehen müssen, dass die Weiterverwendung der europarechtlich unwirksamen vorherigen Regelungen auch im Sonderkundenbereich unzulässig ist.
Für die Beurteilung der Rückwirkung der EuGH-Entscheidung und etwaiger Rückforderungsansprüche wird man die BGH-Entscheidung abwarten müssen. Der EuGH-Entscheidung lässt sich jedoch entnehmen, dass jedenfalls solche Preisanpassungen Bestand haben dürften, die den Kunden – obwohl noch nicht in den Verordnungen vorgesehen – entsprechend transparent angekündigt worden sind. Für andere Fälle wird der BGH zu entscheiden haben, wie weit die Rückwirkung und damit die Rückforderbarkeit - vor allem in zeitlicher Hinsicht - reichen. Wichtig wird auch dies nicht nur im Fall von grundversorgten Kunden, sondern wiederum auch im Sonderkundenbereich sein, soweit dort in den AGB auf die Regelungen der Strom-/GasGVV verwiesen wurde.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Ingo Reinke, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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