Neue Anforderungen an Rangrücktrittsvereinbarungen

Der Bundesgerichtshof hat über die Rückforderung von Zinsen aus einem Darlehen entschieden, für das ein qualifizierter Rangrücktritt nach altem Recht vereinbart war. Aus der Entscheidung ergeben sich - erstmals seit den umfangreichen Neuregelungen durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (sog. „MoMiG“) - auch Anforderungen, an Rangrücktrittsvereinbarungen nach neuem Recht.

Hintergrund

Der IX. Zivilsenat des BGH entschied über die Klage eines Insolvenzverwalters, der Zinszahlungen zurück verlangte, die die insolvente Schuldnerin wenige Monate vor Verfahrenseröffnung noch an die Beklagte gezahlt hatte. Den Zinszahlungen lagen zwei im Rahmen einer mezzaninen Finanzierung geschlossene Verträge (Genussrechtsvereinbarung über ein Nominaldarlehen und Nachrangdarlehen) zugrunde, für die zu Lasten der Gläubigerin jeweils ein sog. „qualifizierter Rangrücktritt“ nach den damaligen Rechtsprechungsregeln vereinbart war. Neben dem Rücktritt in den „Rang hinter die Forderungen aller bestehenden und künftigen Gläubiger der Schuldnerin […] war festgehalten, dass die Befriedigung nur erfolgen konnte, „soweit ein Liquidationsüberschuss oder ein die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigendes Vermögen der Gesellschaft hierfür zur Verfügung steht“ und diese „nur zugleich mit […] Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter der Schuldnerin“ geschah, wenn dadurch nicht ein Insolvenzgrund hervorgerufen würde oder drohte.

BGH, Urteil v. 5.3.2015, IX ZR 133/14

Der BGH gab dem Insolvenzverwalters Recht. Die Zahlung sei zum einen ohne Rechtsgrund erfolgt und daher nach den allgemeinen Regeln des Bereicherungsrechts zu erstatten (§§ 812 ff. BGB). Zugleich sei die Zahlung - weil rechtsgrundlos - auch als unentgeltliche Leistung der Insolvenzschuldnerin anzusehen und damit ohne weitere Voraussetzungen über einen Zeitraum von vier Jahren vor der Insolvenzantragstellung anfechtbar (§ 134 InsO).

Zur Auslegung von Rangrücktrittserklärungen führt der BGH aus, dass es für den Entfall der Passivierungspflicht im sog. Überschuldungsstatus (der Überschuldungsbilanz) – anders als nach altem Recht – zwar genügt, wenn sich der Rangrücktritt dem Wortlaut der §§ 19 Abs. 2 S. 2, 39 Abs. 2 InsO entsprechend auf einen Rücktritt hinter die Forderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO beschränkt. Ein „qualifizierter Rangrücktritt“ nach den früheren Rechtsprechungsregeln ist also nicht (mehr) erforderlich.

Die Rangrücktrittserklärung erfasse aber dennoch auch den Zeitraum vor der Verfahrenseröffnung. Zudem wirke der Rangrücktritt im Verhältnis zu allen anderen Gläubigern als Vertrag zugunsten Dritter, mit der Folge, dass eine Aufhebung, Kündigung oder sonstige Beendigung durch eine Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem im Rang zurücktretenden Gläubiger nicht mehr möglich ist, sobald die Passivierung der Forderung zur rechnerischen Überschuldung führe. Der Rangrücktritt lasse die Erfüllbarkeit der Forderung insgesamt und nicht nur ihre Durchsetzbarkeit entfallen. Die Vereinbarung einer Durchsetzungssperre reicht danach nicht aus. Die Schuld muss für die Dauer der Wirkung des Rangrücktritts wegfallen bzw. zur „Nichtschuld“ werden.

Die streitgegenständliche Rangrücktrittserklärung legt der BGH als den gesetzlichen Anforderungen entsprechend aus. Es ergebe sich aus der Vereinbarung unter Berücksichtigung der damals geltenden Erfordernisse, dass die Parteien den zum Entfall der Passivierung erforderlichen Status der Forderungen vereinbaren wollten. Im Gegenzug muss demnach der im Rang zurücktretende Gläubiger - häufig ein Gesellschafter - die Rechtsgrundlosigkeit von Zahlungen auf die betreffende Forderung gewollt haben - einschließlich der Folge einer vierjährigen Anfechtbarkeit. Dies ist nach der neuen Rechtsprechung gewissermaßen der Preis für den Wegfall der Passivierung der Forderung und damit die Vermeidung der Insolvenzantragspflicht.

Praxishinweis

Die Entscheidung führt eine Gleichbehandlung aller Nachranggläubiger ein, unabhängig von deren Gesellschafterstellung. Weiter schafft die Entscheidung Klarheit darüber, dass nach geltendem Recht der Rücktritt hinter die Forderungen im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO genügt und zwar unabhängig davon, ob ein Gesellschafter betroffen ist oder ein Dritter.

Zum anderen führt die Entscheidung aber auch neue Anforderungen an Rangrücktrittsvereinbarungen bzw. Rechtsfolgen ein, die die Praxis zu berücksichtigen haben wird. Denn um sicherzugehen, dass eine „neue“ Rangrücktrittserklärung die Passivierungspflicht entfallen lässt, sollte die Vereinbarung sicherstellen, dass eine Auslegung der gewollten Rechtsfolgen nur in der durch den BGH vorgegebenen Richtung möglich ist. Es sollte also neben der Abrede über den Rang eindeutig vereinbart werden, dass der Rangrücktritt vor Verfahrenseröffnung die Erfüllbarkeit der Forderung aufhebt, diese also zur Nichtschuld werden lässt. Weiter ist die Vereinbarung als Vertrag zugunsten Dritter, nämlich zu Gunsten aller anderen Gläubiger auszugestalten. Dies alles zumindest ab dem Zeitpunkt, in dem die Rangrücktrittserklärung benötigt wird, um eine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung der Gesellschaft zu vermeiden. Der BGH definiert damit quasi die „Krise“ neu.

Anmerkung

Die Ironie der Entscheidung liegt gewissermaßen darin, dass nach neuem Recht über eine „alte“ Vereinbarung entschieden wurde. Damit ist offen geblieben, ob der BGH auch eine am Wortlaut des neuen Rechts orientierte Rangrücktrittsvereinbarung, die nur den Rücktritt hinter die in § 39 Abs. 1 Nrn. 1 - 5 InsO beinhaltet, anhand des in der Regel Gewollten (Wegfall der Passivierung der Forderung im Überschuldungsstatus), im vorstehenden Sinn auslegen würde. Dies ist zu hoffen, ist die 2008 mit dem MoMiG eingeführte gesetzliche Regelung doch als gesetzliche Vorgabe für den Wortlaut einer Rangrücktrittsvereinbarung verstanden worden. Es ist eine Sache, an eine solche über den Wortlaut hinausgehende Rechtsfolgen zu knüpfen (wie es der BGH zu tun scheint); eine gänzlich andere (und kaum hinnehmbare) Sache wäre es, wenn der BGH eine solche, dem Gesetzeswortlaut folgende Erklärung nicht ausreichen lassen wollte, den gewünschten Zweck (den Wegfall der Passivierungspflicht im Überschuldungsstatut) zu erfüllen. Damit würde sich der BGH (wie allerdings schon in der Vergangenheit) über den eindeutigen Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen.

In Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung ist es aber nicht ratsam, sich auf eine mögliche Auslegung der Gerichte zu verlassen. Rangrücktrittsvereinbarungen sollten durch ausdrückliche Regelungen den Vorgaben des BGH entsprechend (um-) gestaltet werden. Denn zumindest im Interesse der Geschäftsführer von Schuldnerunternehmen ist die Wirksamkeit des Rangrücktritts wegen der drohenden Strafbarkeit bei verspäteter Insolvenzantragstellung (falls der bloße Rangrücktritt den Anforderungen nicht genügt) und der persönlichen Haftung für rechtsgrundlose Zahlungen an den zurückgetretenen Gläubiger (falls der bloße Rangrücktritt den Anforderungen nach Auslegung genügt) von überragender Bedeutung.

Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Ingo Reinke, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg


Schlagworte zum Thema:  Bundesgerichtshof (BGH), Zinsen, GmbH