Lebensmittelbehörde meint bekömmlichen Wein gibt es nicht

Wenn Anbieter alkoholische Getränke bewerben, müssen sie sich eine Menge einfallen lassen, um nicht mit Verbraucherschutzvorschriften in Kollision zu geraten. Die Werbeverbote haben zwar noch nicht das für Nikotinprodukte herrschende Niveau erreicht, jedoch ziehen die Gerichte die Grenzen immer rabiater.

Die in Ilbesheim in der Pfalz ansässige Winzergenossenschaft „Deutsches Weintor“ vermarktet Weine der Rebsorten Dornfelder und Grauer/Weißer Burgunder unter der Bezeichnung „Edition Mild – sanfte Säure/bekömmlich“. Auf dem Etikett ist u.a. vermerkt: „Zum milden Genuss durch Anwendung unseres besonderen LO3-Schonverfahrens zur biologischen Säurereduzierung“.

Lebensmittelbehörde beurteilt das ganz nüchtern

Die zuständige Lebensmittelbehörde untersagte der Winzergenossenschaft die Bewerbung des Produktes mit dem Begriff „bekömmlich“. Diese gesundheitsbezogene Bewerbung eines alkoholischen Getränkes sei nicht zulässig. Hiergegen wehrte sich die Winzergenossenschaft beim VG und OVG zunächst ohne Erfolg.

BVerwG hält Werbung für zulässig

Grundlage der vorinstanzlichen Urteile war u.a. Art. 2 u.3 der EU-Verordnung 1924/2006.

  • Hiernach müssen gesundheitsbezogene Angaben wahr und klar sein.

  • Sie dürfen den Verbraucher nicht irreführen und nicht zum übermäßigen Verzehr des Lebensmittels verleiten.

  • Die Herstellung positiver gesundheitliche Bezüge bei gesundheitsschädlichen Lebensmitteln wie alkoholischen Getränken ist werbemäßig hiernach unzulässig.

Die Richter am BVerwG sahen die Werbeaussagen der Winzergenossenschaft weniger streng. Nach deren Auffassung handelte es sich bei dem Begriff „bekömmlich“ nicht um eine gesundheitsbezogene Aussage. Der Begriff beschreibe lediglich ein vorübergehendes körperliches Wohlbefinden ohne nachhaltigen Gesundheitsbezug. Dennoch baten die Richter in Form eines Vorlagebeschlusses vorsorglich den EuGH um Beantwortung einiger hiermit zusammenhängender Auslegungsfragen.

EuGH nennt klare Auslegungsrichtlinien

Der EuGH beantwortete die Vorlage klar im Sinne der Vorinstanzen: Nach Auffassung der EuGH-Richter definiert die EU-VO selbst bereits den Begriff der „gesundheitsbezogenen Angaben“ als jede Angabe, die „suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck“ bringt, dass ein Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel und der Gesundheit besteht. Hierbei könne nicht zwischen vorübergehenden, flüchtigen Wirkungen und nachhaltigen gesundheitlichen Wirkungen unterschieden werden. Der Begriff der Bekömmlichkeit suggeriere eindeutig eine positive physiologische Wirkung beim Verbraucher. Dieser Begriff sei im Zusammenhang mit einem alkoholischen Getränk aber zumindest dann irreführend, wenn nicht gleichzeitig auf die gesundheitlichen Gefahren des Alkoholkonsums hingewiesen werde. Es werde nämlich eine insgesamt positive Wirkung suggeriert, die ein alkoholisches Getränk aber grundsätzlich nicht besitze.

Abwägung der Unionsrechte

Auch der Hinweis des BVerwG auf das durch die Unionsrechtsordnung geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit und die unternehmerische Freiheit, die nicht übermäßig eingeschränkt werden dürften, führt nach Auffassung der EuGH-Richter zu keinem anderen Ergebnis.

Zwischen den unterschiedlichen Unionsrechten müsse ein angemessenes Gleichgewicht hergestellt werden. Traditionell messe die Union den Rechten der Verbraucher einen hohen Rang bei. Dies gelte besondere für den Gesundheitsschutz, der hier betroffen sei. Demgegenüber beschränke das Verbot, ein alkoholisches Produkt gesundheitlich positiv darzustellen, die unternehmerische Freiheit nur unwesentlich. Die beanstandete Werbung sei daher nach europäischem Recht unzulässig.

BVerwG muss entscheiden

Nach Beantwortung der Vorlagefragen dürfte das Ergebnis der noch vom BVerwG zu treffenden Endentscheidung feststehen. Für Weinbauern und Winzer wurde damit jedenfalls rechtliche Klarheit hinsichtlich der Grenzen der Werbung im Hinblick auf Gesundheitsargumente geschaffen.

(EuGH, Urteil v. 06.09.2012, C-544/10).

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