Haften Marktbetreiber für Markenverletzungen der Anbieter?

Die für die Betreiber von online-Marktplätzen entwickelten markenrechtlichen Grundsätze finden auch auf physische Marktplätze Anwendung. Dies hat zur Folge, dass etwa Messebetreiber bei Markenverletzungen Maßnahmen ergreifen müssen, um diese abzustellen und gleichartige zukünftige Verletzungshandlungen zu verhindern.

Hintergrund

Die Beklagte im Ausgangsverfahren, Delta Center, ist Mieterin der Prager Markthallen. An den von der Beklagten untervermieteten Ständen wurde von zahlreichen Anbietern gefälschte Markenware verkauft. Als die Kläger des Ausgangsverfahrens hiervon Kenntnis erlangten, beantragten sie vor dem zuständigen tschechischen Gericht, Delta Center zu verpflichten, Mietverträge mit Mietern, die nachweislich Markenverletzungen begangen hatten, nicht abzuschließen oder nicht mehr zu verlängern.

Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens wurde dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV die Frage gestellt, ob die zu online-Marktplätzen ergangene Rechtsprechung auch auf physische Marktplätze übertragbar sei. Der EuGH hatte nämlich im Jahr 2011 in der Sache L´Oréal (C-324/09) entschieden, dass vergleichbare Ansprüche gegen Betreiber von online-Marktplätzen bestehen können.

EuGH, Urteil v. 7.7.2016, Rs. C-494/15

Der EuGH stellt in seiner Entscheidung zunächst klar, dass die maßgebliche Vorschrift des Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG zum Schutz geistigen Eigentums nach ständiger Rechtsprechung dahingehend zu verstehen ist, dass eine Mittelsperson – unabhängig von ihrer eigenen Verantwortlichkeit – verpflichtet werden kann, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Markenverletzung abstellen und weiteren Verletzungen vorbeugen.

Anschließend widmet sich das Gericht der Frage, ob es sich bei Delta Center um einen „Mittelsmann“ im Sinne der Vorschrift handelt. Mittelsmann ist hierbei ein Wirtschaftsteilnehmer, der eine Dienstleistung anbietet, die Dritte dazu nutzen, um Rechte geistigen Eigentums zu verletzen. Dies trifft nach der Auffassung des EuGH auch auf Vermieter von Marktständen zu, wenn die Untermieter den Besuchern der Markthallen Fälschungen von Markenerzeugnissen anbieten. Insoweit unterscheiden sich die Vermieter von Marktständen also nicht von den Betreibern von online-Marktplätzen.

Damit ist Delta Center nach den gleichen Grundsätzen, wie sie für die Betreiber von online-Marktplätzen in der Entscheidung L´Oréal (C-324/09) aufgestellt wurden, zum Handeln verpflichtet. Als Mittelsperson trifft sie keine generelle oder ständige Überwachungspflicht. Wenn aber Kenntnis von Markenrechtsverletzungen besteht, kann die Mittelsperson dazu verpflichtet werden, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Dies betrifft auch Maßnahmen, die erneute gleichartige Verletzungen durch denselben Händler unterbinden.

Anmerkung

Die Entscheidung ist wenig überraschend, enthält aber eine zu begrüßende Klarstellung. Da die maßgeblichen Vorschriften nicht auf den elektronischen Handel beschränkt sind, ist es naheliegend, dass der Betreiber eines physischen Marktplatzes den gleichen Anforderungen unterliegt wie der Betreiber eines online-Marktplatzes. Interessant ist aber, dass im vorliegenden Fall mit der L´Oréal Entscheidung ein Urteil, das einen digitalen Sachverhalt betraf, ausdrücklich auf die analoge Welt übertragen wird.

Durch das Delta Center-Urteil wird deutlich, dass auch die Betreiber von Messen und andere Vermieter großer Flächen durchaus mit markenrechtlichen Fragen konfrontiert sein können, ohne selbst Markenverletzungen zu begehen. Da der nationale Gesetzgeber von einer normativen Umsetzung der maßgeblichen EU-Vorschriften abgesehen hat, würde der Fall nach deutschem Recht über das Institut der sogenannten Störerhaftung gelöst (vgl. BT-Drs. 16/5048, S. 32). An der rechtlichen Bewertung ändert dies nichts, da auch hier die Wertungen des Unionsrechts unmittelbar zu berücksichtigen wären. Die zur Störerhaftung entwickelte Rechtsprechung stellt – wie auch der EuGH in Sachen Delta Center – keine dauerhafte und anlasslose Überwachungspflicht der Mittelsperson auf. Auch Anbieter physischer Markthallen müssen also nicht befürchten, ohne vorherige Anzeichen für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Mieter in Anspruch genommen zu werden.

Werden ein Mittelsmann aber – etwa durch die Markeninhaber – über Rechtsverletzungen in Kenntnis gesetzt, muss er die zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um diese abzustellen und zukünftige Markenverletzungen zu verhindern. Für die Markeninhaber besteht damit umgekehrt eine zusätzliche Möglichkeit, gegen Markenverletzungen vorzugehen. Gerade wenn ein Vorgehen gegen den unmittelbaren Verletzer nicht zweckmäßig erscheint, kann es sinnvoll sein, den Betreiber des digitalen oder analogen Marktplatzes in Anspruch zu nehmen.


Rechtsanwälte Eva Kessler, Sebastian Binder,  Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Schlagworte zum Thema:  Markenrecht