Gesetz gegen Abzocke und Abmahnmissbrauch wird ausgehebelt

Erst seit wenigen Wochen in Kraft, erweist sich das als Befreiungsschlag geplante Anti-Abzocke-Gesetz gegen Abmahnmissbrauch in einigen Punkten als Rohrkrepierer. Abmahn-Kanzleien haben - wie schon bei früheren Gegenmaßnahmen - nicht lange gebraucht, um die erhoffte Wirkung weitgehend zu neutralisieren.

Das Internet hat sich als Spielwiese für mancherlei erwiesen, u.a. auch als Spielwiese für Abmahnmissbrauch. Gegen das aus reiner Gewinnabsicht bertrieben massenhafte Abmahnen relativ harmloser Verstöße hat der Gesetzgeber und haben die Gerichte schon viel versucht, bisher war dagegen aber kein Kraut gewachsen. So scheint es auch diesmal zu laufen.

Abzocken argloser Verbraucher

Der gesamte § 97 a UrhG sollte nach dem Willen des Gesetzgebers eine Schutzvorschrift vor allem für den Verbraucher darstellen. § 97 a Abs. 1 UrhG soll den Betroffenen davor schützen, im Falle einer - möglicherweise unbewussten - Verletzung eines Urheberrechts ohne Vorankündigung mit einem kostenintensiven gerichtlichen Verfahren überzogen zu werden. Aus diesem Grunde ist nach dem Gesetz in der Regel eine schriftliche (kostenpflichtige) Abmahnung vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens erforderlich.

Anwaltskanzleien die ausschließlich von Internet-Abmahnungen existieren

Nachdem inzwischen nicht wenige Anwaltskanzleien ausschließlich von solchen Abmahnungen wegen Verletzung des Urheberrechts vor allem im Internet leben, hat der Gesetzgeber nun mit Einführung des § 97 a Abs. 3 UrhG den Regelstreitwert für die erste Abmahnung auf 1.000 EUR begrenzt. Dies drückt die in diesem Fall vom Abgemahnten zu zahlende Anwaltsgebühr auf ca. 150 EUR.

Gebührendeckelung wird kompensiert

Die Abmahnkanzleien haben auf die neue Lage schnell reagiert. Sie gleichen die Reduzierung der Anwaltsgebühr durch eine entsprechende Erhöhung der Schadensersatzforderung für die Rechtsverletzung aus. Außerdem machen einige Kanzleien zunehmend von der Möglichkeit Gebrauch, bei Mehrfachverletzungen Einzelabmahnungen auszusprechen. Eine der häufigsten Rechtsverletzungen besteht nach wie vor in dem unberechtigten Herunterladen von Musiktiteln und Filmen.

Häufig laden die User mit einem „Klick“ nicht nur einen Titel, sondern eine ganze Reihe von Musiktiteln aus dem Netz herunter. So wird bei dem häufig angeklickten Angebot „German Top 100“ gleich eine Reihe von 100 Stücken heruntergeladen. Die Anwälte stellen dann nicht mehr einen Gesamtschaden, sondern pro Musikstück einen Schaden von 150 EUR in Rechnung. Bis zu diesem Schadenbetrag gingen die Gerichte in der Vergangenheit regelmäßig mit, obwohl solche Musikstücke häufig rechtmäßig für einen Euro zu haben sind. Diese Praxis der Gerichte wird von Verbraucherschutzverbänden deshalb heftig kritisiert.

Gesetzeslücke wird genutzt

Manche Anwälte nutzen auch die nach dem Gesetz vorgesehene Möglichkeit, aus „Billigkeitsgründen“ höhere Gebühren festzusetzen. So fordert nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau die Anwaltskanzlei Sasse & Partner für die vierte Staffel der Serie „The Walking Dead“ Anwaltskosten aus einem Streitwert von 15.000 EUR. Begründung: Die Serie sei so brandaktuell, dass die Berechnung aus einem Streitwert von lediglich 1.000 EUR unbillig sei. Ob diese Begründung vor Gericht zieht, bleibt abzuwarten.

Einige Vorteile für die Usern bleiben

Nicht aushebeln können die Abmahnkanzleien die neue Regelung, dass eine Klage gegen den User nicht an jedem Gericht in der Bundesrepublik sondern nur noch am Wohnsitz des Users erhoben werden kann. Auch die Verzehnfachung der Bußgelder gegen schwarze Schafe der Branche (auch bei unerlaubter Telefonwerbung), scheint eine gewisse Wirkung zu zeigen.

4,3 Millionen User abgemahnt

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat im Jahr 2012 eine repräsentative Umfrage veröffentlicht. Danach sind in den vergangenen Jahren rund 4,3 Millionen Deutsche abgemahnt worden. Betroffen sind besonders häufig Eltern von Kindern, die Videos oder Musikstücke aus dem Internet herunterladen.

Rechtslage noch nicht völlig klar

Im einzelnen dürften die zukünftig nach der neuen Gesetzeslage ergehenden Gerichtsentscheidungen spannend werden. Insbesondere die Frage, in welchen Fällen die Rechtsprechung aus Billigkeitsgründen eine Erhöhung der Anwaltsgebühren zulässt, dürfte interessant sein. Grundsätzlich gilt für den Verbraucher: Eine Abmahnung sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. In jedem Fall ist es sinnvoll, folgende Punkte zu beachten:

  • Betroffene sollte vorgefertigte Unterlassungserklärungen nicht unterschreiben, sondern sich gegebenenfalls eine individuelle Unterlassungserklärung von einem Anwalt formulieren lassen.
  • Abmahnkosten oberhalb eines Betrages von 150 EUR sollte man grundsätzlich nicht bezahlen, sondern auch insoweit Rechtsrat einholen.

Wichtig: Zu beachten ist, dass nach Abgabe einer Unterlassungserklärung der illegale Download deutlich gefährlicher wird, da die Vorteile der Erstbegehung entfallen und schnell bis zu 5.000 EUR für einen Verstoß fällig werden können.

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