Gesellschaftsrecht: Risiko der strengen Ausfallhaftung

Kommt ein Gesellschafter einer GmbH seiner Einlageverpflichtung nicht nach, regelt das GmbH-Gesetz detailliert, welche Maßnahmen zur Sicherstellung der Kapitalaufbringung von der Gesellschaft zu treffen sind. Das letzte der Gesellschaft im Rahmen des sog. Kaduzierungsverfahrens zur Verfügung stehende Mittel stellt dabei die Ausfallhaftung der „übrigen Gesellschafter“ nach § 24 GmbHG dar. Der BGH hat dieses – häufig übersehene – Rechtsinstitut nun auch auf Gesellschafter angewendet, die ihre Gesellschafterstellung erst nach Fälligkeit der Einlageforderung, derentwegen das Kaduzierungsverfahren eingeleitet wurde, erworben haben.

Überblick über das Kaduzierungsverfahren

Bevor nach § 24 GmbHG auf die „übrigen Gesellschafter“ zurückgegriffen werden kann, müssen zwingend eine ganze Reihe vorhergehender Schritte unternommen werden:

  1. Der Gesellschafter, dessen Anteil eingezogen werden soll, muss mit der Zahlung seiner Einlage säumig sein.
  2. Die Gesellschaft muss gem. § 21 Abs. 1 GmbHG eine erneute Aufforderung zur Zahlung der Einlage innerhalb einer Nachfrist von mindestens einem Monat an den Gesellschafter richten.
  3. Nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist kann die Gesellschaft den Geschäftsanteil und den bisher auf ihn geleisteten Teil der Stammeinlage nach § 21 Abs. 2 GmbHG für verlustig erklären.
  4. Die Verlustigerklärung eröffnet sodann die Möglichkeit des Rückgriffs auf etwaige Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen Gesellschafters gem. § 22 GmbHG.
  5. Hilfsweise kann die Gesellschaft auch versuchen, die Stammeinlage durch Verwertung des Geschäftsanteils im Wege der öffentlichen Versteigerung gem. § 23 GmbHG zu beschaffen.
  6. Waren die Inanspruchnahme etwaiger Rechtsvorgänger oder eine Versteigerung erfolglos oder von vornherein aussichtslos, haftet der Gesellschaft subsidiär hierzu der ausgeschlossene Gesellschafter nach § 21 Abs. 3 GmbHG.
  7. Wurden alle in §§ 21 bis 23 GmbHG vorgeschriebenen Schritte des Kaduzierungsverfahrens durchlaufen, schließt § 24 GmbHG das Verfahren ab und ermöglicht einen Rückgriff auf die „übrigen Gesellschafter“. Der BGH hat diese Ausfallhaftung der weiteren Gesellschafter nun deutlich ausgeweitet.

Zum Sachverhalt der Entscheidung

Der Gründer einer Ein-Mann-GmbH hat seine nach dem Gesellschaftsvertrag sofort fällige Bareinlage zwar erbracht, diese aber nahezu vollständig vor Eintragung der Gesellschaft wieder an sich zurückgezahlt. Zudem bestand bei Eintragung eine erhebliche Unterbilanz.
In der Folgezeit teilte der Gründer seinen Geschäftsanteil in drei Anteile und verkaufte zwei davon im Nennbetrag von jeweils 15 % des Stammkapitals an die zwei Beklagten. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet wurde, erhob der Insolvenzverwalter zunächst Klage gegen alle drei Gesellschafter als Gesamtschuldner auf Leistung der offenen Stammeinlage und Erstattung der Unterbilanz. Gegen die beiden Erwerber war die Klage nur in Höhe ihres jeweiligen Anteils am Stammkapital erfolgreich.
Nach erfolgloser Zwangsvollstreckung in Deutschland gegen den zwischenzeitlich nach Spanien verzogenen Gründer leitete der Kläger das Kaduzierungsverfahren gegen diesen ein und erhob zudem Klage gegen die beiden Erwerber der Anteile auf Ausfallhaftung für die gegen den Gründer titulierten Ansprüche aus Unterbilanzhaftung und Leistung der Einlage. Im Laufe des Rechtsstreits hat der Kläger den Geschäftsanteil des Gründers erfolgreich kaduziert.
Während das Landgericht der Klage noch stattgegeben hatte, hat das daraufhin angerufene Berufungsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass hinsichtlich der Gesellschaftereigenschaft nach § 24 GmbHG auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Einlageforderung abzustellen sei. Es genüge nicht, dass die Gesellschaftereigenschaft irgendwann zu einem Zeitpunkt bestanden habe, zu dem die bereits eingetretene Fälligkeit der Forderung fortbestanden habe.
Hiergegen wendete sich wiederum der klagende Insolvenzverwalter mit seiner Revision und begehrte Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.


Die Entscheidung des BGH (Urteil vom 18.09.2018 – II ZR 312/16)


Der BGH hat die Haftung der beiden Beklagten – bei unterstellter Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung gegen den Gründer nach § 21 Abs. 3 GmbHG in Spanien – dem Grunde nach bejaht, die Sache aber zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen.
Nach dem Senat steht der Haftung der Beklagten als „übrige Gesellschafter“ i.S.v. § 24 GmbHG nicht entgegen, dass sie ihre Geschäftsanteile erst nach Fälligkeit der Forderungen, derentwegen das Kaduzierungsverfahren eingeleitet wurde, erworben haben. § 24 GmbHG enthalte nach seinem Wortlaut keine Unterscheidung danach, ob die übrigen Gesellschafter ihre Gesellschafterstellung vor oder erst nach Fälligkeit der dem Kaduzierungsverfahren zugrundeliegenden Forderung erworben hätten. Gegen eine solche Unterscheidung spreche zudem dessen Schutzzweck. Die Vorschrift diene der Sicherung der Kapitalaufbringung und dem damit verknüpften Gläubigerschutz. Sie sei Ausdruck der subsidiären Gesamtverantwortung sämtlicher Gesellschafter für die Aufbringung des Stammkapitals. Diese Verantwortung treffe grundsätzlich alle Gesellschafter, die ab Fälligkeit der betreffenden Einlageforderung Mitglied der Gesellschaft sind, bis der rückständige Betrag erbracht worden ist. Zu welchem Zeitpunkt sie in diesem Zeitraum ihre Gesellschafterstellung erworben hätten, sei dabei ohne Belang. Grundsätzliche treffe die Ausfallhaftung damit jeden „Zwischenerwerber“.
Dass die Beklagten ihre Beteiligungen von dem bisherigen Alleingesellschafter erworben hätten, für den als solchen noch keine Ausfallhaftung für andere Mitgesellschafter nach § 24 GmbHG bestehen konnte, gebe ebenfalls keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Mit der Teilung des Geschäftsanteils des Alleingesellschafters sei die Haftung nach § 24 GmbHG für jeden der dadurch entstandenen Geschäftsanteile jeweils bezüglich der auf die übrigen neuen Geschäftsanteile entfallenden fälligen Forderungen ausgelöst worden.

Anmerkung

Der BGH hat die solidarische Ausfallhaftung der Mitgesellschafter nach § 24 GmbHG mit seinem Urteil deutlich ausgeweitet und sich gegen die teilweise in Rechtsprechung und Literatur befürwortete restriktive Anwendung der Vorschrift positioniert.
Durch die Gesamtverantwortung aller Gesellschafter soll die Aufbringung des Stammkapitals zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger unter allen Umständen sichergestellt werden.
Auf der anderen Seite birgt diese Besonderheit des GmbH-Rechts erhebliche Haftungsrisiken für die Gesellschafter. § 24 GmbHG durchbricht dabei den Grundsatz, wonach jeder Gesellschafter nur für die Aufbringung seiner Einlage haftet. So können die Gesellschafter im Rahmen von § 24 GmbHG zwar nicht gesamtschuldnerisch, sondern nur anteilig nach dem Verhältnis der von ihnen übernommenen Stammeinlagen in Anspruch genommen werden. Allerdings statuiert § 24 S. 2 GmbHG eine Mithaftung pro rata für die auf die anderen Mitgesellschafter entfallenden Haftungsanteile. Diese Mithaftung kann dazu führen, dass im Extremfall ein nur geringfügig beteiligter Gesellschafter für die Aufbringung des gesamten Stammkapitals haftet, sofern er der einzige solvente Gesellschafter ist. Hinzukommt, dass die Ausfallhaftung gem. § 24 GmbHG den Anspruch aus der Unterbilanzhaftung mitumfasst und sich damit nicht auf die Höhe des Stammkapitals beschränkt.
Fazit: Da eine Haftungsbeschränkung im Anteilskaufvertrag der Gesellschaft gegenüber gem. § 25 GmbHG unwirksam ist und auch entsprechende Garantien bei Mittellosigkeit des Veräußerers im Zweifel wertlos sind, sollte vor dem Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung stets sorgsam geprüft werden.


Rechtsanwälte Dr. Barbara Mayer und Dr. Moritz Jenne, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Schlagworte zum Thema:  Haftung, GmbH, Insolvenz